Stellungnahme: 16-09


zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Gleichstellungsrechts für Nordrhein-Westfalen, Stand: 8.März 2016

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Insgesamt handelt es sich um einen erfreulichen Entwurf, wenn man die „Gesamt-Landschaft“ der Gleichstellungsgesetze in der Bundesrepublik Deutschland als Vergleichsmaßstab sieht. Dies auch deshalb, weil sein Anspruch keine bloße Fortschreibung des geltenden Gesetzes mit lediglich symbolischen Änderungen ist, sondern bei „problematischen Stellschrauben“ die Suche nach wirklichen Verbesserungen erkennbar wird. Höchst erfreulich ist, dass zu wichtigen Fragen im Vorfeld Gutachtenaufträge vergeben wurden. Die daraus resultierenden Gutachten haben inzwischen für die Gleichstellungspolitik einen über Nordrhein-Westfalen hinausgehenden Stellenwert erlangt.

Im Folgenden sollen einige wenige Regelungen herausgehoben werden, die dem djb wichtig erscheinen.

1. Gleichstellungsplan, Experimentierklausel:

Die neue Experimentierklausel des § 6a des Entwurfs sieht vor, dass der eigentlich gebotene Gleichstellungsplan ganz oder teilweise durch ein neues Instrument zur Erreichung der mit dem Gleichstellungsplan beabsichtigten Ziele ersetzt werden kann. Dies hat im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten, mit Zustimmung einer (typischerweise) hierarchisch höheren Behörde und unter Information des zuständigen Ressorts zu geschehen. Wie dieses „neue Instrument“ auszusehen hat, schreibt das Gesetz nicht vor. Die Begründung zu § 6a des Entwurfs nennt als Beispiel „Vereinbarungen zwischen der Dienststelle und den Dienstkräften mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben“.

Dies ist eine durchaus interessante Neuerung. Ob sie genutzt wird oder die fehlende inhaltliche Vorgabe die in den Blick genommenen Behörden überfordert, bleibt abzuwarten. Höchst erfreulich ist jedenfalls, dass nach Ablauf der fünfjährigen Geltungsdauer der alternativen Instrumente deren Evaluation zwingend vorgeschrieben ist. Auf diese Weise können die gemachten Erfahrungen Bedeutung auch für andere Gleichstellungsgesetze im Bundesgebiet erlangen.

Nicht glücklich erscheint allerdings, dass nicht nur die Einzelmaßnahmen zur Erreichung der Ziele des Gleichstellungsgesetzes im Gleichstellungsplan durch alternative Instrumente ersetzt werden können, sondern nach dem bisherigen Wortlaut auch die Befundaufnahme und Analyse der Beschäftigtenstruktur. Dies erschwert nicht nur im Nachhinein eine aussagekräftige Evaluation der neuen Instrumente, sondern dürfte auch der Entwicklung neuer Instrumente insgesamt entgegenstehen. Diese können mit der gebotenen Überzeugungskraft nur aus der Analyse der bestehenden Situation gewonnen werden. Es würde sich deshalb eine Regelung empfehlen, wonach Befund und Analyse gemäß § 6 Abs. 2 des Entwurfs stets erstellt werden müssen, die Maßnahmen des § 6 Abs. 1 aber entsprechend der Experimentierklausel durch alternative Instrumente ersetzt werden dürfen.

2. Gleichstellungsplan, Sanktion bei Nichterstellung

Erfreulicherweise bleibt es bei der Regelung, dass Einstellungen, Beförderungen und die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten bis zum Inkrafttreten des Gleichstellungsplans auszusetzen sind, solange kein gültiger Gleichstellungsplan vorliegt. Diese Vorschrift wird nun aber - systematisch deutlich überzeugender – von 26 Abs. 2 Satz 3 in § 5 Abs. 8 verschoben.

3. Quotenregelung, Weiterentwicklung

Kernstück des Entwurfs ist die „Schärfung“ der Quotenregelung in § 7. Diese geschieht auf der Basis des Gutachtens von Papier/Heidebach (DVBl 2015, 125). Das Gutachten hatte unter Zugrundelegung eines konservativen Interpretationsansatzes nicht nur die derzeit herrschende Meinung zu Zielquoten auf der Basis der Rechtsprechung des BVerfG beispielhaft zusammengefasst. Es hatte auch vorgeschlagen, wie man sich gesetzlich des Problems gängiger Handhabung von Leistungskriterien annehmen könne, das bislang dazu geführt hat, dass Leistungsvergleiche im Konkurrenzfall zwischen Mann und Frau kaum je zu einem Leistungsgleichstand geführt haben. Grund ist ein ausgefeiltes System der Ausdifferenzierung von Leistungskriterien, das vor allem von der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung propagiert wird. Leider hat sich diese niemals mit der Scheinrationalität der von ihr aufgestellten Anforderungen auseinander gesetzt.

Zur Lösung des Problems schlagen Papier/Heidebach vor, die derzeit praktizierte Ausdifferenzierung der Qualifikationskriterien des Art. 33 Abs. 2 GG gesetzlich zu begrenzen. Genau dies setzen unterschiedliche Entwürfe in Nordrhein-Westfalen nunmehr sinnvoll um. Für Beamtinnen und Beamte geschieht dies durch eine im Dienstrechtsmodernisierungsgesetz vorgesehenen Änderung des § 19 Absatz 6 LBG-E und für Personen im Arbeitsverhältnis (Tarifbeschäftigte und außertariflich Beschäftigte) durch § 7 des vorliegenden Entwurfs, der insoweit weitgehend auf die für das Landesbeamtengesetz vorgesehene Regelung verweist. Die in Bezug genommene Vorschrift des § 19 Abs. 6 LBG-E (LT-Drucks 16/10380, 02.12.2015) lautet in ihren wesentlichen Teilen (Satz 2 und 3):

Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im Wesentlichen gleichen Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung im Sinne von Satz 2 ist in der Regel auszugehen, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist.

Die Begründung des Entwurfs legt dann im Einzelnen dar, in welchen Konstellationen auf den § 19 LBG-E zurückzugreifen ist und wann § 7 Abs. 3 (… gilt, soweit eine Auswahlentscheidung zu treffen ist, dass Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu bevorzugen sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen) heranzuziehen ist.

Die Lektüre der Vorschrift gestaltet sich auf diese Weise nicht gerade „ergonomisch“ einfach. Sie sollte stets mit Blick auf die Begründung geschehen, die wichtige Zusatzinformationen enthält. Indes ist das Bestreben des Entwurfs, alle denkbaren Fallkonstellationen differenziert abzudecken und für eine echte Verzahnung von Beamten- und Gleichstellungsrecht zu sorgen, überaus anerkennenswert und könnte dadurch einen gewissen Vorbildcharakter auch für die Gleichstellungsgesetz-Novellierungen anderer Länder entfalten.

Da Leistungsbeurteilungen notgedrungen Wertungen enthalten, bietet natürlich auch die nunmehr vorgeschlagene gesetzliche Lösung keine Gewähr dafür, dass sich in Konkurrenzsituationen und im Falle der Unterrepräsentanz wirklich im Einzelfall die (gleich oder besser) geeigneten weiblichen Bewerberinnen durchsetzen. Aber sie könnte immerhin zu einer Verbesserung der Entscheidungssituationen beitragen und insoweit die Position der Gleichstellungsbeauftragten stärken, die auf die Anwendung dieser Vorschriften zu achten haben werden.

4. Stärkung der Position der Gleichstellungsbeauftragten

Die Position der Gleichstellungsbeauftragten wurde insgesamt sinnvoll gestärkt.

Die Anordnung der Rechtswidrigkeit einer Maßnahme bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten (§ 18 Abs. 3 Satz 1) ist allerdings lediglich eine Klarstellung, da dies von der Rechtsprechung längst so gesehen wird.

Keine Neuerung, aber weiterhin gut gelöst, ist die Verzahnung mit dem allgemeinen Beamtenrecht. Diese zeigt sich besonders gut an der Regelung des Rechts auf Einsichtnahme in die Personalakten (§ 18 Abs. 1 Satz 4), für die völlig sachgerecht auf die Vorschrift des Landesbeamtengesetzes verwiesen wird, in der der Zugang zur Personalakte durch Beschäftigte der Personalverwaltung geregelt ist (§ 83 Absatz 2 LBG). Diese (die Rechtsprechung zu Gleichstellungsbeauftragten als Teil der Personalverwaltung aufnehmende) Regelung sollten sich die Gleichstellungsgesetze anderer Länder, soweit sie insoweit unverständlicherweise ein einengendes Sonderrecht für Gleichstellungsbeauftragte propagieren, zum Vorbild nehmen!

Das Recht auf Hinzuziehung externen Sachverstands (§ 18 Abs. 7) kann mit Blick auf die höchst unterschiedliche Vorbildung der Gleichstellungsbeauftragten im Einzelfall eine wertvolle Hilfe darstellen. Sie kann dazu beitragen, einen etwaigen Konflikt zwischen Behördenleitung und Gleichstellungsbeauftragter zu entschärfen.

Die Kodifizierung des Klagerechts (§ 19a) entspricht dem, was schon seit langem in der Rechtsprechung anerkannt ist. Etwas unklar bleibt dabei, wann der Einsatz eines unzureichenden alternativen Instruments nach § 6a klageweise geltend gemacht werden kann. Da die Gleichstellungsbeauftragte dem Einsatz solcher Instrumente von vornherein zuzustimmen hat („im Einvernehmen mit der Gleichstellungsbeauftragten“), hat sie ja von Anfang an die Möglichkeit, unzureichende alternative Instrumente zu verhindern. Aber möglicherweise sind Fälle denkbar, in denen ein (prognostisch) zureichendes alternatives Instrument geplant, dieses dann aber planwidrig ins Werk gesetzt wurde? Wir werden sehen. Grundsätzlich ist es natürlich nachvollziehbar, wenn korrespondierend zum Klagerecht im Falle eines nicht gesetzeskonformen Gleichstellungsplanes die Gleichstellungsbeauftragte im Fall eines gesetzeswidrig werdenden Alternativ-Instruments ein Klagerecht erhält.

5. Geschlechtergerechte Gremienbesetzung

Die Regelungen für eine möglichst umfassende Geschlechtergerechtigkeit bei der Besetzung von Gremien in dem neu gefassten § 12 versprechen für die Zukunft Einiges! Anders als beim neuen Bundesgremienbesetzungsgesetz ist hier das ernsthafte Bemühen zu erkennen, gerade in wichtigen Gremien die Teilhabe von Frauen deutlich zu verstärken. Es ist sehr zu hoffen, dass der Landesgesetzgeber diese Regelungen wie vorgeschlagen auch verabschieden wird.

6. Fazit

Insgesamt handelt es sich um einen gut durchdachten Gesetzesentwurf. Ob und wie die neuen und alten Instrumente wirken werden, wird natürlich erst die Zukunft erweisen. Leider sieht das Gesetz keine begleitende sozialwissenschaftliche Evaluation vor, sondern nur eine Berichtspflicht der Landesregierung einmal pro Legislaturperiode. Das ist schade, da man sich gerade bei diesem ambitionierten Entwurf irgendwann nicht nur eine Ergebniskontrolle, sondern auch eine methodenkritische Effizienzkontrolle wünschen würde.

 

Henriette Lyndian                                    
Vorsitzende Landesverband                         
Nordrhein-Westfalen              

Marion Eckertz-Höfer
Vorsitzende der Kommission
Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung