Stellungnahme: 09-06


zur geschlechterparitätischen Besetzung der Vorstände und Führungsebenen von Unternehmen mit Beteiligung des Landes Berlin

Stellungnahme vom

für das Abgeordnetenhaus von Berlin
42. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft, Technologie und Frauen
am 30. März 2009

zu der auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mitgeteilten Aufforderung des Senats, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um in den Vorständen und auf den Führungsebenen von Unternehmen mit Beteiligung des Landes den Anteil der Frauen so zu erhöhen, dass diese geschlechterparitätisch besetzt sind
 

Der Deutsche Juristinnenbund (Landesverband Berlin) nimmt wie folgt Stellung:

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben ist der Senat verpflichtet, aktiv die Erhöhung des Anteils von Frauen in den höheren Besoldungs- und Vergütungsgruppen zu fördern. Für diesen Zweck gibt die gesetzliche Grundlage eine Reihe von Instrumentarien vor.

Das Landesgleichstellungsgesetz (LGG) verpflichtet die Einrichtungen des Landes Berlin (§ 1 Abs. 1 LGG) zur (aktiven) Gleichstellung von Frauen und Männern in der Beschäftigung (§§ 2 und 3 LGG). Das Gesetz untersagt unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen (§ 2 LGG) und verlangt die Beseitigung bestehender Unterrepräsentanzen von Frauen (§ 3 Abs. 1 und 2 LGG). Eine Unterrepräsentanz von Frauen liegt vor, wenn in Vorgesetzten- oder Leitungsfunktionen mehr Männer als Frauen beschäftigt sind (§ 3 Abs. 2 LGG).

§ 5 Abs. 1 LGG regelt zur Durchführung der gesetzlichen Vorgaben, dass alle Stellen intern auszuschreiben sind. Eine öffentliche Ausschreibung hat in Bereichen oberhalb der Besoldungsgruppe A 9 bzw. der entsprechenden Vergütungsgruppe des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT/BAT-0) zu erfolgen, wenn Frauen dort unterrepräsentiert sind. § 6 LGG gibt vor, dass im Falle von Stellenbesetzungen (Einstellungen und Beförderungen) bei Unterrepräsentanz von Frauen alle Bewerberinnen bzw. ebenso viele Frauen wie Männer zum Vorstellungsgespräch einzuladen sind, sofern sie die formal notwendige Qualifikation besitzen.

Das Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) regelt in § 28 ausdrücklich, dass das LGG in der jeweils geltenden Fassung insbesondere auch bei der Besetzung der Organe und der Vorgesetzten- oder Leitungsfunktionen der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR), Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und Berliner Wasserbetriebe (BWB) Anwendung findet.

In diesem Zusammenhang ist auch auf Art. 19 Abs. 2 der Verfassung von Berlin zu verweisen. Darin ist mit der Aussage, dass die öffentlichen Ämter allen Staatsbürgern mit der nötigen Eignung zugänglich sind, zugleich die Verpflichtung enthalten, Möglichkeiten für einen realistischen Zugang zu den öffentlichen Ämtern zu schaffen. Ein realistischer Zugang setzt die Information über offene Ämter voraus. Diese Information muss so breit gestreut sein, dass für die an dem jeweils zu besetzenden Amt potentiell Interessierten und zu Interessierenden die Möglichkeit der Kenntniserlangung geschaffen wird. Damit gebietet auch schon Art. 19 Abs. 2 der Verfassung von Berlin grundsätzlich die Pflicht zur Ausschreibung der öffentlichen Ämter.

Damit ist klargestellt, dass vor der Bestellung eines neuen Mitglieds eines Vorstands und bei der Besetzung von Führungspositionen in den rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts des Landes Berlin eine öffentliche Ausschreibung des Postens sowie ein Auswahlverfahren einzuleiten ist.

Die Nichteinhaltung dieser Pflichten stellt einen eindeutigen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften dar. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gilt ebenso für Senatoren in ihrer Funktion als Organ der vollziehenden Gewalt des Landes Berlin. Nach Art. 20 Abs. 3 GG sind die Organe der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gebunden.

Der Senat hat daher zur Erhöhung des Anteils der Frauen und geschlechterparitätischen Besetzung in den Positionen auf Vorstands- und Führungsebene dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzlichen Vorgaben nach den Vorschriften des LGG und BerlBG tatsächlich eingehalten werden. In der Vergangenheit sind die Stellenbesetzungen im Vorstand von Berliner Betrieben in rechtswidriger Weise erfolgt. Die Stellenbesetzungen sind nunmehr rückgängig zu machen und die Stellen sind neu auszuschreiben. Ferner schlägt der Deutsche Juristinnenbund vor, dass eine verpflichtende Schulung aller Aufsichtsräte der Berliner Betriebe erfolgt, um sicherzustellen, dass zukünftig die Stellenbesetzungen im Vorstand der jeweiligen Berliner Betriebe ordnungsgemäß erfolgen und eventuelle Schadensersatzansprüche aus der Rückabwicklung von Stellenzuweisungen vermieden werden können.

Prof. Asoc. Dr. Jutta Glock
Vorsitzende des Landesverbands Berlin im djb