Stellungnahme: 22-02


zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Berliner Richtergesetzes (SenJustVA I A 3 – 3110/1/1)

Stellungnahme vom

Der Landesverband Berlin des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vorgelegten Gesetzentwurf.

Ziel des Gesetzes

Der djb begrüßt die Zielsetzung des Entwurfs, die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen der Richter*innen und Staatsanwält*innen gesetzlich zu regeln. Nach Überzeugung des djb sind Transparenz und klare gesetzliche Vorgaben für dienstliche Beurteilungen essenziell für eine diskriminierungsfreie Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG und damit für die Herstellung der Gleichstellung von Frauen und Männern (vgl. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 VvB) bei Einstellungen und Beförderungen in der Justiz.

Der vorliegende Entwurf wird dieser Zielsetzung jedoch nur teilweise gerecht. Insbesondere hält der djb weitere Vorgaben im Gesetz zur Ausgestaltung des Beurteilungswesens für erforderlich.

Nach Art. 33 Abs. 2 GG sind Auswahlentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu treffen. Dienstliche Beurteilungen sind bei Auswahlentscheidungen zentral für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts auf ein angemessenes berufliches Fortkommen, das nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 –, BVerfGE 141, 56-81, Rn. 31).

In diesem geschlechterneutral angelegten Beförderungsregime zeigen Untersuchungen (vgl. dazu etwa das Evaluationsgutachten über die Wirksamkeit des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst sowie über den Erfüllungsaufwand, BT-Drs. 19/24615, S. 236 ff.) gleichwohl eine Ungleichbehandlung von Frauen, die trotz gleich guter Einstiegsleistungen bei Beurteilungen vielfach schwächer als ihre männlichen Konkurrenten abschneiden. Dahinter können auch Vorurteile, Rollenklischees und Geschlechterstereotypen stehen. Dies widerspricht der Verpflichtung des Staates zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nach Art. 3 Abs. 2 GG bzw. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 VvB.

Ziel der gesetzlichen Neuregelung muss daher auch eine Überwindung diskriminierender Mechanismen bei der Erstellung dienstlicher Beurteilungen sein. Dies sollte im Gesetzentwurf noch klarer zum Ausdruck kommen. Insbesondere sollte auch eine Regelung zur Veröffentlichung von Beurteilungsergebnissen ergänzt werden.

 

Zu den Regelungen im Einzelnen:

Zu § 9 Absatz 1:

Der djb begrüßt die gesetzliche Festlegung der Mindestanzahl der vor einer Ernennung auf Lebenszeit zu erstellenden Beurteilungen. Die vorgeschlagene Reduzierung der Mindestanzahl für die Beurteilungen der Proberichter*innen auf zwei statt bisher drei Beurteilungen[1] kann aus Sicht des djb insbesondere dazu beitragen, Ungleichbehandlungen etwa aufgrund familienbedingter Abwesenheitszeiten während der Probezeit zu vermeiden.

Zu § 9 Absatz 2:

Der djb begrüßt die gesetzliche Festlegung der bisher nur in der BeurteilungsAV festgelegten Beurteilungspraxis in den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift.

Zu § 9 Absatz 3:

Der djb begrüßt die gesetzliche Festlegung des bisher nur in der BeurteilungsAV festgelegten Beurteilungsverfahrens und die ergänzte Teilnahmemöglichkeit für die Frauenvertreterin und die Schwerbehindertenvertretung auf Verlangen der Richter*innen oder Staatsanwält*innen.

Zu § 9 Absatz 4:

Die Vorschrift sieht die Ausgestaltung des Beurteilungswesens durch Rechtsverordnung der für Justiz zuständigen Senatsverwaltung vor. Nach Art. 64 Abs. 1 S. 2 VvB müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden.

Der djb hält unter dem Gesichtspunkt der Transparenz und angesichts der zentralen Bedeutung dienstlicher Beurteilungen für den beruflichen Erfolg über die jüngst vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Mindestanforderungen hinaus die Festlegung weiterer Vorgaben unmittelbar in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für erforderlich, insbesondere zum Inhalt der Beurteilung. Nach dem auch für die Ausgestaltung der grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG geltenden Parlamentsvorbehalts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322, 1989/12 – BVerfGE 139, 19Rn. 52 ff.) müssen die wesentlichen Vorgaben für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen vom Gesetzgeber bestimmt werden. Unter Berücksichtigung der Pflichten aus Art. 3 Abs. 2 GG bzw. Art. 10 Abs. 3 Satz 2 VvB sollte deshalb bereits in der gesetzlichen Ermächtigungsnorm selbst klargestellt werden, dass Aspekte der Gleichstellung bei der Erstellung der Beurteilungskriterien zu berücksichtigen sind. Ferner sollte mindestens eine Verpflichtung zu einer regelmäßigen Evaluierung der Beurteilungskriterien im Gesetz festgeschrieben werden. Eine Überarbeitung der Kriterien muss zwingend erfolgen, wenn sich etwa nach der Erstellung eines Gender-Notenspiegels herausstellen sollte, dass einzelne Kriterien oder ihre Anwendung zu Diskriminierungen bei der Erstellung von Beurteilungen führen.

Neu: § 9 Absatz 5:

Um den geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Beurteilungswesens entgegenzuwirken, ist eine differenzierte Beurteilungsstatistik erforderlich. Der djb regt an, diese gesetzlich wie folgt zu verankern.

Hierfür macht der djb folgenden Regelungsvorschlag:

Die Ergebnisse von Beurteilungsrunden (bei Stichtagsbeurteilung) oder aus Beurteilungszeiträumen werden geschlechtsbezogen und nach Regelbeurteilung sowie Anlassbeurteilung differenziert veröffentlicht. Hierbei wird auch nach Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung unterschieden.

Begründung:

Die Erfahrung zeigt, dass Beurteilte regelmäßig ihre Ergebnisse und Erfahrungen nicht teilen. Systemische, diskriminierende Benachteiligungen können deshalb von Beurteilten nicht aufgedeckt werden. Dem kann durch eine hinreichend differenzierte Beurteilungsstatistik deutlich entgegengewirkt werden. Die Ergebnisse von Beurteilungsrunden (bei Stichtagsbeurteilung) oder aus Beurteilungszeiträumen müssen daher geschlechtsbezogen und nach Regelbeurteilung sowie Anlassbeurteilung differenziert veröffentlicht werden. Eine entsprechende Regelung sollte deshalb ergänzt werden.

 

Georgia von der Wettern, LL.M.
Vorsitzende des Landesverbands Berlin

 

PD Dr. Sina Fontana, MLE
Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht,
Öffentliches Recht, Gleichstellung

 


[1]    S. § 3 Abs. 1 der Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung der Senatsverwaltung für Justiz und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen über die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vom 16. Juni 2005 (ABl. S. 2289), zuletzt geändert durch Gemeinsame Allgemeine Verfügung zur Änderung der Gemeinsamen Allgemeinen Verfügung über die dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte vom 18. August 2011 (ABl. S. 2156) - BeurteilungsAV