Stellungnahme: 07-13


zum Protokoll Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

Stellungnahme vom

 

Bundesministerium der Justiz
Brigitte Zypries
Bundesjustizministerin
Mohrenstraße 37
10117 Berlin

Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
Dr. Ursula von der Leyen
Bundesfamilienministerin
11018 Berlin

 

6. Juli 2007

Protokoll Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

 

Sehr geehrte Frau Zypries,
sehr geehrte Frau Dr. von der Leyen,

der Deutsche Juristinnenbund (djb) betrachtet mit Sorge, dass das Protokoll Nr. 12 zur EMRK von Deutschland bislang nicht ratifiziert wurde.

Der djb hat bereits vor sechs Jahren die Bundesregierung aufgefordert, das Protokoll Nr. 12 zur EMRK zu ratifizieren. Er nimmt die Stellungnahme der EWLA-General­versammlung zum Gender Mainstreaming vom 12. Mai 2007 (EWLA General Assembly Resolution on Gender Mainstreaming, verfügbar unter www.ewla.org) zum Anlass, hieran zu erinnern und fordert die Bundesregierung nachdrücklich auf, die Ratifikation des Protokolls nicht länger hinauszuzögern.  Der djb ist enttäuscht darüber, dass die Bundesregierung zwar erklärt hat, sie strebe nach wie vor die Ratifikation an (vgl. Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unterzeichnung und Ratifikation europäischer Abkommen und Konventionen durch die Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum 7/2005-6/2007, BT-Drs. 16/5375, Nr. 177), dass sie aber bislang keine konkreten Schritte zur Realisierung eingeleitet hat.

Das Protokoll Nr. 12 enthält ein allgemeines Diskriminierungsverbot, das umfassend gilt und nicht nur – wie bislang Art. 14 EMRK – die Diskriminierung im Bereich der von der EMRK geschützten Rechte verbietet. Inhaltlich schreibt das Protokoll Nr. 12 nur das vor, wozu die Bundesrepublik – wie die anderen europäischen Staaten – bereits nach dem UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) verpflichtet ist. Die Bedeutung des 12. Zusatzprotokolls liegt darin, dass es die Möglichkeit eröffnet, Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu rügen, wenn die innerstaatlichen Gerichte keinen ausreichenden Rechts­schutz gewähren.

Das mögliche Argument gegen eine Ratifizierung, der EGMR sei schon jetzt überlastet, ist aus Sicht des djb nicht überzeugend: Grundrechtsschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Das beste Mittel, um die befürchtete Beschwerdeflut abzuwenden, ist eine umfassende Beachtung des Diskriminierungsverbots auf innerstaatlicher Ebene durch ernsthafte Überprüfung der eigenen Rechtsordnung. Wenn aber der innerstaatliche Gesetzgeber und die Gerichte diese Pflicht nicht erfüllen, muss der EGMR die subsidiäre Kontroll­funktion ausfüllen, die ihm zukommt.

Der djb weist schließlich darauf hin, dass Deutschland und die anderen EU-Mitglied­staaten unglaubwürdig werden, wenn sie die Ratifikation des Protokolls Nr. 12 zur Beitrittsvoraussetzung für die Türkei machen, selbst aber eine Bindung an dieses Protokoll verweigern. Deutschland sollte hier mit gutem Beispiel vorangehen und nicht wieder – wie bei der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien ? zu den Schlusslichtern in Europa gehören.

Der djb ist zuversichtlich, dass das Protokoll Nr. 12 zur EMRK demnächst ratifiziert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Jutta Wagner                                                 
Präsidentin

Dr. Katja Rodi
Vorsitzende der Kommission Öffentliches
Recht, Europa- und Völkerrecht