Stellungnahme: 15-15


zur bindenden Anordnung einer Testamentsvollstreckung in einem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag – Vorschlag des Deutschen Notarvereins

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, zu den im Schreiben vom 21. Mai 2015 gestellten Fragen Stellung nehmen zu können.

Als bekannt ist vorauszuschicken, dass nach geltendem Recht in einem Erbvertrag nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen bindend getroffen werden können (§ 2278 II BGB), wobei die Regelung für das gemeinschaftliche (Ehegatten-)Testament entsprechend gilt (§ 2270 III BGB).

Die Anordnung einer bindenden Testamentsvollstreckung kann somit weder in einem Erbvertrag noch in einem Ehegattentestament erfolgen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen Entscheidungen vom 6. April 2011 (IV ZR 232/09) und vom 17. Juli 2012 (IV ZB 23/11) zu der Problematik der Bindungswirkung Stellung genommen. Die Judikate sind – mit Blick auf die eindeutige Gesetzeslage – nicht ohne Kritik geblieben.

Daran anknüpfend soll unter Einbeziehung der Praxis Handlungsbedarf geprüft werden.

 

Frage 1: Besteht in der Praxis ein Bedürfnis, in einem Erbvertrag oder gemeinschaftlichen Testament bindende Anordnungen zu einer Testamentsvollstreckung zu treffen?

1) Das vom Deutschen Notarverein vorgestellte Württemberger Modell (1. Fallbeispiel[1]) macht deutlich, dass die dargestellte Regelung – Erbeinsetzung der Kinder mit einem Nießbrauchvermächtnis des Ehegatten bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung – eine sehr große Vertrauensbasis der Beteiligten untereinander voraussetzt. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung soll diesen Nachteil gleichsam kompensieren, zumindest nach dem Willen der Beteiligten.

Die gemeinsame Entscheidung und Auswahl einer Testamentsvollstrecker_in ist für die getroffenen Anordnungen unter dem Gesichtspunkt eines Gesamtkonzepts von tragender Bedeutung. Die Aufgabe der Position der Erbin bzw. des Erben steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang.

Ist die Anordnung der Testamentsvollstreckung nun aber weder wechselbezüglich noch bindend, besteht die Gefahr, dass das Konzept nach dem Tod der Erblasser_in / des vorverstorbenden Ehegatten unterlaufen und das beabsichtigte Ziel nicht erreicht wird.

Den auf seine Rechtsposition verzichtenden Ehegatten bei – heimlicher – Auswechslung der Person der Testamentsvollstrecker_in auf die Geltendmachung seiner Rechte im Klageweg zu verweisen, ist angesichts des Vertrauens, das er dem Gesamtkonstrukt beimisst, unangemessen. Es führt zu Rechtsunsicherheit und einer damit einhergehenden Benachteiligung des (überlebenden) Ehegatten, in der Regel also der Frau (nach Erhebungen des statistischen Bundesamt – Quelle: destatis.de – beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen 81,4 Jahre und die von Männern 74,5 Jahre – Stand: 2013).

Seit dem ErbStRG vom 24. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 3018 ff), das zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, und dem ersatzlosen Wegfall von § 25 ErbStG können Nutzungs- und Rentenlasten bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs grundsätzlich vollständig berücksichtigt werden. Der Wert des Nießbrauchs wird – im Gegensatz zur früheren Praxis – erbschaftssteuerlich beim Tod des Erstversterbenden vom Erwerb von Todes wegen also abgezogen.

Damit kommt der beschriebenen Regelung im sogenannten Württemberger Modell in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu.

In der anwaltlichen Beratung ist jedoch auf die Risiken einer möglichen Änderung der Person der Testamentsvollstrecker_in hinzuweisen, worunter die Anwenderfreundlichkeit der Gestaltungsform leidet. Zwar hat der BGH die Bindungswirkung im Hinblick auf die Einsetzung des überlebenden Ehegatten angenommen. Auf die Kritik, insbesondere in der Literatur, ist jedoch aufmerksam zu machen.

Von den Betroffenen und Ratsuchenden wird die Möglichkeit der späteren Änderung als nicht homogen empfunden, so dass schon aus diesem Grund eine (klare) gesetzliche Regelung wünschenswert ist.

Hinzu kommt, dass seit der Unterhaltsrechtsreform (2008) zunehmend von Vereinbarungen in Form von Eheverträgen – gerade bei jungen Ehepaaren mit oder ohne Kinderwunsch – Gebrauch gemacht wird. Im Zusammenhang mit Eheverträgen werden häufig aber auch Erbverträge geschlossen bzw. Regelungen für den Erbfall getroffen.

Sind minderjährige Kinder vorhanden oder besteht ein Kinderwunsch, wird der andere Ehegatte regelmäßig als Testamentsvollstrecker_in, wenn auch befristet bis zum 25. bzw. 26. Lebensjahr des Kindes/der Kinder eingesetzt. Eine bindende Regelung führt in diesem Zusammenhang zu Vertrauensschutz und Entlastung.

Fehlt es an einer solchen Bindungswirkung, so ist der überlebende Ehegatte darauf angewiesen, seine Position als vormals gemeinsam eingesetzte Testamentsvollstrecker_in gegen die später heimlich eingesetzte Testamentsvollstrecker_in durch den Instanzenzug zu erstreiten.

Weitere Folge ist, dass sich die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erheblich verzögert, so dass zusätzlich unter Umständen noch eine Nachlassverwalter_in zu bestellen ist.

In der Praxis von Bedeutung ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, sei es in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament, außerdem mit Blick auf Nachfolgeregelungen in Unternehmen, insbesondere in Familienunternehmen (zur Betroffenheit der Frauen in diesem Zusammenhang wird auf die eingangs erwähnten statistischen Erhebungen Bezug genommen).

Die Gründe für die Anordnung sind vielschichtig und oft in der Person der Abkömmlinge zu suchen (Alter, mangelndes Interesse an dem Unternehmen oder fehlende Qualifikation).

In einem Unternehmen ist die Planungssicherheit aber ein wesentliches Kriterium für den Fortbestand der Firma. Da die Testamentsvollstrecker_in mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet ist, kann eine spätere einseitige Auswechslung dieser Person dem Unternehmen eine völlig andere als die ursprünglich gemeinsam gewollte Richtung und Prägung geben, mit allen daraus folgenden Konsequenzen.

 

2) Schließlich ist ein Regelungsbedürfnis mit Rücksicht auf die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (im Folgenden: EuErbVO), nicht zu verkennen.

Denn immer mehr Bundesbürger_innen verbringen ihren Lebensabend im europäischen Ausland oder begründen Firmen in europäischen Ländern, was nicht selten Wohnsitzverlegung nach sich zieht.

Das Ehegattentestament ist aufgrund der Bindungswirkung national sehr beliebt, im europäischen Ausland aber wenig bekannt. Die Einordnung in die Systematik der EuErbVO ist umstritten (Palandt-Thorn, BGB, 74. Aufl., Art. 25 EuErbVO Rz. 3 ff.; Süß, Erbrecht in Europa, 3. Auflage Rz. 46ff.; Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Auflage, Art. 25 EuErbVo Rz.1ff.)

Die Verordnung begründet für Mitgliedstaaten, die dieses (Rechts-)Institut nicht kennen, keine gesetzgeberische Verpflichtung. Sie müssen es jedoch anerkennen, wenn es nach dem anwendbaren Recht gültig ist. (Paul Lagarde, EuErbVO Kommentar, 1. Auflage, Art. 25 EuErbVO Rz. 1 ff.). Ob sich dies in der Praxis durchsetzen lässt und die Gerichte auf Regelungen zurückgreifen, die dem eigenen nationalen Recht fremd sind, bleibt abzuwarten.

Es empfiehlt sich derzeit für die Praxis, auf den Erbvertrag auszuweichen. (Burandt/Rojahn, Erbrecht 2. Auflage Art. 25 EuErbVO Rz. 2; Odersky, Notar 2013 1, 8). Bindungswirkungen treten im Erbvertrag aber – wie eingangs erwähnt – nur mit Blick auf die Erbeinsetzung ein.

Die beschriebene Problematik hat Auswirkungen schließlich auch auf die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses jedenfalls in den Mitgliedstaaten, in denen z.B. das Verbot wechselbezüglicher Anordnungen in einem gemeinschaftlichen Testament, wie in Frankreich und Spanien, greift.

 

Frage 2: Welche Vor und Nachteile hätte eine gesetzliche Regelung, die den Vertragspartnern eines Erbvertrags bzw. den Testatoren eines gemeinschaftlichen Testaments diese Möglichkeit eröffnet?

Vorteile:
  • Rechtssicherheit für beide Ehegatten

Allgemein geregelt ist derzeit nicht, unter welchen Voraussetzungen eine Bindungswirkung anzunehmen ist und die Auswechselung der Testamentsvollstrecker_in eine Beeinträchtigung i.S. von § 2289 BGB darstellt. Eine gesetzliche Regelung dient in diesem Zusammenhang der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten.

  • Rechtssicherheit im europäischen Ausland

Die Testamentsvollstrecker_in ist in einigen europäischen Ländern mit anderen Befugnissen ausgestattet bzw. gänzlich unbekannt. Eine – eindeutige – nationale Regelung brächte mit Blick auf die Rechtswahl zugleich (mehr) Rechtssicherheit.

  • Planungssicherheit bei Unternehmen

 

Nachteile:

Der verbleibende Ehegatte könnte nach dem Tod des Vorverstorbenen ebenfalls keine Änderung (mehr) vornehmen. Sollte sich herausstellen, dass eine Zusammenarbeit mit der eingesetzten Testamentsvollstrecker_in schwierig ist, ist er auf die eng gefassten Instrumentarien zur Entlassung der Testamentsvollstrecker_in angewiesen.

 

Fazit

Der djb empfiehlt aus den dargelegten Gründen eine Regelung zur Bindungswirkung der Testamentsvollstreckung in gemeinsamen Testamenten / Erbverträgen zu schaffen.

Eine Anordnung entsprechend der Regelung des §§ 2270 II BGB, die sich in der Praxis bewährt hat, wird in Betracht zu ziehen sein, weil bei gegenseitiger Erbeinsetzung die Ehegatten in der Regel auch die Testamentsvollstreckung bindend regeln wollen.

Von Bedeutung ist im Rahmen rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten außerdem eine sogenannte Öffnungsklausel, die dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit einräumt, die Person der Testamentsvollstrecker_in unter bestimmten und von den testierenden Ehegatten festzulegenden Kriterien, wie z.B. Personenkreis, Qualifikation, Nähe zum Unternehmen, Nähe zur Erblasser_in etc., auszuwechseln.

Grundsätzlich gilt es aus Sicht des djb auch darüber nachzudenken, ob das Rechtsinstitut des "unberatenen" gemeinsamen Testamentes (eingeführt 1900), das für Manipulationsmöglichkeiten offen ist und in der Konsequenz weitere letztwillige Verfügungen nicht zulässt, noch zeitgemäß ist.

 

Ramona Pisal                                  
Präsidentin   

Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften

 

 


[1] Zwei Ehegatten wollen die gemeinsamen Kinder zu Erben einsetzen, wobei der Längerlebende von ihnen vermächtnisweise den Nießbrauch an dem Nachlass des Erstversterbenden erhalten und zugleich zur Dauer-Testamentsvollstrecker_in bestimmt werden soll, um über einzelne Nachlassgegenstände verfügen zu können. Ohne die Verfügungsmöglichkeit einer Testamentsvollstreckung wäre diese – im Vergleich zur Vor- und Nacherbschaft durchaus vorteilhafte – Lösung den Ehegatten aber zu unsicher.