Stellungnahme: 08-10


zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung (Neuregelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat) (BNotO-E) vom 16. Februar 2007 Drucksache 895/06 (Beschluss)

Stellungnahme vom

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Stellungnahme von Rechtsanwältin Mechtild Düsing, geladen als Sachverständige zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 5.11.2008 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung.

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Der Deutsche Juristinnenbund (djb) begrüßt die Überlegungen zur Neuregelung der Bundesnotarordnung und mahnt hier einen schnellen Abschluss des Gesetzesvorhabens an.

 

I. Allgemeine Anmerkungen zur aktuellen Situation

Rechtsanwaltsnotarinnen sind in der Bundesrepublik im Vergleich zur Gesamtzahl der Rechtsanwalts­notarinnen/-notare stark unterrepräsentiert.

Der Frauenanteil bei den Rechtsanwälten lag 2007 bei 29,9 Prozent.[1] Demgegenüber ergibt sich aus der Notarstatistik der Bundesnotarkammer (BNotK), Stand 1. Juli 2007, in den alten Bundesländern ein Frauenanteil bei den Notarinnen insgesamt von nur 9,5 Prozent, bei den Nur-Notarinnen sogar nur von 8,5 Prozent. Nach wie vor ist ein großer Unterschied zwischen den neuen und alten Bundesländern festzustellen: in den neuen Bundesländern - ausschließlich Nurnotariat - lag die Quote bei 45 Prozent.

Selbst wenn der geringe Frauenanteil unter den Notar/innen in den alten Bundesländern wohl auch mit dem relativ hohen Altersdurchschnitt in dieser Berufsgruppe erklärt werden kann, liegen die Hauptgründe ganz offensichtlich in den Zulassungsvoraussetzungen.

Heute steht der Zugang zum Anwaltsnotariat auf vier Säulen: der Examensnote, der Dauer der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, den Notarvertretungen und dem Besuch von Fortbildungsveranstaltungen (Grundkurs 18 Tage mit 120 Stunden plus fünf Testate, weitere Fortbildungsveranstaltungen in unbegrenzter Anzahl jeweils mit Testat).

Hierbei sind die Ausgangspositionen für Frauen aus mehreren Gründen schlechter als die der männlichen Berufsgenossen:

1. Dauer der Rechtsanwaltszulassung

Die Dauer der Rechtsanwaltszulassung ist bei Rechtsanwältinnen mit Kindern häufig kürzer als bei gleichaltrigen männlichen Kollegen. Kindererziehungszeiten vor/im Studium, in der Wartezeit zum und im Referendariat selbst führen in vielen Fällen zu einer späteren Zulassung zur Anwaltschaft. Dies kostet Punkte im Zulassungsverfahren.

2. Notarvertretungen

Rechtsanwältinnen sind signifikant weniger häufig in örtlichen und überörtlichen Sozietäten zusammengeschlossen[2] und deutlich häufiger in Einzelkanzleien oder in Bürogemeinschaften tätig[3] als Rechtsanwälte. In Sozietäten mit elf oder mehr Anwälten arbeiten 2 Prozent der Frauen gegenüber 8 Prozent der Männer[4].

Frauen sind damit auch in Sozietäten, in denen sich ein Notariat befindet, eher unterrepräsentiert. Frauen haben deshalb bisher weniger Chancen, als Notarvertreterin bestellt zu werden.

Arbeiten die Frauen in einer Kanzlei, in der ein Notar ist, werden sie seltener mit Notarvertretungen beauftragt als ihre männlichen Kollegen. Zum Teil sollen ausschließlich Partner, zu denen Frauen seltener gehören, mit Notarvertretungen beauftragt werden, zum Teil arbeiten Frauen Teilzeit, von dem Notar wird aber gewünscht, dass der Notarvertreter ganztägig zur Verfügung steht. Manchmal wünschen die männlichen Notare auch nur männliche Notarvertreter. Dies wird von betroffenen Frauen berichtet.

Diese Situation führt dazu, dass Rechtsanwältinnen weniger häufig mit Notarvertretungen beauftragt werden als ihre Kollegen. An den Notarvertretungen hängen Punkte bei der Bewerbung. Auch hier sind Frauen daher deutlich im Nachteil.

Da mit den Notarvertretungen bei der aktuellen Regelung sehr viele Punkte erworben werden können, ist die derzeitige Regelung des Zugangs zum Anwaltsnotariat eine „Bestandsgarantie“ für große Notariate. Diese können sich ihren Nachwuchs durch Notarvertretungen und Finanzierung unzähliger Fortbildungen selbst heranziehen. Hier wird häufig das Notariat „vererbt“.

3. Besuch von Fortbildungen

Der Besuch der Fortbildungen ist nicht nur finanziell aufwändig, sondern nimmt auch sehr viel Zeit in Anspruch. Neben dem obligaten Grundkurs von 18 Tagen mit 120 Stunden und fünf Testaten, gibt es nach oben in der Regel kein Limit für die Anzahl der Fortbildungen. Wer die meisten Fortbildungen hat, hat bei im Übrigen gleicher Qualifikation die besten Chancen, als Notar/in bestellt zu werden. Es setzte ein Wettrennen um die Anzahl der Fortbildungspunkte ein. So kann es zu Kosten von mehr als 30.000 Euro kommen.

Wenn Frauen nach fünf Jahren die Wartezeit erfüllt haben, sind sie Anfang/Mitte 30 und oft gerade in der Kindererziehungsphase. Anwältinnen, die zugleich Mütter sind, reduzieren ihre Arbeitszeit. Nur 30 Prozent der Rechtsanwältinnen mit eigenem Büro, die Kinder haben, arbeiten Vollzeit (Männliche Kollegen: 90 Prozent). Bei angestellten Anwälten/freien Mitarbeitern/Syndici liegt der Anteil der Rechtsanwältinnen mit Kindern, die Vollzeit arbeiten, bei 17 Prozent, bei den männlichen Kollegen bei 96 Prozent.[5]

Die Vergütungsstudie aus dem Jahr 2006 ergibt, dass Rechtsanwältinnen häufiger in umsatzschwächeren Kanzleien tätig sind, als ihre männlichen Kollegen. Das Einstiegsgehalt von Rechtsanwältinnen und freien Mitarbeiterinnen ist deutlich niedriger als das ihrer männlichen Kollegen.[6]

Die Teilnahme an zahllosen Fortbildungsveranstaltungen, die in der Regel an den Wochenenden, d.h. Freitags und Samstags stattfinden, ist für Anwältinnen, die häufig auch Kinder erziehen, sowohl aus zeitlichen als auch aus finanziellen Gründen in vielen Fällen ungleich schwerer als für ihre männlichen Kollegen.

Die derzeitigen Zugangsregelungen zum Anwaltsnotariat verstoßen daher eindeutig gegen Art. 1 Ziff 3. Abs. 1 a) der Richtlinie 2002/73/EG (Gender-Richtlinie) sowie gegen dessen Umsetzung in §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz.

Der djb begrüßt, dass das Sammeln von Punkten durch unzählige Fortbildungsveranstaltungen abgeschafft wird.

 

II. Bewertung des vorgelegten Gesetzentwurfs

1. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO-E fünfjährige hauptberufliche Tätigkeit

Es sollte sichergestellt werden, dass Frauen, die wegen Kindererziehung Teilzeitarbeit leisten, durch die Formulierung „hauptberuflich“ nicht vom Zugang zum Anwaltsnotariat ausgeschlossen werden. Wie oben angeführt üben nur 30 Prozent der selbständigen Frauen mit Kindern eine Vollzeittätigkeit aus, bei den angestellten Anwältinnen beträgt der Anteil nur 17 Prozent.

2. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BNotO-E notarielle Fachprüfung

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. April 2004 für das Auswahlverfahren eine stärkere und differenziertere Gewichtung notarspezifischer Leistungen gegenüber dem Ergebnis der unter Umständen lange zurückliegenden juristischen Staatsprüfung und der Dauer anwaltlicher Berufstätigkeit gefordert und die Bedeutung benoteter Leistungsnachweise betont.[7]

Diesen Vorgaben wird der Gesetzentwurf gerecht, indem die notarielle Fachprüfung ein Gewicht von 60 Prozent erhält. Der djb begrüßt diese Entscheidung grundsätzlich.

  • Der djb hält den Besuch eines Grundkurses aus Gründen der Qualitätssicherung für unerlässlich. Er sollte obligatorisch bleiben. Der djb befürchtet, dass die Abschaffung des obligatorischen Lehrgangs eher dazu führt, dass der zeitliche und finanzielle Aufwand zur Prüfungsvorbereitung unüberschaubar wird.
    In Einzelfällen mag der Wegfall obligatorischer Kurse Rechtsanwältinnen mit Erziehungsaufgaben den Berufszugang erleichtern. Kurse zur Erlangung der Fachanwaltschaft und die bisherigen Erfahrungen mit dem Grundkurs Anwaltsnotariat zeigen jedoch, dass Frauen bereit und in der Lage sind, diesen Zeitaufwand zu leisten. Der Frauenanteil in den Jahren 2002 bis 2008 am Grundkurs Anwaltsnotariat betrug laut Mitteilung der DAA dort 22,9 Prozent. Die Kurse haben sich bewährt, sie stellen eine gerechte und chancengleiche Bewertung der notarspezifischen Praxis dar und sie können so im zeitlichen und finanziellen Rahmen gehalten werden.
  • Das Erfordernis von sechs Klausuren in der Notarprüfung erschließt sich nicht. Der djb fordert mit der BNotK, dem DAV und den Niedersächsischen Notarkammern eine Begrenzung des Prüfungsstoffes auf notarspezifische Themen. Der djb fordert eine Reduzierung auf vier Klausuren.
  • Darüber hinaus trägt die im Regelungsentwurf vorgesehene einmalige Möglichkeit der Prüfungswiederholung nach drei Jahren nicht zu der erforderlichen Überschaubarkeit des Vorbereitungsaufwandes bei. Vielmehr wird diese Regelung voraussichtlich einen hohen Druck, möglichst viele Fortbildungen für die Prüfungsvorbereitung zu besuchen, hervorrufen. Dies mag zwar zu einem höheren Niveau der Prüfungsleistungen führen, benachteiligt aber in vielen Fällen Rechtsanwältinnen. Sie sind aus den oben genannten Gründen häufig finanziell weniger leistungsfähig. Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, werden auch sie sich gezwungen sehen, möglichst viel Geld in ihre Ausbildung zu stecken. Häufigere Möglichkeiten einer Prüfungswiederholung würden diesen Druck vermindern.
  • Der djb fordert deshalb, dass die Prüfung zweimal wiederholt werden darf und nicht erst nach drei Jahren.

 

3.  § 6 Abs. 2 Satz 2 BNotO-E 160 Stunden Praxisausbildung

Die im Entwurf vorgesehene Praxisausbildung von 160 Stunden ist neu. Eine Verkürzung der Praxisausbildung auf 80 Stunden soll nur dann möglich sein, wenn der Bewerber vergleichbare Erfahrungen als Notarvertreter oder Notariatsverwalter hat oder die erfolgreiche Teilnahme an den von den Notarkammern oder den Berufsorganisationen durchgeführten Praxislehrgängen nachweist.

Der Beteiligung nicht in Sozietät oder Bürogemeinschaft verbundener Rechtsanwälte an der notariellen Tätigkeit eines Anwaltsnotars zu Ausbildungszwecken sind wegen möglicher Interessenkollisionen enge Grenzen gesetzt.

Der Nachteil, den Anwältinnen dadurch erfahren haben, dass sie eher selten in größeren Sozietäten mit Notaren arbeiten, setzt sich hier fort.

Der djb fordert daher, in den Entwurf Regelungen einzufügen, die gewährleisten, dass für Frauen und Männer gleiche Chancen für die Absolvierung dieses Teils der Zulassungsvoraussetzung zum Anwaltsnotariat bestehen. Insbesondere ist vorzusehen, dass, solange Frauen als Notarinnen unterrepräsentiert sind, sie bei der Praxisausbildung zu bevorzugen sind.

Erforderliche weitere Ergänzungen des bisherigen Entwurfs

  1. Der djb hält die obligatorische Mitwirkung praktizierender Anwaltsnotare am Prüfungsverfahren für unerlässlich. Hier ist eine gesetzliche Regelung erforderlich.
  2. Der djb fordert, dass Notarbewerbern und -bewerberinnen ein Anspruch auf die 160 Stunden Praxisausbildung in einem bestehenden Notariat zuerkannt wird und dass die Verteilung auf die Notariate von den Notarkammern geregelt wird.
  3. Der djb fordert weiterhin, dass eine Verpflichtung der Landesjustizverwaltungen aufgenommen werden sollte, dass bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt zu Notarinnen ernannt werden.
  4. Der djb fordert eine Quote für Notarinnen, die der Quote ihrer Beteiligung an der Rechtsanwaltschaft (derzeit 29,9 Prozent, vgl. Kääb/Liebig, BRAK-Mitt. 6/2007, S. 245 ff., 246), zumindest aber der Teilnahme am Grundkurs Anwaltsnotariat (22,9 Prozent, s.o.) entspricht.

Jutta Wagner 
Präsidentin

Dr. Katja Rodi
Vorsitzende der Kommission
Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht

 


[1] Kääb/Liebig, Zur Situation der Berufsausübung und sozialen Rahmenbedingungen bei Rechtsanwältinnen in Deutschland – Ergebnis einer Studie, BRAK-Mitt. 6/2007 S. 245 ff., 246.

[2] Rechtsanwältinnen in Sozietäten: 36 %; Rechtsanwälte: 55 %.

[3] Frauen in Einzelkanzleien: 48 %; Männer: 32 %; Frauen in Bürogemeinschaften: 16 %; Männer: 13 %.

[4] Hommerich/Kilian a.a.O. S. 61.

[5] Hommerich/Kilian a.a.O. S. 46 Tab. 6.

[6] Hommerich/Kilian a.a.O. S. 63.

[7] - 1 BvR 838/01 -, NJW 2004, 1935, 1941.