Stellungnahme: 10-07


zum 9. Gesetz zur Änderung des Landesgleichstellungsgesetzes - Entwurf der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technik und Frauen IV A/ IV A 11

Stellungnahme vom

Vorbemerkung

Leider ist die Nichtberücksichtigung von § 28 Berliner Betriebe Gesetz in Verbindung mit § 5 Landesgleichstellungsgesetz (LGG) rechtswidrige Praxis. Exemplarisch sei auf die rechtswidrige Stellenbesetzung der Vorstandsposition bei der BVG ohne jegliche vorherige Ausschreibung verwiesen. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Juristinnenbund (djb) jede gesetzgeberische Initiative, die das Ziel tatsächlicher Gleichbehandlung von Frauen und Männern verfolgt.

Zum vorliegenden Gesetzentwurf der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technik und Frauen ist im Einzelnen folgendes anzumerken:

1.

Entgegen der in der Präambel erklärten Absicht, die Gleichstellung durch den Reformvorschlag fördern zu wollen, wird in § 1 der Geltungsbereich des LGG eingeschränkt. Denn nach dem geltenden LGG gilt das Gesetz für die Berliner Verwaltung und zahlreiche genannte Einrichtungen, hingegen soll nach dem Reformvorschlag das LGG nur noch gelten, „soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist“. Eine solche Einschränkung ist abzulehnen.

2.

§ 2 Abs. 2 LGG soll wie folgt neu gefasst werden: „Frauen und Männer dürfen wegen ihres Geschlechts oder ihres Familienstandes nicht benachteiligt werden.“ Die Formulierung bleibt jedoch hinter dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 2 GG und von Art. 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union deutlich zurück. Auch wenn dies im Ergebnis keinen Unterschied macht, weil das höherrangige EU- und Verfassungsrecht bei der Auslegung des LGG zu berücksichtigen ist, setzt die geplante Formulierung doch viel zu schwache und damit falsche Signale.

3.

Der Reformvorschlag in § 3 Absatz 1 und 2 und der neu formulierte Absatz 4 nimmt nur Bezug auf § 1 Absatz 1 LGG, während nach dem geltenden LGG auf § 1 LGG insgesamt Bezug genommen wird. Dadurch besteht die Verpflichtung zur Gleichstellung nur für die Berliner Verwaltung und die im Absatz 1 genannten Einrichtungen, nicht aber für Bereiche der Mehrheitsbeteiligungen des Landes Berlin und auch nicht auf die juristischen Personen des Privatrechts, in denen das Land Berlin Gesellschafterin ist. Dieselbe Einschränkung ist in § 4 Frauenförderplan vorgesehen, auch hier wird eine Einschränkung auf § 1 Absatz 1 vorgeschlagen.

Dies stellt eine Verschlechterung dar, die nicht akzeptiert werden kann.

4.

In § 4 LGG soll ein neuer Absatz 8 eingefügt werden, wonach die Festlegungen im Frauenförderplan Bestandteil der Personalentwicklungsplanung sein sollen. Da die Erstellung von Frauenförderplänen freiwillig erfolgt, geht der neue Absatz 8 nicht weit genug. Der djb regt an, die Erstellung von Frauenförderplänen in landeseigenen Betrieben in den Pflichtenkatalog für Personalabteilungen und Personalräte aufzunehmen.

5.

Ein neu einzufügender Absatz 3 des § 5 LGG soll die Verpflichtung festschreiben, zu besetzende Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen der Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts öffentlich bekannt zu machen, sofern eine Unterrepräsentanz von Frauen besteht. Der Begriff der öffentlichen Bekanntmachung ist neu. Der ebenfalls neu einzufügende Absatz 4 bestimmt insoweit, dass eine öffentliche Bekanntmachung im Sinne von Absatz 3 über regionale Tages- oder Wochenpresse oder in anderen geeigneten Publikationen wie Fachzeitschriften oder im Internet erfolgen könne. Demgegenüber bestimmt § 5 Absatz 1 LGG, dass alle Stellen intern auszuschreiben sind, in Bereichen oberhalb der Besoldungsgruppe A 9 bzw. der entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, sind Stellen öffentlich auszuschreiben.

In der Gesetzesbegründung wird zum neuen § 5 Abs. 3 LGG ausgeführt: „Die Formulierung „öffentliche Bekanntmachung“ soll verdeutlichen, dass es sich hierbei nicht um eine öffentliche Ausschreibung im Sinne des öffentlichen Dienstrechts handelt. Diese Art der (unverbindlichen) „Ausschreibung“ führt ggf. nicht zu einem Schadensersatzanspruch.“ Dieses Anliegen ist für den djb nicht akzeptabel, zeigt es doch, dass Gleichstellung von Frauen und Männern bei Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen nicht ernsthaft gewollt ist. Im Übrigen ist die Auffassung auch falsch. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH folgt aus dem Grundsatz der Effektivität des Gemeinschaftsrechts, dass dann, wenn einer Bewerberin bei der Stellenbesetzung ein Schaden entsteht, dieser auch zu ersetzen ist. Auf die Frage, ob zuvor eine Ausschreibung oder lediglich eine Bekanntmachung erfolgt ist, kommt es aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts nicht an.

Der djb fordert daher, § 5 Abs. 1 LGG um folgenden Satz 2 zu ergänzen:

„Die Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung gilt insbesondere für alle Geschäftsleitungs- und Vorstandspositionen.“

6.

Die Neufassung des § 5 Abs. 5 ist abzulehnen. Danach soll die Stellenausschreibung und öffentliche Bekanntmachung nur dann die männliche und die weibliche Sprachform verwenden, wenn ein bestimmtes Geschlecht nicht unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist. Durch diese Formulierung ist eine Verletzung der stellenneutralen Ausschreibungspflicht im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gegeben. Es gilt daher den Grundsatz festzuschreiben, dass bei allen Stellenausschreibungen sowohl die männliche als auch die weibliche Sprachform zu verwenden ist. Ließe sich eine sachliche Rechtfertigung für die Ausschreibung eines Geschlechts im Sinne eines vorliegenden Rechtfertigungsgrundes gemäß § 8 AGG begründen, ist in der Stellenausschreibung auf das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für die Stellenbesetzung hinzuweisen.

Im Übrigen birgt diese gesetzliche Regelung für die ausschreibende Stelle erhebliche Risiken. Denn sollte sie sich bei der Einschätzung, ob ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung ist, irren, wäre mit der fehlerhaften Ausschreibung bereits ein Indiz für eine Diskriminierung gegeben mit der Folge, dass der öffentliche Arbeitgeber dann beweisen müsste, dass er nicht diskriminiert hat.

7.

Abzulehnen ist die geplante Einfügung von § 5 Abs. 6 LGG. Danach soll die Wiederbesetzung von Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen aus der ohnehin schon abgemilderten Bekanntmachungspflicht herausgenommen werden. Dasselbe soll für „herausragende künstlerische Positionen oder Arbeitsbereiche im Leitungsbereich der Einrichtungen, die ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis erfordern“ gelten. Diese Ausnahmen von der Ausschreibungs- bzw. Bekanntmachungspflicht sind nicht akzeptabel. Weder das EU-rechtliche noch das verfassungsrechtliche Gleichstellungsgebot sehen solche Ausnahmen vor.

Der neue Absatz 6 sollte daher nach Auffassung des djb gestrichen werden.

Schließlich ist auch im Falle einer öffentlichen Ausschreibung die Möglichkeit unbenommen, die Wiederbesetzung der Stelle mit dem(der) Stelleninhaber(in) nach Vergleich der eingereichten Bewerbungsunterlagen mit dem gegebenen Erfahrungsvorsprung zu begründen.

8.

Auch die Neueinfügung des § 5 Abs. 7 LGG ist nicht verständlich. Denn danach sollen Ausschreibungspflichten und Ausnahmen aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften von den Regelungen unberührt bleiben. Dies ist in sich schon deshalb ein Widerspruch, da alle beamtenrechtlichen Vorschriften auf der Verfassung beruhen und den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz umsetzen. Im Übrigen gilt das AGG gem. § 24 AGG auch im Bereich des Beamtenrechts. Infolgedessen kann es keinen Anwendungsbereich für solche Ausnahmeregelungen, wie sie in Absatz 7 angedacht sind, geben.

9.

Die Senatsverwaltung beabsichtigt in § 6 LGG eine Verpflichtung festzuschreiben, wonach die gleiche Anzahl von Frauen und Männern zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind. Gleiches soll für Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen gelten. Sodann soll die Berücksichtigung von Frauen im Auswahlverfahren in geeigneter Form dokumentiert werden. Indes ist genau der umgekehrte Fall dokumentationspflichtig. Die Nichtberücksichtigung von Frauen im Auswahlverfahren ist in geeigneter Form zu dokumentieren. Ferner sollen nach dem Wortlaut des Reformvorschlages die an der Personalfindung Beteiligten rechtzeitig über die Berücksichtigung von Frauen informiert werden. Diese Bestimmung ist jedoch nicht weitgehend genug.

Der djb fordert, den Gleichstellungsbeauftragten bzw. Frauenvertreter(inne)n im Fall der Nichtberücksichtigung von Frauen im Auswahlverfahren ein Widerspruchsrecht mit aufschiebender Wirkung einzuräumen.

10.

Der djb hält den neu formulierten § 7 Abs. 1 LGG für eine Selbstverständlichkeit, nämlich dass der Zugang zu Ausbildungsplätzen diskriminierungsfrei gestaltet sein muss.

11.

Der djb begrüßt ausdrücklich die gesetzgeberische Absicht, auch im Rahmen der Beförderung verstärkt auf eine tatsächliche Gleichstellung von Frauen hinwirken zu wollen. Zu begrüßen ist daher auch, dass der neu in § 8 LGG einzufügende Absatz 5 ausweislich der Gesetzesbegründung klarstellt, dass die in § 8 Abs. 1 LGG geregelte Entscheidungsquote auch für Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen der Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt. Insgesamt empfiehlt sich jedoch eine klarstellende Regelung in den Schlussbestimmungen des LGG, wonach sämtliche Bestimmungen des LGG auch im Bereich von Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen gelten.

12.

Der djb begrüßt ferner, dass § 10 Abs. 4 S. 2 LGG künftig klarstellen soll, dass unbefristet tätige Teilzeitbeschäftigte bei der Neubesetzung von Vollzeitarbeitsplätzen vorrangig zu berücksichtigen sind. Dies entspricht ohnehin der gültigen Rechtslage nach § 9 TzBfG, wonach Teilzeitbeschäftigte bevorzugt zu berücksichtigen sind, soweit nicht dringende betriebliche Gründe oder Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter entgegenstehen.

13.

Die Formulierung in § 12 Abs. 1 S. 1 LGG, wonach sexuelle Belästigungen Diskriminierungen sind, wiederholt, was nach §§ 3 Abs. 4, 24 AGG und den einschlägigen EU-Richtlinien ohnehin gilt. Entsprechendes gilt für den neuen Absatz 3. Dieser stellt fest: Sexuelle Belästigung sind Dienstpflichtverletzungen.“ Diese Klarstellung ist zu begrüßen.

14.

Der djb begrüßt ferner die Absicht der Senatsverwaltung, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Frauenförderung künftig noch stärker berücksichtigen zu wollen. Eine Verankerung im Berliner Vergabegesetz wäre rechtsdogmatisch zwar zu bevorzugen. Es wird daher ausdrücklich angeregt, eine entsprechende Regelung in das Berliner Vergaberecht aufzunehmen. Diese Forderung hat der djb ohnehin im Anhörungsverfahren zur Änderung des Berliner Vergaberechts erhoben. Da dieses Verfahren jedoch nach wie vor aus verschiedensten Gründen nicht abgeschlossen werden konnte, wäre eine Verankerung in § 13 Abs. 1 LGG als zweitbeste Lösung durchaus zu begrüßen.

15.

In § 17 Abs. 4 des Reformvorschlages soll die Frauenvertreterin an der Besetzung von Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen mitwirken, indem sie ihre Position mündlich vortragen kann. Hierzu sind alle wesentlichen Informationen rechtzeitig in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Diese Formulierung geht indes nicht weit genug. Denn § 17 Abs. 4 LGG sieht für die Frauenvertreterin kein Widerspruchsrecht vor. Der djb fordert unumwunden die Einführung eines Widerspruchsrechtes mit aufschiebender Wirkung gerade im Stellenbesetzungsvorgang bei Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen zugunsten der Frauenvertretungen.

16.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Reformvorschlag der Senatsverwaltung unter keinem Gesichtspunkt der EU- und verfassungsrechtlich vorgegebenen Zielsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ausreichend ist. Tatsächlich bleibt der Reformvorschlag hinsichtlich der Besetzung von Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen sogar hinter dem geltenden Recht in Form des LGG zurück. Mit anderen Worten: Der Senatsentwurf brächte keine gleichstellungsrechtliche Verbesserung, sondern eine Verschlechterung. Hierzu darf es nicht kommen. Dies ist auch erklärtes Ziel der Senatsverwaltung in der Präambel des Gesetzes. Infolgedessen erscheint es dringend geboten, den Reformvorschlag auf der Basis aller vorgenannten Anmerkungen zu überarbeiten und insbesondere ausdrücklich klarzustellen, dass die öffentliche Ausschreibungspflicht bei höheren Positionen auch für die Besetzung von Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen gilt. Auch erscheint die Einführung eines Widerspruchsrechts mit Suspensiveffekt zu Gunsten der Frauenvertretung dringend geboten.

Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
Vorsitzende des Landesverbands Berlin im djb

Prof. Dr. Marlene Schmidt
Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Wirtschafts- und Gleichstellungsrecht

Jutta Wagner
Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes