Stellungnahme: 17-06


zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – BR Drs. 780/16 vom 30. Dezember 2016 – Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)

Stellungnahme vom

Die Bundesregierung bringt derzeit das Betriebsrentenstärkungsgesetz auf den Weg, die erste Lesung im Bundestag ist für Anfang März geplant.

Geplante Änderungen

Das Gesetz soll die betriebliche Altersvorsorge (BAV) stärken und dabei insbesondere deren Verbreitung fördern. Bislang fehlt es vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen an entsprechenden Angeboten. Außerdem verfügen Beschäftigte mit geringen Einkommen seltener über eine zusätzliche betriebliche Altersvorsorge.

Mit dem Gesetzentwurf verzichtet die Bundesregierung weiterhin auf obligatorische Regelungen oder branchenübergreifende Lösungen. Stattdessen soll die Verbreitung der Altersvorsorge über Vereinbarungen in Tarifverträgen, insbesondere den Wechsel von beitragsorientierten Leistungszusagen bzw. Beitragszusagen mit Mindestleistung zu reinen Beitragszusagen gefördert werden. Weiterhin sollen die Zusammenfassung und Erhöhung der steuerlichen Förderung (sog. Eichel-Rente) sowie Änderungen bei der betrieblichen Riester-Rente zur Verbreitung der BAV beitragen.

Beschäftigte mit einem Einkommen von bis zu 2.000 Euro sollen über einen lohnsteuerfinanzierten Förderbetrag erreicht werden, mit dem der Arbeitgeber die Altersvorsorge der Beschäftigten unterstützen kann. Dieser kann sich so 30 Prozent der Kosten über die Lohnsteuer erstatten lassen. Auch der in Höhe der Entgeltumwandlung ersparte Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen soll den Beschäftigten als arbeitgeberfinanzierter Altersvorsorgebeitrag zugutekommen. Damit sich die Vorsorge in unteren Einkommensgruppen lohnt, soll im Ruhestand zumindest ein Teil der betrieblichen Rente nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden.

Auswirkungen der Maßnahmen für Frauen bleiben offen

Inwieweit die geplanten Maßnahmen, die ca. 390 Million Euro jährlich kosten, zur Gleichstellung von Frauen und Männern bei der Altersvorsorge und einer ausreichenden Rente beitragen werden, bleibt offen.

Dabei sind gerade Frauen angesichts des derzeitigen Gender Pension Gaps der gesetzlichen Rente von 42 Prozent in Westdeutschland und 23 Prozent in Ostdeutschland[1] auf eine bessere Altersvorsorge angewiesen. Unter Berücksichtigung aller drei Säulen der Alterssicherung ist die Rentenlücke sogar noch größer. 2011 bezogen Frauen eine um 57 Prozent niedrigere Rente als Männer. Dabei kumulieren die niedrigeren Renten von Frauen aus der ersten Säule (vor allem: gesetzliche Rentenversicherung), niedrigere Betriebsrenten und niedrigere Einkommen der Frauen aus privater Altersvorsorge.[2] 

Die betriebliche Altersvorsorge kommt Frauen schon aufgrund der geringeren Erwerbsquote seltener zugute. Zudem arbeiten Frauen häufig in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Trotz des Verbotes mittelbarer Diskriminierung, ist die Einbeziehung von geringfügig Beschäftigten in die BAV keineswegs selbstverständlich. Beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ist derzeit sogar eine Klage der Gewerkschaft ver.di anhängig. Diese will geringfügig Beschäftigte aus der BAV ausschließen, weil der Verwaltungsaufwand angesichts der niedrigen Beiträge von geringfügig Beschäftigten unverhältnismäßig hoch sei (BAG – 3 AZR 83/16). Ein solcher Ausschluss würde vor allem Frauen treffen, selbst wenn geringfügig Beschäftigte einkommensbedingt ohnehin wenig von der steuerlichen Förderung profitieren.

Auswertungen zur Verbreitung der BAV zeigen zudem, dass sozialversicherungspflichtige weibliche Beschäftigte in der Privatwirtschaft seltener über eine betriebliche Altersversorgung verfügen.[3] Das liegt vor allem daran, dass Frauen häufiger in kleinen Betrieben und Branchen ohne Tarifbindung arbeiten, in denen es keine BAV gibt. Die 2001 eingeführte steuerliche Förderung für die Altersvorsorge über externe Versorgungsträger kommt deshalb seltener bei Frauen an. Da Frauen im Durchschnitt weniger verdienen, fallen auch die Eigenbeiträge für die Altersvorsorge geringer aus, obwohl Frauen mit BAV-Anwartschaften einen größeren Anteil ihres Einkommens für die BAV zurücklegen als Männer.[4] Das führt wiederum dazu, dass die über die Steuerfreistellung der Beiträge ersparten Steuern, die es erlauben mehr Gehalt für die Altersvorsorge zu verwenden, bei Frauen geringer sind.

Fehlende Gesetzesfolgenabschätzung

§ 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung (GGO) verpflichtet alle Ressorts bei Forschungsvorhaben oder Gesetzesvorhaben, die Auswirkungen im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männer zu prüfen.

Die dem Gesetzentwurf zu Grunde liegenden Forschungsberichte[5] gehen jedoch nur am Rande auf die seit längerem belegte unterschiedliche Verbreitung der BAV bei Frauen und Männern und deren Konsequenzen ein. Vor allem aber fehlt es an einer gründlichen Untersuchung der Ursachen der unterschiedlichen Verbreitung, die die geschlechtsbezogene Segregation des Arbeitsmarktes, die Verbreitung der BAV nach Branchen und Tarifbindung in den Blick nimmt. Der vom Bundesfinanzministerium beauftragte Forschungsbericht geht überhaupt nicht auf unterschiedliche Einkommens- und Beschäftigungsverhältnisse von Frauen und Männern ein.

Entsprechend kurz ist die Darstellung der gleichstellungspolitischen Folgen im Gesetzentwurf: Der Wechsel zu einer reinen Beitragszusage soll vor allem Frauen nützen, weil die mit den Beiträgen erworbenen Rentenanwartschaften auch bei kurzen Beschäftigungszeiten nicht mehr verfallen.

Gleichstellungsrechtliche Kritik und Evaluationsbedarf

Die Verbreitung der Altersversorgung soll insbesondere über tarifvertragliche Regelungen unter Beteiligung der Sozialpartner befördert werden.[6] Frauen arbeiten jedoch nicht nur häufiger in kleinen Betrieben, sondern auch in Branchen, in denen es an Tarifbindungen und damit an Interessenvertretungen fehlt, die sich für eine verbesserte Altersvorsorge einsetzen.

Die weitere Verbreitung der BAV soll zudem über die Zusammenfassung und den Ausbau der steuerlichen Förderung in § 3 Nr. 63 Einkommenssteuergesetz (EStG) erreicht werden. Damit wird die aufgrund des niedrigen Zinsniveaus gering ausfallende Rendite der kapitalgedeckten BAV abgefedert – allerdings vor allem für gutverdienende Beschäftigte, zu denen Frauen seltener gehören als Männer. Allein die steuerliche Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG ermöglicht bereits jetzt, monatlich ca. 400 Euro des eigenen Gehalts steuer- und sozialversicherungsfrei in eine BAV einzuzahlen.[7] Bei einem Steuersatz von 42 Prozent lassen sich dadurch monatlich mehr als 170 Euro Steuern sparen. Der Gesetzentwurf sieht eine leichte Erhöhung der steuerlichen Freistellung auf ca. 440 Euro vor.[8] Dieser Betrag steigt mit der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Zudem sollen Abfindungen steuerfrei in Altersvorsorgebeiträge umgewandelt und Lücken der Beitragszahlung später steuerbegünstigt nachgezahlt werden können. Weibliche Beschäftigte schöpfen diese steuerlichen Höchstbeträge einkommensbedingt vermutlich noch seltener aus als Männer. Abfindungen dürften bei Männern im Durchschnitt ebenfalls höher ausfallen als bei Frauen. Dazu kommt, dass die steuerliche Entlastung nicht nur mit der Höhe der eingezahlten Beiträge, sondern mit der Höhe des zu versteuernden Einkommens insgesamt steigt. Allein diese Maßnahme kostet jährlich zwischen 75 und 85 Million Euro jährlich.

Da es sich um indirekte Subventionen handelt, muss diese mit dem Einkommen steigende Förderung, die noch dazu Frauen einkommensbedingt benachteiligt, nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich sein, um die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge zu fördern. Die steuerliche Förderung mag – angesichts des niedrigen Zinsniveaus – geeignet erscheinen, die Verbreitung in hohen Einkommensgruppen zu fördern. Ob sie erforderlich ist, mag bezweifelt werden. Gleichstellungsgerechtere Alternativen, etwa Höchstbeträge, die Frauen ebenso ausschöpfen können wie Männer, Negativsteuern oder aber direkte Leistungen wurden jedenfalls nicht geprüft.

Im Vergleich zu den steuerlichen Entlastungen sind die Verbesserungen, die für Geringverdienende geplant sind, marginal. Die staatlichen Zulagen im Rahmen der sogenannten Riester-Rente, deren Zulagenförderung auch im Rahmen der BAV in Anspruch genommen werden kann, werden von 154 Euro um 9 Euro auf 165 Euro jährlich erhöht. Der über den Arbeitgeber ausgezahlte Mindest-Förderbeitrag zur BAV beträgt 240 Euro jährlich, das heißt 20 Euro monatlich. Inwieweit die Regelung tatsächlich geeignet ist, Arbeitgeber zu motivieren, die Altersvorsorge von Beschäftigten mit geringen Einkommen zu unterstützen, ist vor allem in kleinen Betrieben und Branchen ohne Tarifbindung fraglich und muss daher in jedem Fall evaluiert werden.

Der geplante Einkommensfreibetrag im Rahmen der Grundsicherung, der dafür sorgt, dass die monatlichen Leistungen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bis zu einer Höhe von 202 Euro nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden, kann die zusätzliche Altersvorsorge für Geringverdienende attraktiver machen. Allerdings werden damit diejenigen, die Leistungen aus einer kapitalgedeckten zusätzlichen Altersvorsorge erhalten, sozialrechtlich besser gestellt, als diejenigen, die nur Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben.

Die zunehmende Anhebung des Höchstbetrags in § 3 Nr. 63 EStG führt weiterhin dazu, dass die Beiträge, die in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt werden, sinken, denn das in die Altersvorsorge fließende Gehalt ist nicht nur steuer-, sondern auch sozialversicherungsfrei. Damit wird die Beitragsfinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung weiter ausgehöhlt. Gleichzeitig fallen Lohnersatzleistungen, die vom Nettolohn abhängen, insbesondere auch das Elterngeld geringer aus. Damit werden gerade bei werdenden Müttern oder jüngeren Frauen in der Familiengründungsphase Anreize gesetzt, weniger in die Altersvorsorge zu investieren.

 

Zentrale Einsichten und Forderungen:

  1. Die Verpflichtung zur gleichstellungsorientierten Gesetzesfolgenabschätzung aus § 2 GGO muss endlich in der Verwaltungspraxis umgesetzt werden. Das Parlament ist aufgrund von Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (GG) in der Pflicht, die Umsetzung im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern zu prüfen. Der Gesetzentwurf zeigt besonders deutlich den Bedarf an entsprechenden Forschungsberichten und Gesetzesfolgenabschätzungen.
  2. Die betriebliche Altersvorsorge insgesamt und die geplanten Maßnahmen sind umgehend im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Bereich der Alterssicherung zu evaluieren. Dabei ist insbesondere zu prüfen, wie auch Branchen ohne Tarifbindungen erreicht werden können (branchenübergreifende Angebote, gesetzliche Pflichten). Zudem muss nach Alternativen zur Steuerfreistellung der Beiträge gesucht werden. Nicht zuletzt sollte geprüft werden, ob die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung – die anders als die BAV – solidarische Elemente enthält, eventuell die bessere Alternative für eine angemessene Alterssicherung von Frauen und Männern ist.
  3. Angesichts der Diskussion um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung und Frage steuerfinanzierter Zuschüsse müssen auch Verteilung und Nutzen der staatlichen Mittel, die in die Förderung der zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge fließen, unter Gleichstellungsaspekten geprüft werden. In eine solche Gender Budgeting Studie sind nicht nur die Zulagen, sondern vor allem auch die Steuergelder einzubeziehen, die auf die steuerliche Förderung entfallen.

 

Ramona Pisal
Präsidentin                                               

Prof. Dr. Maria Wersig
Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung,
Familienlastenausgleich

 

 


[1] Grabka et al., 2017, Der Gender Pension Gap verstärkt die Einkommensungleichheit von Männern und Frauen im Rentenalter, DIW Wochenbericht 5/2017, S. 87ff.

[2] Klenner et al., 2016. Grosse Rentenlücke zwischen Männern und Frauen. Ergebnisse aus dem WSI GenderDatenPortal. WSI-Report 6/2016 Nr. 29.

[3] TNS Infratest Sozialforschung, 2012, Forschungsbericht, Verbreitung der Altersvorsorge 2011, Untersuchung im Auftrag des BMAS, 18 (2011: 46% bei Männern, 32% bei Frauen).

[4] Ebd., 58.

[5] Wallau et al., 2014, Machbarkeitsstudie für eine empirische Analyse von Hemmnissen für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in kleinen und mittleren Unternehmen (Machbarkeitsstudie BAV in KMU), Untersuchung im Auftrag des BMAS; Kiesewetter et al., 2016, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungspflichtigen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Untersuchung im Auftrag das BMF.

[6] Zum Beispiel Wechsel zur reinen Beitragszusage, automatische Entgeltumwandlung mit Opting-Out, Arbeitgeberzuschuss zugunsten der Beschäftigten in Höhe der durch Entgeltumwandlung ersparten Sozialversicherungsleistungen

[7] Beitragsbemessungsgrenze für Westdeutschland 2017: 6350 Euro monatlich, im Ostdeutschland sind es 5.700. Die Beiträge können auch vom Arbeitgeber finanziert werden. Arbeitgeberfinanzierte Leistungen haben jedoch im Laufe der Zeit abgenommen.

[8] Der Absetzbetrag erhöht sich von 4% der Beitragsbemessungsgrenze plus 1.800 Euro auf 7% der Beitragsbemessungsgrenze.