Der Deutsche Juristinnenbund (djb), Landesverband Saarland, nimmt im Folgenden zu dem genannten Entwurf in der mit Schreiben vom 12. Februar 2007 übersandten Fassung Stellung.
Der djb-Landesverband Saarland begrüßt, dass mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, bis zum Ablauf des Jahres 2007 den Jugendstrafvollzug auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, Rechnung getragen wird.
Als positiv wird zunächst angemerkt, dass es mit der durchgehenden Vermeidung von Verweisungen auf Regelungen des Strafvollzugs- oder Jugendgerichtsgesetzes gelungen ist, das Gesetz in sich verständlich zu machen. Eine größtmögliche Verständlichkeit für die Normadressaten, zu denen eben nicht nur Behörden und Juristen, sondern auch die jungen Gefangenen selbst zählen, trägt zu Transparenz und damit auch zur Akzeptanz des Gesetzes bei.
Als aus unserer Sicht in ganz besonderem Maße positiv hervorzuhebende Regelung begrüßen wir § 89 Abs. 5 S. 2, wonach Verletzte einer Straftat auf Antrag von Vollzugslockerungen oder Urlaub in Kenntnis zu setzen sind. Die Regelung, die in den Gesetzentwürfen anderer Länder so nicht oder nicht ausdrücklich enthalten ist, sichert schützenswerte Interessen der Opfer von Straftaten und ist geeignet, einer erneuten Viktimisierung entgegenzuwirken, indem die Verletzten durch die Information aus dem Vollzug in die Lage versetzt werden, im Hinblick auf ein mögliches Zusammentreffen mit dem Entlassenen rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen.
Allerdings regt der djb in diesem Kontext eine Ergänzung der Überschrift des § 89 an, zur Betonung der in Absatz 5 des Paragrafen enthaltenen Regelung, die nach der derzeitigen Fassung allzu leicht zu übersehen ist. Es wird vorgeschlagen, die Überschrift wie folgt zu fassen:
„Verarbeitung, Mitteilungen an öffentliche und nicht-öffentliche Stellen (Verletzte einer Straftat)“.
Positive Einzelaspekte sehen wir weiterhin in der ausführlichen Regelung der Vollzugsplanung, der Einbeziehung Dritter (§ 7) sowie der Regelung des § 22, wonach zum Zweck der Fortführung einer im Vollzug begonnenen Ausbildung ausnahmsweise auch nach Entlassung aus der Anstalt eine Unterbringung auf vertraglicher Basis in der Anstalt möglich ist.
Es wird jedoch eine sprachliche Verbesserung in § 2 des Entwurfs vorgeschlagen. Was hier als zweites Vollzugsziel bezeichnet ist, nämlich Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, bezeichnet – wie auch aus der Begründung des Entwurfs selbst zu ersehen ist - kein von den Beteiligten anzustrebendes Ziel im eigentlichen Sinne sondern vielmehr eine wahrzunehmende Funktion, somit eine Aufgabe.
Es wird daher angeregt, unter der neuen Überschrift: „Ziel und Aufgabe“ zu formulieren:
„Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, sowie dem Schutz der Allgemeinheit.“
Der Betonung des Aspekts der Förderung der Gefangenen durch Aus- und Weiterbildung wird zugestimmt. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die in § 37 Abs. 3 formulierte Verpflichtung der Gefangenen, an schulischen und beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen sowie die Verpflichtung zur Teilnahme und Mitwirkung an Freizeitangeboten in § 38 des Entwurfs. Der Vorrang der Aus- und Weiterbildung gegenüber der Arbeit, der auch in der Regelung des § 57 des Entwurfs Unterstützung findet, indem durch die Einführung einer Ausbildungsbeihilfe ein Anreiz für die Mitwirkung an Bildungsmaßnahmen geschaffen wird, erhöht die Chancen der Gefangenen, nach der Entlassung eine Arbeitsstelle zu finden und schafft eine wichtige Voraussetzung für ihre spätere Eingliederung in die Gesellschaft und ein rechtschaffenes, selbstständiges Leben. Schulische und berufliche Aus- bzw. Weiterbildung einerseits und Freizeitangebote wie Sport andererseits führen dazu, dass die jungen Gefangenen einen geregelten Tagesablauf erleben, der ihnen Sicherheit und Kontinuität vermittelt, aber auch Erfolgserlebnisse beschert.
Da die in der Begründung zutreffend angeführten positiven Wirkungen des Sports wie Förderung der Kommunikation, Umgang mit Erfolg und Misserfolg, Bewältigung von Konflikten sowie Erlernen von Regeln jedoch überwiegend im Gruppensport (und nicht etwa im Einzeltraining im Kraftraum) erlernt werden, schlagen wir allerdings vor, den § 39 S. 1 wie folgt zu fassen:
„Dem Mannschaftssport kommt bei der Erreichung des Vollzugsziels besondere Bedeutung zu.“
Was die elektronischen Unterhaltungsmedien (z.B. Spielkonsolen) angeht, so treten wir den Ausführungen in der Begründung bei, wonach diese in der Regel keinen pädagogischen Wert besitzen.
Der Wortlaut des § 42 Abs. 3 selbst stellt jedoch nur auf elektronische Medien ab – was im Zusammenhang mit der Begründung nicht beabsichtigt zu sein scheint, da unter den Begriff der „elektronischen Medien“ die hier ersichtlich nicht gemeinten Rundfunk, Internet, CD-ROM, Telefon gefasst werden. In Übereinstimmung mit der Begründung und zur begrifflichen Klarstellung regen wir daher an, das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 42 Abs. 3 umzukehren und klarstellend zu formulieren:
„Elektronische Unterhaltungsmedien sind in der Regel nicht zugelassen“.
Mit den Regelungen des siebten Abschnitts, insbesondere den Besuchsregelungen wird die Intention deutlich, jungen Gefangenen in einem erweiterten Maße im Vergleich zu erwachsenen Gefangenen Außenkontakte zu ermöglichen und zu fördern. Dies trägt dem Gedanken der jugendtypischen Wirkungen der Haft, insbesondere der besonderen Haftempfindlichkeit jugendlicher und heranwachsender Gefangener Rechnung und wird ausdrücklich befürwortet. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang § 47 Abs. 2 des Entwurfs, der den Kontakt zu eigenen Kindern durch zusätzliche, nicht auf die Regelbesuchszeiten anzurechnende Besuchszeiten besonders fördert.
Vor diesem Hintergrund erscheinen jedoch die Regelungen, wonach der Kontakt mit Personen gefördert wird, von denen ein günstiger Einfluss erwartet wird (§ 46) oder Besuche abgebrochen werden können, wenn von Besuchern ein schädlicher Einfluss ausgeht (§ 50 Abs. 3), als planwidrige Einschränkungen.
Sowohl die genannten Vorschriften als auch die zugehörigen Entwurfsbegründungen lassen offen, welche Kriterien bei der Prüfung heranzuziehen sind, ob ein günstiger bzw. schädlicher Einfluss erwartet werden kann oder festzustellen ist. Dies ist angesichts der einschränkenden Auswirkungen jedoch anzuraten.
Soweit es in der korrespondierenden Besuchsvorschrift des § 23 StVollzG für erwachsene Gefangene heißt, dass der Verkehr mit Personen außerhalb der Anstalt generell zu fördern ist (ohne „positive“ Einschränkung), erscheinen jugendliche/heranwachsende Gefangene hier schlechter gestellt.
Der djb setzt sich zudem nachdrücklich für Nachbesserungen auf dem Gebiet des Gender Mainstreaming ein.
Faktisch wird derzeit der Vollzug von Jugendstrafe an saarländischen weiblichen Jugendlichen überwiegend in der JVA Zweibrücken durchgeführt. Doch hält auch die saarländische Jugendstrafvollzugsanstalt Ottweiler Haftplätze für weibliche Gefangene, somit auch für minderjährige weibliche Inhaftierte, vor. Für sie trifft der vorliegende Entwurf keine ausreichenden Regelungen.
Es wird nicht verkannt, dass über 95 % der Gefangenen landes- wie bundes- und europaweit männlichen Geschlechts sind. Die Tatsache, dass Mädchen und junge Frauen im gegenwärtigen Jugendstrafvollzug stark unterrepräsentiert sind, bedingt, dass aufgrund ihrer geringen Anzahl kein nach Alter, Delikt oder Strafzeit differenzierter Vollzug möglich ist. Diese faktische Lage entbindet den Gesetzgeber jedoch nicht von der Verantwortung, nach Möglichkeit diesbezügliche Regelungen zu treffen, die auch etwaige zukünftige Entwicklungen berücksichtigen. Angesichts zunehmender Verurteilungen von jungen Frauen und Mädchen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die prozentualen Anteile von männlichen und weiblichen Jugendlichen in den Strafanstalten in den kommenden Jahren verändern werden.
Zwar legt § 3 Abs. 4 des Entwurfs allgemein fest, dass den unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnissen der männlichen und der weiblichen Gefangenen Rechnung zu tragen ist. Doch findet dieser Grundsatz im Weiteren keine konkrete Ausgestaltung und bleibt damit unverbindlich. Die vereinzelten Regelungen, die ansprechen, dass auch weibliche Gefangene vom saarländischen Jugendstrafvollzug betroffen sind (§§ 23, 27, 64), sind nicht ausreichend um eine in sich geschlossene, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechende Konzeption zu schaffen. Weibliche junge Gefangene stellen ein geringeres Bedrohungs- und Sicherheitspotential dar als junge Männer und bedürfen anderer Fördermaßnahmen. Ihre Inhaftierungs- ebenso wie ihre Entlassungssituation unterscheidet sich signifikant von der männlicher Jugendlicher/Heranwachsender. Da sich die Regelungen des vorliegenden Gesetzentwurfs insbesondere hinsichtlich der Organisation, der personellen Ausgestaltung und des Sicherheitsstandards allein am Vollzug der jungen Männer ausrichten, weist der Entwurf in dieser Hinsicht eine Lücke mit der Folge einer Schlechterstellung weiblicher junger Inhaftierter auf, die nach unserer Einschätzung der Schließung bedarf.
Unter dem Gesichtspunkt des Gender Mainstreaming ist weiterhin der § 27 Abs. 1 des Entwurfs zu überdenken. Aufgrund des Gleichbehandlungsgebots sollte unabhängig vom Geschlecht der Gefangenen die Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung mit einem Kind im Einzelfall auch jungen Vätern eröffnet werden.
Sabine Kräuter-Stockton
Vorsitzende des Landesverbands Saarland
Annette Peteranderl
Stellv. Vorsitzende des Landesverbands Saarland
Rosetta Puma
Landesverband Saarland