Stellungnahme: 10-01


zu den Gesetzentwürfen neues Richtergesetz (RiG-E) und Änderung der Landesverfassung des Landes Brandenburg

Stellungnahme vom

Im Namen des Deutschen Juristinnenbunds (djb) bedanke ich mich für die Einladung und die Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen neues Richtergesetz (RiG-E) und Änderung der Landesverfassung. Zum RiG-E ist aus Sicht des djb im Einzelnen Folgendes anzumerken:

1.

Gemäß § 1 Abs. 2 des alten wie neuen Richtergesetzes gelten alle dort verwendeten Personenbezeichnungen für Frauen und Männer.

Damit verstößt der Gesetzentwurf gegen § 13 des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG.) Dort heißt es unter der Überschrift „Sprache“:

(1) Gesetze und andere Rechtsvorschriften haben sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung zu tragen.

(2) Im dienstlichen Schriftverkehr ist bei der Formulierung besonders auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu achten.

(3) In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, ist die weibliche und männliche Sprachform zu verwenden.

Gegen dieses Gebot verstößt der Gesetzentwurf im gesamten Text. Das beginnt schon in der Übersicht, die die Richterinnen, ehrenamtlichen Richterinnen, Vorsitzenden und richterlichen Beisitzerinnen sprachlich unterschlägt, und setzt sich in beinahe jedem einzelnen Paragrafen fort: Der Gesetzentwurf kennt nur Berufsrichter, ehrenamtliche Richter, Staatsanwälte, Beamte, Bewerber, Minister, Senatoren, Präsidenten, Stellvertreter, Rechtsanwälte, Vertreter.

Die sprachliche Fassung von Gesetzen entsprechend § 13 Abs. 1 LGG ist nicht in das Belieben des Gesetzgebers gestellt. Die Regelung ist eindeutig: „Gesetze und andere Vorschriften haben ...“

Diesem eindeutigen Gebot wird durch die salvatorische Klausel des § 1 Abs. 2 RiG-E gerade nicht Rechnung getragen. Sie macht nur deutlich, dass der gesetzgeberische Auftrag missachtet und nach wie vor nur die männliche Sprachform Verwendung finden soll. Abgesehen von dem klaren gesetzgeberischen Auftrag ist dies auch angesichts des hohen, jedenfalls in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gut hälftigen Anteils von Frauen nicht länger hinnehmbar und im Rahmen einer ohnehin geplanten Gesetzesreform als längst überfällig gesetzeskonform zu verändern. Jedenfalls das Ministerium der Justiz darf geltendem Recht die Gefolgschaft nicht verweigern, sondern ist im Gegenteil gehalten, an erster Stelle für dessen Einhaltung, Umsetzung und Durchsetzung Sorge zu tragen.

2.

Inhaltlich bietet vor allem § 4 Abs. 3 des RiG-E Veranlassung zur kritischen Stellungnahme. Hiernach soll – entsprechend zur Zeit geltendem Recht, § 5 Abs. 3 RiG – die an sich bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend zu bewilligende Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung zur Betreuung oder Pflege eines minderjährigen Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen von der Zustimmung der Richterin/des Richters abhängig gemacht werden, mit Beginn oder bei Änderung der Teilzeitbeschäftigung und beim Übergang zur Vollzeitbeschäftigung auch in einem anderen Gericht desselben Gerichtszweigs bzw. in einem anderen Richteramt desselben Gerichtszweigs „verwendet“ zu werden.

Insoweit kann ich mich zunächst vollinhaltlich auf die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes (DRB) vom 18. Februar 2009 beziehen, dort Seite 3 unter 2. Zu Recht weist bereits der DRB darauf hin, dass im Zuge der Modernisierung des Gesetzes diese in hohem Maße familien- und damit – im Blick auf die tatsächlichen Verhältnisse – frauenfeindliche Regelung fallengelassen werden muss. Sicher gibt es inzwischen auch Richter, die Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung aus familiären Gründen beantragen. Es wird aber auch ohne Kenntnis der exakten statistischen Daten dazu hier kein Dissens darüber bestehen, dass es ganz überwiegend Richterinnen sind, die von dieser Vorschrift betroffen waren und auch in absehbarer Zukunft betroffen sein werden. Die Regelung leistet damit einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen Vorschub, denn gerade die Richterinnen, die aus familiären Gründen eine Teilzeitbeschäftigung ausüben wollen, um Zeit für die häusliche Aufgabe zu gewinnen, sind grundsätzlich weder räumlich noch fachlich besonders flexibel. Sie sind in besonderem Maße auf kurze Wege und fachliche Kontinuität angewiesen, soll der Effekt der Arbeitsreduzierung oder Beurlaubung nicht durch erhöhte zeitliche oder fachliche Aufwendungen verpuffen, für den die Richterinnen schließlich auf einen erheblichen Teil ihrer Besoldung und damit dauerhaft ihrer Altersversorgung im Interesse Dritter verzichten.

Wie der DRB bereits ausgeführt hat, wird der Dienstherr schon aus Gründen der geschuldeten Fürsorge daran gehindert sein, von der durch die Verknüpfung der Bewilligung mit der Zustimmung anderweitiger Verwendung abgenötigten Erklärung Gebrauch zu machen; möglicherweise könnte die Antragstellerin diese Erklärung auch schadlos und gerichtsfest widerrufen. Diese theoretischen Erörterungen sollen aber dahinstehen:

Richterinnen und Richter haben unter der Voraussetzung, dass sie für mindestens ein minderjähriges Kind oder eine/n pflegebedürftige/n Angehörige/n die Betreuung übernehmen, einen Anspruch auf Gewährung von Urlaub oder Teilzeit. Diese mit vielerlei Einbußen einhergehende Situation zusätzlich mit einer – wie der DRB sagt – „Drohgebärde“ zu belasten und ggfls. auch tatsächlich mit den dort genannten Veränderungen gleichsam zu bestrafen, ist mit dem von Verfassungs wegen und durch § 1 LGG einfachgesetzlich ausformuliertem Auftrag, die tatsächliche Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen durchzusetzen, auch und gerade im öffentlichen Dienst, nicht zu vereinbaren.

Inhaltlich ist weiter anzumerken, dass der Gesetzentwurf hinsichtlich aller Gremien im weitesten Sinne – Vorschlagslisten, Richterwahlausschuss, Richterräte, Präsidialräte, Gesamtrichterräte, Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltschaftsrat, Vertretung ehrenamtlicher Richterinnen, Dienstgericht, Dienstgerichtshof usw. - § 12 des LGG schlicht ignoriert, der besagt:

§ 12 Gremien

(1) In allen Beratungs- und Entscheidungsgremien im Bereich der unmittelbaren und mittelbaren Landesverwaltung sollen mindestens die Hälfte der Mitglieder Frauen sein. Gremien im Sinne von Satz 1 sind insbesondere Beiräte, Kommissionen, Ausschüsse, Verwaltungs- und Aufsichtsräte sowie sonstige Kollegialorgane und vergleichbare Mitwirkungsgremien unabhängig von ihrer Bezeichnung und davon, ob die Mitglieder gewählt werden. Mitglieder kraft Amtes sind von dieser Regelung ausgenommen.

(2) Bei der Bestellung, Berufung oder Ernennung von Gremienmitgliedern im Bereich der unmittelbaren oder mittelbaren Landesverwaltung sollen die Vorschläge oder Vorschlagsrechte der entsendenden Organe, Behörden, Dienststellen oder sonstigen Einrichtungen des Landes so ausgestaltet werden, dass zur Hälfte Frauen vorzuschlagen oder zu benennen sind oder mindestens in jeder zweiten Amtsperiode eine Frau vorzuschlagen oder zu benennen ist.

(3) Absatz 2 gilt entsprechend für die Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern in Gremien außerhalb der Landesverwaltung durch Organe, Behörden, Dienststellen oder sonstige Einrichtungen des Landes.

Insgesamt verstärkt der Entwurf den Eindruck, den ein Blick auf die Justiz im Land außerhalb der Besoldungsgruppe R1 von Anbeginn, d.h. seit nunmehr gut 15 Jahren vermittelt: Die Frauen sind als Arbeitskräfte in der ersten Reihe zwar zahlreich vertreten, wahrgenommen und entsprechend gefördert werden sie darum aber noch lange nicht; es wird ihnen im Gegenteil oftmals besonders schwergemacht, wie § 5 Abs. 3 des RiG beispielhaft zeigt, der mit § 4 Abs. 3 RiG-E fortgeschrieben werden soll.

§ 1 LGG besagt:

§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel dieses Gesetzes ist es, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst zu erreichen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu fördern sowie die berufliche Situation von Frauen auch in der Privatwirtschaft zu verbessern.

Die Ziele und Instrumente des LGG werden weitgehend ignoriert, wie auch der vorgelegte Entwurf zeigt. Vornehmste Pflicht eines Justizministeriums sollte es aber sein, die bestehenden Gesetze anzuwenden und bei der Fortentwicklung des Rechts auf die Umsetzung gesetzlicher Aufträge hinzuwirken. Beides lässt der vorgelegte Entwurf bislang vermissen, der auch aus diesem Grunde dringend der Überarbeitung bedarf.

Ramona Pisal
Vorsitzende
Landesverband Brandenburg