Stellungnahme: 15-13


zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19. August 2015 – Drucksache 16/9520. Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen

Stellungnahme vom

Landtag Nordrhein-Westfalen
Postfach 1011 43

40002 Düsseldorf

 

Dortmund, 9. Oktober 2015

Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung vom 19. August 2015
Drucksache 16/9520. Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen

 

Sehr geehrte Landtagspräsidentin,

der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit einer Stellungnahme. Er beschränkt sich in der Stellungnahme entsprechend seinem Satzungszweck auf diejenigen Regelungen in dem Gesetzentwurf, von denen Frauen in besonderem Maße betroffen sind. Dies betrifft namentlich die Regelungen in Artikel 1 §§ 7 bis 14 des Gesetzentwurfs (im Folgenden: LRiG-E).

Der djb begrüßt, dass mit dem Gesetzentwurf das Dienstrecht der Richterinnen und Richter fortentwickelt werden soll und zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitere flexible Arbeitszeitmodelle – namentlich die Familienpflegeteilzeit sowie die Möglichkeit der unterhälftigen Teilzeit aus familiären Gründen – geschaffen werden sollen. Diese in der Vorbemerkung der Gesetzesbegründung bezeichnete Zielvorgabe ist allerdings nur unvollständig umgesetzt worden, da der § 6a LRiG ersetzende § 7 LRiG-E gerade keine unterhälftige Teilzeit ermöglicht. Auch wird nach wie vor daran festgehalten, dass Richterinnen und Richtern Teilzeit zur Kinderbetreuung oder zur Pflege eines nahen Angehörigen nur dann genehmigt wird, wenn sie der Versetzung an ein anderes Gericht im ganzen Land zustimmen. Beide Regelungen sind im Gesetzgebungsverfahren dringend zu korrigieren.

Im Einzelnen

Zu § 7 LRi-E (Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung aus familiären Gründen)

Nach Absatz 1 Nr. 1 der Vorschrift ist Richterinnen und Richtern auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte des regelmäßigen Dienstes zu bewilligen, wenn sie mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder eine oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftige sonstige Angehörige oder pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen.

Diese Regelung ermöglicht also nur eine Reduzierung der Arbeitszeit auf höchstens die Hälfte der regulären Arbeitszeit.

Demgegenüber führt der Gesetzentwurf in der Vorbemerkung aus:

Um das Dienstrecht der Richterinnen und Richter fortzuentwickeln, werden zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf weitere flexible Arbeitszeitmodelle – namentlich die Familienpflegeteilzeit sowie die Möglichkeit der unterhälftigen (Hervorhebung durch Verf.) Teilzeit während der Elternzeit – geschaffen.

Der djb hält es für dringend geboten, diese in der Vorbemerkung zu Recht als gebotene Schaffung weiterer flexibler Arbeitszeitmöglichkeiten hervorgehobenen Möglichkeiten auch tatsächlich zu verwirklichen.

Eine solche Umsetzung könnte in Anlehnung an die Regelung zur Familienpflegezeit in § 10 Abs. 3 Satz 3 LRiG-E geschehen, der lautet:

Der Dienst in der Pflegephase muss mindestens 30 Prozent des regelmäßigen Dienstes betragen.

Die Regelung in § 7 Abs. 1 LRiG-E sollte daher lauten:

(1) Richterinnen und Richtern ist auf Antrag

1. Teilzeitbeschäftigung, die mindestens 30 Prozent des regelmäßigen Dienstes betragen muss, oder

2. ein Urlaub ohne Dienstbezüge bis zur Dauer von drei Jahren mit der Möglichkeit der Verlängerung

zu bewilligen, wenn sie mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder eine oder einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftige sonstige Angehörige oder pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen.

Die Möglichkeit der unterhälftigen Teilzeitbeschäftigung und damit die Schaffung flexiblerer Arbeitszeiten als bisher ist ein weiteres Instrument, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu erhöhen. Gerade in der Anfangsphase der Erziehung von Kleinstkindern ist oft eine zeitaufwändigere Betreuung notwendig und deren Betreuung durch Dritte nicht immer ausreichend sichergestellt. Hier benötigen junge Eltern die Unterstützung ihres Arbeitgebers, hier also des Landes als Dienstherrn, in besonderem Maße. Umgekehrt sollte sich der öffentliche Dienst durch Verweigerung solcher Angebote nicht unnötig im Wettbewerb um die klügsten Köpfe schlechter stellen als die freie Wirtschaft. Nichts anderes gilt, wenn es um die Betreuung (nach ärztlichem Gutachten) pflegebedürftiger Angehöriger geht.

Absatz 3 der Regelung lautet:

Anträge nach Absatz 1 sind nur zu genehmigen, wenn die Richterin oder der Richter zu-gleich zustimmt, in den Fällen der Nummer 1 mit Beginn oder bei Änderung der Teilzeitbeschäftigung und beim Übergang zur Vollzeitbeschäftigung oder in den Fällen der Nummer 2 nach Rückkehr aus dem Urlaub auch in einem anderen Gericht desselben Gerichtszweiges verwendet zu werden.

Dieser Absatz ist zu streichen.

Danach soll die an sich bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend zu bewilligende Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung zur Betreuung oder Pflege eines minderjährigen Kindes oder einer oder eines pflegebedürftigen Angehörigen von der Zustimmung der Richterin bzw. des Richters abhängig gemacht werden, mit Beginn oder bei Änderung der Teilzeitbeschäftigung und beim Übergang zur Vollzeitbeschäftigung auch in einem anderen Gericht desselben Gerichtszweigs „verwendet“ zu werden.

Es stellt keine wesentliche Verbesserung gegenüber der derzeit geltenden Regelung in § 6a Abs. 3 LRiG dar, dass nach der vorgeschlagenen Neuregelung die Richterin oder der Richter „wenigstens“ ihr bzw. sein Richteramt behalten „darf“.

Diese Vorschrift hat keine Entsprechung im Landesbeamtenrecht. Dies beruht darauf, dass Richterinnen und Richter – sofern sie auf Lebenszeit ernannt sind – grundsätzlich nicht gegen ihren Willen versetzt werden können, während dies bei Beamtinnen und Beamten jederzeit möglich ist. Um eine solche Versetzbarkeit nach Beendigung oder Veränderung der Teilzeitbeschäftigung zu erreichen und somit dem Dienstherrn die Personalplanung auch bei Richterinnen und Richtern zu vereinfachen, machen die Landesrichtergesetze – mit Ausnahme Brandenburgs (vgl. § 4 des Richtergesetzes des Landes Brandenburg) – die Bewilligung der Teilzeit bei Richterinnen und Richtern zusätzlich von der Abgabe dieser Zustimmungserklärung zur Versetzbarkeit abhängig. Zwar gibt es von den meisten Landesjustizverwaltungen, und so auch in Nordrhein-Westfalen, regelmäßig bei Anfragen der Betroffenen die Auskunft, dass von diesem Instrument bislang noch nie Gebrauch gemacht worden ist. Gleichwohl schwebt diese Zustimmung wie ein Damoklesschwert über den Betroffenen, die sich überlegen müssen, ob sie es riskieren wollen, Teilzeit zu beantragen, da sie dann jederzeit bei einer Aufstockung oder einer Rückkehr zur Vollzeit neben einem betreuungsbedürftigen Kind oder Angehörigen sich möglicherweise noch mit langen Wegen vom Wohnort zum Dienstort konfrontiert sehen könnten.

Um es konkret zu machen: Eine Richterin am Amtsgericht Bonn, die ihr kleines Kind betreuen und deshalb in Teilzeit arbeiten möchte, darf dies nur, wenn sie vorher ihre Zustimmung gibt, bei einer (späteren) (Wieder-) Aufstockung der Arbeitszeit an jedwedes Gericht ihrer Gerichtsbarkeit, also etwa auch ggfls. zum von ihrem Wohnsitz und ihrer Familie entfernten Amtsgericht Dortmund, versetzt zu werden. Wie weit dann die Wege zwischen Wohnung und Dienstort sein könnten, und wie wenig familienfreundlich so ein Modell wäre, liegt auf der Hand und zeigt zugleich das hohe Abschreckungspotential, dass diese Zustimmungserklärung zur jederzeitigen Versetzbarkeit hat. Ob die Richterin nun am Amtsgericht in Bonn als Richterin am Amtsgericht ihr Richteramt nach der Rückkehr aus der Teilzeit behalten darf oder aber am Landgericht Bonn als Richterin am Landgericht eingesetzt wird, wird für sie demgegenüber nur von marginaler Bedeutung sein und stellt daher keine wesentliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Regelung dar.

Ein modernes Landesrichterrecht ohne diskriminierende Vorschriften darf eine solche in hohem Maße familien- und damit – mit Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse – frauenfeindliche Regelung nicht enthalten. Sicher gibt es inzwischen auch Richter, die Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung aus familiären Gründen beantragen. Es wird aber auch ohne Kenntnis der exakten statistischen Daten dazu hier kein Dissens darüber bestehen, dass es ganz überwiegend Richterinnen sind, die von dieser Vorschrift betroffen waren und auch in absehbarer Zukunft betroffen sein werden. Die Regelung leistet damit einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen Vorschub. Denn gerade die Richterinnen, die aus familiären Gründen eine Teilzeitbeschäftigung ausüben wollen, um Zeit für die häusliche Aufgabe zu gewinnen, sind grundsätzlich weder räumlich noch fachlich besonders flexibel. Sie sind in besonderem Maße auf kurze Wege und fachliche Kontinuität angewiesen, soll der Effekt der Arbeitsreduzierung oder Beurlaubung nicht durch erhöhte zeitliche oder fachliche Aufwendungen verpuffen, für den die Richterinnen schließlich auf einen erheblichen Teil ihrer Besoldung und damit dauerhaft ihrer Altersversorgung im Interesse Dritter verzichten.

Der Dienstherr wird zwar zumeist schon aus Gründen der geschuldeten Fürsorge daran gehindert sein, von der durch die Verknüpfung der Bewilligung mit der Zustimmung anderweitiger Verwendung abgenötigten Erklärung Gebrauch zu machen; möglicherweise könnte die Antragstellerin diese Erklärung auch schadlos und gerichtsfest widerrufen. Diese theoretischen Erörterungen sollen aber dahinstehen:

Richterinnen und Richter haben unter der Voraussetzung, dass sie für mindestens ein minderjähriges Kind oder eine/n pflegebedürftige/n Angehörige/n die Betreuung übernehmen, einen Anspruch auf Gewährung von Urlaub oder Teilzeit. Diese mit vielerlei Einbußen einhergehende Situation zusätzlich mit einer “Drohgebärde“ zu belasten und ggfls. auch tatsächlich mit den dort genannten Veränderungen gleichsam zu bestrafen, ist mit dem Auftrag der Verfassung (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG), die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken, auch und gerade im öffentlichen Dienst, nicht zu vereinbaren. Wenn die Landesjustizverwaltung – wie bisher – argumentieren sollte, sie werde von einer erteilten Zustimmung aus Fürsorgegründen nie Gebrauch machen, gibt es keinen Grund, diese Vorschrift beizubehalten, außer, dass man Richterinnen und Richter von der Beantragung von Teilzeit abhalten möchte.

Aus Gründen der Gleichberechtigung ist es unumgänglich, dass diskriminierende Vorschriften aus den Landesgesetzen entfernt werden. Ebenso wichtig ist es jedoch, dass auch von Seiten der Justizministerien immer wieder deutlich gemacht wird, dass die typischerweise Frauen zugeschriebenen Aufgaben der Familienarbeit wie die Pflege eines minderjährigen Kindes oder Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen als gemeinsame von Männern und Frauen und von der Gesellschaft mit zu tragende Aufgaben wahr- und angenommen werden. Die Tatsache, dass Frauen in einem bestimmten Alter schwanger werden und Kinder zur Welt bringen, darf dabei nicht als Problem, sondern muss als positiver Zustand dargestellt werden, den eine mit den demografischen Problemen kämpfende Gesellschaft wie die unsrige mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. Die damit verbundenen Besetzungsprobleme sind hinzunehmen, vom öffentlichen Dienst ebenso wie von der Privatwirtschaft.

 

Zu § 10 LRiG-E (Familienpflegezeit)

Wie bereits eingangs ausgeführt, ist die Schaffung einer Familienpflegezeit mit den dort angebotenen flexiblen Arbeitszeitmodellen sehr zu begrüßen.

 

Zu §§ 11 und 12 LRiG-E

Auch die Einführung einer Informationspflicht bei Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung in der neu geschaffen Regelung des § 11 LRiG-E, nach der bei einem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung oder einer langfristigen Beurlaubung die Richterinnen und Richter auf die Folgen, insbesondere für Ansprüche auf Grund dienstrechtlicher Regelungen hinzuweisen sind, ist sehr zu begrüßen.

Gleiches gilt für die ausdrückliche Regelung eines Benachteiligungsverbots in § 12 LRiG-E. Auch diese Regelung ist zu begrüßen. Hiermit wird klargestellt, dass Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung nach den §§ 7, 9 oder 10 das berufliche Fortkommen nicht beeinträchtigen dürfen und eine unterschiedliche Behandlung von Richterinnen und Richtern mit Teilzeitbeschäftigung gegenüber Richterinnen und Richtern mit Vollzeitbeschäftigung nur zulässig ist, wenn zwingende sachliche Gründe sie rechtfertigen. Die Regelung bleibt allerdings ein bloßes Versprechen, wenn in der Regelung zur dienstlichen Beurteilung in § 14 LRiG-E nicht ausdrücklich eine Nachzeichnungspflicht aufgenommen wird (dazu sogleich). Denn allein die dienstliche Beurteilung entscheidet, ob jemand befördert wird oder nicht.

 

Zu § 13 LRiG-E (Fortbildung)

Nach dieser Vorschrift sind Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte verpflichtet, sich fortzubilden. Die dienstliche Fortbildung ist vom Dienstherrn durch geeignete Maßnahmen zu fördern.

Diese Vorschrift statuiert eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Sie verschweigt, dass ein wesentliches Problem für Richterinnen und Richter in der Praxis angesichts leerer öffentlicher Kassen die Finanzierung der Fortbildungsmaßnahmen ist. Es wird daher angeregt, über eine bloße formale Verpflichtung der Richterinnen und Richter zur Fortbildung, die Vorschrift als Anspruch auf mindestens eine vom Dienstherrn zu finanzierende Fortbildung im Jahr auszugestalten. Sonst wird die Vorschrift in der Praxis leerlaufen und könnte daher gleich gestrichen werden.

In der Einzelbegründung zu dieser Vorschrift heißt es u.a.:

Die Teilnahme an einzelnen Fortbildungsveranstaltungen ist jedoch weiterhin freiwillig. Ein Zwang zur Teilnahme an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen liefe Gefahr, mit dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit in Widerspruch zu geraten. Die gesetzlich normierte Fortbildungspflicht (Satz 1) verpflichtet zugleich die Landesjustizverwaltung, in einem angemessenen Umfang Fortbildungen anzubieten (Satz 2). Die Fortbildungspflicht begründet allerdings keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch der Richterinnen und Richter oder der Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auf Ausrichtung oder Teilnahme an einer konkreten Fortbildungsveranstaltung.

Aus Sicht des djb ist ein solcher Anspruch auf Fortbildungsmaßnahmen auch auf Zeiten der Beurlaubung aus familiären Gründen (§ 7 LRiG-E) oder während der Familienpflegezeit (§ 10 LRiG-E) zu erstrecken. Denn angesichts der Schnelllebigkeit mancher Gesetze und Rechtsgebiete würde Richterinnen und Richtern damit der Wiedereinstieg in den Beruf wesentlich erleichtert werden. Nur so kann das Ziel der Regelung (vgl. Einzelbegründung zur Vorschrift), die Qualität der Justiz zu sichern, erreicht werden. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Fortbildung von besonderer Bedeutung zur Sicherung der Qualität richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Aufgabenwahrnehmung ist. Das gilt aber gleichermaßen für Richterinnen und Richter, die aus familiären Gründen beurlaubt sind.

 

Zu § 14 LRiG-E (Beurteilung)

Frauen kommen bei der Beförderung in Führungspositionen des Öffentlichen Dienstes auch in der Justiz nach wie vor deutlich weniger zum Zuge, als es ihrem Anteil an den Beschäftigten entspricht. Das liegt, so zeigen es verschiedene Untersuchungen, auch daran, dass Frauen und allen voran Teilzeitbeschäftigte bei der Beurteilung immer noch benachteiligt werden. Die Einzelbegründung zu § 14 LRiG-E hebt insofern zutreffend hervor, dass Beurteilungen die wesentliche Grundlage für Personalentscheidungen bilden.

Der djb hat daher in seiner Stellungnahme zu dienstlichen Beurteilungen (Stellungnahme zur Geschlechtergerechtigkeit bei dienstlichen Beurteilungen von Beamtinnen und Tarifbeschäftigten vom 22.04.2015) die Personalverantwortlichen im Öffentlichen Dienst aufgefordert, endlich für faire Beurteilungen von Frauen zu sorgen und insbesondere die in Forschung und Praxis dafür entwickelten Instrumente anzuwenden. Insbesondere hat der djb gefordert, einen Anspruch auf fiktive Nachzeichnung bzw. Fortschreibung in allen Bereichen normativ zu verankern. Dieser Anspruch sollte nicht erst dann bestehen, wenn es zu einer Auswahlentscheidung kommt, sondern jeweils bei Beendigung einer mindestens ein Jahr dauernden Ausfallzeit. Nur so ist eine Berücksichtigung der nachgezeichneten Leistung(ssteigerung) bei der nächsten Regel- bzw. Anlassbeurteilung möglich; nur so können Frauen mit Ausfallzeiten gleichermaßen an dem faktischen Trend des kontinuierlichen Ansteigens von Beurteilungsnoten teilhaben. Nur so läuft das in der Regelung des § 12 LRiG-E ausdrücklich statuierte Benachteiligungsverbot nicht leer. (Wegen der Einzelheiten zur Begründung wird auf die Stellungnahme verwiesen.)

Denn alle Erfahrung zeigt: Je häufiger man beurteilt wird, desto eher wird eine Spitzennote erreicht. Von dem faktischen Trend des kontinuierlichen Ansteigens von Beurteilungsnoten können Frauen mit unterbrochener Erwerbsbiographie nicht in gleichem Maße profitieren. Durch eine Nachzeichnung im Sinne einer fiktiven Fortschreibung tatsächlich nicht erbrachter beruflicher Leistungen kann dem Gesichtspunkt zu erwartender Leistungssteigerungen in dem betreffenden Zeitraum Rechnung getragen werden. § 33 der BLV ordnet eine solche fiktive Fortschreibung u.a. bei Elternzeit mit vollständiger Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit an. Allerdings muss es die Dauer der nicht beurteilten Zeiten noch erlauben, dass für eine Nachzeichnung eine noch hinreichende tatsächliche Grundlage gegeben ist, was allerdings bei den heute üblichen Elternzeiten unproblematisch sein dürfte.

Die damit vom djb geforderte Regelung enthält bereits § 13 der Laufbahnverordnung für den Bereich der Beamtinnen und Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen. In der Einzelbegründung zu § 14 LRiG-E heißt es zur Nachzeichnung von dienstlichen Beurteilungen:

Im Übrigen finden gemäß § 2 Absatz 2 die Vorschriften über die Beurteilungen der Landesbeamtinnen und Landesbeamten ergänzend Anwendung, soweit die Vorschriften ihrem Zweck nach (wie z.B. die Regelungen in § 13 der Laufbahnverordnung zur Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen) entsprechend auf Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte anwendbar sind.

Ob dies ausreichend ist und sich insbesondere in der forensischen Praxis als tragfähig erweisen wird, erscheint fraglich. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit § 93 Abs. 2 Satz 1 LBG, der eine ausdrückliche Ermächtigung der Landesregierung enthält, Regelungen über die fiktive Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen von Beamtinnen und Beamten zu treffen. Aufgrund der umfangreichen Regelungen zur dienstlichen Beurteilung von Richterinnen und Richtern in § 14 LRiG-E und dem gleichzeitigen Fehlen einer § 93 Abs. 2 Satz 1 LBG ähnlichen Regelung in § 14 LRiG-E könnte der Schluss gezogen werden, dass trotz des Generalverweises in § 2 Abs. 2 LRiG-E auf die ergänzende Anwendung der Vorschriften für Beamtinnen und Beamten eine solche fiktive Fortschreibung dienstlicher Beurteilungen bei Richterinnen und Richtern unzulässig ist.

Es wird daher empfohlen, in § 14 Abs. 5 LRiG-E einen klarstellenden Satz 2 entsprechend der Gesetzesbegründung anzufügen. Dieser könnte lauten:

Die Regelungen zur Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen bei Beamtinnen und Beamten in § 13 der Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Nordrhein-Westfalen (Laufbahnverordnung – LVO) vom 28. Januar 2014 (GV NRW 2014, 22, 203) gelten entsprechend.

Die damit in Bezug genommenen Regelungen in der Laufbahnverordnung lauten:

§ 13

Nachzeichnung dienstlicher Beurteilungen

(1) Liegt keine aktuelle dienstliche Beurteilung vor, ist ausgehend von der letzten dienstlichen Beurteilung einer Beamtin oder eines Beamten unter Berücksichtigung des seinerzeit angelegten Maßstabs und der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamtinnen und Beamter diese in den nachfolgenden Fällen fiktiv fortzuschreiben (Nachzeichnung):

1.  bei Beurlaubungen zur Ausübung einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit bei Fraktionen des Europäischen Parlaments, des Deutschen Bundestages oder der Landtage,

2.  bei Beurlaubungen nach § 34 der Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW zur Ausübung einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit insbesondere bei einer Behörde, öffentlichen Einrichtung oder bei einer europäischen oder internationalen Institution, wenn spätestens zu Beginn des Urlaubs schriftlich zugestanden worden ist, dass diese Tätigkeit öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient,

3.  bei Elternzeit und Beurlaubung aus familiären Gründen und

4.  bei Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat oder als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen.

(2) Bei teilweise freigestellten oder teilweise beurlaubten oder in Elternzeit teilzeitbeschäftigten Beamtinnen und Beamten nach Absatz 1 Nummer 1 bis 4 ist die letzte dienstliche Beurteilung gemäß Absatz 1 nur dann fortzuschreiben, wenn die dienstliche Tätigkeit im Durchschnitt des gesamten Beurteilungszeitraumes weniger als 20 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit beträgt. Bei der Fortschreibung ist die tatsächlich geleistete Tätigkeit zu berücksichtigen.

(3) Die fiktive Fortschreibung ist in der Regel auf zwei Beurteilungszeiträume nach § 93 Absatz 1 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes zu beschränken und erfolgt unter Betrachtung des letzten Beurteilungszeitraumes. Bei der fiktiven Fortschreibung können außerdienstliche Arbeitsleistungen, insbesondere, wenn diese beurteilt wurden, herangezogen werden.

(4) Sofern die Übertragung eines höherwertigen Amtes von einer Erprobung oder Probezeit abhängig ist, soll den beurlaubten oder freigestellten Beamtinnen und Beamten, sofern die erfolgreiche Erprobung oder eine erfolgreiche Probezeit nicht nachgezeichnet werden kann, die Möglichkeit einer Erprobung oder Ableistung der Probezeit eröffnet werden. Auf die Erprobung oder Ableistung der Probezeit kann im Einzelfall verzichtet werden, wenn die Anforderungen der in der Beurlaubung oder Freistellung ausgeübten Tätigkeit mit denen des Beförderungsamtes vergleichbar sind und die Zeitdauer der Ausübung mit der Erprobungszeit oder Probezeit übereinstimmt. Der Dienstherr hat in diesem Fall - in der Regel auf der Grundlage eines qualifizierten Zeugnisses - festzustellen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind und die Beamtin oder der Beamte sich auch unter Zugrundelegung der während der Beurlaubung oder Freistellung ausgeübten Tätigkeiten mit Blick auf das zu übertragende Beförderungsamt bewährt hat. Darüber hinaus ist die Prognose hinsichtlich der Eignung der Beamtin oder des Beamten für das Beförderungsamt auf sämtliche Erkenntnisse zu stützen, die auch für dienstliche Beurteilungen verwertet werden, insbesondere sind auch die dienstlichen Anforderungen und Leistungen bis zum Beginn der Beurlaubung oder Freistellung einzubeziehen.

 

Henriette Lyndian

Vorsitzende djb-Landesverband
Nordrhein-Westfalen