Stellungnahme: 18-02


zur effektiven Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Deutschland

Stellungnahme vom

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A. Forderungen zur effektiven Umsetzung der Istanbul-Konvention

Bereits 2011 hat die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention – IK) unterzeichnet, jedoch erst nach ausführlichen Diskussionen 2017 auch ratifiziert. Damit gilt die Istanbul-Konvention ab dem 1. Februar 2018 im Range eines Bundesgesetzes (BGBl II 2017, S. 1026), welches Landesrecht vorgeht, und zugleich weiterhin als Internationales Recht, welches eine völkerrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts erfordern kann. Trotz vieler guter Regelungen und Praktiken gegen geschlechtsspezifische Gewalt besteht in Deutschland noch erheblicher Handlungsbedarf zur Umsetzung der Vorgaben aus der Istanbul-Konvention. Einige Umsetzungsdefizite müssen besonders dringlich behoben werden:

1. Frauenschutzhäuser und Unterstützungsdienste (Artikel 20, 22, 23 IK)

Es sind alle geeigneten gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu treffen, um ein flächendeckendes, umfassendes und allgemein zugängliches Unterstützungssystem für alle gewaltbetroffenen Frauen zu schaffen. Dies umfasst insbesondere Schutzunterkünfte, Beratungsstellen, Notrufe, Traumazentren, Therapiemöglichkeiten, medizinische Versorgung und Barrierefreiheit im weiteren Sinne.

2. Finanzierung von Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten (Artikel 8, 22, 23 IK)

Der effektive Zugang zu Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten wie insbesondere vertraulicher Beratung ist auch durch deren verlässliche Finanzierung zu garantieren. Gewaltschutz und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen sind staatliche Pflichtaufgaben. Ihre angemessene und insbesondere bedarfsdeckende Finanzierung ist durch bundeseinheitliche klare und konsistente Regelungen sowie die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel zu garantieren.

3. Unterstützung und Schutz der Betroffenen von sexualisierter Gewalt (Artikel 18, 25, 55, 56 IK)

Es sind Angebote für Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt in ausreichender Zahl vorzuhalten, die den Anforderungen an Krisenzentren im Sinne der Konvention entsprechen. Das Recht auf kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung ist auf alle Betroffenen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im Sinne der Istanbul-Konvention auszuweiten.

4. Effektive Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt (Artikel 15, 49, 50 IK)

Maßnahmen der vertraulichen Beweissicherung müssen flächendeckend und wohnortnah eingeführt werden. Es ist eine Fortbildungspflicht für Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz zum angemessenen Umgang mit sexualisierter Gewalt und den hiervon Betroffenen einzuführen.

5. Strafzumessung bei sexualisierter Gewalt durch (Ex-)Partner (Artikel 43, 46 IK)

Es ist durch geeignete Maßnahmen zu garantieren, dass die Strafverfolgung bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen unabhängig von der Täter-Opfer-Beziehung erfolgt. Ferner darf ein minder schwerer Fall nicht allein damit begründet werden, dass die Tat durch den (Ex-)Ehemann oder (Ex-)Partner begangen wurde. Vielmehr sind alle geeigneten – ggf. auch gesetzgeberischen – Maßnahmen zu ergreifen, damit bei Straftaten im Anwendungsbereich der Konvention in jedem Einzelfall geprüft wird, ob der Tatbegehung durch (Ex-)Partner strafschärfende Wirkung zukommt.

6. Strafverfolgung und angemessene Bestrafung von sog. Trennungstötungen (Artikel 43, 46 IK)

Tötungsdelikte auf Grund der Trennung oder Trennungsabsicht der Partnerin (Trennungstötungen) sind effektiv zu verfolgen und angemessen zu bestrafen. Es sind alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit die Verharmlosung als „Familiendrama“ und das befremdliche Verständnis für die Täter sich nicht weiter auf die zutreffende Einordnung als manifeste geschlechtsspezifische Gewalt sowie die Effektivität der Strafverfolgung auswirken können. Eine mögliche Strafschärfung wegen der Tatbegehung durch den (Ex-)Partner ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Eine Änderung von § 211 StGB ist zu erwägen.

7. Unterbindung geschlechtszuweisender Operationen an Kindern (Artikel 38, 39, 46 IK)

Es sind alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um nicht medizinisch indizierte, sondern auf kulturellen Annahmen über Geschlecht beruhende Operationen an Intersex*-Kindern wirksam zu unterbinden. Hierzu gehört auch eine effektive Strafverfolgung.

8. Strafbarkeit von Zwangssterilisationen (Artikel 39 IK)

Jede Sterilisation ohne die vorherige, informierte und wirksame Einwilligung der betroffenen Frau stellt eine Straftat dar und ist konsequent zu verfolgen. Dies gilt auch und insbesondere für Sterilisationen von Frauen mit sog. geistiger Behinderung. § 1905 BGB ist zu streichen. Es sind effektive Maßnahmen zu ergreifen, um Sterilisationen auf der Basis unzureichender Aufklärung und unwirksamer Einwilligungen entgegenzuwirken.

9. Berücksichtigung vorheriger Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren (Artikel 31 IK)

Es sind alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass vorherige Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren angemessen berücksichtigt wird.

10. Haftung des Staates für Unterlassen geeigneter Maßnahmen (Artikel 29 IK)

Das Staatshaftungsrecht ist um effektive und angemessene Ansprüche zu ergänzen, welche gegen Behörden durchsetzbar sind, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihrer Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind.

11. Entschädigung Betroffener bei psychischer Gewalt mit schweren Folgen (Artikel 30 IK)

Das Opferentschädigungsgesetz ist in § 1 um Schädigungen durch psychische Gewalt mit schweren Folgen zu ergänzen.

12. Effektiver Rechtszugang gewaltbetroffener Frauen (Artikel 21, 57 IK)

Der effektive Rechtszugang gewaltbetroffener Frauen ist zu garantieren, insbesondere durch barrierefreie Informationen über geltende regionale und internationale Mechanismen für Einzel- oder Sammelklagen, die Bereitstellung einfühlsamer und sachkundiger Unterstützung für die Betroffenen bei der Einreichung solcher Klagen und die vollständige Umsetzung des Rechts der Betroffenen auf Rechtsbeistand und unentgeltliche Rechtsberatung.

13. Monitoring, Forschung und Datenerhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt (Artikel 10, 11 IK)

Es ist eine unabhängige Monitoring-Stelle einzurichten, welche die Umsetzung der Istanbul-Konvention bundesweit überwacht. Genau aufgeschlüsselte statistische Daten über alle vom Anwendungsbereich der Konvention erfassten Fälle von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sind von der Bundesrepublik zu erheben und allgemein zugänglich zu veröffentlichen. Forschung hierzu ist durch die vorbehaltlose Kooperation staatlicher Stellen sowie entsprechende Mittel zu garantieren und zu fördern. Forschung und Datenerhebung sollten integrale Bestandteile eines unabhängigen Monitorings sein.

14. Rücknahme der Vorbehalte zu Artikel 59 der Konvention

Die Bundesrepublik soll ihre Vorbehalte gegen Artikel 59(2) und (3) der Konvention zurücknehmen, um auch Frauen ohne gesicherten Aufenthaltstitel umfassend gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt zu schützen. Die praktische Wirksamkeit der Umsetzungsmaßnahmen zu Artikel 59(1) ist sicherzustellen.

B. Erläuterungen zu den Forderungen zur effektiven Umsetzung der Istanbul-Konvention

Geschlechtsspezifische Gewalt ist eine schwer wiegende Menschenrechtsverletzung.[1] Sie hindert insbesondere Frauen und Mädchen daran, ihre Rechte und Freiheiten gleichberechtigt zu genießen und aktiv wahrzunehmen. Seit den 1990er Jahren hat sich im internationalen Diskurs ein entsprechendes Problembewusstsein entwickelt, wesentlich vorangetrieben durch den Ausschuss für die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), die Vierte Weltfrauenkonferenz und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und es wurden zunehmend Anforderungen an den effektiven staatlichen Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt formuliert. Als wesentliches Resultat dieser Entwicklungen hat der Europarat 2011 mit dem Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (sog. Istanbul-Konvention) ein umfassendes und verbindliches völkerrechtliches Regelwerk mit nationalen Handlungspflichten vorgelegt, welches am 1. August 2014 völkerrechtlich und für Deutschland am 1. Februar 2018 in Kraft trat. Die Verbindung von internationalen Menschenrechtsstandards und konkreten Handlungspflichten bedingt den besonderen Charakter der Konvention.[2]

Die Istanbul-Konvention enthält einige grundsätzliche Entscheidungen. Sie definiert Geschlecht als gesellschaftlich geprägt und Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung und eine Form von Diskriminierung. Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen ist Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft.[3] Erfasst sind alle Handlungen, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können. Häusliche Gewalt sind alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen (Ehe-)Partner*innen vorkommen, von der grundsätzlich auch Männer betroffen sein können. Ziel der Konvention ist die Verhütung, Verfolgung und Beseitigung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, die umfassende Unterstützung der Betroffenen und die Förderung substantieller Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Hierfür enthält die Konvention zahlreiche konkrete Anforderungen und Handlungsaufträge.

Mit dem Gewaltschutzgesetz von 2002 sowie den begleitenden Regelungen und Praktiken trägt die Bundesrepublik bereits wesentlich zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt bei, auch sind durchaus etliche andere der konkreten Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention umgesetzt. Insgesamt ist die Unterstützung und Hilfe für gewaltbetroffene Frauen und Mädchen jedoch unzureichend gesichert. Es fehlt vielfach an Strukturen, rechtlichen Gewaltschutz tatsächlich wirksam zu machen. Wissen über Ausmaß und Ursachen geschlechtsspezifischer Gewalt sowie die Voraussetzungen ihrer effektiven Unterbindung wird kaum generiert. Das Ausmaß etwa häuslicher Gewalt – nach der kriminalstatistischen Auswertung von Partnerschaftsgewalt für 2016 sind 82% der Opfer Frauen, und davon waren 357 Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten[4] – ist nicht im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. Es besteht eine Schieflage bei der Bereitschaft, Gewalt gegen Frauen zu erkennen, zu ächten und wirksam zu unterbinden: Gesellschaftlich wird sie eher als Problem anerkannt, wenn sie sich (vermeintlich exklusiv) bei religiösen oder ethnischen Minderheiten verorten lassen.

Handlungspflichten, die sich aus der Istanbul-Konvention für die Vertragsparteien und damit auch die Bundesrepublik Deutschland ergeben, müssen dem völkerrechtlichen due diligence Standard entsprechen. Die Maßnahmen müssen effektiv sein und dürfen einen bestimmten Mindeststandard nicht unterschreiten.[5]

1. Frauenschutzhäuser und Schutzunterkünfte (Artikel 22, 23 IK)

Artikel 22 der Konvention verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, in angemessener geographischer Verteilung spezialisierte Dienste für sofortige sowie kurz- und langfristige Hilfe für Betroffene von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sowie ihre Kinder bereitzustellen oder deren Bereitstellung zu garantieren. Artikel 23 verpflichtet dazu, die notwendigen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um geeignete, leicht zugängliche Schutzunterkünfte in ausreichender Zahl bereitzustellen.

Forderung: Es sind alle geeigneten gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu treffen, um ein flächendeckendes, umfassendes und allgemein zugängliches Unterstützungssystem für alle gewaltbetroffenen Frauen zu schaffen. Dies umfasst insbesondere Schutzunterkünfte, Beratungsstellen, Notrufe, Traumazentren, Therapiemöglichkeiten, medizinische Versorgung und Barrierefreiheit im weiteren Sinne.

Erläuterung: Von einer flächendeckenden und zugänglichen Versorgung mit Schutzräumen für Gewaltopfer ist die Bundesrepublik weit entfernt. Es fehlen tausende von Plätzen in Frauenschutzhäusern, Frauen mit Behinderungen haben kaum Zugang, Schutzunterkünfte für männliche Opfer häuslicher Gewalt fehlen vollständig. Auch Unterstützungsdienste wie insbesondere Fachberatungsstellen stehen weder wohnortnah noch mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet zur Verfügung.

Jede vierte Frau in Deutschland hat im Laufe ihres Lebens mindestens einmal körperliche und/oder sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlebt.[6] Mit durchschnittlich einem Frauenhausplatz auf 12.500 Einwohner*innen[7] ist die Versorgung in Deutschland defizitär. Jede zweite Anfrage auf Aufnahme in einem Frauenhaus muss abgelehnt werden, wobei es regional erhebliche Unterschiede gibt. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise werden zwei von drei Anfragen abgelehnt; die schlechtesten Platzquoten[8] weisen Bayern und Sachsen auf. In mindestens 125 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland gibt es überhaupt kein Frauenhaus. Obwohl Frauen mit Behinderungen überdurchschnittlich häufig von Gewalt betroffen sind,[9] sind nur 10% der vorhandenen Frauenhäuser gut für sie geeignet, rollstuhlgeeignet ist nur eine Handvoll. In den derzeitigen Strukturen ist auch kaum eine angemessene Betreuung von Kindern, die Gewalt (mit)erlebt haben, möglich. Vielfach fehlen Ressourcen für die Sprachmittlung, was auch eine massive Barriere für gewaltbetroffene Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte darstellen kann.

Gleichzeitig müssen gewachsene Schutz- und Hilfestrukturen nicht nur quantitativ ausgebaut und finanziell verlässlich abgesichert werden, erforderlich ist auch eine qualitative Weiterentwicklung der Angebote, um Frauen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf zu erreichen. Gewaltbetroffenheit geht vielfach mit weiteren Belastungen und Benachteiligungen einher und wird durch sie noch verstärkt, so bspw. Armut, Verschuldung, Wohnungslosigkeit, Behinderung, Psychiatrieerfahrung, Suchtmittelabhängigkeit oder auch ein ungesicherter Aufenthaltsstatus. Schutz und Unterstützung können nur wirksam sein, wenn sie auch für besonders vulnerable Zielgruppen faktisch und verlässlich zugänglich sind. Frauen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf sehen sich überdies einem unzugänglichen Wohnungsmarkt gegenüber, was einen längeren Verbleib in Schutzunterkünften zur Folge hat, was das Platzproblem weiter verschärft. Notwendige Schutz- und Unterstützungsleistungen für gewaltbetroffene Frauen können nicht allein durch allgemeine Schutzunterkünfte und Fachberatungsstellen geleistet werden. Vielmehr sind weitere Institutionen wie bspw. die kommunale Wohnungswirtschaft, spezialisierte Beratungsstellen, Gesundheitsdienste und soziale Dienste in der Pflicht. Ihre Vernetzung und der Aufbau von Interventionsketten, welche Schutz und Unterstützung auch für Frauen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf garantieren, sind unbedingt erforderlich.  

Entgegen immer wieder erhobener Behauptungen sind von sog. häuslicher Gewalt nicht gleichmäßig Frauen und Männer betroffen. Umgekehrt können aber auch nicht die männlichen Opfer häuslicher Gewalt ignoriert werden. Gewalt in sozialen Nahbeziehungen ist geschlechtsspezifisch ausgeprägt, männliche Gewalt gegen Frauen ist häufiger, ritueller, schwerwiegender und mit weitaus ernsteren Konsequenzen verbunden als häusliche Gewalt von Frauen gegen Männer.[10] Zudem fehlt es Frauen weitaus häufiger als Männern an den finanziellen und sonstigen Ressourcen, um eine Gewaltbeziehung zu verlassen. Die Konvention verlangt Schutzunterkünfte „insbesondere für Frauen und ihre Kinder“, aber nicht exklusiv, und sie schließt männliche Opfer häuslicher Gewalt insgesamt nicht aus. Dies ist auch insofern konsequent, als die Wahrnehmung männlicher Opfer selbst Geschlechterrollen verändern kann. Derzeit gibt es überhaupt keine Schutzunterkünfte für Männer in Deutschland. Dies ist umgehend zu ändern, wobei zu beachten ist, dass der Bedarf aus den genannten Gründen deutlich geringer ausfallen wird als der Bedarf an Unterkünften für Frauen.

Die Versorgung mit Schutzunterkünften ist unverzüglich an die bestehenden Bedarfe anzupassen, was die Eröffnung von Schutzunterkünften für männliche Opfer häuslicher Gewalt ebenso impliziert wie den quantitativen Ausbau des Angebots von Frauenhäusern, so dass es nicht zu zahlreichen Abweisungen kommen muss, aber auch die (im weitesten Sinne) barrierefreie und an besonderen Bedarfen orientierte Ausstattung der bestehenden und neuen Unterkünfte. Angesichts der großen Herausforderungen ist auch eine Neuorientierung in der Finanzierung unumgänglich, die bisher als extrem uneinheitlich, kaum jemals kostendeckend und mit großen Unsicherheiten verbunden beschrieben werden kann.

Schutzunterkünfte decken nur einen Teil der notwendigen Unterstützung für Betroffene von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ab. Fachberatungsstellen leisten wohnortnah und unkompliziert Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen, wobei sie schwerpunktmäßig auf unterschiedliche Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgerichtet sind. Besonders bedeutsam ist die vertrauliche Beratung. Durch Öffentlichkeitsarbeit leisten sie überdies einen wesentlichen Beitrag zur Ächtung von geschlechtsspezifischer Gewalt und klären über Erscheinungsformen, Vorurteile und Gegenmaßnahmen auf. Ihre Arbeit wird dadurch erheblich behindert, dass sie unzureichend ausgestattet und nicht angemessen finanziert sind. Dadurch ergeben sich lange Wartezeiten für Beratungstermine, sofortige Hilfe kann auch in Notfällen nicht immer garantiert werden. Im ländlichen Raum gibt es oft kein wohnortnahes Angebot, so dass Gewaltbetroffene lange Wege und Kosten auf sich nehmen müssen, pro-aktive Interventionsstellen gibt es nur vereinzelt in Ballungsgebieten, aufsuchende Beratungsarbeit ist mangels Ressourcen kaum möglich. In vielen Fachberatungsstellen kann die Barrierefreiheit weder in Bezug auf die baulichen Gegebenheiten noch durch Sprachmittlung oder Kinderbetreuung gewährleistet werden.

Das Recht auf Gewaltschutz ist derzeit extrem kleinteilig und differenziert geregelt. Ein flächendeckendes, allgemein zugängliches Unterstützungsangebot wird so nicht erreicht. Vorzugswürdig wäre eine bundesgesetzliche Regelung für einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt für alle Frauen, deren Verankerung beispielsweise in § 23 Abs. 1 SGB XII unter Ausschluss von Abs. 3 möglich wäre. Für Asylsuchende könnten die Leistungen zum Schutz vor Gewalt explizit in § 6 AsylBLG verankert und mit einem Rechtsanspruch verbunden werden.

2. Finanzierung von Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten (Artikel 8, 22, 23 IK)

Artikel 8 der Konvention verpflichtet die Bundesrepublik, die angemessenen finanziellen Mittel für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bereitzustellen, einschließlich der von nicht-staatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft durchgeführten Maßnahmen. Artikel 22 und 23 der Konvention verpflichten zur Sicherung der Bereitstellung von Unterstützungsdiensten und Schutzunterkünften.

Forderung: Der effektive Zugang zu Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten wie insbesondere vertraulicher Beratung ist auch durch deren verlässliche Finanzierung zu garantieren. Gewaltschutz und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen sind staatliche Pflichtaufgaben. Ihre angemessene und insbesondere bedarfsdeckende Finanzierung ist durch bundeseinheitliche klare und konsistente Regelungen sowie die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel zu garantieren.

Erläuterung: Die Finanzierung von Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten ist in keiner Weise gesichert und unterschreitet den Mindeststandard.[11] Die Lückenhaftigkeit, Inkonsistenz und Komplexität von Finanzierungsregelungen in diesem Bereich wirken sich als Zugangshindernisse primär für Frauen in besonders prekären Lebenssituationen aus.[12]

Die Finanzierungsmodalitäten von Schutzunterkünften und Unterstützungsdiensten unterscheiden sich je nach Bundesland ganz erheblich.[13] Eine gesetzliche Regelung gibt es nur in Schleswig-Holstein und einen festen Haushaltsposten in Berlin, im Übrigen wird diese Frage durch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften geregelt. In den meisten Bundesländern werden Schutzunterkünfte durch eine Mischung aus Landeszuschüssen, kommunaler Förderung, Eigenmitteln der Träger und Tagessätze nach SGB II und XII finanziert. Die Finanzierung der anderen Unterstützungssysteme ist noch weitergehend den Kommunen überlassen, weshalb Eigenmittel der Träger sowie Spenden und Bußgelder eine sehr große Rolle spielen. Die einzelnen Komponenten der Finanzierung wie das Fehlen einer bundeseinheitlichen Regelung werfen verschiedene Probleme auf.[14]

Auf die Fördermittel durch Land und Kommune besteht kein Anspruch, sie sind in aufwändigen Verfahren jährlich neu zu beantragen und meist nicht kostendeckend. Überdies setzen sie oft erhebliche Eigenleistungen der Träger voraus. Die Einnahmen durch Spendenakquise und Zuweisung von Bußgeldern sind erheblich zurückgegangen (teils auf 10%), während von den Ländern und Kommunen gleichbleibend hohe Eigenmittel gefordert werden. Die jährliche Beantragung von Personal- und Sachmitteln bei diversen Geldgebern bindet Ressourcen, die eigentlich den Betroffenen zugutekommen sollten, erschwert jede Planung und wirkt sich negativ auf die Motivation des Personals aus.[15]

Eine Tagessatzfinanzierung der Schutzunterkünfte über SGB II und XII lässt mehrere Gruppen von Betroffenen außen vor: Schülerinnen, Studentinnen, Auszubildende, Asylsuchende, Migrantinnen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus, Diplomatenfrauen und UN-Angehörige sowie neu zugezogene EU-Bürgerinnen.[16] Frauen mit eigenem Einkommen müssen Sozialleistungen beantragen und/oder sich verschulden, da die Tagessätze ein durchschnittliches Einkommen deutlich übersteigen. Die Mischfinanzierung erschwert auch wesentlich die Aufnahme von Frauen aus anderen Kommunen oder Bundesländern. Ferner wirft eine sozialrechtliche individualisierte Finanzierung auch erhebliche Probleme bezüglich der oftmals notwendigen Vertraulichkeit der Unterstützungsleistung auf – eine vertrauliche Beratung, die unverzichtbarer Bestandteil von Schutzkonzepten und Unterstützungsleistungen ist, würde damit faktisch unfinanzierbar.

Die Vorhaltung und Finanzierung von Unterstützungssystemen wird von den Ländern grundsätzlich den Kommunen als freiwillige Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge zugewiesen. Damit ist das Angebot vor Ort nicht nur von der kommunalen Haushaltslage, sondern auch dem guten Willen der kommunalen Verantwortlichen abhängig. Für die Verpflichtung aus der Konvention als völkerrechtlichem Vertrag ist der genaue Aufbau des föderalen Systems in Deutschland aber irrelevant, die Bundesrepublik ist zur effektiven Aufgabenerfüllung (ob selbst, durch die Länder oder die Kommunen) verpflichtet.

Bereits 2009 hat der CEDAW-Ausschuss die Bundesrepublik aufgefordert, durch verbesserte Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen die Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von Frauenschutzhäusern im gesamten Bundesgebiet sowie deren angemessene Finanzierung, die einkommensunabhängige Zugänglichkeit und die entsprechende Ausstattung, insbesondere auch für Frauen mit Behinderungen, zu gewährleisten.[17] Der Zweite Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hatte die Finanzierungsfrage ausgespart. 2008 und 2009 wurde auf parlamentarischer Ebene über die Möglichkeit der bundeseinheitlichen Finanzierung von Frauenschutzhäusern beraten und ein Prüfauftrag an die Bundesregierung (BMFSFJ) erteilt.[18] Auf Nachfrage wies der zuständige parlamentarische Staatssekretär 2010 nochmals darauf hin, dass Bundesländer und Kommunen für die Existenz und finanzielle Absicherung der Unterstützungs-Infrastruktur für gewaltbetroffene Frauen und Kinder zuständig seien und eine bundeseinheitliche Regelung in Bezug auf Frauenschutzhäuser grundsätzlich ablehnten.[19] Die dringende Notwendigkeit einer gesicherten Finanzierung ambulanter Unterstützungseinrichtungen wurde nicht einmal thematisiert.[20]

2013 hatte die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erwogen, durch Landesgesetz ein unbürokratisches, vom Einzelfall losgelöstes, bedarfsgerechtes und verlässliches Finanzierungssystem zu etablieren.[21] Zwar erwies sich ein solches Landesgesetz als rechtlich durchaus möglich, die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens lehnte die Landesregierung allerdings ab, weil dies zum einen den Wegfall von Bundeszuschüssen bedeutet und zum anderen durch Zweckzuweisungen die finanziellen Handlungsspielräume der Kommunen reduziert hätte. Dies erscheint nicht als geeignete Rechtfertigung für die Unterschreitung des due diligence Standards. Vielmehr ist die derzeitige Finanzierung als wesentliches Zugangshindernis für gewaltbetroffene Frauen und Haupthindernis für die verlässliche Arbeit der Frauenhäuser und anderer Unterstützungsangebote[22] anzusehen.

Gewaltschutz und Unterstützung gewaltbetroffener Frauen müssen Pflichtaufgabe werden und durch bundeseinheitliche klare und konsistente Regelungen bedarfsdeckend garantiert sein. Für die konkrete Umsetzung gibt es verschiedene Modelle. Ein individueller sozialrechtlicher Anspruch auf Schutzunterkunft und Unterstützung bei Gewaltbetroffenheit würde eine verlässliche Finanzierung der Leistungen in Frauenhäusern und Fachberatungsstellen erfordern und von freiwilligen Leistungen unabhängig machen.[23] Eine andere Möglichkeit wäre es, die bedarfsgerechte und angemessene Finanzierung durch Bundesgesetz als Materie der staatlichen Fürsorge zu regeln, weil die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eine bundesgesetzliche Regelung notwendig macht.[24] Dazu könnten ein Geldleistungsgesetz erlassen[25] oder eine Bundesstiftung errichtet[26] oder das Sozialleistungsrecht und darauf bezogene Organisationsregelungen behutsam reformiert[27] werden. Vieles spricht für eine Pauschalfinanzierung.[28]

Die Wahl des Regelungsmodells liegt im gesetzgeberischen Ermessen, solange dieses nur – im Unterschied zur derzeitigen Situation – die effektive Finanzierung und damit auch den effektiven Zugang zu Unterstützungssystemen garantiert.

3. Unterstützung und Schutz der Betroffenen von sexualisierter Gewalt (Artikel 25, 18, 55, 56 IK)

Nach Artikel 25 der Konvention müssen Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt in ausreichender Zahl eingerichtet werden, die medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe und Beratung anbieten. Gemäß Artikel 18 müssen Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen auf die Verhinderung sekundärer Viktimisierung zielen. Artikel 55(2) der Konvention garantiert den Betroffenen bei den Ermittlungen und im Gerichtsverfahren Beistand und Unterstützung durch staatliche oder nicht-staatliche Organisationen oder Berater*innen. Nach Artikel 56 Abs. 1 lit. e sind den Betroffenen geeignete Unterstützungsdienste zur Verfügung stellen, damit ihre Rechte und Interessen in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren in gebührender Weise vorgetragen und berücksichtigt werden.

Forderung: Es sind Angebote für Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt in ausreichender Zahl vorzuhalten, die den Anforderungen an Krisenzentren im Sinne der Konvention entsprechen. Das Recht auf kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung ist auf alle Betroffenen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt im Sinne der Istanbul-Konvention auszuweiten.

Erläuterung: Zwar gibt es Frauennotrufe, Fachberatungsstellen und Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Trauma-Ambulanzen, aber weder in hinreichender Zahl noch lässt sich schließen, dass sie derzeit alle Funktionen von Krisenzentren für Betroffene von sexualisierter Gewalt erfüllen könnten. Dies bedeutet nicht zwingend, dass flächendeckend neue Einrichtungen als Krisenzentren für Opfer sexualisierter Gewalt errichtet werden müssen. Die vorhandenen Angebote müssen aber daraufhin überprüft werden, ob sie die Verpflichtung aus Artikel 25 der Konvention tatsächlich erfüllen. Dies kann die Notwendigkeit stark intensivierten Vernetzung oder auch Ergänzung bestehender Unterstützungsleistungen bedingen. Angebote, die den Anforderungen an Krisenzentren im Sinne der Konvention entsprechen, liegen nur vor, wenn Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt sich an eine allgemein bekannte und zugängliche Stelle wenden können, welche entweder die genannten Leistungen (medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe, Beratung etc.) selbst anbietet oder die Betroffenen ohne Verzögerung oder weitere Anforderungen an die entsprechenden Dienste vermittelt. 

Nach § 406f StPO können Verletzte sich eines rechtsanwaltlichen Beistandes bedienen und beantragen, dass bei ihren Vernehmungen eine Person ihres Vertrauens anwesend ist. Dass dies den Konventionsvorgaben aus Art. 55 und 56 entspricht, ist mehr als zweifelhaft. Auch die Regelung zur psychosozialen Prozessbegleitung in § 406g StPO gleicht dies nicht aus. Auf Grund der notwendigen Trennung von Beratung und Prozessbegleitung[29] wird die Garantie aus Artikel 55 hierdurch nicht erfasst. Darüber hinaus stellt die Beiordnung der Begleitung für volljährige Betroffene von sexualisierter Gewalt nach derzeitiger Rechtslage kein garantiertes Recht dar.

Zwar haben in Deutschland seit dem 1. Januar 2017 Opfer von bestimmten Straftaten einen Anspruch auf kostenfreie professionelle Begleitung und Betreuung während des gesamten Strafverfahrens (sog. psychosoziale Prozessbegleitung), jedoch gilt dies nicht für sämtliche Betroffene von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – insbesondere nicht für alle Betroffenen von Sexualstraftaten. Bei der psychosozialen Prozessbegleitung i.S.d. § 406g StPO handelt es sich um eine Form der nicht-rechtlichen Begleitung in Strafverfahren, die der Informationsvermittlung sowie qualifizierten Betreuung und Unterstützung im Strafverfahren dient. Ihr Ziel ist es laut § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG), die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden.

Die Regelung des § 406g Abs. 3 StPO sieht die Gewährung des Rechts auf kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung jedoch nicht für alle Betroffenen von Gewalt gegen Frauen* und häuslicher Gewalt vor. Zwar können sich alle Betroffenen der psychosozialen Prozessbegleitung bedienen (§ 406g Abs. 1 StPO), müssen diese jedoch selbst finanzieren. In vielen Fällen ist dies jedoch den Betroffenen wirtschaftlich nicht möglich, so dass ihren Schutzbedürfnissen nicht Rechnung getragen wird.

Betroffene von Gewalt gegen Frauen, insbesondere sexualisierter Gewalt, sowie häuslicher Gewalt im Sinne der Konvention haben Anspruch auf staatlichen Schutz und staatliche Unterstützung, sind also regelmäßig als besonders schutzbedürftig im Sinne der nationalen Opferschutzregelungen anzusehen. Es bedarf daher einer Neugestaltung des § 406g StPO, welche sicherstellt, dass alle Betroffenen von Gewalt gegen Frauen, insbesondere sexualisierter Gewalt, und häuslicher Gewalt die Möglichkeit haben, das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung kostenfrei in Anspruch zu nehmen.

4. Effektive Strafverfolgung von sexualisierter Gewalt (Artikel 15, 49, 50 IK)

Artikel 50 der Konvention fordert sofortigen und angemessen Opferschutz durch Strafverfolgungsbehörden inklusive Beweissicherung. Nach Artikel 49(2) ist zu garantieren, dass unter Berücksichtigung eines geschlechtsbewussten Verständnisses von Gewalt wirksame Ermittlungen wegen und Strafverfolgung von nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten erfolgt. Art. 15 Abs. 1 verpflichtet die Bundesrepublik, für Angehörige der Berufsgruppen, die mit Opfern oder Tätern aller in den Geltungsbereich der Konvention fallenden Gewalttaten zu tun haben, ein Angebot an geeigneten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen u.a. zu den Bedürfnissen und Rechten der Opfer sowie zu Wegen zur Verhinderung der sekundären Viktimisierung zu schaffen bzw. dieses Angebot auszubauen.

Forderung: Maßnahmen der vertraulichen Beweissicherung müssen flächendeckend und wohnortnah eingeführt werden. Es ist eine Fortbildungspflicht für Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz zum angemessenen Umgang mit sexualisierter Gewalt und den hiervon Betroffenen einzuführen.

Erläuterung: Die vertrauliche Beweissicherung ist ein Verfahren, bei dem gerichtsfest Beweise gesichert werden, ohne dass sofort Anzeige erstattet oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden muss. Betroffene von sexualisierter Gewalt können oft nicht sofort entscheiden, ob sie Anzeige erstatten und damit ein Strafverfahren in Gang setzen wollen. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur, wenn die Gewalt von einem bekannten oder nahestehenden Täter ausgeübt wurde. Die vertrauliche Beweissicherung ermöglicht, Verletzungen und Spuren fachkundig und für ein späteres Strafverfahren verwertbar sichern und dokumentieren zu lassen. Diese Beweise werden verwahrt, so dass Betroffene dann Bedenkzeit haben, ob sie ein Strafverfahren in Gang setzen wollen, welches auch mit erheblichen Belastungen für sie verbunden ist. Allerdings wird die vertrauliche Beweissicherung bisher nicht flächendeckend und wohnortnah angeboten, sondern existiert nur in regionalen Pilotprojekten und wenigen Bundesländern.[30] Ein wesentlicher Grund für die bisher geringe Verbreitung ist die mangelnde finanzielle Absicherung der ärztlichen Untersuchung, der Dokumentation und der Aufbewahrung der Spuren.

Effektive Strafverfolgung und Unterbindung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist aber nicht allein von der materiellen Rechtslage und einer gelingenden Beweissicherung abhängig. Eine wesentliche Rolle spielt auch das in der Konvention geforderte geschlechtsbewusste Verständnis, die Orientierung an Menschenrechten und die unbedingte Zielsetzung, sekundäre Viktimisierung zu verhindern. Die Istanbul-Konvention betont die Bedeutung von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen für die wirksame Bekämpfung und Unterbindung geschlechtsspezifischer Gewalt. Denn bspw. eine Änderung des Sexualstrafrechts bedingt nicht notwendig seine effektive und geschlechtssensible Umsetzung.

Wie im sog. Erläuternden Bericht (para. 192) zu Art. 36 der Istanbul-Konvention deutlich wird, „muss auch dafür Sorge getragen werden, dass die Auslegungen der Gesetzgebung zu Vergewaltigung und die in den entsprechenden Fällen eingeleiteten Strafverfolgungsmaßnahmen nicht von Geschlechter-Stereotypen und Mythen zur männlichen bzw. weiblichen Sexualität beeinflusst werden“. Bei der Beurteilung von Beweisen müsse „die gesamte Bandbreite von Verhaltensreaktionen auf sexuelle Gewalt und auf eine Vergewaltigung berücksichtigt werden, die das Opfer zeigen kann, und sie darf nicht auf Vermutungen zum typischen Verhalten in einer solchen Situation begründet werden“.

Bisher bieten die Richterakademien allenfalls vereinzelt Aus- oder Fortbildungen zur Reflektion von opferschädigenden Geschlechterstereotypen oder Vergewaltigungsmythen oder sonst geeignete Fortbildungen zur Vermeidung sekundärer Viktimisierung in Strafverfolgungsprozessen wegen sexualisierter Gewalt gegen Erwachsene an. Vergewaltigungsmythen treten in verschiedenen Formen auf, etwa als allgemeine, massiv opferschädigende Vorstellungen über sexuelle Interaktionen,[31] feindselige Vorbehalte gegenüber dem Opfer in Bezug auf dessen Glaubwürdigkeit[32] oder meist unerfüllbare und immer unangemessene Erwartungen in Bezug auf ein ideales Opferverhalten, welche opferbeschuldigend und täterentlastend wirken.[33] Solche Stereotype und Mythen waren bisher ein wesentliches Hindernis für die effektive Strafverfolgung von Sexualdelikten.[34]

Der djb fordert daher eine flächendeckende Bereitstellung verpflichtender[35] Fortbildungsmaßnahmen für Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz, welche die Angehörigen dieser Berufsgruppen befähigt, Geschlechterstereotype und Vergewaltigungsmythen zu reflektieren und den Bedürfnissen und Rechten der Opfer im Strafverfahren gerecht zu werden.

5. Strafzumessung bei Tatbegehung durch (Ex-)Partner (Artikel 43, 46 IK)

Artikel 43 der Konvention fordert die Anwendung des Strafrechts auf von der Konvention erfasste Taten unabhängig von der Täter-Opfer-Beziehung. Artikel 46(a) verpflichtet zu den notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der Strafzumessung als erschwerend berücksichtigt werden kann, wenn die Tatbegehung durch (Ex-)Ehemann oder (Ex-)Partner erfolgte.

Forderung: Es ist durch geeignete Maßnahmen zu garantieren, dass die Strafverfolgung bei sexualisierter Gewalt gegen Frauen unabhängig von der Täter-Opfer-Beziehung erfolgt. Ferner darf ein minder schwerer Fall nicht allein damit begründet werden, dass die Tat durch den (Ex-)Ehemann oder (Ex-)Partner begangen wurde. Vielmehr sind alle geeigneten – ggf. auch gesetzgeberischen – Maßnahmen zu ergreifen, damit bei Straftaten im Anwendungsbereich der Konvention in jedem Einzelfall geprüft wird, ob der Tatbegehung durch (Ex-)Partner strafschärfende Wirkung zukommt.

Erläuterung: Am 7. Juli 2016 hat der Bundestag eine Reform des Sexualstrafrechts verabschiedet, wonach dieses nun auch nicht einverständliche sexuelle Handlungen ohne weitere Voraussetzungen unter Strafe stellt (Nein heißt Nein). Die Reform war wesentlich feministischer Kampagnenarbeit zu verdanken und beruhte auf der späten Einsicht von Bundesregierung und Gesetzgeber, dass Artikel 36 der Konvention eine solche Änderung des deutschen Sexualstrafrechts erforderlich[36] machte. Allerdings gehen die Anforderungen der Konvention zur wirksamen Bekämpfung und Verfolgung sexualisierter Gewalt deutlich weiter.[37] Dazu gehören bereits genannte Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene sowie die Maßnahmen zur Effektuierung der Strafverfolgung, aber auch Regelungen im Bereich der Strafzumessung.

Insbesondere, wenn es um sexuelle Übergriffe oder sexualisierte Gewalt nach vorheriger Intimbeziehung geht, droht die Effektivität der Strafverfolgung durch stereotype Opferbeschuldigungen ebenso wie durch die Aussicht auf eine geringe Strafe oder Einstellung des Verfahrens zu leiden. Die Rechtsprechung geht bei sexuellen Übergriffen innerhalb oder nach einer vorherigen intimen Beziehung regelmäßig von einem minder schweren Fall aus, was zu einer Strafminderung führt.[38] Die dogmatische Herleitung dieser Strafminderung bei Vergewaltigungen war schon nach früherem Sexualstrafrecht fragwürdig, die dahinterstehenden Argumentationen basierten auf einer opferschädigenden Unfähigkeit, zwischen Intimität und sexualisierter Gewalt zu unterscheiden.

Jede sexualisierte Gewalt kann schwerwiegende Folgen haben, für den traumatisierenden Vertrauensbruch bei einem Übergriff durch den zuvor vertrauten oder intimen Partner ist dieses Risiko aber wesentlich erhöht.[39] Auch bisher schon liegt in Fällen eines solchen Vertrauensbruchs dogmatisch eher eine Strafschärfung nahe.[40] Jedenfalls darf ein minder schwerer Fall nicht allein damit begründet werden, dass die Tat durch den (Ex-)Partner begangen wurde. Genau umgekehrt schreibt Art. 46(a) vor, bei der Strafzumessung für Taten im Anwendungsbereich der Konvention in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Tatbegehung durch (Ex-)Ehemann oder (Ex-)Partner strafschärfend zu berücksichtigen ist. 

In der Neuregelung von § 177 StGB ist weder eine Garantie der gleichmäßigen Anwendung des Tatbestands unabhängig von der Beziehung zwischen Täter und Opfer noch die Möglichkeit der Strafschärfung bei (früherer oder aktueller) Ehe oder Partnerschaft vorgesehen. Zwar könnte die geforderte Möglichkeit der Strafschärfung durch eine entsprechende konventionskonforme Auslegung der allgemeinen Strafzumessungsregeln in § 46 Abs. 2 StGB („menschenverachtende Beweggründe“ oder „verschuldete Auswirkungen der Tat“) erfolgen. Doch ist angesichts einer verfestigten Rechtsprechung, welche vorherige Intimität als strafmildernd einordnet, und der im Wesentlichen beibehaltenen Fassung der Regelung des minder schweren Falles in § 177 Abs. 9 StGB nF wenig wahrscheinlich, dass eine solche Auslegung sich durchsetzt.

Die Umsetzung der Konvention verlangt angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Instanzen der Strafverfolgung eine explizite Regelung, welche die Annahme eines minder schweren Falles bei Begehung durch (Ex-)Partner ausschließt und die Möglichkeit der Strafschärfung eröffnet. Ob dies durch eine Regelung in § 177 StGB nF oder in § 46 Abs. 2 StGB besser gelingt, ist der Einschätzung des Gesetzgebers überlassen. Die Regelung muss die Grundsätze der Strafzumessung nach der Konvention aber effektiv verwirklichen. Zusätzlich bieten sich hier entsprechende Maßnahmen im Bereich der Fortbildung an.

6. Strafverfolgung und angemessene Bestrafung von sog. Trennungstötungen (Art. 43, 46)

Artikel 43 der Konvention fordert die Anwendung des Strafrechts auf von der Konvention erfasste Taten unabhängig von der Täter-Opfer-Beziehung. Artikel 46(a) fordert die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der Strafzumessung als erschwerend berücksichtigt werden kann, wenn die Tatbegehung durch (Ex-)Ehemann oder (Ex-)Partner erfolgte.

Forderung: Tötungsdelikte auf Grund der Trennung oder Trennungsabsicht der Partnerin (Trennungstötungen) sind effektiv zu verfolgen und angemessen zu bestrafen. Es sind alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit die Verharmlosung als „Familiendrama“ und das befremdliche Verständnis für die Täter sich nicht weiter auf die zutreffende Einordnung als manifeste geschlechtsspezifische Gewalt sowie die Effektivität der Strafverfolgung auswirken können. Eine mögliche Strafschärfung wegen der Tatbegehung durch den (Ex-)Partner ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Eine Änderung von § 211 StGB ist zu erwägen.

Erläuterung: In Deutschland ist durchschnittlich jeden Tag eine Frau von einem versuchten oder vollendeten Tötungsdelikt durch den eigenen Ehemann, Partner oder Ex-Partner betroffen.[41] Jede Woche sterben dabei drei Frauen. Motiv ist fast immer die Trennungsabsicht der Frau oder eine bereits erfolgte Trennung, welche der Ex-Partner nicht akzeptieren will. Eine konventionskonforme Anwendung der Strafzumessungsregelungen ist daher nicht nur bei der Strafverfolgung von Sexualdelikten relevant, sondern wird auch im Bereich der Tötungsdelikte eine wesentliche Rolle spielen.

Zwar werden sog. Ehrenmorde von türkisch- oder arabischstämmigen Tätern inzwischen durchgängig als Mord aus niedrigen Beweggründen bestraft, einen kulturellen Bonus gibt es nicht, sondern eher eine bedenkliche Verkürzung der Prüfung des Mordmerkmals.[42] Umso ausführlicher und kritischer wird dagegen das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe geprüft, wenn ein Mann seine (Ex-)Partnerin tötet, weil sie ihn verlassen will oder verlassen hat – der Standardfall männlicher Tötungsdelikte in Beziehungen. Grundlegend hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Tötung nicht als niedrig zu bewerten ist, wenn „die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und der Angeklagte durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will“.[43] Dies wird auch von den Untergerichten gern geprüft, obwohl ersteres eine profund opferbeschuldigende Entlastung des Täters enthält und zweiteres patriarchale Besitzkonstruktionen anerkennt, nach denen die Frau besser tot als allein und frei sei, was ganz zu Recht bei sog. Ehrenmorden nicht als juristisch relevant[44] angesehen wird (obwohl sich faktisch auch dort Täter um die Tochter oder Schwester bringen, die sie häufig eigentlich nicht verlieren wollten).

Der Wunsch des Täters, das Opfer möge nach seinen Vorstellungen leben, wird bei sog. Ehrenmorden als freiheitsbeschränkender patriarchaler Herrschaftsanspruch und bei Trennungstötungen überwiegend[45] als vulnerabler emotionaler Zustand interpretiert. Wie tief solch gewaltverharmlosende und damit gewaltlegitimierende Muster verankert sind, zeigt auch die mediale Aufbereitung von Trennungstötungen oder die epidemische Bezeichnung als „Drama“ oder „Familientragödie“ jener Fälle, in denen ein Mann seine Familie auslöscht, indem er Frau und Kinder tötet, weil er meint, dass sie ohne ihn nicht leben könnten bzw. sollten. Dramatisch ist höchstens, dass diese Fälle weder als mehrfacher Mord beschrieben noch ihre geschlechtsspezifischen Ursachen analysiert und Maßnahmen zur Prävention ergriffen werden.

Artikel 46(a) der Konvention fordert, dass das nationale Strafrecht dahingehend zu ändern ist, dass bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden kann, dass die Begehung der Straftat gegen eine frühere oder derzeitige Ehefrau oder Partnerin (oder Ehemann/Partner) erfolgte. Im Bereich der Tötungsdelikte ist eine solche Regelung bislang nicht vorgesehen. Mit Blick auf die verbreitete gerichtliche Anerkennung patriarchaler Besitzansprüche als strafmildernd würde es sich bei der ohnehin angestrebten Reform der Tötungsdelikte anbieten, zur Umsetzung von Artikel 12(5), 42(1) und 46(a) der Konvention eine Strafschärfungsmöglichkeit bei Tötungen in Paarbeziehungen auf Grund der Trennung oder Trennungsabsicht der getöteten Person vorzusehen. Die derzeitige Rechtslage ist nicht konventionskonform. Ferner sollte mit Fortbildungen für Justizpersonal und allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit der Verharmlosung von Trennungstötungen entgegengewirkt werden.

7. Unterbindung geschlechtszuweisender Operationen an Kindern (Artikel 38, 39, 46 IK)

Artikel 38 der Konvention verpflichtet die Bundesrepublik, die Verstümmelung weiblicher Genitalien sowie jede Nötigung oder Veranlassung einer Frau oder eines Mädchens, sich einem solchen Eingriff zu unterziehen, unter Strafe zu stellen. Artikel 39(b) statuiert die Strafbarkeit der vorsätzlichen Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge der Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau ohne ihre vorherige informierte Zustimmung oder ohne dass sie den Eingriff versteht. Artikel 46(a) gebietet, dass bei der Strafzumessung erschwerend berücksichtigt werden kann, dass die Straftat von einem Familienmitglied, einer mit dem Opfer zusammenlebenden Person oder einer ihre Autoritätsstellung missbrauchenden Person begangen wurde.

Forderung: Es sind alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um nicht medizinisch indizierte, sondern auf kulturellen Annahmen über Geschlecht beruhende Operationen an Intersex*-Kindern wirksam zu unterbinden. Hierzu gehört auch eine effektive Strafverfolgung.

Erläuterung: Artikel 12(5) und 42(1) der Konvention verpflichten die Bundesrepublik, durch gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen sicherzustellen, dass Kultur, Bräuche, Religion oder Tradition nicht als Rechtfertigung für geschlechtsspezifische Gewalt angesehen werden, insbesondere nicht in entsprechenden Strafverfahren. 

Geht es um Kulturen geschlechtsspezifischer Gewalt, werden diese oft exklusiv auf religiöse oder ethnische Minderheiten projiziert. Stichworte wären Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen, Genitalverstümmelungen etc. Diese schweren Menschenrechtsverletzungen sind vom Staat mit allen geeigneten Mitteln zu unterbinden. Zu oft jedoch tritt in den Hintergrund, dass Kulturen geschlechtsspezifischer Gewalt auch in der Mehrheitsgesellschaft verankert sind. Auch hier gibt es Muster, Traditionen, Bräuche und Überzeugungen, die geschlechtsspezifische Gewalt verharmlosen oder gar legitimieren, häufig, indem sie den Opfern eine wesentliche Mitschuld zuschreiben.[46]

Solche Kulturen geschlechtsspezifischer Gewalt zeigen sich auch, wenn es um die geschlechtliche Zuordnung von Neugeborenen und Kleinkindern geht. Trotz intensiver öffentlicher Diskussionen der Problematik[47] sind geschlechtszuweisende Operationen an intersexuellen Neugeborenen und Kleinkindern weiterhin durchaus üblich.[48] Werden Kinder mit einem nicht sofort als männlich oder weiblich zuordenbaren Geschlecht geboren, empfehlen viele Ärzt*innen immer noch operative Eingriffe. Geschlechtszuweisende Operationen erfordern eine Reihe von schwerwiegenden operativen Eingriffen an den Genitalien, die sich negativ auf das Körpergefühl und sexuelle Lusterleben auswirken können und oft mit der Folge von Fortpflanzungsunfähigkeit verbunden sind.[49] Nur in den seltensten Fällen sind diese Eingriffe medizinisch indiziert, weit überwiegend geht es darum, kulturelle Normen exklusiver und natürlicher Zweigeschlechtlichkeit zu bestätigen.

Ärzt*innen missbrauchen ihre Autoritätsstellung, wenn sie Eltern kurz nach der Geburt nahelegen oder sie gar drängen, ihr intersexuelles Kind schwerwiegenden Operationen an den Genitalien mit Verstümmelung der vorhandenen Klitoris und häufiger Folge der Fortpflanzungsunfähigkeit zu unterziehen, obwohl diese Eingriffe nicht medizinisch indiziert sind. Dabei ist es inzwischen möglich, den Geschlechtseintrag eines Neugeborenen im Geburtenbuch offen zu lassen,[50] was Druck von den Beteiligten nimmt.

Einer Genitalverstümmelung, wie sie durch geschlechtszuweisende Operationen, bei denen gesundes Gewebe aus kosmetischen Gründen entfernt wird, regelmäßig erfolgt, können die Eltern ohnehin nicht zustimmen. Vielmehr ist diese in § 226a StGB explizit unter Strafe gestellt, wenn auch nicht in Umsetzung des gesamten Artikel 38 der Konvention. Ferner bestimmt § 1631c BGB, dass Eltern nicht in die Sterilisation des Kindes einwilligen können. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Sterilisation unvermeidbare Nebenfolge lebensrettender oder erhebliche Gesundheitsschädigungen vermeidender medizinischer Maßnahmen ist. Dies ist bei geschlechtszuweisenden Operationen an Kleinkindern regelmäßig nicht der Fall. Die rechtliche Unmöglichkeit der Einwilligung führt dazu, dass medizinische Eingriffe an intersexuellen Kindern mit der Folge der Fortpflanzungsunfähigkeit als schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar sind.

Effektive Strafverfolgung oder auch nur die Kenntnis von der Strafbarkeit dieses Tuns scheint allerdings kaum zu existieren, wie die weiterhin bestehende Praxis der geschlechtszuweisenden Operationen an intersexuellen Kleinkindern zeigt. Die durch die Istanbul-Konvention geschützte sexuelle, reproduktive und körperliche Integrität ist damit nicht gewährleistet. Die Bundesrepublik muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um nicht medizinisch indizierte, sondern auf kulturellen Annahmen über Geschlecht beruhende Operationen an Intersex*-Kindern wirksam und unter Einsatz auch strafrechtlicher Mittel zu unterbinden.[51]

Ein Schritt könnte sein, § 1631c BGB explizit auf medizinisch nicht notwendige, geschlechtszuweisende Operationen zu beziehen. Wesentlicher noch dürfte die Aufklärung von Ärzt*innen und medizinischem Personal sowie Eltern über die bereits jetzt bestehende strafrechtliche Relevanz von Operationen, welche zur Verstümmelung der Genitalien und Fortpflanzungsunfähigkeit führen, sein. Die betroffenen Kleinkinder bedürfen staatlichen Schutzes, da ihnen Verletzungen der körperlichen Integrität und reproduktiven Gesundheit mit kaum überschaubaren Folgen für die Zukunft gerade durch jene Personen drohen, deren Fürsorge sie bedürfen.

8. Strafbarkeit von Zwangssterilisationen (Artikel 39 IK)

Artikel 39(b) statuiert die Strafbarkeit der vorsätzlichen Durchführung eines chirurgischen Eingriffs mit dem Zweck oder der Folge der Fortpflanzungsunfähigkeit einer Frau ohne ihre vorherige informierte Zustimmung oder ohne dass sie den Eingriff versteht.

Forderung: Jede Sterilisation ohne die vorherige, informierte und wirksame Einwilligung der betroffenen Frau stellt eine Straftat dar und ist konsequent zu verfolgen. Dies gilt auch und insbesondere für Sterilisationen von Frauen mit sog. geistiger Behinderung. § 1905 BGB ist zu streichen. Es sind effektive Maßnahmen zu ergreifen, um Sterilisationen auf der Basis unzureichender Aufklärung und unwirksamer Einwilligungen entgegenzuwirken.

Erläuterung: Artikel 39(b) der Konvention verbietet Sterilisationen, wenn die betroffene Frau nicht ihre vorherige und informierte Einwilligung gegeben hat oder wenn ihr das Verständnis für diesen Vorgang fehlt. Daher ist auch die Praxis der Sterilisationen von Frauen mit Behinderungen einer sehr kritischen Prüfung zu unterziehen. In Deutschland sind zwischen 9% und 18% der Frauen mit Behinderungen sterilisiert[52] (Frauen allgemein im Bundesdurchschnitt zwischen 2% und 6%), besonders betroffen sind Frauen mit sogenannter geistiger Behinderung. Nicht selten beruht die Entscheidung zur Sterilisation auf Überzeugungsarbeit durch Ärzt*innen, Fachkräfte oder Eltern oder mangelnden Kenntnissen über Verhütungsmöglichkeiten. Zugrunde liegen auch kulturelle Vorstellungen darüber, wieviel sexuelle Aktivität Frauen mit Behinderungen insgesamt zugetraut und zugestanden wird, insbesondere wenn sie in Einrichtungen untergebracht sind.[53]

Obwohl die Möglichkeit der Zwangssterilisation 1992 aufgehoben wurde, bietet § 1905 BGB weiterhin die Grundlage für die Sterilisation einwilligungsunfähiger Personen mit Zustimmung der Betreuerin bzw. des Betreuers und Genehmigung des Betreuungsgerichts. Jährlich werden ungefähr 37 solcher Sterilisationen durchgeführt.[54] Eine weitaus höhere Zahl von Frauen mit sog. geistiger Behinderung wird jedoch sterilisiert, ohne dass überhaupt das vorgesehene Verfahren durchlaufen wird.[55] Vielmehr werden sie von Ärzt*innen, Pflegekräften oder Familienangehörigen falsch informiert, belogen, bedrängt oder angewiesen, diese Maßnahme durchführen zu lassen. Oft erfolgt die Sterilisation „prophylaktisch“, ohne dass überhaupt ein konkretes Schwangerschaftsrisiko besteht.

Die Konvention verlangt zunächst die Streichung von § 1905 BGB.[56] Jede Sterilisation, in welche die betroffene Frau nicht selbst wirksam eingewilligt hat, ist eine strafbare schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB (sofern es sich nicht um eine unvermeidbare Nebenfolge eines medizinisch dringend indizierten Eingriffs handelt). Dieses bestehende Strafrecht muss aber auch effektiv durchgesetzt werden. Dazu bedarf es u.a. der Aufklärung von Ärzt*innen über die Strafbarkeit von Sterilisationen gegen oder ohne den Willen der Betroffenen sowie eines wirksamen Monitoring-Systems für entsprechende Verletzungen der reproduktiven Gesundheit von Frauen mit Behinderungen in Einrichtungen.

9.    Berücksichtigung vorheriger Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren (Artikel 31 IK)

Artikel 31 der Konvention fordert, dass in Sorge- und Umgangsverfahren stets vorherige Gewalt im Sinne der Konvention berücksichtigt wird und die Ausübung von Sorge- oder Umgangsrechten nicht zu einer Gefährdung der gewaltbetroffenen Frau oder ihrer Kinder führen kann.

Forderung: Es sind alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass vorherige Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren angemessen berücksichtigt wird.

Erläuterung: Zunächst scheinen die gesetzlichen Regelungen, insbesondere in § 26 FamFG, der Anforderung zu entsprechen, dass vorherige Gewalt in Sorge- und Umgangsverfahren berücksichtigt und eine Gefährdung der gewaltbetroffenen Frau und ihrer Kinder ausgeschlossen wird. In der Praxis weisen Gewaltschutzverfahren aber weiterhin Probleme auf wie insbesondere den richterlichen Verzicht auf getrennte Anhörung oder das gerichtliche Hinwirken auf eine vergleichsweise Lösung, beides oft zum Nachteil der Gewaltbetroffenen.[57]

Vor allem in Umgangs- und Sorgeverfahren wird deutlich, dass Behörden und Gerichten die Auswirkungen des Miterlebens sog. häuslicher Gewalt auf Kinder, die strategische Nutzung des Umgangsanspruchs durch Täter zur Erzwingung eines Kontakts mit der Expartnerin und die eingeschränkten Schutzmöglichkeiten über längere Zeit gewaltbetroffener Frauen nicht hinreichend bekannt sind bzw. von ihnen nicht hinreichend berücksichtigt werden. Auch der CEDAW-Ausschuss fordert eine explizite und angemessene Berücksichtigung der vorherigen Gewalt- und Beziehungsmuster sowie der Vulnerabilität betroffener Frauen bei der Ermittlung des Kindeswohls in Umgangsverfahren.[58] Hier ist die deutsche Praxis weiterhin verbesserungsbedürftig und es ist zu prüfen, inwieweit gesetzliche Regelungen diesem Defizit abhelfen können. So könnte die Regelannahme der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs mit beiden Elternteilen in § 1626 Abs. 3 BGB in Fällen von Partnerschaftsgewalt und häuslicher Gewalt einzuschränken sein, gilt doch dann eher die Vermutung, dass der Umgang mit dem gewalttätigen Elternteil dem Kindeswohl nicht dient.

10. Haftung des Staates für Unterlassen geeigneter Maßnahmen (Artikel 29 IK)

Artikel 29(2) der Konvention macht zivilrechtliche Ansprüche gegen Behörden erforderlich, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihrer Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind.

Forderung: Das Staatshaftungsrecht ist um effektive und angemessene Ansprüche zu ergänzen, welche gegen Behörden durchsetzbar sind, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihrer Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind.

Erläuterung: Nach Artikel 5(2) gilt für die staatliche Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen der due diligence Standard. Überdies orientiert sich die zivilrechtliche Haftung staatlicher Behörden an der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR, wonach die Haftung nicht auf absichtliche Nichterfüllung oder grobe Fehler beschränkt ist, sondern es genügt, wenn die Behörden „knew or ought to have known at the time of the existence of a real and immediate risk to the life of an identified individual or individuals from the criminal acts of a third party and that they failed to take measures within the scope of their powers which, judged reasonably, might have been expected to avoid that risk.[59] Dieser Haftungsmaßstab bezieht sich auf die Verpflichtungen aus der Konvention insgesamt.[60] Die Regelung soll wirksamer als völkerrechtliche Verpflichtungen allein die Behörden dazu anhalten, ihren Schutzpflichten effektiv nachzukommen.

Das deutsche Staatshaftungsrecht in seiner derzeitigen Fassung bildet diesen Maßstab nicht ab, stellt es doch zum einen auf die Haftung des Beamten, nicht der Behörde, ab und setzt zum anderen den Fahrlässigkeits- und Verschuldensmaßstab deutlich höher an, als die Konvention und der in Bezug genommene EGMR es fordern. Hier können gesetzliche Änderungen nicht ausbleiben.

11. Entschädigung Betroffener bei psychischer Gewalt mit schweren Folgen (Artikel 30 IK)

Gemäß Artikel 30(2) iVm 33 der Konvention haben auch Betroffene von psychischer Gewalt einen Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Staat, wenn sie eine schwere psychische oder physische Beeinträchtigung (Gesundheitsschädigung) erlitten haben und eine Inanspruchnahme des Täters nicht in Betracht kommt.

Forderung: Das Opferentschädigungsgesetz ist in § 1 um Schädigungen durch psychische Gewalt mit schweren Folgen zu ergänzen.

Erläuterung: Vom einschlägigen Opferentschädigungsgesetz (OEG) werden aber nur Schädigungen durch einen „tätlichen Angriff“ (§ 1) erfasst und das Bundessozialgericht beschränkt die Leistungen daher bislang konsequent auf Gesundheitsschädigungen durch physische Gewalt.[61]

Die derzeitige Engfassung des OEG entspricht nicht den Vorgaben der Istanbul-Konvention und wird auch den realen Problemlagen kaum gerecht. Dies sei an zwei Beispielen kurz erläutert.

Im digitalen Raum sind Hate Speech und Cyber Harassment, teils mobartig organisiert, inzwischen ein verbreitetes Mittel, um missliebige Meinungen und Personen zu verdrängen.[62] Cyber Harassment kann sich über Tage, Wochen oder Jahre erstrecken und auch nach Umzug, Berufswechsel oder gar Annahme einer neuen Identität fortsetzen. Die gesundheitlichen Auswirkungen entsprechen den Folgen schweren Mobbings: erhebliche seelische und psychische Beschwerden, psychosomatische Erkrankungen (Migräne, Übelkeit und Erbrechen, Hautkrankheiten etc), Angstzustände, Depressionen, Suizidgedanken. Nicht nur für freiberuflich oder selbständig im Netz Tätige können auch die ökonomischen Folgen erheblich sein, wenn Auszeiten, Identitäts- oder gar Berufswechsel notwendig werden. Diese erheblichen Folgen sind derzeit vom Anwendungsbereich des OEG ausgenommen.

Zum anderen können Betroffene von Menschenhandel nicht entschädigt werden, wenn sie nicht durch direkte physische Gewalt, sondern durch Bedrohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder durch Bedrohung ihrer Kinder oder anderer Familienangehöriger sexuell oder in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet wurden.[63] 

§ 1 OEG ist daher zu ändern, so dass neben physischer auch psychische Gewalt erfasst ist. Zudem sind die gewöhnlichen Bearbeitungsfristen für OEG-Ansprüche kaum vereinbar mit der Verpflichtung aus Artikel 30(3) der Konvention. Grund hierfür ist in einigen Bundesländern ein eklatanter Personalmangel in diesem Bereich der Justiz. Hier ist umgehend Abhilfe zu schaffen, damit Betroffene von physischer wie psychischer Gewalt nicht jahrelang auf die ihnen zustehende Entschädigung warten müssen.

12. Effektiver Rechtszugang gewaltbetroffener Frauen (Artikel 21, 57 IK)

Artikel 21 der Konvention verpflichtet die Bundesrepublik sicherzustellen, dass Betroffene Informationen über geltende regionale und internationale Mechanismen für Einzel- oder Sammelklagen und Zugang zu diesen haben, sowie die Bereitstellung einfühlsamer und sachkundiger Unterstützung für die Betroffenen bei der Einreichung solcher Klagen zu fördern. Nach Artikel 57 der Konvention sieht die Bundesrepublik das Recht der Betroffenen auf Rechtsbeistand und unentgeltliche Rechtsberatung vor.  

Forderung: Der effektive Rechtszugang gewaltbetroffener Frauen ist zu garantieren, insbesondere durch barrierefreie Informationen über geltende regionale und internationale Mechanismen für Einzel- oder Sammelklagen, die Bereitstellung einfühlsamer und sachkundiger Unterstützung für die Betroffenen bei der Einreichung solcher Klagen und die vollständige Umsetzung des Rechts der Betroffenen auf Rechtsbeistand und unentgeltliche Rechtsberatung. 

Erläuterung: Gezielte Maßnahmen der Bundesrepublik zur Information der Betroffenen sind nicht erkennbar, wenn nicht das bundesweite Hilfetelefon diese Aufgabe leistet. Es ist aber sehr unwahrscheinlich, dass dabei eine Information auch über internationale Beschwerdemöglichkeiten stattfindet. Vom Staat geförderte Institutionen wie das Deutsche Institut für Menschenrechte weisen zwar grundsätzlich auf die Möglichkeit solcher Beschwerden hin, eine flächendeckende Information Betroffener kann damit aber schwer erreicht werden. Die qualifizierte Unterstützung Betroffener bei der Einreichung nationaler oder internationaler Rechtsbehelfe ist in Deutschland nicht gewährleistet. Es ist auch nicht erkennbar, dass Betroffenen nach geltendem Recht für alle von der Konvention erfassten Gewaltwiderfahrnisse ein Rechtsbeistand und unentgeltliche Rechtsberatung garantiert würden, was unverzüglich zu ändern ist.

Besonders problematisch ist der Zugang zum Recht für Frauen mit Behinderungen, ältere Frauen, wohnungslose Frauen, Migrantinnen mit prekärem Aufenthaltsstatus und weibliche Flüchtlinge. Informationen, Beratung und Unterstützung können auf Grund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen oft weder barrierefrei noch in verschiedenen Sprachen angeboten werden. Des Weiteren können die Gerichtsstandsregelungen in familienrechtlichen Verfahren den Zugang zum Recht in Fällen partnerschaftlicher Gewalt erschweren.

Frauen mit Behinderungen sind überdurchschnittlich von Gewalt betroffen.[64] Zugleich fehlt es in Einrichtungen wie Wohneinrichtungen oder Psychiatrien an unabhängigen Überwachungs- und Beschwerdemechanismen, teils besteht faktisch gar kein Rechtszugang. Ferner gelten die Regelungen des Gewaltschutzgesetzes nicht für Wohneinrichtungen, da diese keine häusliche Gemeinschaft darstellen. Keinerlei angemessene Maßnahmen sind für die Situation vorgesehen, dass die Gewalt vom Assistenzgeber ausgeht, auf dessen Unterstützung die Betroffene besonders angewiesen ist. Ähnliche Herausforderungen können sich auch für gewaltbetroffene ältere Frauen stellen. Nach den Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sind auch Einrichtungen, in denen pflegebedürftige und behinderte Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Stunden am Tag oder auch über Nacht betreut und begleitet werden, zu verpflichten, wirksame Konzepte zum Schutz vor Gewalt zu entwickeln und umzusetzen.

Auch in Flüchtlingsunterkünften ist die Gefahr gewaltsamer Übergriffe erhöht, während zugleich die Schutzmechanismen des GewSchG in der Praxis nicht greifen. Für den effektiven Schutz Betroffener vor geschlechtsspezifischer Gewalt liegen inzwischen konkrete Handlungsempfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte vor.[65] Diese sind derzeit nicht umgesetzt. Im Juli 2016 hat das BMFSFJ zusammen mit diversen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen entwickelte Mindeststandards zum Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften veröffentlicht.[66] Ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Anforderungen aus der Konvention zu erfüllen, bleibt derzeit zweifelhaft.

Darüber hinaus ergeben sich Probleme daraus, dass in Ehe-, Sorge- und Umgangsstreitigkeiten regelmäßig der Aufenthaltsort von Kind oder Mutter als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des ausschließlichen Gerichtsstandes gesetzlich vorgesehen ist. In der Konsequenz sind Betroffene von partnerschaftlicher Gewalt in familienrechtlichen Verfahren dadurch regelmäßig gezwungen, ihren Aufenthaltsort gegenüber dem Täter preiszugeben. In Fällen, in denen die Preisgabe des Aufenthaltes von Kind und/oder Mutter zu einer Gefährdung führen kann, müssen die Gerichtsstandsregelungen durchbrochen werden.

Es sind unverzüglich die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Informationsrechte aus der Konvention sowie die Rechte auf Rechtsbeistand und kostenlose Rechtsberatung umzusetzen. Diese Maßnahmen müssen auch Frauen effektiven Rechtszugang garantieren, die sich – wie beschrieben – besonderen Hindernissen gegenübersehen. Die Garantie effektiven Rechtszugangs erfordert gerade mit Blick auf solche Hindernisse weitere Maßnahmen wie insbesondere Änderungen des Gewaltschutzgesetzes und die Einrichtung wirksamer Überwachungs- und Beschwerdemechanismen.

13. Monitoring, Forschung und Datenerhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt (Artikel 10, 11 IK)

Nach Artikel 10 der Konvention errichtet die Bundesrepublik eine oder mehrere offizielle Stellen, welche für die Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von jeglicher Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zuständig sind. Artikel 11(a) verpflichtet die Bundesrepublik, in regelmäßigen Abständen einschlägige genau aufgeschlüsselte statistische Daten über Fälle von allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu sammeln. Ferner ist nach Artikel 11(b) die Forschung zu allen erfassten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, ihren Ursachen und Auswirkungen, ihrem Vorkommen sowie der Aburteilungsquote und der Wirksamkeit der nach der Konvention ergriffenen Maßnahmen zu fördern.

Forderung: Es ist eine unabhängige Monitoring-Stelle einzurichten, welche die Umsetzung der Istanbul-Konvention bundesweit überwacht. Genau aufgeschlüsselte statistische Daten über alle vom Anwendungsbereich der Konvention erfassten Fälle von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sind von der Bundesrepublik zu erheben und allgemein zugänglich zu veröffentlichen. Forschung hierzu ist durch die vorbehaltlose Kooperation staatlicher Stellen sowie entsprechende Mittel zu garantieren und zu fördern. Forschung und Datenerhebung sollten integrale Bestandteile eines unabhängigen Monitorings sein.

Erläuterung: Das internationale Überwachungsgremium für die Istanbul-Konvention, GREVIO, versteht die Verpflichtung aus Artikel 10 dahingehend, dass der Staat die Funktion von (politischer) Koordinierung einerseits sowie Monitoring und Evaluierung andererseits trennen und letztere auf eine unabhängige Institution übertragen soll.[67] Eine solche Monitoring-Stelle sollte eigeninitiativ forschen und Daten erheben können, um allein am Maßstab der Konvention die Umsetzung beobachten und bewerten zu können. Sinnvoll ist es, die Monitoring-Struktur unter Beteiligung der Zivilgesellschaft zu entwickeln, um deren Expertise einzubinden und deren gute Kooperation sicherzustellen.

Ein sinnvolles Monitoring ist ohne Forschung und Datenerhebung nicht möglich. Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt findet in Deutschland bisher aber vorwiegend statt, wenn zivilgesellschaftliche Organisationen oder Wissenschaftler*innen[68] sich in diesem Feld engagieren. Die Bundesregierung hat 2004 zwei große Studien zu Gewalt gegen Frauen und Gewaltwiderfahrnissen von Männern veröffentlicht[69] und der Gender Daten Report von 2005 enthielt ein sehr instruktives Kapitel zu Gewalt und Geschlecht[70]. Ebenfalls in diese Zeit fällt die ausführliche Begleitforschung zum Gewaltschutzgesetz und sonstigen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt.[71] Seitdem hat das diesbezügliche Engagement staatlicher Stellen, insbesondere auf Bundesebene, nachgelassen. Der aktuelle Gender Daten Report enthält keine Ausführungen zu geschlechtsspezifischer Gewalt. Und in der Auseinandersetzung um die Änderung des Sexualstrafrechts mussten notwendige Datenerhebungen durch zivilgesellschaftliche Organisationen und einzelne Wissenschaftler*innen durchgeführt werden,[72] wobei die Datenlage in Bezug auf sexualisierte Gewalt weiterhin ausgesprochen verbesserungsbedürftig ist. Wenn staatlich nicht beauftragte wissenschaftliche Forschung zu geschlechtsspezifischer Gewalt stattfindet, ist die notwendige Kooperation staatlicher Stellen, die über wesentliche Daten verfügen, nicht immer gesichert.

Die Verfügbarkeit statistischer Daten ist sehr uneinheitlich und nur partiell gesichert. In Bezug auf polizeiliche Schutzmaßnahmen gegen häusliche Gewalt erheben die Innenministerien der Länder die entsprechenden Daten, eine bundesweite Zusammenführung erfolgt nicht. Die Polizeiliche Kriminalstatistik nimmt eine geschlechtsspezifische Aufschlüsselung bei Tatverdächtigen nur pauschal und bei den Opfern nur in Bezug auf ausgewählte Delikte vor, ferner werden für ausgewählte Delikte die Täter-Opfer-Beziehungen erfasst, wobei die Weite der gewählten Kategorien kaum überzeugt.[73] 2015 hat die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenminister*innen der Länder eine Bestandsaufnahme zu Existenz, Ausstattung und Finanzierung von Frauenschutzhäusern erstellt, deren Angaben aber lückenhaft sind.[74] Die Frauenhauskoordinierung erhebt Daten zur Inanspruchnahme von Unterstützungssystemen, kann aber nur ca. zwei Drittel der Frauenschutzhäuser erfassen.[75] Erheblichen Forschungs- und Datenerhebungsbedarf gibt es insbesondere zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen, Zwangsverheiratung, Genitalverstümmelung, Gewalt gegen lesbische Frauen und Intersex*-Kinder sowie ungewollten Sterilisationen werden von staatlichen oder beauftragten Stellen derzeit nicht erhoben.

Die unabhängige Überwachung der Umsetzung der Istanbul-Konvention ist nur auf Grundlage entsprechender Datenerhebung, Datenverarbeitung und Forschung möglich. Die Bundesrepublik ist verpflichtet, diese Daten zu erheben oder jedenfalls die Ressourcen für deren Erhebung bereit zu stellen, die Daten allgemein zugänglich zu machen und entsprechende Forschung zu Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt durch vorbehaltlose Kooperation staatlicher Stellen und die Bereitstellung entsprechender Mittel zu garantieren und zu fördern.

14.  Rücknahme des Vorbehalts zu Artikel 59 der Konvention

Artikel 59(1) der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns oder Partners abhängt, im Fall der Auflösung der Ehe oder Beziehung bei besonders schwierigen Umständen auf Antrag einen eigenständigen Aufenthaltstitel unabhängig von der Dauer der Ehe oder Beziehung erhalten können. Artikel 59(2) verpflichtet zur Aussetzung von Ausweisungsverfahren, um Betroffenen von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht die Möglichkeit zu geben, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. Den Betroffenen soll damit ermöglicht werden, einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen zu erlangen. Betroffene von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt sollen überdies gemäß Artikel 59(3) einen verlängerbaren Aufenthaltstitel erhalten, wenn ihr Aufenthalt auf Grund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist.

Forderung: Die Bundesrepublik soll ihre Vorbehalte gegen Artikel 59(2) und (3) der Konvention zurücknehmen, um auch Frauen ohne gesicherten Aufenthaltstitel umfassend gegen geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt zu schützen. Die praktische Wirksamkeit der Umsetzungsmaßnahmen zu Artikel 59(1) ist sicherzustellen.

Erläuterung: Die Bundesrepublik hat Vorbehalte zu Artikel 59(2) und (3) der Konvention erklärt, so dass die entsprechenden Verpflichtungen derzeit nicht für Deutschland gelten. Die Bundesregierung begründet diese Vorbehalte damit, dass sie keinen humanitären Aufenthaltstitel iSd Artikel 59(2) der Konvention schaffen müsse, da es bereits die Möglichkeit gäbe, einen familiären Aufenthaltstitel zu erwirken. Dieser hat allerdings teils andere Voraussetzungen und erfasst einen Großteil anderer Aufenthaltssituationen nicht. Einen Aufenthaltstitel für Gewaltbetroffene iSv Artikel 59(3) lehnt die Bundesregierung explizit ab mit der Begründung, persönliche Gründe seien zu unkonkret und bei Ermittlungs- bzw. Strafverfahren werde grundsätzlich nur eine Duldung erteilt.  

Es ist nicht ersichtlich, warum den Betroffenen von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt kein humanitärer Aufenthaltstitel zugänglich sein sollte. Vielmehr wird ihr Schutz gegen geschlechtsspezifische Gewalt und deren Folgen erheblich verkürzt. Auch die Gewährung eines Aufenthaltstitels für Gewaltbetroffene iSv Artikel 59(3) der Konvention ist Bestandteil des umfassenden Gewaltschutzkonzeptes der Konvention. Die persönlichen Gründe, aus denen ein Aufenthalt erforderlich ist, sind durch Gesetz eben festzulegen und müssen in Bezug zum Zweck der Konvention stehen. Zu denken ist insbesondere an Konstellationen, in denen entweder die Folgen der Gewalt eine Ausreise unzumutbar machen, weil bspw. in Deutschland therapeutische und beratende Maßnahmen in Anspruch genommen werden, oder in denen die Art der Gewalt (insbesondere sexualisierte Gewalt) zu erheblichen Nachteilen der Betroffenen selbst bei Rückkehr in ihr Herkunftsland führen kann. Die deutsche Praxis, Betroffenen von Gewalt gegen Frauen oder häuslicher Gewalt nur eine Duldung zum Zwecke von Ermittlungs- oder Strafverfahren zu erteilen, ist ein wesentliches Strafverfolgungshindernis, sie würdigt die Betroffenen zu reinen Objekten staatlicher Strafverfolgungszwecke herab, weil sie ausschließlich im öffentlichen Interesse zur Sicherung des Strafverfahrens erteilt wird. Auch bietet die Aussetzung der Abschiebung einen unzureichenden Schutzstatus, der zu schwierigen Konsequenzen für die Betroffenen führen kann, wenn es sich beispielsweise um Gewalt in organisierten Strukturen handelt, die bis ins Herkunftsland[76] reichen.

Ein eigenständiger Aufenthaltstitel für gewaltbetroffene Frauen wird seit Jahren zu Recht gefordert, die Bundesrepublik sollte sich dem nicht länger entziehen. Es bietet sich an, eine Regelung zu schaffen, die dem § 25 Abs. 4a AufenthG (Menschenhandel) nachgebildet ist bzw. diese Regelung auf die Fälle häuslicher Gewalt auszudehnen. Dies umfasst: eine Überlegungsfrist von drei Monaten bezüglich der Einleitung eines Strafverfahrens bei unerlaubtem Aufenthalt (§ 59 Abs. 7 AufenthG), den Regelanspruch auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis zur Durch­führung des Strafverfahrens (wie § 25 Abs. 4a Satz 1 AufenthG) und den Regelanspruch auf Verlängerung zum Daueraufenthalt in Härtefällen (wie § 25 Abs. 4a Satz 3 AufenthG). Damit verbunden wäre auch der Anspruch auf SGB II-Leistungen (im Unterschied zu Leistungen nach AsylbLG für Geduldete).

Die Bedrohung durch häusliche oder familiäre Gewalt stellt ferner einen relevanten Verfolgungsgrund nach §§ 3, 3b Abs. 1 Nr. 4b AsylG dar. In vielen Fällen, insbesondere gegenüber gewaltbetroffenen Frauen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ (Balkan), wird von einer Schutzgewährung durch die Ordnungsbehörden nach § 3d AsylG oder einer internen Schutzmöglichkeit nach § 3e AsylG ausgegangen. Dies wird den realen Bedingungen der Schutzgewährung in den Herkunfts­ländern oftmals nicht gerecht. Ziel muss es hier sein, die Schutzmöglich­keiten an den Vorgaben der Istanbul-Konvention zu messen und mehr zu fordern, als die Möglichkeit der Gewalt durch den Umzug in einen anderen Landesteil auszuweichen. Eine Schutzgewährung innerhalb des Staates der Verfolgung ist nicht gegeben, solange keine Schutzangebote bereitgestellt werden.

Schließlich ist auch der ohne Vorbehalt ratifizierte Artikel 59(1) der Konvention nicht hinreichend in deutsches Recht umgesetzt. Auf den ersten Blick scheinen dessen Vorgaben zwar durch § 31 Abs. 2 AufenthG erfüllt zu sein, der lautet: „Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.“

Die Konstruktion des § 31 Abs. 2 AufenthG als Härtefallregelung mit expliziter Nennung „häuslicher Gewalt“ und individuellem Rechtsanspruch enthält durchaus einen richtigen Schutzansatz. Problematisch sind jedoch die überzogenen Beweisanforderungen, die Auslegung des Gewaltbegriffs durch die Verwaltungsgerichte und die restriktive Anforderung an den Kausalzusammenhang zwischen Gewaltbetroffenheit und Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Auch ist explizit nur häusliche Gewalt als Beispiel genannt, sexualisierte Gewalt aber nicht. Die Ausländerbehörden bezweifeln oftmals die erlebte Gewalt und unterstellen pauschal Missbrauch der Regelung. Die Zweifel verstärken sich, wenn die Betroffene trotz Geltendmachung einer besonderen Härte bei dem Täter wohnen bleibt. Zieht sie jedoch in ein Frauenschutzhaus (was angesichts der Kapazitäten wie Finanzierungsprobleme ohnehin schwierig genug ist) oder eine andere Schutzunterkunft, endet die Ehebestandszeit und die Abschiebung droht.[77] Die Geltendmachung einer besonderen Härte ist daher mit hohen Risiken für die Betroffene behaftet, in vielen Fällen vergehen Monate oder Jahre bis zu einer Entscheidung. Wenn die Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG erteilt wird, müssen die Frauen bei der ersten Verlängerung nach einem Jahr nachweisen, dass der Lebensunterhalt gesichert ist, was sie vielfach (bspw. als dann alleinerziehende Mutter) vor nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten stellen dürfte. Nach Rücknahme des Vorbehalts ist die Regelung in § 31 Abs. 2 AufenthG zu ändern, um den Anforderungen der Konvention zu genügen.

Zentraler Ansatz muss eine möglichst frühzeitige Lösung des Aufenthaltsrechts aus der Akzessorietät sein. In die Härtefallregelung sollte eine gesetzliche Vermutung bei Inanspruchnahme von Gewaltschutz aufgenommen werden. Wichtig wäre eine Neufassung der Verwaltungsregelungen, die den Gewaltbegriff genauer umreißt und klarstellt, dass es nicht darauf ankommt, wer die Trennungsinitiative ergreift, und dass Gewalttaten nicht durch ein weiteres Zusammenleben unbeachtlich werden. Über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG sollte nach Ermessen entschieden werden, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist.

Prof. Dr. Maria Wersig                                 
Präsidentin  

Prof. Dr. Ulrike Lembke
Vorsitzende der Kommission Europa- und Völkerrecht

Dr. Leonie Steinl
Vorsitzende der Kommission Strafrecht

Dr. Ulrike Spangenberg
Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung,
Familienlastenausgleich

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ANMERKUNGEN

[1] Grundlegend Sarah Elsuni, Geschlechtsbezogene Gewalt und Menschenrechte, 2011. Siehe auch CEDAW Committee, General Recommendation No. 19 on violence against women, 1992, Rn. 6; Fourth World Conference on Women, Beijing Declaration and Platform for Action, 1995; UNGA, Declaration on the Elimination of Violence against Women, 20 December 1993, 1993, UN Doc. A/Res/48/104, Rn. 6; UNGA, In-Depth-Study on All Forms of Violence Against Women: Report of the Secretary-General, 2006, 2006, UN Doc. A/61/122/Add.1; UNHRC, Report of the Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Rashida Manjoo, 2 May 2011, 2011, A/HRC/17/26; UN Women, Commission on the Status of Women, Agreed Conclusions on the prevention and elimination of violence against women and girls 2013, 15 March 2013, 2013, E/CN/6/2013/11, and the 1994 Inter-American Convention on the Prevention, Punishment and Eradication of Violence against Women (Convention of Belém do Pará).

[2] Zu Geschichte und konzeptioneller Einzigartigkeit der Konvention Kevät Nousiainen & Christine Chinkin, Legal implications of EU accession to the Istanbul Convention, 2015, S. 37ff.

[3] Die Definition der Istanbul-Konvention entspricht damit der Definition von CEDAW, General Recommendation No. 19 (1992), para 6.

[4]Bundeskriminalamt (Hg.), Partnerschaftsgewalt. Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2016.

[5]UN Special Rapporteur on violence against women, its causes and consequences, Yakin Ertürk, The Due Diligence Standard as a Tool for the Elimination of Violence against Women, UN-Document E/CN.4/2006/61.

[6]Monika Schröttle/Ursula Müller, Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, 2004; BMFSFJ (Hg.), Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen, 2014.

[7] Berechnet auf Grundlage der Daten in: Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK), Bestandsaufnahme Frauenhäuser und Opferunterstützungseinrichtungen, 2015, S. 63ff. Der Wert von 1:12.5000 ergibt sich allerdings nur, wenn Plätze für Frauen und Kinder berücksichtigt werden, was das Bild verzerrt, da Kinder kaum jemals allein ins Frauenhaus kommen dürften. Zieht man die von vier Bundesländern angegebenen Kinderplätze ab, kommt durchschnittlich ein Frauenhausplatz auf 16.350 Einwohner*innen. 

[8] Jeweils 1:17.000. Werden in Bayern die Plätze für Kinder nicht berücksichtigt, liegt die Quote bei 1:36.000.

[9]Claudia Hornberg und Monika Schröttle (Projektleitung), Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland, Studie im Auftrag des BMFSFJ, 3. Aufl. 2014, S. 56f.; Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.), Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung, 2016, S. 413.

[10] Ausführlich GiG-net, Gewalt im Geschlechterverhältnis, 2008. Dagegen leiden Studien, die zum Beleg einer Gleichverteilungsthese herangezogen werden, bislang durchweg an dem schweren methodischen Fehler, dass sie keinerlei Differenzierung der Gewalthandlungen vornehmen, anders gesagt: Anschreien und Zusammenschlagen werden mit demselben Wert gezählt.

[11] Zum völker-, unions- und verfassungsrechtlichen Rahmen Margarete Schuler-Harms & Joachim Wieland, Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder, 2012, S. 4ff. Vergleichbare Pflichten der Bundesrepublik ergeben sich auch aus Richtlinie 2012/29/EU.

[12]BMFSFJ (Hg.), Bericht der Bundesregierung zur Situation der Frauenhäuser, Fachberatungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder, BT-Drs. 17/10500, S. 13, 16, 18.

[13] Detailliert zur jeweiligen Finanzierung von Frauenhäusern, Fachberatungsstellen, Interventionsstellen und Notrufen: Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK), Bestandsaufnahme Frauenhäuser und Opferunterstützungseinrichtungen, 2015, S. 49ff.

[14] Zu Elementen wie Problemen exemplarisch Dagmar Oberlies, Rechtliche Anforderungen und Möglichkeiten der Ausgestaltung und Finanzierung des Hilfesystems bei Gewalt, 2012, S. 18ff.

[15] Dazu Barbara Kavemann/Sibylle Rothkegel/Cornelia Helfferich, Abschlussbericht der Bestandsaufnahme spezialisierter Beratungsangebote bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend: Finanzierungspraxen, 2012, S. 43ff.

[16] Ausführlich Stephan Rixen, Probleme des geltenden Rechts und verfassungsrechtlicher Gestaltungsrahmen, in: BT-Drs. 17/10500, S. 211ff.

[17]CEDAW-Ausschuss, Abschließende Bemerkungen, 10. Februar 2009, CEDAW/C/DEU/CO/6, Rn. 43f.

[18] Siehe http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP16/199/19950.html.

[19] Siehe BT-Drucksache 17/2715, S. 52f.

[20] Dazu aber Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff), Positionspapier für eine verlässliche finanzielle Absicherung im Rahmen bundesweit verbindlicher Regelungen der ambulanten Unterstützungsangebote für Frauen und Mädchen insbesondere bei körperlicher und sexualisierter Gewalt, April 2010.

[21] Stellungnahme der Landesregierung NRW zum Rechtsgutachten „Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in NRW: Verfassungsrechtliche Handlungsspielräume und Regelungsoptionen“, 2013.

[22] So Stephan Rixen, Probleme des geltenden Rechts und verfassungsrechtlicher Gestaltungsrahmen, in: BT-Drs. 17/10500, S. 252f.

[23]Frauenhauskoordinierung e.V., Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt, Diskussionspapier von FHK, 2017, http://www.frauenhauskoordinierung.de/fileadmin/redakteure/pdfs/Aktuelles/2017/2017-10-17-Rechtsanspruch_FHK_Diskussionspapier_final.pdf; ausführlich schon Dagmar Oberlies, Rechtliche Anforderungen und Möglichkeiten der Ausgestaltung und Finanzierung des Hilfesystems bei Gewalt, 2012.

[24]Margarete Schuler-Harms & Joachim Wieland, Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder, 2012, S. 10ff.; djb, Stellungnahme vom 6. November 2008, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/fK/KGgFuK/st08-19-Frauenhausfinanzierung/. Zustimmend nur für moderate Reformen des Sozialleistungsrechts und darauf bezogener Organisationsregelungen Stephan Rixen, Probleme des geltenden Rechts und verfassungsrechtlicher Gestaltungsrahmen, in: BT-Drs. 17/10500, S. 201ff.

[25] Dazu djb, Stellungnahme vom 6. November 2008,
https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/fK/KGgFuK/st08-19-Frauenhausfinanzierung/; Margarete Schuler-Harms & Joachim Wieland, Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder, 2012, S. 18.

[26]Margarete Schuler-Harms & Joachim Wieland, Der Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder, 2012, S. 15f.

[27]Stephan Rixen, Probleme des geltenden Rechts und verfassungsrechtlicher Gestaltungsrahmen, in: BT-Drs. 17/10500, S. 201ff.

[28]djb, Stellungnahme vom 10. November 2014, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st14-19/.

[29] Dazu djb, Stellungnahme vom 12. Dezember 2014, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st14-21/.

[30] Zum flächendeckenden Verfahren in Niedersachsen siehe
http://www.opferschutz-niedersachsen.de/nano.cms/sicherung-von-beweisen-einer-straftat.

[31] Bspw. Deutscher Richterbund, Stellungnahme 3/2016 (Januar 2016), S. 5: „Auch außerhalb aller Klischees gibt es wohl viele Fälle, in denen einer der beiden Sexualpartner den anderen erst zu den gewünschten sexuellen Handlungen überreden muss, und dazu nicht nur die Kraft seiner Argumente, sondern unter Umständen auch die erhoffte Verführungswirkung sexueller Handlungen einsetzt.“

[32] Siehe dazu nur die Studie von Erich Elsner & Wiebke Steffen, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern, 2005, S. 160ff., wonach Polizeibeamt*innen von Falschanzeigenquoten von bis zu 80% ausgehen; grundsätzlich Susan Estrich, Palm Beach Stories, in: Law and Philosophy 11 (1992), S. 5-33 (11): „No myth is more powerful in the tradition of rape law than the myth of the lying woman.“

[33] Grundlegend Ulrike Lembke, Vergebliche Gesetzgebung. Die Reform des Sexualstrafrechts 1997/98 als Jahrhundertprojekt und ihr Scheitern in und an der sog. Rechtswirklichkeit, in: ZfRSoz 2014, S. 253–283.

[34] Ausführlich Ulrike Lembke, Vergebliche Gesetzgebung. Die Reform des Sexualstrafrechts 1997/98 als Jahrhundertprojekt und ihr Scheitern in und an der sog. Rechtswirklichkeit, in: ZfRSoz 2014, S. 253-283; grundlegend Udo Steinhilper, Definitions- und Entscheidungsprozesse bei sexuell motivierten Gewaltdelikten, 1986, 2. Aufl. 1998.

[35] Eine gesetzliche Pflicht zur Fortbildung auch für Richter*innen verstößt nicht gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, siehe Claus Dieter Classen, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3: Art. 83-146, 3. Aufl. 2018, Art. 97 GG, Rn. 29.

[36] Dazu djb, Stellungnahme vom 9. Mai 2014, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st14-07/; Tatjana Hörnle, Menschenrechtliche Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention. Ein Gutachten zur Reform des § 177 StGB, DIMR 2015.

[37] Die Anforderungen sind in wesentlichen Punkten kongruent mit ohnehin zu erfüllenden Anforderungen aus der Richtlinie zum Opferschutz 2012/29/EU.

[38] Kritisch dazu Joachim Renzikowski, in: Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2017, § 177 nF, Rn. 195; ferner Ulrike Lembke, Vergebliche Gesetzgebung. Die Reform des Sexualstrafrechts 1997/98 als Jahrhundertprojekt und ihr Scheitern in und an der sog. Rechtswirklichkeit, in: ZfRSoz 2014, S. 253 (272ff).

[39]Monika Gerstendörfer, Die Reform des „Sexual“strafrechts aus psychologischer Sicht, in: Streit 1996, S. 104-108 (104).

[40]Peter Reichenbach, Elegie für junge Liebende, in: NStZ2004, S. 128-129.

[41] Das Bundeskriminalamt (Hg.), Partnerschaftsgewalt. Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2016, zählte für das Jahr 2016 insgesamt 357 Tötungsdelikte zu Lasten von Frauen durch deren Ehemann, Partner oder Ex-Partner, von denen 208 im Versuchsstadium blieben und 149 mit dem Tod der Frau endeten.

[42] Siehe hierzu und zum Folgenden die Rechtsprechungsanalyse von Lena Foljanty & Ulrike Lembke, Die Konstruktion des Anderen in der "Ehrenmord"-Rechtsprechung, in: Kritische Justiz 2014, S. 298–315.

[43] BGH vom 29.10.2008, Az. 2 StR 349/08; BGH vom 15.05.2003, Az. 3 StR 149/03; BGHR StGB § 211 niedrige Beweggründe 32. Es bleibt die Frage, wie sich der Täter selbst dessen berauben kann, was er nie besessen hat.

[44] So auch LG Schweinfurt vom 10.03.2010, Az. 1 KLs 11 Js 6760/09: „[...], doch vermögen solche Ängste keinesfalls zu erklären, dass der Angeklagte geglaubt haben könnte, seine Tochter dadurch zu beschützen, dass er die schlimmste der von ihm befürchteten Entwicklungen, nämlich den Tod, durch seine Handlungsweise selbst herbeiführte.

[45] Dezidierte Ausnahme bei LG Bielefeld vom 23.04.2010, Az. 10 Ks 46 Js 370/09 1/10, welches die Motivation zu einer Trennungstötung als besonders verwerflich bewertet, weil der Angeklagte seine Ex-Frau primär daran hindern wollte, ein Leben nach ihren Wünschen und ohne ihn zu führen.

[46] Zum diesbezüglich wegweisenden Konzept der „kulturellen Gewalt“ grundlegend Johan Galtung, Frieden mit friedlichen Mitteln, 1998. Opferbeschuldigende Verharmlosung von Gewalt kann übrigens gerade auf als modern verstandenen kulturellen Strukturen beruhen, so wenn misshandelten Frauen vorgeworfen wird, dass ihnen die Trennung nicht gelinge, obwohl es doch nun das Gewaltschutzgesetz gebe, oder vergewaltigten Frauen, dass sie doch emanzipiert seien und sich hätten wehren können.

[47] Hierzu hat insbesondere das öffentliche Diskursverfahren des Deutschen Ethikrates,
http://www.ethikrat.org/intersexualitaet beigetragen, aber auch die unermüdliche Arbeit von Selbstorganisationen,
http://www.im-ev.de/.

[48] Die Anzahl kosmetischer Genitaloperationen im Kindesalter ist nicht rückläufig, siehe dazu die quantitative Studie von Ulrike Klöppel, Zur Aktualität kosmetischer Operationen „uneindeutiger“ Genitalien im Kindesalter, ZtG-Bulletin 2016 (abrufbar unter https://www.gender.hu-berlin.de/de/publikationen/gender-bulletins/texte-42/kloeppel-2016_zur-aktualitaet-kosmetischer-genitaloperationen).

[49] Siehe hierzu Angela Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010; Konstanze Plett, Intersexuelle – gefangen zwischen Recht und Medizin in: Frauke Koher/Katharina Pühl (Hg.), Gewalt und Geschlecht. Konstruktionen, Positionen, Praxen, 2003, S. 21-41; Konstanze Plett, Intersex und Menschenrechte, in: Claudia Lohrenscheit (Hg.), Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht, 2009, S. 151–167; Britt Tönsmeyer, Die Grenzen der elterlichen Sorge bei intersexuell geborenen Kindern, 2012.

[50] Demnächst wird es eine gesetzlich geregelte dritte Option für den Geschlechtseintrag im Geburtenbuch geben, das Bundesverfassungsgericht (vom 10.10.2017, Az. 1 BvR 2019/16) hat dem Gesetzgeber hierfür eine Frist bis zum 31.12.2018 gesetzt.

[51] So auch UN-Ausschuss gegen Folter, Abschließende Bemerkungen zum 5. Staatenbericht Deutschlands, CAT/C /DEU/CO/5 (2011), Rn. 20(a); UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Abschließende Bemerkungen zum ersten Staatenbericht Deutschlands, CRPD/C/DEU/CO/1 (2015), Rn. 29(d); und CEDAW-Ausschuss, Abschließende Bemerkungen zum 7./8. Staatenbericht Deutschlands, CEDAW/C/DEU/CO/7-8 (2017), Rn. 24(d).

[52]BMFSJ (Hg.), Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland, 2013, http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=199822.html.

[53] Siehe dazu Julia Zinsmeister, Hat der Staat den Bürger*innen Sexualität zu ermöglichen?, in: Ulrike Lembke (Hg.), Regulierungen des Intimen. Sexualität und Recht im modernen Staat, 2017, S. 71 (76ff.).

[54]Bundesamt für Justiz, Betreuungsverfahren: Zusammenstellung der Bundesergebnisse für die Jahre 1992 bis 2014, 2015, https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Justizstatistik/Betreuungsverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=6.

[55] Umfassend Julia Zinsmeister, Zur Einflussnahme rechtlicher Betreuerinnen und Betreuer auf die Verhütung und Familienplanung der Betreuten, in: BtPrax 2012, S. 227ff.  

[56] Dies verlangt auch die UN-Behindertenrechtskonvention, siehe UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Abschließende Bemerkungen zum ersten Staatenbericht Deutschlands, CRPD/C/DEU/CO/1 (2015), Rn. 38(a).

[57] Dazu djb, Stellungnahme vom 10. November 2014,https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/pm14-19/; djb, Stellungnahme vom 27. Oktober 2012, https://www.djb.de/verein/Kom-u-AS/K3/st12-9/.

[58]CEDAW, Communication No. 47/2012, 18 July 2014, CEDAW/C/58/D/47/2012.

[59] EGMR vom 28.10.1998, Osman v. United Kingdom. Verweis im erläuternden Bericht zur Istanbul-Konvention, Rn. 163.

[60] Mit Blick auf Artikel 33 der Konvention könnte die regelmäßige Untätigkeit der Behörden in Fällen von Hate Speech und Cyber Harassment künftig zum (auch finanziellen) Problem werden.

[61] BSG vom 16.12.2014, Az. B 9 V 1/13 R; BSG vom 17.04.2013, Az. B 9 V 1/12 R; BSG vom 07.04.2011, Az. B 9 VG 2/10 R.

[62] Zur Problematik: Ulrike Lembke, Ein antidiskriminierungsrechtlicher Ansatz für Maßnahmen gegen Cyber Harassment, in: Kritische Justiz 2016, S. 385-406.

[63] Dazu DIMR, https://menschenhandelheute.net/2013/10/17/deutsches-institut-fur-menschenrechte-zu-menschenhandel-rechte-der-betroffenen-starken/.

[64]Claudia Hornberg und Monika Schröttle (Projektleitung), Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland, Studie im Auftrag des BMFSFJ, 3. Aufl. 2014, S. 56f.; Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.), Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung, 2016, S. 413.

[65]Heike Rabe, Effektiver Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt – auch in Flüchtlingsunterkünften, 2015, http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Policy_Paper/Policy_Paper_32 _Effektiver_Schutz_vor_geschlechtsspezifischer_Gewalt.pdf.

[66]BMFSFJ (Hg.), Mindeststandards zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften, 2015, https://www.unicef.de/blob/117340/5040664f4f627cac1f2be32f5e2ba3ab/mindeststandards-fluechtlingsunterkuenfte-data.pdf.

[67]Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence, Baseline Evaluation Report Albania, GREVIO/Inf(2017)13, Rn. 34 und 36; Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence, Baseline Evaluation Report Monaco, GREVIO/Inf(2017)3, Rn. 27.

[68] Grundlegend GiG-net (Hg.), Gewalt im Geschlechterverhältnis, 2008.

[69]BMFSFJ (Hg.), Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, 2004; BMFSFJ (Hg.), Gewalt gegen Männer. Personale Gewaltwiderfahrnisse von Männern in Deutschland, 2004; beide abrufbar unter www.bmfsfj.de.

[70]BMFSFJ (Hg.), Datenreport zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Bundesrepublik Deutschland 2005, Kapitel X; derzeit auf der Website des BMFSFJ nicht abrufbar.

[71]BMFSFJ (Hg.), Gemeinsam gegen häusliche Gewalt. Kooperation, Intervention, Begleitforschung, 2004.

[72] Insbesondere bff, „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“. Fallanalyse zu bestehenden Schutzlücken in der Anwendung des deutschen Sexualstrafrechts bezüglich erwachsener Betroffener, 2014.

[73] Bspw. PKS 2015, www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/2016/pks-2015.pdf.

[74]GFMK (Hg.), Bestandsaufnahme Frauenhäuser und Opferunterstützungseinrichtungen, 2015,
https://www.gleichstellungsministerkonferenz.de/documents/Anlage_TOP_7-1.pdf.

[75] Siehe http://www.frauenhauskoordinierung.de/fhk-materialien-service/bewohnerinnenstatistik.html.

[76] Notwendig wäre hier eine Regelung, die auf die besseren Möglichkeiten des Gewaltschutzes abstellt, ähnlich wie dies für den Selbsteintritt im Dublin-Verfahren vorgesehen ist (vgl. BAMF, DA-Asyl, Stand 25.4.2017, Menschenhandel).

[77] Die Ehebestandszeit wurde übrigens 2011 von bis dahin zwei auf drei Jahre erhöht – mit der Begründung, dies würde Zwangsehen verhindern. Gewaltopfer mit prekärem Aufenthaltsrecht dürften eher die Ehebestandsdauer selbst als Förderung ihrer Zwangsehe empfinden.