Stellungnahme: 16-12


zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen Stellung nehmen zu können.

Das Vorhaben, § 238 StGB zu ändern und die Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte herauszunehmen wird ebenso begrüßt wie die vorgesehene Strafbewehrung von Verstößen gegen gerichtlich bestätigte Vergleiche im Gewaltschutzverfahren, die der djb bereits angemahnt hat.[1]

Änderungen im Bereich des Strafrechts

Der djb teilt die Auffassung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, dass der bisherige § 238 StGB dem Anspruch, einen besseren Schutz vor Nachstellungen zu gewährleisten, nur eingeschränkt gerecht wird. Die mittlerweile fast 10-jährigen Erfahrungen der Praxis mit § 238 StGB zeigen, dass durch spürbare Geld- und Freiheitsstrafen in den meisten Fällen eine Beruhigung und Verhaltensänderung bei den Tätern zu erwirken ist. Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzes.

Es sind jedoch auch immer wieder Fälle zu verzeichnen, die strafwürdig erscheinen, in denen aber der Nachweis der Straftat nur deswegen nicht zu führen ist, weil das Opfer – obwohl es stark unter den Nachstellungen leidet – keine nach außen wahrnehmbaren und schwerwiegenden Änderungen in der Lebensgestaltung vorgenommen hat, wie vom Gesetz in der derzeitigen Fassung vorausgesetzt.

Zu Art. 1 (Änderungen des Strafgesetzbuches)

Die Umgestaltung des § 238 Abs. 1 StGB von einem Erfolgs- in ein „Eignungsdelikt“ wird ausdrücklich begrüßt. Bislang reichte selbst das Eintreten schwerer psychischer Folgen der Nachstellungshandlungen beim Opfer nicht als Taterfolg aus, solange sie sich nicht in einer Beeinträchtigung der äußeren Gestaltung seines Lebens niederschlugen. Die Umgestaltung ist darüber hinaus zum Schutz von Opfern notwendig, die entweder ihre Lebensumstände tapfer gegen den Täter behaupten oder denen die Möglichkeiten zur Veränderung ihrer Lebensumstände fehlen.

Aus der Sicht des Opferschutzes problematisch erscheint demgegenüber die Streichung der Handlungsgeneralklausel des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Allerdings wird kritisiert, dass § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB das Spektrum möglicher Tathandlungen in kaum überschaubarer Weise öffne, indem er ohne nähere Eingrenzungen jegliches Tätigwerden in die Strafbarkeit einbeziehe.[2] Auch hinsichtlich der verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit dieser Tatvariante werden Zweifel geäußert.[3] Angesichts dessen ist zwar das gesetzgeberische Ziel nachvollziehbar, einer zu weitgehenden Strafbarkeit vorzubeugen. Auch der djb hat in der Vergangenheit die Streichung des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB gefordert.

Mit der Streichung der Nr. 5 entfallen aber mögliche Tathandlungen von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung wie z.B. das Schalten unrichtiger Anzeigen in Zeitungen (etwa Hochzeits- oder Todesanzeigen), das Verächtlichmachen des Opfers bei Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen oder in sozialen Netzwerken oder die Beschädigung oder Verunstaltung von Sachen des Opfers oder deren Wegnahme ohne Zueignungsabsicht. Nicht alle diese Handlungen werden durch andere Straftatbestände erfasst; soweit dies der Fall ist, sind die Strafdrohungen geringer.[4] Der djb fordert den Gesetzgeber daher auf, durch § 238 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StGB nicht erfasste, jedoch für strafwürdig zu erachtende typische Verhaltensweisen von Stalkern zu ermitteln und entsprechende konkrete Tathandlungen zu formulieren.

Zu Art. 2 (Änderungen der Strafprozessordnung)

Der djb begrüßt die Streichung des § 238 StGB aus dem Katalog der Privatklagedelikte nachdrücklich. Die Privatklage macht das Strafverfahren zu einem Hürdenlauf für die Geschädigten. Die Bürde, die mit der Erhebung der Privatklage verbunden ist, trifft das ohnehin psychisch durch die Tat stark belastete Opfer von Stalking in besonderem Maße. Wenn die Führung eines Strafverfahrens von seiner Initiative abhängt, wird überdies die Frontstellung zwischen Täter und Opfer verschärft. Dies kann dazu führen, dass der Täter noch stärker geneigt ist, das Opfer psychisch unter Druck zu setzen.

Änderungen im Bereich des Zivilrechts

Um den Schutz vor Nachstellungen auch im Privatrechtswege zu verbessern, ist die Strafbewehrung von Verstößen gegen gerichtlich bestätigte Vergleiche in Gewaltschutzverfahren ein notwendiger Schritt.

Allerdings hat der djb bereits im Jahr 2012 nach einer bei allen sechzehn Bundesländern durchgeführten Umfrage zum Gewaltschutz im weiteren Sinne[5] darauf hingewiesen, dass die weitverbreitete gerichtliche Praxis des Hinwirkens auf gütliche Einigungen und des Protokollierens von Vergleichen kritisch zu hinterfragen ist. Denn allein die Durchführung eines Gewaltschutzverfahrens versetzt das Opfer noch nicht in die Lage, sich hinreichend gegen psychische Unterdrucksetzung zu wehren und in Verhandlungen auf Augenhöhe mit dem Täter die eigenen Rechte zu wahren und durchzusetzen. Vielmehr macht die spezifische Dynamik von Macht und Ohnmacht, die die häusliche Gewalt kennzeichnet, eine konsensuale Einigung für viele Betroffene zunächst unmöglich.

Der Erlass von Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz wird weit überwiegend im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in der Trennungs- oder Loslösungsphase begehrt. Nicht selten auch ohne anwaltlichen Beistand. Gerade in dieser Phase aber, in der das Risiko erneuter Gewalttaten – wie empirische Untersuchungen zeigen – erheblich ist, sind die Opfer häufig noch nicht in der Lage angemessen über ihre Erlebnisse zu berichten und ihre eigenen Positionen zu formulieren. Das bestehende Machtgefälle zwischen Täter und Opfer, die erlittenen Selbstwertbeeinträchtigungen und das Erleben von Schuld- und Schamgefühlen bergen vielmehr die Gefahr, dass bestehende dysfunktionale Strukturen durch vergleichsweise Regelungen verfestigt werden.

Da die Gerichte aber dennoch, auch entgegen dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 2 FamFG, von der Möglichkeit des verfahrensbeendenden Vergleichs in erheblichem Umfang Gebrauch machen, ist eine Einbeziehung von gerichtlich protokollierten Vergleichen in die Strafbewehrung des § 4 GewSchG unerlässlich, um eine bestehende Schutzlücke zu schließen. Der djb hat daher auch bereits im Jahr 2014 eine entsprechende Änderung des § 4 GewSchG gefordert.[6] Allerdings wäre eine kritische Auseinandersetzung mit der Praxis der Gerichte in der Gesetzesbegründung wünschenswert.

Die vorgesehene gesetzliche Regelung der Bestätigung eines Vergleichs als Grundlage für dessen Strafbarkeit in § 214 a FamFG–E wird ebenso begrüßt.

Zu Art. 3 (Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG)

Es wird ausdrücklich begrüßt, dass die Regelung des § 214 a FamFG–E sicherstellt, dass die verletzte oder bedrohte Person selbst nicht Gefahr läuft, sich bei Verstößen gegen eine im Vergleich übernommene Verpflichtung strafbar zu machen.

Zu Art. 4 (Änderungen des Gewaltschutzgesetzes)

Die Änderung des § 4 Satz 1 Gewaltschutzgesetz wird begrüßt, soweit Verstöße gegen gerichtlich bestätigte Vergleiche ebenso wie gerichtliche Anordnungen unter Strafe gestellt werden. Allerdings ist die Höhe der Strafandrohung zu kritisieren. Mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe entspricht die Strafandrohung der für Taten im Bagatellbereich und wird damit dem Unrechtsgehalt nicht gerecht. Eine spezialpräventive Wirkung muss dieser Strafbewehrung hier abgesprochen werden.[7]

Um das Ziel des Referentenentwurfs, nämlich die Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellung, verwirklichen zu können, ist aus Sicht des djb auch eine Anhebung der Strafandrohung auf einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe notwendig. Darüber hinaus sollte im Rahmen der Änderungen auch die praktische Durchführung der Gewaltschutzverfahren in den Blick genommen werden. Insoweit mahnt der djb dringlich an, dass – den Regelungen der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für Opfer von Straftaten entsprechend – auch Opfer von Nachstellungen und anderen Rechtsgutverletzungen, die von § 1 und § 2 GewSchG erfasst sind, ein Recht auf unterstützende Prozessbegleitung im Gewaltschutzverfahren haben müssen.

 

Ramona Pisal  
Präsidentin                                                    

Dagmar Freudenberg
Vorsitzende der Kommission Strafrecht

 


[1] djb-Stellungnahme st14-19 an die Mitglieder des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages anlässlich des nicht öffentlichen Fachgesprächs zur Situation der Frauenhäuser vom 10.11.2014, https://www.djb.de/Kom/K3/st14-19/.

[2] Vgl. BGHSt 54, 189, 193 f.

[3] Vgl. nur Krehl in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2015, § 238 Nachstellung, Rn. 55.

[4] Z.B. §§ 185,186, 303 StGB.

[5] Die Fragestellungen umfassten den Rechtsbereich der Intervention und der Prävention im Zivilrecht, im Strafrecht und in der Betreuung und Unterstützung der von häuslicher Gewalt Betroffenen, djb-Stellungnahme st12-9: 10 Jahre Gewaltschutzgesetz – Länderumfrage 2011 vom 27.10.2012, https://www.djb.de/Kom/K3/st12-9/.

[6] djb-Stellungnahme st14-19 an die Mitglieder des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages anlässlich des nicht öffentlichen Fachgesprächs zur Situation der Frauenhäuser vom 10.11.2014, https://www.djb.de/Kom/K3/st14-19/.

[7] djb-Stellungnahme st14-19 an die Mitglieder des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages anlässlich des nicht öffentlichen Fachgesprächs zur Situation der Frauenhäuser vom 10.11.2014, https://www.djb.de/Kom/K3/st14-19/.