Stellungnahme: 08-11


Stellungnahme 08-11 / zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Deutscher Bundestag, Drucksache 16/5279, Stand 9. Mai 2007 "Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einführen?" anlässlich der Anhörung im Rechtsausschuss des D

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, eine Quote für Aufsichtsratsgremien börsennotierter Unternehmen einzuführen.

 

I. Grundsätzliches

In der Tat hat die Bundesrepublik Deutschland erhebliche Defizite in der Gleichstellung in der Privatwirtschaft. So macht die 2. Bilanz Chancengleichheit – Frauen in Führungspositionen – vom Februar 2006 zwar deutlich, dass die Bundesregierung ihre Verpflichtung ernst nimmt, den Fortschritt aus der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern zu überprüfen. Die Bilanz zeigt aber zugleich, dass die Anzahl von Frauen in Führungspositionen weiterhin auf niedrigem Niveau stagniert, denn beispielsweise in den Großunternehmen ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen mit unter fünf Prozent unverändert gering. Zwar kommt die 2. Bilanz Chancengleichheit zu einem optimistischeren Ergebnis. Dies liegt aber nur daran, dass Leitungspositionen der vierten, fünften oder sechsten Ebene bereits der Führungsebene zugeordnet worden sind und damit beispielsweise eine einfache Marktleiterin eines Einzelhandelsunternehmens schon zur Führungsebene gerechnet wurde. Daraus würde sich dann ein Anteil von Frauen in Führungspositionen in Höhe von 32 Prozent ergeben. Tatsächlich ist diese Zahl aber so geschönt, dass sie zu vernachlässigen ist.

In den DAX 30-Unternehmen gab es im Jahr 2006 nur eine einzige Vorstandsfrau. In den TOP 50 börsennotierten Unternehmen Europas halten Frauen nur elf Prozent aller Sitze in den Führungsgremien, so EU-Statistiker von Eurostat. Deutsche Aufsichtsräte sind gerade mal zu zehn Prozent weiblich besetzt und das auch nur Dank der Arbeitnehmerseite. Deutschland gehört im Europavergleich zu den drei Schlusslichtern, wenn es um die Besetzung von Aufsichtsratspositionen mit Frauen geht. Nur Portugal und Italien schneiden noch schlechter ab. Die Benachteilung von Frauen in Führungspositionen führt auch zur Schieflage im Rahmen der Vergütung, denn zu beachten ist auch die Tatsache, dass Männer in Vorstandspositionen ein erhebliches variables und leistungsabhängiges Einkommen und insbesondere Aktienoptionen verdienen, die den Frauen mangels Führungsposition verschlossen bleiben. Nun hatte die Bundesregierung für den Fall, dass keine angemessenen Verbesserungen eingetreten sind, eine gesetzliche Regelung angekündigt. Ein solcher Handlungsbedarf ist gegeben.

Es bedarf daher aus Sicht des djb der Einführung einer gesetzlichen Quote für die Besetzung von Aufsichtsratsmandaten zu Gunsten von Frauen.

Hier ist das Beispiel Norwegen richtungsweisend und kann auch in Deutschland zum Ausgangspunkt von Veränderungsstrategien genommen werden.

Der djb ist der Auffassung, dass die verantwortungsvollen Aufgaben, die insbesondere das Aktiengesetz den Aufsichtsräten zugewiesen hat, viel zu wichtig für die Wirtschaft sind, als dass sie ausschließlich weiterhin nur Männern überlassen werden dürften. Dies hat zunächst einmal gar nichts mit der Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Vielmehr ist wissenschaftlich belegt, dass Frauen und Männer aufgrund ihrer jeweils unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Kompetenzen und Erfahrungen auch unterschiedliche Herangehensweisen, Analysen und Schlussfolgerungen in wirtschaftlichen Zusammenhängen und unternehmerischen Entscheidungen an den Tag legen. So haben sich US-amerikanische Unternehmen diese Erkenntnis längst zu eigen gemacht und in Diversity Management umgesetzt. In den USA ist auch bereits ein Zusammenhang zwischen Geschlechtervielfalt im Topmanagement und in Aufsichtsratspositionen einerseits und wirtschaftlichem Erfolg von Unternehmen andererseits untersucht und bejaht worden. Gerade in Großunternehmen, die an der Börse als Aktiengesellschaften notiert sind, ist eine umfassende Sicht durch das Kontrollgremium Aufsichtsrat, der alle Aspekte für einen nachhaltigen Geschäftserfolg beleuchtet, unabdingbar. Aus der Verfassungsstruktur der Aktiengesellschaft ergibt sich ein Aufsichtsrat mit umfassenden Kompetenzen. Neben der Überwachung des Vorstands nach § 111 AktG und der Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Gewinnverwendungsvorschlages obliegen dem Aufsichtsrat weitere wichtige Gestaltungsfragen. Er hat die Personal- und Geschäftsordnungskompetenz, ist zuständig für die Festlegung des Kreises der zustimmungspflichtigen Geschäfte und die Entscheidung über sie. Der Aufsichtsrat nimmt die Vertretung gegenüber den Vorstandsmitgliedern wahr und legt die Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern den Aktionären vor. Auch erteilt der Aufsichtsrat den Auftrag an die Abschlussprüfer (§ 111 Absatz 2 AktG). Die unverzichtbare Qualifikation für diese anspruchsvolle und vor allem verantwortungsvolle Aufgabe ist von Haus aus mitzubringen. Gerade weibliche Führungskräfte und Unternehmerinnen, die sich den Geschäftserfolg hart erarbeiten müssen, haben es gelernt, unternehmerisch zu denken und zu handeln. Frauen denken in der Regel längerfristig als ihre männlichen Kollegen, die sich oft eher dem schnellen Erfolg verpflichtet fühlen. Dies ist wissenschaftlich in den USA belegt. So stufen dortige Banken die Kreditwürdigkeit von Unternehmen generell höher ein, wenn diese von Frauen geführt werden statt von Männern.

Die US-Frauenorganisation Catalyst untersuchte die 500 größten Aktiengesellschaften Amerikas und kam zum gleichen Schluss wie die Unternehmensberatung McKinsey. Gemischte Führungsgremien sind sowohl ökonomisch als auch von der Unternehmenskultur her signifikant erfolgreicher als reine Männergremien. Die Firmen mit den meisten Frauen im Vorstand erzielten im Vergleich zu solchen ohne Frauen eine bis zu 53 Prozent höhere Eigenkapitalrendite. Wo sich mindestens drei Frauen im Vorstand finden, steigen die Erträge nachweislich. Es steht allerdings nach der Studie fest, dass es mindestens drei Frauen sein müssen, um die dominierende Kultur in einer Gruppe beeinflusse zu können. Die klassische Einzelkämpferin, soviel steht fest, kann nichts verändern.

Es erscheint aus Sicht des djb daher sinnvoll und notwendig, gemeinsame Qualifikationsstandards für Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder beiderlei Geschlechts zu erarbeiten bzw. vorhandene Kriterien an die aktuellen Erfordernisse, die sich insbesondere aus dem Aktiengesetz, aber auch aus dem Corporate Governance Kodex und dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) ergeben, anzupassen, um die Anzahl der weiblichen Aufsichtsräte signifikant zu erhöhen.

Der djb plädiert vor dem Hintergrund der stagnierenden Entwicklung auf den Spitzenpositionen der deutschen Wirtschaft und angesichts der hohen Bedeutung, die eine Beteiligung beider Geschlechter an der Unternehmensführung für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat, mit Nachdruck für die Einführung von Frauenquoten für deutsche Aufsichtsräte.

 

II.

Die gesellschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen in Deutschland im Streit um die Quotenregelungen sind in der Zusammenfassung folgende:

  1. Das deutsche Aktiengesetz ordnet an, dass Mitglied des Aufsichtsrats nur natürliche und uneingeschränkt geschäftsfähige Personen sein können. Es verlangt weder formale Qualifikationen und Fähigkeiten, noch stellt es geschlechtsspezifische Forderungen auf.
  2. Der Deutsche Corporate Governance Kodex wird zwar konkreter und präzisiert die geforderten Qualifikationen und Fähigkeiten. Aber auch diese Besetzungsregel ist geschlechtsneutral formuliert. Hier ist anzumerken, dass die Corporate Governance Kommission als Regierungskommission der Bundesrepublik Deutschland derzeit aus 13 männlichen Mitgliedern und keiner Frau besteht. Das Mitbestimmungsrecht im Gesetz für Arbeitnehmervertreter sieht eine geschlechtsspezifische Regelung indes vor. Frauen und Männern sollen hier entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen beteiligt sein. Auch die vom Bund zu vergebenden Aufsichtsratsmandate unterliegen geschlechtsspezifischen Regelungen. Immerhin ist dadurch nach Inkrafttreten des Bundesgremien­besetzungsgesetzes der Frauenanteil von 7,7 auf 20,5 Prozent gestiegen.

 

III.   Konkrete Forderungen des djb

Der djb fordert vor dem Hintergrund des Gesetzesantrags konkret:

  1. Es ist eine Regelung im Aktiengesetz zu verankern mit dem Ziel, dass die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften bis zum Jahr 2012 mindestens zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein müssen.
    Das norwegische Gesetz, das als Grundlage für den deutschen Gesetzgeber dienen soll, hat Anfang 2002 eine Regelung eingeführt, nach der die Unternehmen bis zum Stichtag 1. Juli 2005 einen Frauenanteil von 40 Prozent in den Aufsichtsräten erreichen sollten. Sollte dieses Ziel innerhalb des vorgegebenen Zeitraums von fast dreieinhalb Jahren nicht erreicht werden, sollten die norwegischen Unternehmen durch gesetzgeberische Maßnahmen zur Erfüllung der Quote gezwungen werden. Parallel dazu wurde im Dezember 2003 ein Quotengesetz verabschiedet. Dieses sah ausdrücklich vor, dass die Quotenregelung nicht in Kraft treten sollte, wenn die Wirtschaft die Quote bis zum Stichtag „freiwillig“ erreicht hat. Zwei Wochen vor Ablauf der Frist, d.h. am 15. Juni 2005 wurde dann der Nachweis erbracht, dass es nur einen sehr geringen Fortschritt bei der Erhöhung des Frauenanteils in der Wirtschaft gegeben hatte. Daraufhin setzte die Regierung die Quotenregelung zum 1. Januar 2006 in Kraft. Bei Anwendung dieser Vorgehensweise auf den bundesdeutschen Gesetzgeber bedeutet dies eine Frist der freiwilligen Umsetzung der tatsächlichen Quote von 40 Prozent weiblicher Aufsichtsräte bis zum 31. Dezember 2009. Bei Nichterfüllung dieser Quote soll ein Gesetz mit Wirkung zum 1. Januar 2010 in Kraft treten, das die Unternehmen verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2012 die 40-prozentige Quote für Frauen in Aufsichtsratspositionen zu erfüllen.
  2. Grundsätzlich ist auch die Forderung der Grünen-Fraktion nach Sanktionen positiv zu bewerten. Denn aus Sicht des djb bedarf es flankierender Maßnahmen, um die Erfüllung der Quote abzusichern. Der djb plädiert dafür, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Quote den Frauen die tatsächliche Möglichkeit von Chancengleichheit einräumt. Auch Umgehungstatbestände müssen sanktioniert werden.
    Allerdings fordert der djb, parallel mit der Einführung der Quote auch die Anforderungen an die Qualität von Aufsichtsratsmandatsträger/innen insgesamt gesetzlich zu verankern. Der djb fordert eindeutig formulierte gesetzliche Vorgaben, die Unternehmen verpflichten, potentielle Aufsichtsrats­kandidatinnen und -kandidaten entsprechend auszubilden.
    Aus Studien und entsprechend der vom djb auf seinem Frauendinner im Oktober 2007 in Berlin dem Vorsitzenden der Corporate Governance Kommission, Herrn Dr. Cromme, übergebenen Liste mit über 450 Namen ist belegt, dass es zahlreiche Frauen gibt, die für Aufsichtsratsmandate in Betracht kommen. Generell erscheint allerdings eine Qualitätssteigerung im Bereich der Aufsichtsratsmandatsträger insgesamt wünschenswert. Dies ist ja auch das Ziel der Regierungskommission Corporate Governance Kodex. Die praktische Konsequenz aus der Einführung der Quote entsprechend dem Modell aus Norwegen ist es daher, die Unternehmen zu verpflichten, Aufsichtsräte insgesamt zu qualifizieren. Bei gleicher Qualifikation von weiblichen und männlichen Aufsichtsratskandidaten ist dann den Frauen der Vorzug zu geben, bis die Quote von 40 Prozent tatsächlich erreicht ist.
  3. Der djb begrüßt ausdrücklich den Vorschlag, § 100 des Aktiengesetzes so zu verändern, dass maximal fünf Aufsichtsratsmandate durch eine Person übernommen werden dürfen.
    Aufsichtsratsarbeit fordert den vollen Einsatz damit Betrauter und ist nicht bloß nebenher zu verrichten. Zudem würden bei einer Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmandate notwendiger­weise zahlreiche Aufsichtsratsmandate neu zu besetzen sein. Dies stellt auch die Chance für die weiblichen Aufsichtsratsmandatsträger dar, ein Aufsichtsratsmandat zu erlangen, ohne die Anzahl der Aufsichtsratssitze zu vermehren.
  4. Der djb begrüßt auch die Einrichtung einer zentralen Datenbank, in die sich alle potentiellen Aufsichtsratsmandatsträger/innen eintragen können. Aus der Datenbank sollte in jedem Fall auch das Geschlecht erkennbar sein. Allerdings gilt es zu vermeiden, dass es eine Datenbank nur für die Bewerberinnen gibt und nicht auch für die konkurrierenden männlichen Aufsichtsratsmandatsbewerber.

 

Jutta Wagner 
Präsidentin

Prof. Dr. Sibylle Raasch
Vorsitzende der Kommission
Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht

Prof. Asoc. Dr. jur. Jutta Glock
Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht