Stellungnahme: 18-07


zur Sachverständigenanhörung zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen, Sächs. LT, Drs. 6/12511 (Stand: 17.2.2018)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Zusammenfassung

In vielerlei Hinsicht handelt es sich um einen erfreulichen Entwurf, der sich offensichtlich bemüht, auf statistisch untermauerter Grundlage (siehe Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4) das bisher geltende Sächsische Frauenförderungsgesetz fortzuentwickeln und neuere Erkenntnisse dazu zu verwerten, wie eine tatsächliche Verbesserung der Chancengleichheit zugunsten von Frauen bewirkt werden kann.

Positiv hervorzuheben sind insoweit:

  • der präzisierte und erweiterte Geltungsbereich des Gesetzes (§ 3)
  • die Einführung der Wesentlichkeitsklausel bei der Auswahlentscheidung (§ 8 Abs. 1)
  • die Fortentwicklung der Regelung zur Freistellung sowie zum Beanstandungs- und Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten (§§ 19, 21, 22)
  • die Einführung einer Regelung zur paritätischen Besetzung von Gremien (§ 30)

Jedoch gibt der Entwurf auch Anlass zu Kritik:

  • Der Entwurf widmet sich nunmehr – außerhalb verfassungsrechtlich vergleichsweise unproblematischer Bereiche wie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – im Hinblick auf Zugang und Aufstieg im öffentlichen Dienst in Teilen auch der Männerförderung, z.B. bei Stellenausschreibungen (§ 5), Bewerbungsverfahren (§ 6) und bei der Festlegung fördernder Maßnahmen im Gleichstellungsplan (§ 28 Abs. 3). Damit suggeriert der Gesetzentwurf, dass Männer im öffentlichen Dienst benachteiligt würden und weniger berufliche Chancen hätten, obwohl in der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 ausdrücklich festgestellt wird, dass „im öffentlichen Dienst – wie allgemein im Erwerbsleben – eine Benachteiligung von Männern hinsichtlich Zugang und Aufstieg nicht besteht“. Damit fehlt es jedoch an der verfassungsrechtlichen Grundlage für eine gesetzliche berufliche Förderung von Männern.
  • Daran anschließend ist im Hinblick auf die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten die Einführung männlicher Gleichstellungsbeauftragter zu kritisieren. Gleiches gilt im Hinblick auf das Fehlen einer Regelung zum Akteneinsichtsrecht der Gleichstellungsbeauftragten.

Dies vorweggenommen beschränken sich die folgenden Ausführungen ohne Anspruch auf Vollständigkeit auf die aus Sicht des djb besonders wesentlichen Aspekte des Entwurfs.

1. Zielstellung, Unterrepräsentation und Männerförderung

  • Zu begrüßen ist die Absicht, das bisher geltende, im Wesentlichen aus dem Jahr 1994 stammende Sächsische Frauenförderungsgesetz zu modernisieren.
  • Kritikwürdig ist hingegen, dass nach der Zielsetzung das Gesetz der Beseitigung von Unterrepräsentanzen beider Geschlechter dienen soll, dementsprechend einzelne Vorschriften des Gesetzes hieran anknüpfen und somit der Gesetzentwurf grundsätzlich auch eine Männerförderung vorsieht. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung zur Begriffsdefinition der „Unterrepräsentanz“ in § 4 Abs. 4 zeigen die sächsischen Personalstatistiken in den relevanten Besoldungsgruppen, insbesondere in höheren Hierarchieebenen, eine ungleichmäßige Verteilung ausschließlich zulasten von Frauen.
    • Selbst wenn eine Unterrepräsentanz von Männern festgestellt werden könnte, würde dies für sich genommen noch nicht ausreichen, um eine gesetzliche Männerförderung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Denn das Gleichstellungsrecht zugunsten von Frauen ist verfassungsrechtlich nach herrschender Meinung allein dadurch legitimiert, dass sie als Gruppe – immer noch – strukturell diskriminiert werden und Art. 3 Abs. 2 GG nur insoweit unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kompensatorische Eingriffe erlaubt.[1] Dies erkennt zwar auch der Gesetzesentwurf an, wie in § 1 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 zum Ausdruck kommt („ ...sich in Unterrepräsentanzen ausdrückende strukturelle Benachteiligungen eines Geschlechts... „). Für eine strukturelle Diskriminierung von Männern gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Es gibt auch keine soziologischen Untersuchungen, die solches nahelegen könnten.
    • Männer sind jedenfalls nicht schon dann strukturell diskriminiert, wenn sie in einer Beschäftigungsgruppe zahlenmäßig unterrepräsentiert sind. Solches findet sich gelegentlich, wenn auch nur völlig vereinzelt in den unterschiedlichen Beschäftigtengruppen. Sucht man nach Begründungen dafür, so ist folgendes zu berücksichtigen: Angesichts der relativ schlechten Vergütung im öffentlichen Dienst – im Verhältnis zur Privatwirtschaft – ist dieser für männliche Spitzenkräfte deutlich weniger attraktiv als für Frauen, andererseits gibt es bestimmte Berufe (z.B. Handwerk/IT), in denen typischerweise mehr Männer als Frauen eingestellt werden. Weibliche Spitzenkräfte – in welcher Laufbahnrichtung auch immer – sind typischerweise weniger an der absoluten Einkommenshöhe, als an den generell besseren Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im öffentlichen Dienst interessiert.
    • Dennoch knüpfen die Vorschriften des Gesetzentwurfs in der Regel allein an die zahlenmäßige Unterrepräsentanz eines Geschlechts an und suggerieren damit, man könne den Spieß einfach umdrehen: als würden spiegelbildlich Männer unabhängig von Qualifikation gesamtgesellschaftlich in weiten Bereichen diskriminiert und als sei es wie bei Frauen legitim, statistische Bezugsgrößen einzelner Dienststellen – Zahlen in den Eingangsämtern und in den Führungspositionen – als Indiz dafür heranzuziehen. Damit folgt der Gesetzentwurf im Ergebnis dem – den üblichen juristischen Methoden widersprechenden – „statistical approach“ des EuGH als einfachen indiziellen Nachweis von Frauenbenachteiligung. Diesen hat der EuGH jedoch nur gebilligt, weil die Diskriminierungsgeschichte von Frauen offen zu Tage lag und die Statistiken kaum anders zu interpretieren waren – unabhängig davon, ob dies in der einzelnen Dienststelle anders ist. Die Förderung von Männern ließe sich europarechtlich kaum vergleichbar begründen – ihnen fehlt die entsprechende Diskriminierungsgeschichte.
    • Schließlich hat der djb bereits in seiner Stellungnahme vom 7. Oktober 2014 zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zum Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst[2] im Einzelnen ausgeführt, warum Männerförderung unter verfassungsrechtlichen Aspekten höchst problematisch ist. Hierauf sowie auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen von Papier/Heidebach in deren Gutachten für das Land Nordrhein-Westfalen zur Frage der Zielquoten für Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst wird verwiesen (DVBI 2015, 125).
  • Sehr zu begrüßen ist die Einführung der Verpflichtung, das Gleichstellungsgesetz mit seiner Förderung der Chancengerechtigkeit als durchgängiges Leitprinzip zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 1 S. 1). Wünschenswert wäre jedoch, dass der Leitprinzipgrundsatz seiner grundlegenden, allgemeinen Bedeutung entsprechend in einem eigenen Absatz niedergelegt wird und darin vor allem auch Dienststelle und Dienststellenleitung als seine Hauptadressaten genannt werden.

2. Vereinbarkeit von Beruf und Familie

  • Positiv zu werten ist die starke Betonung des Ziels, die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienaufgaben zu fördern (§ 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 Ziff. 2). Denn nach wie vor zwingt die klassische Rollenverteilung Frauen im Verhältnis zu Männern dazu, den wesentlichen Anteil an der Sorgearbeit zu tragen.[3]
  • Hier eine gleichmäßigere Verteilung zwischen den Geschlechtern zu erreichen ist – wie die Gesetzesbegründung richtig feststellt - eine grundlegende Voraussetzung dafür, um berufliche und wirtschaftliche Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen tatsächlich zu erreichen.
  • Sehr zu begrüßen ist die Regelung zur Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Gewährung von Telearbeit gem. §§ 10, 11. Es ist anzuerkennen, dass flexible Arbeitszeitmodelle und Telearbeit eine Dienststelle in der Regel vor wesentliche organisatorische und personelle, Telearbeit zusätzlich vor technische Herausforderungen stellen, so dass es derzeit noch vertretbar erscheint, die Entscheidung hierüber in das pflichtgemäße Ermessen der Dienststelle zu stellen, die hierbei objektiv entgegenstehende betriebliche oder dienstliche Belange berücksichtigen darf. Unter Berücksichtigung insbesondere der fortschreitenden Digitalisierung sollte dieser Aspekt für die Zukunft jedoch im Auge behalten werden, um das Ermessen zu gegebener Zeit auf zwingende Gründe zu beschränken.
  • Im Hinblick auf § 12 ist anzumerken, dass das Verhältnis zu einschlägigen Regelungen des Sächsischen Beamtengesetzes, insbesondere § 98 SächsBG, klargestellt werden sollte, vor allem auch um Gerichten keinen Spielraum zu lassen, die Anwendbarkeit des Gleichstellungsgesetzes im Falle einer Kollision in Frage zu stellen. Im Hinblick auf Tarifbeschäftigte bzw. Arbeitnehmer muss sich der Gesetzentwurf die Frage gefallen lassen, ob deren rechtliche Situation im Hinblick auf den Anspruch auf befristete Teilzeit bzw. das Recht auf Rückkehr in Vollzeit gegenüber der derzeitigen Rechtslage in verbessert wird.
  • Nicht ausreichend konsequent erscheint die Regelung in § 12 Abs. 5 S. 4: Wenn für den Besuch einer Fortbildung während einer Beurlaubung zur Wahrnehmung von Familienaufgaben weder eine Vergütung noch eine Anrechnung auf Beschäftigungs- und Dienstzeiten erfolgt, besteht faktisch keinerlei Anreiz für Beschäftigte, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die erhoffte Anreizwirkung dahingehend, während der Beurlaubung mit der Dienststelle auch in fachlicher Hinsicht Kontakt zu halten, dürfte daher weitgehend verpuffen.[4]

3. Gleichberechtigte berufliche Entwicklung

  • Der Ansatz von § 5, dass Stellen in unterrepräsentierten Bereichen grundsätzlich auszuschreiben sind, ist zu begrüßen. Kritikpunkt insoweit ist die Anwendbarkeit auch im Falle einer Unterrepräsentanz von Männern, aus den dargelegten Gründen (siehe Ziff. 1). Zudem erscheint die Differenzierung nach der Unterrepräsentanz von Männern und Frauen in Abs. 1 schon deshalb überflüssig, weil bei einem Abstellen auf beide Geschlechter immer eine Unterrepräsentanz irgendeines Geschlechtes vorliegen dürfte.
  • Die Einbindung der (oder des) Gleichstellungsbeauftragten in Bewerbungsverfahren gem. § 6 Abs. 2 stellt eine Selbstverständlichkeit dar, die sich bereits aus ihrem Mitwirkungs- und Beteiligungsrecht bei personellen Maßnahmen ergibt.
  • Der Verzicht auf ein ausdrückliches Verbot von Fragen zu Familienstand, Schwangerschaft und Betreuungssituation in § 6 vermag nicht zu überzeugen, da die Erfahrung zeigt, dass sich ein sensibler Umgang von Personalverantwortlichen mit solchen Themen immer noch nicht vollständig durchgesetzt hat. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass das derzeitige Gesetz ein solches Verbot in § 7 Abs. 2 vorsieht.
  • Ob die (durchaus übliche) Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 die Chancen einer Kandidatin, die solche Erfahrungen und Fähigkeiten aufweist, im Auswahlverfahren nach Maßgabe des geltenden Leistungsprinzips tatsächlich verbessern kann, erscheint fraglich. Die bisherigen Erfahrungen mit solchen Regelungen zeigen jedenfalls, dass sie mehr symbolischen als praktischen Gehalt haben.
  • Hingegen ist die Regelung in § 8 zur Auswahlentscheidung, die eine bevorzugte Berücksichtigung von Frauen bei „im Wesentlichen gleicher Qualifikation“ erlaubt, uneingeschränkt zu begrüßen.
    • Hierdurch werden die Chancen spürbar erhöht, dass in einer Patt-Situation die Quotenregelung tatsächlich zum Zuge kommt. Insoweit setzt der Gesetzentwurf die Empfehlung von Papier/Heidebach im bereits zitierten Gutachten zur Quote (DVBI 2015, 125) überzeugend um.
    • Zusätzlich zur Einführung der Wesentlichkeitsklausel bei Auswahlentscheidungen sollte eine Reform des Beurteilungswesens stattfinden.[5] Entsprechend der empirischen Untersuchung von Glöckner, Towfigh und Traxler für die Benotung in Staatsexamina sollte ein Beurteilungswesen geschaffen werden, das zwingend die Beteiligung von Frauen als Beurteilende vorsieht.[6] Dies zumindest dann, wenn Erst- oder Zweitbeurteiler nicht ohnehin eine Frau ist.
    • § 9 Abs. 4 des Entwurfs sieht vor, dass bei Veranstaltungen der beruflichen Fort- und Weiterbildungen Gleichstellungsthemen vorzusehen sind. Es wäre zu hoffen, dass diese Verpflichtung von den Dienststellen ernst genommen wird und insbesondere Fortbildungen zum Thema der unbewussten Rollenerwartungen angeboten werden. Denn Stereotype haben nachgewiesenermaßen einen großen Einfluss auf das berufliche Fortkommen von Männern und Frauen,[7] die sich im öffentlichen Dienst insbesondere im Beurteilungsverfahren zu Lasten von Frauen auswirken können.[8]

4. Gleichstellungsbeauftragte

  • Abzulehnen ist die Einführung männlicher Gleichstellungsbeauftragter. Die Erfahrung zeigt, dass Frauen in den Dienststellen immer noch vielfach wegen sexueller Belästigung die Beratung durch Gleichstellungsbeauftragte wünschen. Sich mit solchen Fragen an einen Mann zu wenden, ist vielen Frauen unangenehm. Männer vermuten bei Bedarf nach einer Beratung zu Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen ohnehin (und meist zu Recht) eine größere Sachkompetenz, so dass nach derzeitigem Stand ausschließlich weibliche Gleichstellungsbeauftragte – wie bundesweite Erfahrungen zeigen – auch im Interesse von Männern sein können.
  • Die Position der Gleichstellungsbeauftragten wird in einigen Aspekten in begrüßenswerter Weise gestärkt. Es wäre jedoch wünschenswert, die teilweise sehr umfangreichen Regelungen klarer zu strukturieren und so mehr Transparenz über Aufgaben und Befugnisse der Gleichstellungsbeauftragten zu schaffen. Insbesondere sollte klar sein, dass die Gleichstellungsbeauftragte an allen personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen ohne Einschränkung zu beteiligen ist. Denn jede Maßnahme, auch wenn im konkreten Einzelfall nur Männer involviert sind, berührt auch die Stellung der Frauen in der Dienststelle. Denn diese können sich in einem Parallelfall auf die frühere, nur Männer betreffende Regelung aus Gründen der Gleichbehandlung berufen. Hierzu muss die Gleichstellungsbeauftragte an allen Maßnahmen beteiligt werden. Der derzeitige Vorschlag in § 20 Abs. 2 schränkt das umfassende Recht der Gleichstellungsbeauftragten eher ein, als dass er es erweitert.
  • Transparenz ist gerade hier besonders wichtig, um die Akzeptanz der Gleichstellungsbeauftragten als das wohl wichtigste „Instrument“ zur Verhinderung von Benachteiligungen und zur Effektuierung von Gleichstellungszielen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Im Einzelnen:
  • Im Hinblick auf das Wahlverfahren erscheint bedenklich, dass in dem Fall, dass sich in einer Dienststelle keine Kandidatinnen für die Wahl finden, dann ggfs. über einen längeren Zeitraum gar keine Gleichstellungsbeauftragte im Amt ist. Es wird daher empfohlen, den Gesetzentwurf um eine Regelung zu ergänzen, die eine ersatzweise Bestellung der Gleichstellungsbeauftragten und/oder der Stellvertretung vorsieht, wenn nicht ausreichend Kandidaturen vorliegen.[9]
    • Unbedingt ergänzt werden müsste eine klare Regelung zum (Personal-) Akteneinsichtsrecht der Gleichstellungsbeauftragten. Gerade wenn es um personelle Maßnahmen wie Auswahlverfahren oder Umsetzungen geht, ist dieses Recht unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Gleichstellungsbeauftragte ihr Beteiligungsrecht effektiv ausüben kann. Aufgrund der derzeitigen, sehr restriktiven Regelung zu Lasten der Gleichstellungsbeauftragten in § 21 Abs. 1 S. 3 SächsFG sowie aufgrund der ebenfalls sehr restriktiven Regelung in § 111 Abs. 3 SächsBG wäre eine Klarstellung zu diesem Aspekt dringend geboten. Da die Gleichstellungsbeauftragte keine Interessenvertretung Betroffener – anders als der Personalrat –, sondern Teil der Personalverwaltung ist, muss sie selbstverständlich das Recht haben, in Personalakten unabhängig von der Zustimmung betroffener Personen Einblick nehmen zu können. Gegen anlasslose Personalakteneinsicht schützt (völlig) ausreichend die Regelung gem. § 111 Abs. 3 S. 2 SächsBG, wonach jede Akteneinsicht grundsätzlich zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich sein muss.
    • Zu Recht werden die Tätigkeiten der Gleichstellungsbeauftragten nur auf Antrag beurteilt, um ihre Unabhängigkeit nicht zu gefährden. Um der Möglichkeit des beruflichen Fortkommens willen erscheint es grundsätzlich wünschenswert, dass die Gleichstellungsbeauftragte die im Rahmen ihrer Tätigkeit zusätzlich erworbenen fachlichen Kompetenzen in einer Beurteilung dokumentieren lassen kann.
    • Im Hinblick auf die Regelung zur personellen, räumlichen und sachlichen Ausstattung gem. § 19 Abs. 3 ist anzumerken, dass im Interesse einer effektiven Aufgabenerfüllung zusätzlich wünschenswert wäre, der Gleichstellungsbeauftragten ein gewisses finanzielles Budget (Verfügungsfonds) zur Verfügung zu stellen, z.B. um Informationsveranstaltungen oder Fortbildungsangebote in ihrem Aufgabenbereich (siehe z.B. § 10 Abs. 4, 20 Abs. 5) selbständig durchführen und gestalten zu können.
    • Es wäre wünschenswert, zugunsten der Gleichstellungsbeauftragten ein Recht auf Teilnahme an den Treffen des Arbeitskreises gemäß § 14 Abs. 6 sowie an sonstigen (insbesondere auch länderübergreifenden) Netzwerktreffen zu ergänzen, um klarzustellen, dass Dienstreisen in diesem Zusammenhang ebenso wie die Teilnahme an Fortbildungen zulässig sind.
    • Die Ausweitung des Beanstandungsrechts der Gleichstellungsbeauftragten in § 21 sowie die Einführung des Klagerechts in § 22 ist zu begrüßen. Schließlich sollte das Klagerecht im Hinblick auf unzureichende Gleichstellungspläne erweitert werden (siehe nachfolgend Ziff. 6).

5. Gleichstellungsplan

Die Regelungen zum Gleichstellungsplan sind mit folgenden Einschränkungen zu begrüßen:

  • Es fehlt eine gesetzliche Definition des Gleichstellungsplans (vgl. z.B. § 11 BGleiG), so dass sich dessen Sinn und Zweck nur mittelbar aus den nachfolgenden Regelungen zum Inhalt ergeben. Rechtsanwenderinnen werden diesbezüglich erst in der Gesetzesbegründung fündig.
  • Unklar ist weiterhin, welche Fallkonstellationen mit der Ausnahmeregelung gemäß § 26 Abs. 2 erfasst werden sollen, d.h. welche Gründe eine Dienststelle von der Verpflichtung zur Erstellung des Gleichstellungsplans entbinden. Auch die Gesetzesbegründung liefert hierzu keinerlei Anhaltspunkte.
  • Die Regelung in § 26 Abs. 3 S. 2, wonach die Umsetzung des Gleichstellungsplans bei der Leistungsbeurteilung zu berücksichtigen ist, ist sehr zu begrüßen, um hierdurch dem Instrument Durchsetzungskraft auf breiter Basis bei den Führungskräften zu verleihen. Spiegelbildlich hierzu bedürfte es jedoch einer Verpflichtung der Dienststelle, die Zielvorgaben des Gleichstellungsplans auf konkrete Zielvorgaben für die Führungskräfte für die von diesen jeweils verantworteten Bereiche herunterzubrechen, um dem Anliegen das notwendige Gewicht zu verleihen.
  • Die Sanktionierung einer verspäteten Vorlage des Gleichstellungsplans gemäß § 27 Abs. 1 bzw. eines mangelhaften Gleichstellungsplans gemäß § 26 Abs. 3 ist zu begrüßen. Zusätzlich wünschenswert wäre jedoch ein Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten, wenn ohne sachliche Rechtfertigung gegen den Gleichstellungsplan verstoßen wird.

6. Gremien, Unternehmensbeteiligungen und Auftragsvergabe

Die Regelung zur Gremienbesetzung (§ 30) gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Regelung in der Praxis tatsächlich zu einer Verbesserung des Frauenanteils führen würde. Positiv hervorzuheben sind insbesondere

  • die weite Definition des Begriffs „Gremium“,
  • der Grundsatz der Parität, ergänzt um das sogenannte Reißverschlussverfahren und
  • das Doppelbenennungs- und Hinweisverfahren.

Aus Gründen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollte im Hinblick auf die Ausnahmeregelung gemäß § 30 Abs. 4 eine Pflicht zur schriftlichen Begründung ergänzt werden.

7. Schlussbestimmungen

Es wäre wünschenswert, die Berichtspflicht der Staatsregierung in § 33 um eine Pflicht zur begleitenden sozialwissenschaftlichen Evaluation zu ergänzen, um eine methodenkritische Effizienzkontrolle und darauf basierend eine zukünftige Weiterentwicklung des Gesetzes zu ermöglichen.
 

Susanne Köhler                                             
Vorsitzende                                                                        
Landesverband Sachsen

Dr. Julia Fitzner
Mitglied der Kommission Verfassungsrecht,
Öffentliches Recht, Gleichstellung

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[1] Eckertz-Höfer, Schriftliche Stellungnahme zu Artikel 2 und Artikel 1 des Entwurfs eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, 2015, Ausschussdrucksache 18(13)43m.

[2] Abzurufen unter  https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K1/stl4-17/ - dort unter 11. 1. b (1) <Art. 3 Abs. 3 Satz 1 und 3 Abs. 2 GG>

[3] S. die Ausführungen zum "Gender Time Gap" und "Gender Care Gap" im Gutachten für den Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, S. 38-40.

[4] S. hingegen § 92 Abs. 6 S. 4 BBG: Die Teilnahme an der Fortbildung begründet einen Anspruch auf bezahlte Dienstbefreiung nach Ende der Beurlaubung.

[5] S. Stellungnahme des djb zur Geschlechtergerechtigkeit bei dienstlichen Beurteilungen von Beamtinnen und Tarifbeschäftigten vom 22.04.2015, abzurufen unter https:/Iwww.djb.de/verein/Kom-u-AS/fK/K5a/st15-05/.

[6] 6 S. Zusammenfassung der Studie "Empirische Untersuchung zur Benotung in der staatlichen Pflichtfachprüfung und in der zweiten juristischen Staatsprüfung in Nordrhein-Westfalen von 2006 bis 2016", abrufbar unter bit.ly/2HtnFrh, sowie Emanuel V. Towfigh, Christian Traxler und Andreas Glöckner, Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsprüfungen, Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft 2018, S. 115-142.

[7] S. z.B. Welpe/Brosi/Schwarzmüller, Organisationsentwicklung Nr. 4 2014, S. 32 ff.

[8] S. Papier/Heidebach, DVBI 2015, 125, 135.

[9] S. z.B. § 20 Abs. 2, 3 BGleiG.