Stellungnahme: 21-02


zu dem Entwurf für ein Gesetz zur Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke im Land Brandenburg

Stellungnahme vom

Im Namen des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb) bedanke ich mich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Entwurf für ein Gesetz zur Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke.
Der djb begrüßt das Ziel, für eine Präsenz der Justiz in der Fläche und damit für eine gute Er-reichbarkeit der Gerichte Sorge zu tragen. Dieses Ziel ist frauen- und gleichstellungspolitisch von erheblicher Bedeutung. Eine gut erreichbare Justiz, mit möglichst kurzen Wegen und niedrigschwelligen Dienstleistungsangeboten ist gerade für Frauen wichtig. Infrastrukturent-scheidungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, auch bezogen auf Zugang zum Recht, müssen im Blick behalten, dass Frauen in ländlichen Räumen von Mobilitätsproblemen häufiger betroffen sind (Frauen verfügen z.B. häufiger über kein eigenes Auto oder einen Führerschein) und gleichzeitig nach wie vor einen Großteil der Sorgearbeit leisten und damit zeitlich weni-ger flexibel sind. Insofern regt der djb an, bei den anstehenden Entscheidungen der Neustrukturierung das Thema „Justiz für Frauen“ intensiv in den Blick zu nehmen.
In den Unterlagen zum Gesetzentwurf sind allerdings Grundlagen und genauer Inhalt des beabsichtigen Vorgehens in entscheidenden Fragen unklar.

1. Grundlage der beabsichtigten Neustrukturierung


Was die Grundlage für die beabsichtigte Neustrukturierung angeht, so stützt sich der Entwurf des Ministeriums der Justiz (MdJ) ausschließlich auf die zurückgehenden Fallzahlen der letzten Jahre und eine Prognose der demographischen Entwicklung. Die für die Arbeitsge-richtsbarkeit besonders wichtige konjunkturelle Entwicklung wird nicht betrachtet, obwohl etwa der Strukturwandel im Braunkohlerevier der Lausitz absehbare Probleme aufwirft und die Folgen der Corona-Pandemie für den Dienstleistungssektor mit seinem hohen Frauenanteil an den Beschäftigten voraussehbar schwerwiegende Folgen haben wird.
Auch ist nicht plausibel dargestellt, wie sich der Bedarf an Stellen für Richterinnen und Richter auf die geplanten Standorte verteilen soll. Auf Seite 2 der Begründung des Gesetzentwurfs wird ein „richterlicher Personalbedarf von 19,57 Arbeitskraftanteilen“ benannt, der sich so auf die vier neuen Standorte verteilen soll, dass jedes Gericht über „etwa fünf bis sie-ben Richterinnen und Richter“ verfügt. Diese Verteilung geht schon rechnerisch nicht auf (5 x 4 = 20, so dass für kein Gericht sieben Stellen übrigbleiben). Außerdem ergeben die auf Sei-ten 4 ff konkret benannten „Richterarbeitskräfte“ für die neuen Standorte nur die Zahl 18, nämlich 6 in Brandenburg a.d.H., 5 in Frankfurt (Oder), 3 in Neuruppin und 4 in Cottbus.

2. Inhalt der beabsichtigten Neustrukturierung


Selbst wenn man von einer korrekt ermittelten Ausgangslage ausgeht, vermögen wichtige Aspekte des geplanten Gesetzes für Frauen vor Ort nicht zu überzeugen. Insbesondere seien hier die Aufgabe des Standorts Potsdam und die Art der Einrichtung der Gerichtstage genannt.
Die Entscheidung für den Standort Brandenburg a.d.H. zulasten des Standorts Potsdam überrascht bereits angesichts der deutlich geringeren Fallzahlen in Brandenburg a.d.H. im Vergleich zu denen in Potsdam. Dieses Ungleichgewicht wird im Gesetzentwurf noch dadurch verstärkt, dass der Landkreis Havelland aus der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbezirks Brandenburg a.d.H. ausscheiden soll. Schließlich zeigt der in der Gesetzesbegründung bemühte Vergleich zu den vier Standorten der Sozialgerichtsbarkeit – Neuruppin, Frankfurt (Oder), Cottbus und Potsdam –, dass eine parallele Struktur der beiden Gerichtszweige für die Bürger*innen nachvollziehbarer wäre.
Die geplante Einrichtung von Gerichtstagen nach § 14 Abs. 4 Arbeitsgerichtsgesetz wirkt zunächst wie ein vielversprechender Ansatz, um eine Präsenz der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Fläche und damit die Erreichbarkeit für Frauen zu gewährleisten. Eine solche Präsenz ist ins-besondere deshalb wichtig, weil in der Arbeitsgerichtsbarkeit für eine Vielzahl von Güteterminen und mündlichen Verhandlungen besonders häufig Termine anberaumt werden. Allerdings ist die beabsichtigte Regelung auf Verordnungsebene denkbar allgemein geregelt. Abgesehen davon, dass die Regelung jederzeit im Verordnungswege geändert oder wieder aufgehoben werden kann, fehlen entscheidende Festlegungen, die eine Präsenz vor Ort erst wirksam werden lassen. So fehlt es an einer Regelung über die Ausstattung der Gerichtsstandorte mit Personal des nichtrichterlichen Dienstes. Außerdem bleibt unklar, ob eine Ar-beitnehmerin am größten Industriestandort Brandenburgs, Schwedt/Oder, nach Neuruppin reisen muss, um die Rechtsantragsstelle aufsuchen zu können, oder ob sie diese Dienstleistung am Gerichtsstandort Eberswalde erhalten kann. Auch ist nicht festgelegt, wie häufig und vor allem wie zeitnah für die Antragsteller*innen und Kläger*innen die Gerichtstage abgehalten werden. Das ausgesprochene Ziel, die Justiz in der Fläche präsent zu halten, ist damit nicht garantiert.


Dr. Marianne Czisnik Vorsitzende des Landesverbands Brandenburg