Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis90/Die Grünen ist grundsätzlich zu begrüßen. Obschon eine umfassendere Reform des Abstammungsrechts wünschenswert wäre, deckt der Gesetzentwurf den aktuellen Minimalbedarf an einer Neuregelung ab.
Der Deutsche Juristinnenbund hält eine Reform des Abstammungsrechts im Hinblick auf die sogenannte Mit-Mutterschaft für unerlässlich und auch überfällig. Der Gesetzentwurf ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, bedarf jedoch im Detail der Überarbeitung.
I. Status quo und Reformbedarf
Nach geltendem Recht besteht in den §§ 1591 ff. BGB eine deutliche Asymmetrie zwischen der rechtlichen Vaterschaft und der rechtlichen Mutterschaft. Die rechtliche Vaterstellung wird in erster Linie dem Mann zugewiesen, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist (§ 1592 Nr. 1 BGB). Hilfsweise ist derjenige Vater, der mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt - gleich ob dies der genetischen Wahrheit entspricht oder nicht -, § 1592 Nr. 2 BGB. In letzter Linie ist Vater derjenige, der vom Gericht aufgrund der genetischen Wahrheit als Vater festgestellt wird (§ 1592 Nr. 3 BGB). Für die ersten beiden Vaterstellungen gibt es eine Korrekturmöglichkeit: Sie können unter bestimmten Voraussetzungen angefochten und damit beseitigt werden, wenn sie der genetischen Wahrheit nicht entsprechen. Anfechtungsrechte stehen grundsätzlich Vater, Mutter, Kind und dem Mann zu, der Anspruch auf die Vaterschaft erhebt (Vaterschaftsprätendent).
Der Reformbedarf im Abstammungsrecht ist nicht (mehr) zu leugnen. Der Gesetzentwurf beschäftigt sich mit dem Teilproblem der Elternschaft lesbischer Ehepaare, Lebenspartnerschaften und faktischer Lebensgemeinschaften. Der Lösungsansatz wird geteilt, da von erheblicher praktischer Bedeutung: So stellen lesbische Eltern den größten Anteil an Regenbogenfamilien in Deutschland dar. Dass die Partnerin der Geburtsmutter das Kind nach wie vor als „Stiefkind“ adoptieren muss, ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, da gleichgeschlechtliche Frauenpaare (die durch Samenspende Eltern werden) damit anders als heterosexuelle Ehepaare nach Samenspende behandelt werden. Das Wohl des Kindes gebietet es, dass auch das Kind lesbischer Eltern von Geburt an zwei rechtliche Eltern hat. Die Mutterschaft kraft Ehe und die Mutterschaft kraft Anerkennung sind zudem bereits vor der Einführung der „Ehe für Alle“ vom Deutschen Juristentag 2016 und vom Arbeitskreis Abstammungsrecht in seinem Abschlussbericht 2017 gefordert worden.[1]
II. Zum Gesetzentwurf im Einzelnen
1. Zu Nr. 1
In einem neu gefassten § 1591 BGB-E sollen über die bisherige Mutterschaft der Gebärenden (nun Nr. 1) hinaus die Mutterschaft kraft Ehe (§ 1591 Nr. 2 BGB-E) und die Mutterschaft kraft Anerkennung (§ 1591 Nr. 3 BGB-E) geregelt werden.
Den Änderungsvorschlägen ist grundsätzlich zuzustimmen. Es sollte auch für lesbische Ehefrauen die Möglichkeit geben, die rechtliche Elternposition qua Ehe oder Anerkennung zu erhalten. Es wird aber zu bedenken gegeben, dass sich § 1591 BGB-E an die bestehende Regelung des § 1592 BGB anlehnt; in der Sache sind die Vorschriften jedoch höchst unterschiedlich angelegt, weil von den Vaterschaften nach § 1592 BGB stets nur eine gegeben sein kann; von den Mutterschaften nach § 1591 bei homosexuellen Paaren für ein Kind jedoch regelmäßig zwei gegeben sein sollten – die Mutterschaft nach § 1591 Nr. 1 BGB-E zuzüglich einer Mutterschaft nach § 1591 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB-E.
Ferner erschwert diese Regelungstechnik den Übergang zu einer geschlechtsneutralen Bezeichnung der Elternpositionen (erste und zweite Elternstelle), weil die neuen Mutterschaften als zweite Elternstelle nicht in § 1591 BGB bei der ersten Elternstelle zu regeln wären, sondern gemeinsam mit den Vaterschaften in einer anderen Norm, wie es derzeit durch § 1592 BGB geschieht.
Aus diesen zwei Gründen erscheint es sachgerechter, die (neuen) Mutterschaften in einer separaten Norm zu regeln, etwa dem § 1592 BGB nachgelagert als § 1592a BGB.
Soll die Regelung in § 1591 BGB-E beibehalten werden, sind sprachliche Änderungen vorzunehmen, damit das korrekte Verhältnis der Mutterschaften aus Nr. 1, 2 und 3 zueinander deutlich wird. Gegenwärtig formuliert der Entwurf das Verhältnis der Mutterschaften vergleichbar wie das der Vaterschaften in § 1592 (Nr. 1 <Komma> [scil. oder] Nr. 2 oder Nr. 3). Jedoch können, wie eben dargelegt, durchaus für ein Kind die Mutterschaften nach § 1591 Nr. 1 und Nr. 2 des Entwurfs oder die Mutterschaften nach Nr. 1 und Nr. 3 des Entwurfs bestehen. Vorgeschlagen wird daher eine Formulierung, wonach § 1591 Abs. 1 BGB-E lautet „Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat“ und § 1591Abs. 2 BGB-E: „Mutter ist auch die Frau, die 1. zum Zeitpunkt der Geburt […] oder 2. die Mutterschaft anerkannt hat.“
2. Zu Nr. 2-7 (Änderungen an §§ 1591, 1593, 1594, 1597, 1597a BGB)
Den vorgeschlagenen Änderungen kann im Wesentlichen zugestimmt werden. Zum Entwurf des § 1594 Abs. 2 BGB-E werden redaktionelle Änderungen angeregt. So sollte es statt „die leibliche Mutter“ heißen „die Mutter nach § 1591 Nr. 1“[2]. Denn der Begriff „leibliche Mutter“ ist dem Gesetz fremd.
3. Zu Nr. 8 (§ 1599a BGB – neu) und Nr. 9 (Änderungen in § 1600 BGB)
a. Zu den anfechtbaren Mutterschaften
Der Entwurf macht in § 1599a BGB-E deutlich, dass für die Mutterschaften kraft Ehe (§ 1591 Nr. 2 BGB-E) und kraft Anerkennung (§ 1591 Nr. 3 BGB-E) eine Anfechtungsmöglichkeit vorgesehen ist. Die Mutterstellung der Gebärenden (§ 1591 Nr. 1 BGB-E) soll weiterhin nicht anfechtbar sein. Dies entspricht dem bisherigen Recht und sollte aus Gründen der Rechtssicherheit auch beibehalten werden.
b. Zum Kreis der Anfechtungsberechtigten
aa. Vaterschaftsprätendent
Der Entwurf stattet den Vaterschaftsprätendenten mit einem Anfechtungsrecht gegenüber den Mutterschaften kraft Ehe und kraft Anerkennung aus. Positiv anzumerken ist, dass die Formulierung des § 1599a I Nr. 2 BGB-E, die dem Vaterschaftsprätendenten ein Anfechtungsrecht gegenüber der Mutterschaft der Ehegattin der Gebärenden und der Mutterschaft der Anerkennenden gibt, nicht in Anlehnung an § 1600 I Nr. 2 BGB formuliert ist. Vielmehr werden die mit dieser Norm verbundenen Probleme der Auslegung des Begriffs „Beiwohnung“ umgangen und dem Vaterschaftsprätendenten wird unabhängig von den Modalitäten des Zeugungsakts ein Anfechtungsrecht gegeben. Empfohlen wird lediglich die Streichung der Worte „während der Empfängniszeit“, diese sind redundant. Es ist sogar angezeigt, diese Formulierung auch auf die Anfechtung der Vaterschaft zu erstrecken, mithin in einem Reformgesetz § 1600 I Nr. 2 BGB in Entsprechung zu § 1599a I Nr. 2 BGB-E zu formulieren.
bb. Mit-Mutter kraft Ehe
Anfechtungsberechtigt ist nach dem Gesetzentwurf die Mit-Mutter kraft Ehe.
In die Formulierung der Anfechtungsberechtigung hat sich an dieser Stelle ein redaktioneller Fehler eingeschlichen. So heißt es, die Frau, deren Mutterschaft nach § 1592 Nr. 2 BGB-E besteht, also die Mit-Mutter kraft Ehe, sei berechtigt, „die Mutterschaft nach § 1592 Nummer 2 und Nummer 3“ anzufechten, mithin ihre eigene und die der Mit-Mutter kraft Anerkennung. Es ist nach dem gegenwärtigen System (2-Eltern-Prinzip) schlicht nicht möglich, dass gleichzeitig eine Mit-Mutter kraft Ehe und eine Mit-Mutter kraft Anerkennung vorhanden sind. Die zweite Variante der Anfangsformulierung von § 1599a I BGB-E kann sich daher nur auf die Anfechtung des Vaterschaftsprätendenten (§ 1599a I Nr. 2 BGB-E) beziehen.
Es könnte stattdessen wie folgt formuliert werden: „Anfechtungsberechtigt sind 1. die Frau, deren Mutterschaft nach § 1591 Nummer 2 besteht im Hinblick auf ihre eigene Mutterschaft und 2. der Mann, der an Eides statt versichert, dass das Kind mit seinem Samen gezeugt worden ist, im Hinblick auf die Mutterschaft nach § 1591 Nummer 2 und 3.“
cc. Kind
In dem vom Gesetzentwurf vorgesehenen Kreis der Anfechtungsberechtigten fehlt das Kind. Dieses hat nach § 1600 I Nr. 4 BGB ein Anfechtungsrecht gegenüber der rechtlichen Vaterschaft kraft Ehe und kraft Anerkennung und muss es selbstverständlich auch gegenüber den entsprechenden rechtlichen Mutterschaften nach § 1591 Nr. 2 und Nr. 3 BGB-E haben.
dd. Mutter kraft Geburt
Der Gesetzentwurf sieht fernerkein Anfechtungsrecht für die Mutter kraft Geburt vor. Dies sollte geändert werden. Ebenso, wie die Mutter (kraft Geburt) die Vaterschaft des Ehemannes anfechten kann (§§ 1600 I Nr. 3, 1592 Nr. 1 BGB), obschon der Ehemann die gespaltene Vaterschaft akzeptiert, sollte auch die Mutter kraft Geburt gegenüber ihrer Ehegattin anfechtungsberechtigt sein. Hier besteht kein wertungsmäßiger Unterschied.
ee. Mit-Mutter kraft Anerkennung
Kein Anfechtungsrecht hat nach dem Gesetzentwurf die Mit-Mutter qua Anerkennung. Dahinter mag die Überlegung stehen, dass die Frau, die in positiver Kenntnis ihrer fehlenden genetischen Elternschaft die rechtliche Elternschaft anerkennt, kein schützenswertes Interesse daran hat, ihre rechtliche Elternschaft wegen fehlender biologischer Elternschaft anzufechten. Indes macht diese (berechtigte) Wertung des Gesetzentwurfs überdeutlich, dass es auch im Recht der Vaterschaftsanfechtung einer Reduktion des Anfechtungsrechts bedarf. Nach geltendem Recht kann auch der Mann, der in positiver Kenntnis fehlender biologischer Vaterschaft anerkannt hat, später wegen fehlender biologischer Vaterschaft anfechten. Dies gilt es, wie bereits vom AK Abstammungsrecht vorgeschlagen[3], zu ändern.
c. Zum Ausschluss der Anfechtungsrechte
aa. Zum Ausschluss wegen Verzichts auf das Anfechtungsrecht
i. Schriftlicher Verzicht der Mutter kraft Ehe.
In § 1599a II BGB-E ist der Verzicht der Mutter qua Ehe (§ 1592 Nr. 2 BGB-E) auf ihr Anfechtungsrecht normiert. Die Verzichtslösung hier wie auch in §§ 1599a III und 1600 IV 2 BGB-E ist gegenüber dem geltenden Recht, dass auf eine anfechtungsausschließende Einwilligung abstellt (§ 1600 IV BGB), vorzugswürdig. Denn die Einwilligung wirft mit den Fragen nach dem Ob, Wie, Warum, Wem gegenüber und bis Wann eine Einwilligung widerrufen werden kann, erhebliche praktische Probleme auf, die das Konzept des Verzichts vermeidet.
Das vom Gesetzentwurf vorgesehene Erfordernis der einfachen Schriftform trägt den Bedürfnissen der Praxis Rechnung. Denn den Betroffenen ist an schnell umzusetzenden und vor allen Dingen an unkomplizierten Regelungen gelegen. Ohne diese Erfahrung aus der (Beratungs-)Praxis der beteiligten Professionen wäre die notarielle Beurkundung als Warnung vor einem so gravierenden Schritt einerseits und dem Bedürfnis des Abstammungsrechts nach Statusklarheit andererseits in Erwägung zu ziehen.
Kritisch an der gegenwärtigen Ausgestaltung des Verzichtskonzepts ist, dass Detailregelungen zum Verzicht fehlen, sei es im Normtext oder sei es in den Erläuterungen. Es bleibt insbesondere zu klären, wem gegenüber die Verzichtserklärung abzugeben ist, ob sie bereits präkonzeptionell abgegeben werden kann, welche inhaltlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Regelung gestellt werden (sollen) und in welchen Konstellationen die Verzichtserklärung wegen Willensmängeln nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden kann. Es ist darüber hinaus zu erörtern, ob der Verzicht - abweichend vom geltenden Recht (Gestaltungserklärung) - unter einer Bedingung erklärt werden kann, beispielsweise im Verhältnis zwischen Mutter und Vaterschaftsprätendenten.
ii. Schriftlicher Verzicht des Vaterschaftsprätendenten.
In § 1599a III 2 BGB-E ist zum Verzicht des Vaterschaftsprätendenten normiert, dass als Verzicht auf das Anfechtungsrecht auch gilt, wenn der biologische Vater, „der seinen Samen, mit dem das Kind gezeugt worden ist, an eine Samenbank oder eine ärztliche Praxis verkauft hatte“. Dieser Ergänzung ist zwar grundsätzlich zuzustimmen. Vorgeschlagen wird jedoch, dass Wort „verkauft“ in „übergeben“ zu ersetzen. Damit ist zum einen auch die unentgeltliche Hergabe des Samens erfasst. Zum anderen sind Fälle ausgeschlossen, in denen sich der biologische Vater zwar zur Übergabe des Samens verpflichtet („verkauft“), letztlich den Samen aber nicht übergeben hat. Ferner ist methodisch auffällig, dass es sich der Formulierung nach um eine Fiktion handelt („gilt als“), dem Inhalt nach aber um eine (unwiderlegliche) Vermutung. Hier wäre eine anderweitige Formulierung sachdienlicher. Beispielsweise kann formuliert werden: „Die Anfechtung ist ferner nicht zulässig, wenn der Mann seinen Samen, mit dem das Kind gezeugt worden ist, an eine Samenbank oder eine ärztliche Praxis übergeben hatte.“
Soweitin § 1600 IV BGB-E der Satz angefügt werden soll, dass der Vaterschaftsprätendent durch schriftliche Erklärung auf sein Recht zur Anfechtung der Vaterschaft verzichten kann, ist dies folgerichtig.
4. Notwendige Folgeänderungen:
a. Notwendige Erstreckung auf die Wunscheltern bei heterologer Insemination.
Die Neuregelung löst jedoch weiteren Änderungsbedarf aus: Wenn der Vaterschaftsprätendent durch schriftliche Erklärung auf sein Anfechtungsrecht verzichten kann, aber die Wunscheltern durch formlose Einwilligung, die ebenfalls die Wirkung eines Anfechtungsausschlusses hat, ihre Zustimmung zur heterologen Insemination erteilen können, dann ist der Vaterschaftsprätendent im Hinblick auf die differenziert zu sehenden Erklärungsinhalte besser geschützt.
Vorzugswürdig wäre daher eine Harmonisierung der Regelungen.
Wegen der Überlegenheit der Verzichtslösung gegenüber der Einwilligungslösung (siehe oben) wird angeregt, alle Beteiligten – Vaterschaftsprätendent, Wunscheltern der institutionellen Samenspende, Wunscheltern jeder sonstigen „Samenspende“ – in einer einheitlichen Norm zusammenzufassen. Diese könnte wie folgt lauten: „Die Anfechtung der Vaterschaft durch den Dritten, die Mutter oder den Ehemann der Mutter ist nicht zulässig, wenn der jeweilige Anfechtungsberechtigte in einer schriftlichen Erklärung auf sein Anfechtungsrecht verzichtet hat.“
b. Zum Ausschluss des Anfechtungsrechts wegen Bestehens einer sozial-familiären Bindung
Der Entwurf übernimmt in § 1599a IV BGB-E den Ausschluss der Anfechtung durch den Vaterschaftsprätendenten beim Bestehen einer sozial-familiären Bindung, der aus § 1600 II, III BGB bekannt ist. Es darf jedoch an die erheblichen rechtspolitischen Diskussionen um die Adäquanz der gegenwärtigen Ausgestaltung der „Sperre“ der sozial-familiären Bindung erinnert werden[4]; sie sollte nicht ohne nähere Prüfung übernommen werden.
5. Zu Nr. 11 (Änderungen an § 1600b BGB – Anfechtungsfrist)
Der Entwurf sieht für das Anfechtungsrecht der Mit-Mutter qua Ehe (§ 1591 Nr. 2 BGB-E) eine sechsmonatige Frist ab Kenntnis von der Geburt des Kindes vor. Dem ist nicht zuzustimmen. Die Frist sollte aus Gründen der Gleichbehandlung auf zwei Jahre ab Kenntnis von der Geburt des Kindes ausgedehnt werden, da dies der Frist für die Anfechtung der Vaterschaft entspricht. Soweit in der Entwurfsbegründung festgehalten ist, dass eine „längere Überlegungsfrist nicht notwendig ist“[5], überzeugt die Argumentation nicht. Der Begründung mag der Gedanke zu grunde liegen, dass die Mit-Mutter keine längere Entscheidungsfrist benötigt, weil aufgrund der natürlichen Gegebenheiten von vornherein zweifelsfrei feststeht (von Sonderkonstellationen wie reziproker In-vitro-Fertilisation und Mann-zu-Frau-Transsexuellen abgesehen), dass sie nicht genetisches Elternteil des Kindes sein kann. Nach geltendem Recht hat aber auch der Mann, der Kenntnis vom Fehlen seiner biologischen Vaterschaft hat, ein zweijähriges Anfechtungsrecht. Hinzu tritt, dass die Frist nicht vor Geburt zu laufen beginnt. Der Zweijahreszeitraum bemisst sich somit nicht nach dem Zeitraum, der erforderlich ist, um die fehlende genetische Abstammung zu ermitteln. Er soll vielmehr dazu dienen, dass nicht eine Entscheidung über die Anfechtung getroffen werden muss, ehe nicht wieder Ruhe in die persönlichen Beziehungen der Beteiligten eingekehrt ist, die emotional sehr intensive und wechselhafte Zeit unmittelbar nach der Geburt vorüber ist und ein realistischer Eindruck davon gewonnen werden konnte, wie die Rolle als rechtlicher und sozialer Vater/Mutter des Kindes aussähe.
Vorstehend wurde über den Entwurf hinausgehend ein Anfechtungsrecht des Kindes gefordert. Dieses sollte, mit den erforderlichen sprachlichen Anpassungen, den bisherigen Anfechtungsfristen für das Kind nach § 1600b BGB unterliegen (zwei Jahre ab Volljährigkeit, § 1600b III 3 BGB, und erneuter Fristbeginn bei Kenntniserlangung von Unzumutbarkeit begründenden Umständen, § 1600b VI BGB).
Dies gilt sinngemäß auch für ein – mögliches – Anfechtungsrecht der Mutter kraft Geburt gegenüber der Mit-Mutter kraft Ehe.
6. Ergänzender Anpassungsbedarf
a. Auskunftsanspruch
Der Gesetzentwurf sieht keine Regelung für einen neuen isolierten abstammungsbezogenen Auskunftsanspruch vor, der dem Kind erlaubt, von seinem mutmaßlichen biologischen Vater die Duldung einer Abstammungsuntersuchung zu verlangen. Ein solcher Anspruch ist zu Recht vom AK Abstammungsrecht (vgl. Thesen 75 ff.) und vom djt 2016 (vgl. Beschluss 8) gefordert worden.[6] Der Gesetzentwurf umfasst Situationen, in denen der Bedarf nach einem solchen Anspruch besonders groß und evident ist. Denn der Gesetzentwurf zielt darauf ab, sämtliche Situationen der Zeugung mit dem Samen eines Dritten zu erfassen, unabhängig vom Zeugungsakt und nicht beschränkt auf die institutionelle Samenspende. Da der Bereich der privaten Samenspende und Becherspende nicht vom Samenspenderregistergesetz (SaRegG) erfasst ist, fehlt es hier an einer Möglichkeit für die so gezeugten Kinder, außerhalb von statusändernden Verfahren, Klarheit über ihre genetischen Väter zu erlangen. Dass es dem Kind nicht zuzumuten ist, die (Mit-)Mutterschaft seiner „zweiten“ Mutter anzufechten und die des Samenspenders feststellen zu lassen, nur um Klarheit über seine biologische Abstammung zu erlangen, dürfte offensichtlich sein.
b. Folgeänderungen im Recht der elterlichen Sorge
Der Gesetzgeber sollte unmittelbar im Änderungsgesetz und nicht erst in einem späteren Reparaturgesetz die notwendigen Änderungen an den §§ 1626 ff. BGB vornehmen, die an zahlreichen Stellen von „Mutter“ und „Vater“ sprechen und sprachlich angepasst werden müssten. Dies sei exemplarisch an § 1626a III BGB demonstriert, der zurzeit als Auffangregelung der „Mutter“ die Alleinsorge zuweist und den man sicherlich dahin ändern müsste, dass er sich künftig auf die „Mutter gem. § 1591 Nr. 1 BGB“ bezieht.
c. Mutterschaftsfeststellung
Im gegenwärtigen Gesetzentwurf stehen noch einige Stufen der Parallelisierung des Rechts der Mutterschaft mit dem Recht der Vaterschaft aus, darunter insbesondere die Schaffung eines Mutterschaftsfeststellungsverfahrens. Dies sollte einerseits eröffnet sein, wenn ausnahmsweise einmal die festzustellende Mit-Mutter genetische Mutter des Kindes ist (etwa bei reziproker In-vitro-Fertilisation und bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen). Vor allem aber sollte das Feststellungsverfahren eröffnet sein, wenn die festzustellende Mit-Mutter der Gebärenden die Anerkennung zugesagt hat, aber dann absprachewidrig nicht anerkennt. Für ein solches Feststellungsverfahren hatten sich bereits der djt 2016[7] und der AK Abstammungsrecht[8] ausgesprochen.
Prof. Dr. Maria Wersig
Präsidentin
Prof. Dr. Katharina Lugani
Mitglied der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften
Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften
[1] Vgl. Abschlussbericht des AK Abstammungsrecht, Thesen 56 ff.; vgl. Beschlüsse der familienrechtlichen Abteilung des 71. djt 2016 Nr. 10 f.
[2] Vorausgesetzt, dass der Vorschlag eines § 1592a BGB nicht aufgegriffen wird, in diesem Fall müsste es „die Mutter nach § 1591“ heißen.
[3] Vgl. Abschlussbericht des AK Abstammungsrecht, These 24.
[4] Vgl. nur AK Abstammungsrecht, Thesen 29 f.; vgl. Beschlüsse der familienrechtlichen Abteilung des 71. djt 2016 Nr. 15a-c, 16.
[5] BT-Drs. 19/2665, S. 9 ad Nr. 11.
[6] Vgl. nur AK Abstammungsrecht, Thesen 75 ff.; vgl. Beschlüsse der familienrechtlichen Abteilung des 71. djt 2016 Nr. 8.
[7] Beschlüsse der familienrechtlichen Abteilung des 71. djt 2016 Nr. 11.a. 2. Spstr.
[8] AK Abstammungsrecht, Thesen 56.