Stellungnahme: 19-22


zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für ein Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens

Stellungnahme vom

1. Beschleunigung

Der djb befürwortet und begrüßt unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen zur Verfahrensbeschleunigung. Er sieht jedoch darüber hinaus gehenden Reformbedarf.

Eine lange Dauer von Strafverfahren stellt – neben den grundsätzlich hiermit verbundenen, oft erheblichen Schwierigkeiten bei der Wahrheitsfindung – insbesondere für Kinder und Jugendliche, die Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sind, und ihre Familien eine große Belastung dar.[1] Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass im Interesse der Vermeidung suggestiver Einflüsse auf die Aussagen von Opferzeug*innen oftmals von einer Therapie vor Abschluss der Zeug*innenvernehmung abgeraten wird, sodass dem Kind wertvolle Hilfe zur Bewältigung des Erlebten nicht geleistet wird. Aus diesen Gründen ist eine gesetzliche Vorschrift zur Beschleunigung des Strafverfahrens bei Vorwürfen von Sexualstraftaten zu Lasten von Kindern oder Jugendlichen dringend erforderlich. Der Grundsatz, dass gerichtliche Verfahren, die sich belastend auf Kinder auswirken, besonders beschleunigt durchzuführen sind, ist dem Gesetz auch sonst nicht fremd. § 155 Abs. 1 FamFG legt die vorrangige und beschleunigte Durchführung besonders belastender Kindschaftssachen fest und könnte als Vorbild für besonders belastende Strafverfahren, etwa wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen, dienen.

Die European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) hat in einer Studie[2] zur Berücksichtigung der Rechte von Kindern in Gerichtsverfahren in der EU festgestellt, dass „in sieben der zehn untersuchten EU-Mitgliedsstaaten spezifische rechtliche Bestimmungen [existieren], durch die unangemessene Verzögerungen in Strafverfahren, an denen Kinder beteiligt sind, verhindert werden sollen“[3]. Als Maßnahmen werden eine Beschränkung der Verfahrensdauer, der Vorrang der Geschwindigkeit in diesen Verfahren, und die Durchführung der Vernehmungen der Kinder ohne ungebührliche Verzögerung benannt. Dementsprechend fordert die FRA in ihrer Stellungnahme Nr. 12: „Die EU-Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass die Dauer von Straf- und Zivilverfahren durch die Einführung wirksamer Verfahrensga­rantien zur Vermeidung unangemessener Verzögerungen und unnötiger mehrfacher Anhö­rungen von Kindern dem Kindeswohl entspricht.[4] Eine Verfahrensbeschleunigung wäre auch im wohlverstandenen Interesse der Beschuldigten angesichts der besonderen Belastungen, die mit dem Vorwurf von Sexualstraftaten gegen Kinder oder Jugendliche für sie verbunden sind. Eine Beschleunigung des Verfahrens darf indes nicht zu Lasten gründlicher Ermittlungen gehen.

Der djb schlägt vor, eine gesetzliche Regelung zum Beschleunigungsgebot von Verfahren mit Beteiligung von minderjährigen Opfern und Zeug*innen zu schaffen.

2. Ergänzung § 58a Abs. 1 StPO

Der djb begrüßt die mit der in Artikel 1 Nr. 4 des Referentenentwurfs vorgesehenen Änderung und Erweiterung von § 58a Abs. 1 StPO verbundenen Bestrebungen, auch erwachsene Opfer von Sexualstraftaten vor Mehrfachvernehmungen zu bewahren. Der derzeitige Regelungsvorschlag ist indes umständlich und nicht widerspruchsfrei.

Bislang enthält § 58a Abs. 1 S. 2 StPO eine „Soll“-Vorschrift zur audio-visuellen richterlichen Vernehmung von Personen unter 18 Jahren, die durch eine der in § 255a Absatz 2 StPO genannten Straftaten – zu denen auch solche gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j StGB) gehören – verletzt worden sind.

Die im Referentenentwurf vorgesehene Ergänzung des § 58a Abs. 1 StPO um einen neuen Satz 3 („Die Vernehmung muss nach Würdigung der dafür jeweils maßgeblichen Umstände aufgezeichnet werden und als richterliche Vernehmung erfolgen, wenn damit die schutzwürdigen Interessen von Personen, die durch Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches) verletzt worden sind, besser gewahrt werden können und der Zeuge der Bild-Ton-Aufzeichnung vor der Vernehmung zugestimmt hat.“) überschneidet sich in ihrem Anwendungsbereich mit § 58a Abs. 1 S. 2 StPO: Nach dem Regelungsvorschlag wird es einerseits eine „Soll“-Vorschrift (Satz 2) und andererseits eine „Muss“-Vorschrift (Satz 3) geben, die gleichermaßen Minderjährige erfassen, die Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184j des Strafgesetzbuches) geworden sind. Die Frage, in welchem Verhältnis diese Vorschriften zueinanderstehen, beantwortet der Referentenentwurf nicht.

Es liegt nahe, im Anwendungsfall zunächst die strengere „Muss“-Vorschrift zu prüfen. Während diese die Zustimmung des Opfers verlangt, hat das Opfer im Rahmen der „Soll“-Vorschrift die Aufzeichnung zu dulden (vgl. BeckOK, StPO/Huber, Juli 2019, § 58a, Rn. 11). Die „Soll“-Vorschrift scheint nach dem Regelungsvorschlag für minderjährige Opfer von Sexualstraftaten also dann zu greifen, wenn es an der Zustimmung des Opfers fehlt. Weshalb die Regelungen hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses differenzieren, leuchtet indes nicht ein. Dies gilt auch, soweit in Satz 2 kindliche und jugendliche Opfer von anderen Straftaten erfasst sind.

Darüber hinaus ist problematisch, dass der Einsatz der audiovisuellen Vernehmung in der Praxis äußerst unterschiedlich gehandhabt wird und hiervon – auch bei minderjährigen Zeug*innen oder denjenigen, die als Minderjährige von der Tat betroffen waren – das in der aktuellen Regelung vorgesehene Regel-Ausnahme-Verhältnis oft nicht beachtet wird. Dies hat verschiedene Gründe. Dazu zählen u.a. die mangelnde technische Ausstattung der Gerichte, oder, wenn diese prinzipiell für Hauptverhandlungen vorhanden ist, mangelnde Möglichkeit des Einsatzes im Ermittlungsverfahren; die Überlastung der Schreibkräfte bei der Transkription; und die mangelnde Fortbildung in der Vernehmung kindlicher Zeug*innen oder besonders belasteter Zeug*innen durch Ermittlungsrichter*innen.

Der Referentenentwurf geht davon aus, dass zwar Mehrkosten entstehen können, diese jedoch gering sein dürften, da bereits jetzt aufgrund der Sollvorschrift des § 58a Absatz 1 Satz 2 StPO davon auszugehen sei, dass in vielen Gerichten die erforderliche Videotechnik inzwischen angeschafft worden sei. Es werden jedoch nicht nur Mehrkosten hinsichtlich der Technik entstehen, sondern auch hinsichtlich des erforderlichen Personals für die Transkriptionsarbeit.

Richterliche Vernehmungen werden teilweise nicht angeordnet, da Ermittlungsrichter*innen oft nicht geschult sind in der Vernehmung kindlicher Zeug*innen und die Staatsanwaltschaften daher oft die Vernehmung durch Polizeibeamt*innen bevorzugen. Wenn Ermittlungsrichter*innen, die in der Regel mit Haftsachen beschäftigt sind, eine entscheidende Rolle bei der Vernehmung von Opferzeug*innen im Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs spielen, ist zu gewährleisten, dass sie hierfür gesondert geschult werden oder dass für diese ermittlungsrichterliche Tätigkeit nur entsprechend spezialisierte Richter*innen bestimmt werden. Mit der Einrichtung von Kompetenzzentren, wie in den Empfehlungen zur Verbesserung der Situation von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend betroffener Menschen in Ermittlungs- und Strafverfahren von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauch empfohlen, könnte dies auch gewährleistet werden. Ohne Aufstockung des Budgets von Polizei und Justiz und Lösung der praktischen Probleme bleibt die Neuregelung praktisch schwer umsetzbar.

Auch durch die Einführung einer Muss-Vorschrift für kindliche Zeug*innen und diejenigen, die als Kind betroffen waren, kann die Durchsetzung gegen praktische Widerstände nicht erzwungen werden, wenn es keine Rechtsmittel für die Zeug*innen gibt, die es ihnen ermöglichen, bei Verweigerung einer audiovisuellen Aufnahme diese Entscheidung überprüfen zu lassen.

Die geplante Neuregelung, dass ein Widerspruch gegen die Vorführung in der Hauptverhandlung nur unmittelbar nach der Aufzeichnung erfolgen kann, sieht der djb kritisch, da Zeug*innen damit nicht mehr möglich ist, später selbst über die Verwendung einer Videoaufzeichnung in öffentlicher Hauptverhandlung zu bestimmen. Insbesondere im unmittelbaren Anschluss an eine Erstvernehmung sind Zeug*innen oft nicht in der Lage, die Tragweite ihrer Entscheidung für eine Vorführung in der Hauptverhandlung abzuschätzen. Dieses Recht muss ihnen daher auch noch zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt werden.

Sinnvoll wäre daher zusätzlich eine Evaluation des bisherigen Einsatzes audiovisueller Vernehmungen durch Polizei und Ermittlungsrichter*innen und der tatsächlichen Anwendung des § 255a StPO, um Probleme bei der Umsetzung genauer zu definieren.

3. Ergänzungen zu § 397a Abs. 1 StPO

Der djb begrüßt die Erweiterung der Beiordnungsmöglichkeiten in § 397a Abs. 1 StPO nach Artikel 1 Nr. 17 des Referentenentwurfes. Über die Verweisung in § 406g Abs. 3 StPO erlangt diese Änderung auch eine begrüßenswerte Bedeutung für die Psychosoziale Prozessbegleitung.

Es bleibt indes zu kritisieren, dass auch weiterhin Sexualstraftaten nach § 177 StGB, die als Vergehen einzustufen sind, bei Erwachsenen von der Beiordnungsmöglichkeit ausgenommen bleiben, sofern kein Mangel an ausreichender eigenständiger Interessenwahrnehmung vorliegt. Es sind Fälle denkbar, in denen eine Interessenwahrnehmung zwar möglich erscheint, die Verhandlung und die Vernehmung des*der Zeug*in selbst aber retraumatisierende Effekte entfaltet, die eine anwaltliche Interessenvertretung zwingend notwendig erscheinen lassen. In Fällen einfacher und gefährlicher Körperverletzung nach §§ 223, 224 StGB oder der „einfachen“ Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB ist eine Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO nach wie vor grundsätzlich ausgeschlossen.[5]

Diese fehlende Beiordnungsmöglichkeit muss aus unterschiedlichen Gesichtspunkten heraus kritisiert werden.

Zunächst entsteht in Fällen eines versuchten Tötungsdeliktes regelmäßig das Problem, dass die Abgrenzung zwischen versuchtem Tötungs- und Körperverletzungsdelikt erst im Prozessverlauf getroffen werden kann. In der Praxis ist die Annahme des einen oder anderen Falls im frühen Prozessstadium der Anklage und der Eröffnung des Verfahrens häufig nur eine Frage der Interpretation mit erheblichen Konsequenzen für die Beiordnung der Nebenklagevertretung und der psychosozialen Prozessbegleitung für die Opfer. Eine Ausdehnung der Beiordnungsmöglichkeit auch auf die Körperverletzungsdelikte würde insoweit Abhilfe schaffen.

Die Lücken in der Möglichkeit der Beiordnung sind aber insbesondere auch mit den Vorgaben der Istanbul-Konvention nicht vereinbar. Die Istanbul-Konvention sieht einen umfassenden Schutz von Gewaltopfern und Opfern häuslicher Gewalt vor. Nach Art. 56 der Konvention treffen die Vertragsparteien „die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um die Rechte und Interessen der Opfer, insbesondere ihre besonderen Bedürfnisse als Zeuginnen und Zeugen, in allen Abschnitten der Ermittlungen und Gerichtsverfahren zu schützen“. Dem Gesetzgeber kommt insoweit zwar ein nicht unerheblicher Ermessenspielraum zu. Nach der derzeitigen Regelung sind aber gerade jene Delikte von der Beiordnungsmöglichkeit ausgeschlossen, die typischerweise in Fällen von Gewalt gegen Frauen und bei häuslicher Gewalt auftreten, nämlich die Körperverletzung und Formen der Nachstellung, die zwar erheblich sind, aber keine (Erfolgs-)Qualifikationen im Sinne des § 238 Abs. 2 oder 3 StGB darstellen. Gerade mit Blick auf die erheblichen körperlichen und psychischen Auswirkungen, die Gewalt gegen Frauen (in Nähebeziehungen) mit sich bringt, mahnt der djb eine Ausweitung der Beiordnungsmöglichkeiten auf diese Delikte an.

4. Neuschaffung einer Regelung nach § 397a Abs. 1 StPO (gemeinschaftliche Nebenklagevertretung)

Der Referentenentwurf sieht in Artikel 1 Nr. 18 eine Neuregelung zur gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung in einem neuen Paragrafen § 397b StPO vor. Dem Gericht soll insoweit ein Entschließungs- und Auswahlermessen zukommen.

Der djb sieht die Neuregelung kritisch. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass Opfern ein*e Rechtsanwalt*anwältin gegen deren Willen beigeordnet werden kann. Zugleich ist fraglich, ob ein*e einzelne*r Rechtsanwalt*anwältin eine angemessene rechtliche Vertretung einer sehr großen Anzahl von Opfern sichern kann und durch die vom RVG vorgesehene Gebühr angemessen entlohnt wird.

Mit Blick auf die Begründung des Referentenentwurfes wird eine Regelung für wenige Extremfälle geschaffen (z.B. terroristische Anschläge mit hunderten von Opfern, NSU-Prozess), die aber auch in Fällen mit deutlich weniger Opfern eine Bündelung wider Willen ermöglichen würde. Schon nach jetziger Rechtslage ist eine Mehrfachvertretung im Rahmen der Nebenklage möglich. Insbesondere in den im Referentenentwurf genannten Fällen, also bei einer familiären Nähebeziehung (Elternteil und minderjähriges Kind), kann sich eine Bündelung der Nebenklage als sinnvoll erweisen und wird auch bisher schon praktiziert. Auch in familiären Nähebeziehungen ist die Grenze jedenfalls dort zu ziehen, wo die Interessen der Opfer unterschiedlich sind. Das wird bei kindlichen und erwachsenen Opfern von häuslicher Gewalt sogar häufig der Fall sein, weil das Recht des Kindes auf Umgang auch mit dem*der Täter*in dem Schutz der*des betroffenen Partner*in vor erneuter/wiederholter Konfrontation mit dem*r Täter*in gegenübersteht. Es erscheint aber auch grundsätzlich problematisch, dass dem*der Nebenkläger*in ein Rechtsbeistand zugewiesen werden kann, den diese*r nicht möchte.

Es steht zudem zu befürchten, dass das Gericht Interessenkonflikte zwischen den Opfern nur unzureichend prüfen kann und diese erst während des Prozesses auftreten, mit der Folge, dass der*die gemeinsame Nebenklagevertreter*in Mandate im laufenden Prozess niederlegen muss. Der Wechsel des Rechtsbeistandes kann mit erheblichen Nachteilen verbunden sein, u.a. muss der*die Geschädigte den Sachverhalt in diesem Fall noch einmal umfasst schildern. Interessenkonflikte zeigen sich zudem häufig erst in einem späteren Verfahrensstadium, beispielsweise bei der Beweisaufnahme oder im Falle eines Täter-Opfer-Ausgleichs.

5. Verbot der (ganz oder teilweisen) Gesichtsverhüllung

Schon nach bisheriger Rechtslage kann das Gericht nach § 176 GVG die Entfernung einer Gesichtsverhüllung anordnen, soweit eine Notwendigkeit zur Wahrung der Rechtspflege hierfür besteht (S. 45 des Entwurfes, vgl. auch BeckOK GVG/Walther, Mai 2019, GVG, § 176, Rn. 11, zur notwendigen Abwägung bei religiöser Kleidung BVerfG, Beschl. vom 27. Juni 2006 - 2 BvR 677/05, insbes. Rn. 18 ff.). Mit der neuen Regelung wird neben der allgemeinen Regelung zur Aufrechterhaltung der Ordnung während der Sitzung eine Sonderregelung geschaffen, die ein explizites Verbot der Verhüllung vorsieht. Laut Referentenentwurf soll der neuen Vorschrift – neben Masken, Sturmhauben, Motorradhelmen und Sonnenbrillen – insbesondere auch die Burka unterfallen (S. 45 des Entwurfes).

Der djb sieht diese Sonderregelung, die neben die Generalklausel gestellt wird, kritisch. Schon bisher kann das Gericht die Verhüllung des Gesichtes, soweit für Beweiszwecke oder den ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptverhandlung notwendig, untersagen (BeckOK GVG/Walther, Mai 2019, GVG, § 176, Rn. 8 ff.). Die Sondervorschrift, die augenscheinlich die Burka als Hauptanwendungsfall erfasst und nunmehr eine Verbots-Ausnahme-Regelung schafft, ist zur Wahrung des ordnungsgemäßen Ablaufes der Hauptverhandlung (auch zur vereinfachten Durchsetzung) nicht notwendig. Es handelt sich um „Symbolpolitik“, die Anwendungsfälle scheinen verschwindend gering. Warum sie nicht über die existierende Generalklausel bewältigt werden könnten, ist nicht ersichtlich und wird in der Begründung nicht erläutert. Zugleich wird aber eine Regelung geschaffen, die Betroffene vor einer Anzeige zurückschrecken lassen kann.

6. § 229 Abs. 3 S. 1 StPO (Hemmung der Unterbrechungsfristen bei Mutterschutz und Elternzeit)

Der djb hält die Neuregelung in § 229 Abs. 3 S. 1 StPO für nicht notwendig. Grundsätzlich begrüßt der djb Regelungen, die zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen sollen. Allerdings kann der Fortgang von Großverfahren in Fällen der Schwangerschaft oder Elternzeit bereits jetzt über die Hinzuziehung von Ergänzungsrichter*innen ausreichend gewährleistet werden. Es scheint nicht verständlich, inwieweit ohne die Neuregelungen „Einschränkungen beim Einsatz von Richterinnen in umfangreichen Strafprozessen“ (Entwurfsbegründung S. 32) zu befürchten sind, da insoweit der Grundsatz des gesetzlichen Richters gilt.

Vielmehr steht zu befürchten, dass Richterinnen aufgrund der Neuregelung unter Druck gesetzt werden, im Anschluss an den Mutterschutz keine Elternzeit in Anspruch zu nehmen, oder aber Richter als Väter veranlasst werden, entgegen ihrer Absicht nur eine kurze Elternzeit zu beanspruchen.

Prof. Dr. Maria Wersig                           
Präsidentin                       

Dr. Leonie Steinl, LL.M. (Columbia)
Vorsitzende der Kommission Strafrecht    
 

[1] Siehe hierzu bereits djb Stellungnahme vom 7. März 2019, abrufbar unter https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st19-06/.

[2] „Kindgerechte Justiz – Sichtweisen und Erfahrungen von Kindern und Fachkräften“ – Zusammenfassung, abrufbar unter https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2017-child-friendly_justice-summary_de.pdf.

[3] a.a.O. S. 8.

[4] a.a.O. S. 9.

[5] Zu den parallelen Feststellungen für die Beiordnungsmöglichkeit der Psychosozialen Prozessbegleitung siehe djb Policy Paper vom 22. November 2018, abrufbar unter https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st18-18/.