Stellungnahme: 15-14


zum Konzept des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Umsetzung der CSR-Richtlinie – Reform des Lageberichts vom 27. April 2015

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der djb ist ein Zusammenschluss von Juristinnen, Volks- und Betriebswirtinnen zur Fortentwicklung des Rechts. Er ist unabhängig, überparteilich und überkonfessionell. Der djb wirkt vor allem an der Fortentwicklung des Rechts auf allen Gebieten und der Verwirklichung der Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frau in allen gesellschaftlichen Bereichen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit.

Dem djb ist es auch ein besonderes Anliegen, die Umsetzung europäischer Gesetzgebung im Hinblick auf gleichstellungspolitische Ziele zu begleiten und zu kommentieren, um effektive Maßnahmen der Geschlechtergleichstellung zu gewährleisten bzw. zu erreichen. Dies gilt auch für die Umsetzung der entsprechenden Passagen der Richtlinie 2014/95/EU (CSR-RL).
 

I. Inhalt der geschlechtsspezifischen Passagen der CSR-RL

Als Maßnahme der indirekten Verhaltenssteuerung hat die Europäische Union (EU) im Wege der Richtliniengesetzgebung bestimmten großen Unternehmen umfassende Berichterstattungspflichten auferlegt. Die CSR-RL ergänzt die Richtlinie 2013/34/EU (Bilanz-RL) über den Jahresabschluss um Angaben nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen. Neben der Einführung einer Nichtfinanziellen Erklärung enthält die CSR-RL Änderungsvorschriften zu Art. 20 Bilanz-RL, wonach die Erklärung der Unternehmensführung um Angaben zu dem von den betroffenen Unternehmen verfolgten Diversitätskonzept erweitert wird. Die Angabe des Diversitätskonzepts umfasst dabei auch geschlechtsspezifische Informationen.

Die Pflicht zur Offenlegung der Diversitätskonzepte erfasst ausschließlich börsennotierte Unternehmen. Explizit ausgenommen sind kleinere und mittlere Unternehmen (Art. 1 Nr. 2 (c) und (d) CSR-RL, Art. 20 Abs. 4 und 5 Bilanz-RL).

Die CSR-RL verlangt von den betroffenen Unternehmen als Ausfluss ihrer Fürsorgepflicht in der Erklärung zur Unternehmensführung eine Beschreibung ihres Konzepts für die Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorgane. Inhaltlich sollen neben den Zielen der Diversitätsstrategie auch Aspekte wie Alter, Geschlecht, Ausbildung sowie beruflicher Hintergrund, die konkrete Umsetzung und die Ergebnisse im Berichtszeitraum offengelegt werden (Art. 1 Nr. 2 (a) CSR-RL, Art. 20 Abs. 1 (g) Bilanz-RL). Eine Verpflichtung zur Einführung eines Diversitätskonzepts ist damit nicht verbunden. Allerdings sollen Unternehmen, die keine Diversitätsstrategie verfolgen, die Gründe dafür erläutern („Comply or Explain“).

Eine inhaltliche Kontrolle der geschlechtsspezifischen Aussagen findet nicht statt. Die Abschlussprüfung beschränkt sich darauf, ob die vorstehenden Informationen überhaupt gegeben wurden (Art. 1 Nr. 2 (b) CSR-RL, Art. 20 Abs. 3 Bilanz-RL). Die Festlegung von Sanktionen bei Verstößen gegen die Erklärungspflicht bleibt wie bisher nach Art. 51 Bilanz-RL den Mitgliedstaaten vorbehalten.

Die Frist zur Umsetzung der CSR-RL in das nationale Recht der Mitgliedstaaten läuft bis zum 6.12.2016. Verbindlich gelten sollen die umgesetzten Vorschriften erstmals in Geschäftsjahren, die am oder nach dem 1.1.2017 beginnen.

Nicht vorgesehen sind in der CSR-RL aktive Pflichten zur angemessenen Berücksichtigung von Frauen in Führungsgremien. Eine solche Regelung wird auf Basis der sog. Aufsichtsrätinnen-Richtinie[1] gesondert erfolgen.
 

II. Geltende Rechtslage in Deutschland

1. § 285 HGB

Zu den Pflichtangaben, die im Anhang zur Bilanz zu erfolgen haben, gehören nach § 285 Ziff. 10 HGB alle Mitglieder des Geschäftsführungsorgans und eines Aufsichtsrats, auch wenn sie im Geschäftsjahr oder später ausgeschieden sind, mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, einschließlich des ausgeübten Berufs und bei börsennotierten Gesellschaften auch der Mitgliedschaft in Aufsichtsräten und anderen Kontrollgremien i.S. des § 125 Abs. 1 Satz 5 AktG. Der Vorsitzende eines Aufsichtsrats, seine Stellvertreter und ein etwaiger Vorsitzender des Geschäftsführungsorgans sind als solche zu bezeichnen.

Unterhalb der Ebene der Unternehmensleitung gibt es bislang keine Transparenz in Bezug auf die Zusammensetzung der Belegschaft.[2] § 285 Ziff. 7 HGB gibt lediglich vor, dass die durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahrs beschäftigten Arbeitnehmenden nach Gruppen benannt werden müssen. Der Wortlaut verlangt keine Unterteilung nach Geschlechtern. In der Praxis erfolgen diese nicht flächendeckend – und wenn, dann nicht in einer Weise, die den Vergleich zwischen verschiedenen Unternehmen oder in der Entwicklung eines Unternehmens erlauben würde.[3]
 

2. § 289 Abs. 3 HGB

Große Kapitalgesellschaften[4] müssen nach § 289 Abs. 3 HGB in die Analyse ihres Lageberichts nichtfinanzielle Leistungsindikatoren, wie u.a. Informationen über Arbeitnehmerbelange, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind, einbeziehen. § 289 Abs. 3 HBG führt ein Schattendasein.[5]Schmidt[6] kommt unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen und der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern auf allen Ebenen der betrieblichen und unternehmerischen Hierarchien zu fördern, zu dem Ergebnis, dass es sich gut vertreten lasse, dass der Anteil der Frauen an den Beschäftigten auf den verschiedenen Hierarchiestufen und Führungsebenen zu den „Arbeitnehmerbelangen“ gem. § 289 Abs. 3 HGB gehöre, über den regelmäßig zu informieren sei, da dies für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sei. Faktisch enthalten die Lageberichte der meisten Unternehmen allerdings keine entsprechende Aussage.[7]
 

3. § 289a HGB

Schon bisher müssen börsennotierte sowie bestimmte andere Aktiengesellschaften eine sog. Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB abgeben, entweder als gesonderter Abschnitt im Lagebericht oder auf der Internetseite der Gesellschaft mit Verweis darauf im Lagebericht. Die Erklärung zur Unternehmensführung dient der Zugänglichmachung von Informationen über die Praktiken der Unternehmensführung, der Instrumente der Unternehmensüberwachung und der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst am 1.5.2015 muss die Erklärung zur Unternehmensführung auch geschlechtsspezifische Angaben in Bezug auf die Besetzung von Führungspositionen enthalten. Das Gesetz hat zum Ziel, den Frauenanteil in Führungsgremien von Wirtschaft und Verwaltung in Deutschland wesentlich zu erhöhen. Es sieht für die Privatwirtschaft im Wesentlichen folgende Regelungen vor:

  • Mitbestimmungspflichtige oder börsennotierte Unternehmen müssen sich erstmals zum 30.9.2015 selbst Zielvorgaben für den Anteil von Frauen in Vorstand, Aufsichtsrat und den obersten zwei Managementebenen setzen (sog. Flexiquote). Die erste Zielvorgabe soll bis zum 30.6.2017 angestrebt werden. Die Bezugszeiträume für nachfolgende Zielvorgaben können dann bis zu fünf Jahre betragen.
  • Für die Aufsichtsräte von Unternehmen, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, gilt eine fixe Geschlechterquote von 30 Prozent. Diese muss ab 1.1.2016 sukzessive bei der Neubesetzung des Aufsichtsrates beachtet werden.

Die Berichtspflichten zu geschlechtsspezifischen Angaben sind in § 289a Abs. 2 Nr. 4 und 5 HGB verankert. Im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung müssen die betroffenen Unternehmen künftig berichten, ob bzw. inwieweit sie die genannten gesetzlichen Vorgaben beachtet haben:

  • Die Berichtspflichten zu den selbst festgelegten Zielgrößen gelten erstmals für Lageberichte in Jahresabschlüssen, deren Geschäftsjahr nach dem 30.9.2015 endet. Erst nach Ablauf des selbst gesetzten Zeitraums zur Erreichung der Zielgrößen muss berichtet werden, ob die Zielgrößen erreicht worden sind bzw. aus welchen Gründen sie nicht erreicht wurden. Vor Ablauf des Zielzeitraums genügt die bloße Wiederholung der Festlegungen in der jährlichen Erklärung zur Unternehmensführung. Eine inhaltliche Zwischenberichterstattung zum jeweiligen Stand der Zielerreichung vor Ende des Zielzeitraums ist nicht erforderlich.
  • Die Berichtspflicht zur Einhaltung des fixen Mindestgeschlechteranteils gilt erstmals für Lageberichte in Jahresabschlüssen, deren Geschäftsjahr nach dem 31.12.2015 endet. Danach müssen die betroffenen Gesellschaften jährlich in der Erklärung zur Unternehmensführung angeben, ob sie in dem betroffenen Geschäftsjahr die Quote bei der Aufsichtsratsbesetzung eingehalten haben bzw. aus welchen Gründen der Mindestanteil nicht erreicht wurde. Unternehmen, die keinen Lagebericht erstellen müssen, aber den Verpflichtungen zur Festlegung von Zielgrößen und Fristen zur Erhöhung des Frauenanteils unterliegen, haben eine eigenständige Erklärung zur Unternehmensführung zu erstellen und auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen, § 289a Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4 HGB.

Nach § 317 Abs. 2 Satz 3 HGB unterliegt die Erklärung zur Unternehmensführung als Teil des Lageberichts keiner inhaltlichen Prüfung durch den Abschlussprüfer. Er hat lediglich zu prüfen, ob der Lagebericht die nach § 289a Abs. 2 HGB geforderten Pflichtbestandteile enthält oder nicht. Ist die Erklärung zur Unternehmensführung unvollständig, kann er den Bestätigungsvermerk einschränken oder versagen.
 

III. Umsetzungsbedarf der CSR-RL

1. Nichtfinanzielle Aspekte der Geschäftstätigkeit der Unternehmen (§§ 285 Ziff. 7, 289 Abs. 3 HGB)

Die bestehenden Berichtspflichten führen nicht dazu, dass im Anhang zur Bilanz oder im Lagebericht flächendeckend und vergleichbar über die Situation von Frauen als Führungskräfte auf den verschiedenen Hierarchieebenen im Unternehmen informiert wird; dies gilt auch für die durchschnittlichen Gehälter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.[8] Soweit freiwillige Angaben gemacht werden, genügen diese nicht den Anforderungen der CSR-RL an die geschlechtsspezifischen Angaben, die zusätzlicher Regelungen im Handelsgesetzbuch bedürfen. Hier ist eine verpflichtende Ergänzung in § 285 Ziff. 7 HGB angezeigt, die zu einer einheitlichen Berichterstattung führt. Darüber hinaus sind weitere Bestandteile der Berichtspflicht in § 289 Abs. 3 HGB festzulegen.
 

2. Diversität bei der Zusammensetzung von Aufsichts-, Leitungs- und Kontrollgremien eines Unternehmens (§ 285 Ziff. 10, 289a Abs. 2 Nr. 4 und 5 HGB)

Die bisher geltenden Berichtspflichten über die Zielvorgaben und die Einhaltung der Mindestquote und die Anforderungen der CSR-RL an die geschlechtsspezifischen Angaben überlappen sich teilweise, sind aber nicht deckungsgleich. Die nach dem HGB erforderlichen Angaben zur Diversität in den Gesellschaftsorganen müssen daher ergänzt werden.

Die Vorgaben der CSR-RL, soweit sie die Geschlechterdiversität betreffen, lassen sich mit den bestehenden nationalen Berichtspflichten nach dem Gesetz für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst nicht so weit harmonisieren, um Doppelberichtspflichten gänzlich zu vermeiden:

  • Zum einen bestehen unterschiedliche zeitliche Anforderungen der Berichtspflichten. Zwar müssen die der Mindestquote im Aufsichtsrat unterliegenden Unternehmen ebenfalls jährlich berichten, ob diese Quote eingehalten wurde bzw. aus welchen Gründen dies nicht der Fall ist. Die selbst auferlegten Fristen zur Erreichung der Zielgrößen für den Frauenanteil in Führungspositionen können jedoch bis zu fünf Jahre betragen. Da eine Zwischenberichterstattung nicht erforderlich ist, entsteht eine entsprechende Berichtspflicht, ob die jeweilige Zielgröße erreicht wurde bzw. auf welchen Gründen die Nichterreichung beruht, im für die Unternehmen günstigsten Fall nur alle fünf Jahre. Dagegen ist nach der CSR-RL im Rahmen der Diversitätsberichtspflichten jährlich über die personelle Vielfalt in geschlechtsspezifischer Hinsicht sowie die vom Unternehmen verfolgten Ziele und Maßnahmen zu ihrer Förderung zu berichten. Zu einer verstärkten Doppelberichtspflicht kommt es daher lediglich in dem Jahr, in dem die Unternehmen über die Erreichung ihrer festgelegten Zielgröße berichten müssen.
  • Auch inhaltlich unterscheiden sich die nach HGB bestehenden Berichtspflichten von denen nach der CSR-RL. Während die geltenden Berichtspflichten im Wesentlichen zahlenmäßige Angaben zu der Geschlechterverteilung in Führungspositionen erfordern, umfasst die Beschreibung eines Diversitätskonzepts gem. CSR-RL darüber hinaus auch eine Beschreibung der Ziele der Diversitätsstrategie, Maßnahmen zu ihrer Umsetzung und die Angabe von (Zwischen-) Ergebnissen.
  • Mit Umsetzung der CSR-RL ergibt sich zwangsläufig eine Erhöhung der Berichtspflichten. Allerdings ist der damit verbundene Aufwand zumutbar. Soweit die Unternehmen die Mindestquote einhalten und ihre Zielvorgaben erreichen, beschränken sich die Berichtspflichten nach § 289a Abs. 2 Nr. 4 und 5 HGB auf diese Angaben. Ein größerer Berichtsaufwand entsteht nur dann, wenn Unternehmen erläutern müssen, warum sie die Vorgaben nicht eingehalten haben. Insoweit kann es in Bezug auf geschlechtsspezifische Aspekte zu geringfügigen Überschneidungen mit der Erläuterung des Diversitätskonzepts kommen.
  • Umsetzungsbedarf besteht auch im Hinblick auf den Adressatenkreis der Berichtspflichten. Die CSR-RL gilt für große Unternehmen, die von öffentlichem Interesse sind, die durchschnittlich mehr als 500 Beschäftigte im Geschäftsjahr hatten (Art. 1 Nr. 1 CSR-RL; Art. 19a Abs. 1 Bilanz-RL). Diese Gruppe ist nicht identisch mit der Gruppe der von der Berichtspflicht nach § 289a Abs. 2 Nr. 4 und 5 HGB erfassten Unternehmen.

Die an die Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der Berichtspflichten geknüpften Sanktionen sind indes in HGB und CSR-RL identisch: Nach Art. 1 Nr. 2 (b) CSR-RL (Art. 20 Abs. 3 Bilanz-RL) muss der Abschlussprüfer prüfen, ob die Erklärung zur Unternehmensführung die geforderten Angaben zum Diversitätskonzept enthält. Eine inhaltliche Prüfungspflicht der geschlechtsspezifischen Angaben ist in der CSR-RL ebenso wenig vorgesehen wie derzeit im HGB. Es besteht daher kein Umsetzungsbedarf in Bezug auf die Überprüfung der Angaben.
 

IV. Umsetzung der geschlechtsspezifischen Anforderungen der CSR-RL

1. Rahmen und Ausblick

Die CSR-Richtlinie und ihre Umsetzung werden bewirken, dass die erfassten Unternehmen über ihren Lagebericht und ihre Unternehmenserklärung Angaben zu den nichtfinanziellen und die Diversität betreffenden Aspekten ihrer Geschäftstätigkeit bzw. der Zusammensetzung ihrer Organe offenlegen müssen.[9] Durch die CSR-Richtlinie selbst werden soziale Arbeitnehmerbelange, die Geschlechtergleichstellung sowie die Achtung der Menschenrechte in den Fokus gerückt. Eine gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt und in der Unternehmensleitung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht zu befürworten. Unternehmen können so das gesamte produktive Potenzial der ausgebildeten bzw. erwerbstätigen Bevölkerung nutzen und damit ihren Erfolg maximieren. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sind Unternehmen, die auf Chancengleichheit und Vielfalt setzen, wettbewerbsfähiger. Die Beschäftigung von allen Geschlechtern kann die volle Bandbreite von Talenten und Kreativität ausschöpfen und gleichzeitig die Attraktivität und das Image von Unternehmen verbessern. Die Vorteile der Geschlechtergleichstellung können zu einer gesteigerten Unternehmensleistung und höheren Gewinnmargen führen, die nicht nur Privatpersonen und Unternehmen zu Gute kommen können, sondern auch ganzen Regionen und Nationen.

Aufschlussreich war insoweit auch das vom djb durchgeführte und von der Europäischen Kommission geförderte Projekt „European Women Shareholders Demand Gender Equality“, bei dem bis September 2015 bis zu 100 Hauptversammlungen von Unternehmen des EUROSTOXX50-, des BUX-, des SOFIX- und des FTSE100-Index in elf Mitgliedsstaaten der EU besucht und Fragen zur Situation von Frauen in den Unternehmen gestellt werden. In Mitgliedstaaten, in denen schon heute eine Berichterstattungspflicht mit geschlechtsspezifischen Anforderungen – wie beispielsweise Frankreich – besteht, ist unschwer zu erkennen, wo in Bezug auf das unterrepräsentierte Geschlecht Handlungsbedarf besteht und welche Schritte dagegen eingeleitet werden können. In den meisten anderen Mitgliedstaaten – wie etwa in Deutschland und Ungarn – sind diesbezügliche Informationen nicht durchgehend offengelegt und auch nicht vergleichbar. Zwar mag es in manchen Unternehmen geschlechterdifferenzierende Angaben geben, wie z.B. in sog. CSR-Berichte. Diese folgen jedoch keinem einheitlichen Muster.
 

2. Umsetzungsvorschläge

Der djb spricht sich dafür aus, im Rahmen der Umsetzung der CSR-RL dem in der Richtlinie selbst, aber auch in dem Gesetzesvorhaben des BMFSFJ zur Lohngerechtigkeit oder in der Koalitionsvereinbarung niedergelegten Ziel der Geschlechtergleichstellung besonderes Augenmerk zu widmen.
 

a) Angabe von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren im Lagebericht (Art. 1 Ziff. 1 CSR-RL, Art. 19 a Abs. 1 lit. e) Bilanz-RL)

Als Ort für die Umsetzung dieser Angabe der Richtlinie kommt vornehmlich § 289 Abs. 3 HGB in Betracht, der für große Kapitalgesellschaften Angaben zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren beinhaltet.

aa) Erfasste Unternehmen

Angaben zu nichtfinanziellen Leistungsindikatoren sind bisher gemäß § 289 Abs. 3 HGB von großen Kapitalgesellschaften, namentlich Unternehmen, die zwei der Kriterien des § 267 Abs. 2 HGB erfüllen (19 250 000 Euro Bilanzsumme, 38 500 000 Euro Umsatzerlös, im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer) zu machen. Die CSR-RL setzt zudem voraus, dass es sich um Unternehmen des öffentlichen Interesses mit mehr als 500 Mitarbeitern handelt. Der djb spricht sich dafür aus, im Rahmen der Umsetzung bei dem Größenkriterium des § 267 Abs. 3 HGB und damit u.a. bei dem Kriterium von 250 Arbeitnehmenden im Jahresdurchschnitt zu verbleiben, soweit die Angaben zur Geschlechtergleichstellung, der Arbeitnehmerbelange sowie die Menschenrechte betroffen sind. Die Richtlinie als Mindeststandard ermöglicht diese Vorgehensweise, die sich dadurch erklärt, dass durch eine Einbeziehung von Unternehmen mit 250 Arbeitnehmenden mehr Transparenz geschaffen und gleichzeitig ein nachhaltiger wirtschaftlicher Vorteil durch die Gleichstellung der Geschlechter erwartet werden kann.

bb) Nichtfinanzielle Angaben

Der djb spricht sich dafür aus, dass die nichtfinanziellen Angaben im Lagebericht Angaben zum Stand der Geschlechtergleichstellung und zu den Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Geschlechtergleichstellung zu gewährleisten, enthalten, wobei jedenfalls die folgenden Angaben in den Lagebericht aufzunehmen sind:

  • die bestehenden Geschlechterverhältnisse im Hinblick auf die Beschäftigten im Unternehmen sowie im Hinblick auf die verschiedenen Führungsebenen des Unternehmens (ggf. zu verankern in § 285 Ziff. 7 HGB);
  • die bestehende geschlechterspezifische Entgeltsituation bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sowie Strategien, um eine Entgeltgleichheit zu erreichen;
  • die spezifischen Programme zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts im Hinblick auf
    • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf;
    • die Entwicklung und Förderung von Führungskräften;
    • die Rekrutierung und Beförderung von späten Karrieren

sowie Angaben dazu, wie die Programme gegenüber den Arbeitnehmenden bekannt gemacht werden;

  • Inhalt und Art der Kommunikation im Hinblick auf zu besetzende Positionen in den höheren Führungsebenen.

Die Gründe für diesen Vorschlag lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Richtlinie selbst definiert in Art. 19a Abs. 1 e) Bilanz-RL die anzugebenden nichtfinanziellen Leistungen nicht; sie sieht aber vor, dass die wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, die für die betreffende Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, angegeben werden müssen. Nach Erwägungsgrund sechs soll die nichtfinanzielle Erklärung u.a. Angaben zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen enthalten. Der in der Einleitung erläuternde Erwägungsgrund sieben spezifiziert dies und bezieht sich auf Angaben zu den Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Geschlechtergleichstellung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund sind die oben dargelegten spezifischen Angaben im Lagebericht zur Geschlechtergleichstellung notwendig.

 

Im Einzelnen:

Neben der Offenlegung des Status quo der bestehenden Geschlechterverhältnisse erscheint insbesondere die Offenlegung von Programmen zur Förderung des unterrepräsentierten Geschlechts, die in der Wirtschaft nur zum Teil angewendet werden, von Bedeutung.

Wesentlich erscheint insbesondere die Offenlegung von Programmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Entwicklung und Förderung von Führungskräften und der Rekrutierung und Förderung von späten Karrieren. Dies ist notwendig, um eine langfristige Bindung auch des unterrepräsentierten Geschlechts zu erzielen und dessen Potenziale bestmöglich zu entwickeln und zu fördern.

In der Begründung zu den neuen Gesetzesvorschriften könnte dazu auf folgende Programme und Umstände hingewiesen werden:

  • Programme, die flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, etwa durch Teilzeit – auch für Führungskräfte, Telearbeit, Home Office, Jobsharing, Langzeitkonten, sowie etwa die Gewährung von Betreuungszuschüssen (Kita-Plätze und wohnortnahe Betreuung inkl. Notfallbetreuung für Kinder, Seniorenservice, Familienerholungsangebote, Durchführung von Ferienfreizeiten). Hinzu kommt die gezielte Begleitung von Elternzeit mit Programmen, durch die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Kontakt zum Unternehmen während der Elternzeit halten können.
     
  • Für eine Erhöhung des unterrepräsentierten Geschlechts (Frauenanteils) auch in Führungspositionen sind spezifische Förderungsprogramme für Führungskräfte notwendig (Bsp.: LEAP- or the Leadership Excellence Acceleration Program der SAP: LEAP ist ein 18-monatiges Programm, dass sich auf talentierte Frauen bezieht, die entweder das Potenzial für Führungsaufgaben aufweisen oder schon Führungsaufgaben wahrnehmen, aber noch mehr erreichen wollen. Das Programm versucht die individuellen Fähigkeiten der Programmteilnehmerinnen zu maximieren und notwendige Fähigkeiten und Wissen zu vermitteln. Die Trainings beinhalten: Self-Assessment und Reflection, Karriereplanung und -entwicklung, Mentoring und Sponsorship, Networking und Branding und Vermittlung von Führungseigenschaften.)
  • Mentoring-Programme bilden dabei ein wirksames Instrument zur beruflichen Förderung von Frauen. Mentoring-Programme können Frauen, die sich in Führungspositionen befinden oder das Potenzial für Führungsaufgaben aufweisen, helfen, einen Erfahrungs- und Wissensaustausch zu generieren, den Kontakt in höhere Führungsebenen herzustellen und ihr Netzwerk zu erweitern. Darüber hinaus bieten diese Programme die Möglichkeit, die eigene Führungs- und Methodenkompetenz zu erweitern.
  • Auch können in diesem Zusammenhang allgemeine Programme zur langfristigen Karrierebegleitung, die unterschiedliche Lebensphasen berücksichtigt, sowie Programme zur Förderung von späten Karrieren dazu verhelfen, den Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts zu fördern.
  • Allgemein erscheinen Programme betreffend Schulungen und Trainings zu diversitygerechtem Führen, um eine generelle Unternehmenskultur im Hinblick auf Diversity zu verändern, als angezeigt.

Zudem ist es notwendig, dass Unternehmen ihre Stellenbesetzung, besonders in den höheren Führungsebenen, transparent gestalten. Oftmals fehlt es dem unterrepräsentierten Geschlecht an Zugang zu Stellen, die eher durch informelle Netzwerke als durch transparente Ausschreibungen publik werden. Aufgrund der Netzwerkabhängigkeit ist die Besetzung von Führungspositionen derzeit oftmals durch Zufallsereignisse geprägt.

Des Weiteren spielt die Offenlegung der Bezüge von Frauen und Männern, die innerhalb des Unternehmens gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben, eine wichtige Rolle. Die bestehenden Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland bei gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen können immer noch als Hinweis auf versteckte Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gesehen werden. Durch die Offenlegung der Entgeltstrukturen soll mehr Transparenz bei der Entlohnung der Geschlechter geschaffen werden. Bei bestehenden Entgeltunterschieden werden Unternehmen aufgefordert, Strategien zu präsentieren die zum Ziel haben, die Lohnlücke nachhaltig zu reduzieren.
 

b) Diversitätskonzept (Art. 1 Ziff. 2 CSR-RL, Art. 20 Abs. 1 g) Bilanz-RL)

Für die Umsetzung der geschlechtsspezifischen Anforderungen der CSR-RL bietet sich eine Erweiterung der Berichtspflichten in § 289a Abs. 2 HGB an, da die Berichtspflichten hinsichtlich der Diversität die Erklärung zur Unternehmensführung betreffen. § 289a HGB ist hinsichtlich des Umfangs der Erklärungen zu erweitern, um die Veröffentlichungs- und Berichtspflichten einheitlich zu regeln. Dies kann am besten durch die Einfügung einer Nummer 6 in § 289a Abs. 2 HGB erreicht werden.

Eine entsprechende Neuregelung muss insbesondere Folgendes beinhalten:

  • die Angabe der betroffenen Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane, über die zu berichten ist (Vorstand, Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat);
  • eine Aufzählung inhaltlicher Mindestanforderungen, über die mindestens zu berichten ist, dazu gehören die Beschreibung der Diversitätsstrategie, die Offenlegung der Ziele dieser Diversitätsstrategie, die Darlegung der Umsetzung der Diversitätspolitik sowie die Angabe, welche Ergebnisse im Berichtszeitraum erzielt wurden;
  • eine Aufzählung sog. Diversitätsdimensionen, die einem Diversitätskonzept in Unternehmen zugrunde liegen können. Dazu gehören die in der CSR-RL bereits genannten Dimensionen Alter, Geschlecht, Bildung- und Berufshintergrund der Organmitglieder. Denkbar wäre eine Ergänzung dieser Kriterien z.B. um die Sprache und Herkunft bzw. Internationalität der Organmitglieder; und
  • die Verpflichtung zur Erläuterung für den Fall, dass das Unternehmen keine Diversitätsstrategie verfolgt („Comply or Explain“).

Der djb fordert die Einbeziehung der beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands.

Besonderer Wert wird auf die Offenlegung der Auswahl- und Rekrutierungsprozesse gelegt, da es dem unterrepräsentierten Geschlecht oftmals an Zugang zu Stellen fehlt, die noch häufig durch Netzwerke als durch transparente Ausschreibungen publik werden. Auch eine Kommunikation der Anforderungsprofile erleichtert die Bewerbung des unterrepräsentierten Geschlechts. Hinzukommen sollte eine Ofenlegung von Programmen zur flexibleren und familienfreundlicheren Arbeitszeitgestaltung in Aufsichtsrat und Vorstand, etwa durch die Zulassung sog. „Teilzeit-Aufsichtsräte“ oder die Aufteilung von Mandaten.
 

V. Fazit und Ausblick

Die Berichtspflichten mögen auf den ersten Blick als Belastung erscheinen.

Das französische Beispiel zeigt allerdings, dass weitgehende Berichtspflichten lohnen. Sie schaffen Transparenz und erhöhen den Wettbewerb. Der vom Vorstand/Aufsichtsrat jährlich zu verfassende Geschäftsbericht (rapport de gestion) wird von einem externen Auditeur genehmigt und geprüft. Er enthält weitgehende Informationen zur Situation von Frauen in den jeweiligen Unternehmen und ist jedem und jeder auf Anfrage zur Verfügung zu stellen.

In Frankreich hat eine Kombination von Berichtspflichten sowie Quotenregelungen mit Sanktionen dazu geführt, dass französische Unternehmen hinsichtlich der Geschlechtergleichstellung, ausweislich in den Leitungsebenen, führend sind.

Eine angemessene Umsetzung der CSR-Richtlinie unter Berücksichtigung der vom djb erarbeiteten Vorschläge ist deshalb eine wichtige und sinnvolle Ergänzung zu den bereits auf den Weg gebrachten Regelungen und wird die Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft weiter befördern.

 

Ramona Pisal       
Präsidentin

Sabine Overkämping
Vorsitzende der Kommission Europa- und Völkerrecht

 


[1] Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gewährleistung einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern unter den nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften und über damit zusammenhängende Maßnahmen; COM(2012)614 final, s. hierzu djb-Stellungnahme v. 19.5.2014 sowie die djb-Stellungnahme zum Kompromissvorschlag der italienischen Ratspräsident (Ratsdokument 16300/14) v. 17.9.2015. Zum Gesetzgebungsstand: Europäisches Parlament – Legislative Beobachtungsstelle OEIL und Datenbank der Europäischen Kommission EuR-Lex.

[2] Schmidt: BMFSFJ, Aktionärinnen fordern Gleichberechtigung – Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen, Berlin 2010, S. 60.

[3] s. Fn. 2

[4] gem. § 267 Abs. 3 HGB (Erfüllung zwei der folgenden drei Merkmale: (1) > 19 250 000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags, (2) > 38 500 000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag, (3) im Jahresdurchschnitt > 250 Arbeitnehmer.

[5] Schmidt, a.a.O., S. 62.

[6] Schmidt, a.a.O., S. 69f.

[7] Schmidt, a.a.O., S. 70; positive Beispiele für den Bericht über den Anteil von Frauen auf drei Führungsebenen im Lagebericht stellt VW dar, über zwei Ebenen die Telekom.

[8] Schmidt, a.a.O., S. 70.

[9] s. Erwägungsgründe 7 und 19.