Stellungnahme: 06-13


zum Entwurf eines Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom Mai 2006, BR Drs 329/06

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt, dass die Deutsche Bundesregierung endlich den Entwurf eines Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in Bundestag und Bundesrat eingebracht hat und sich dabei weiterhin an dem Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes aus der letzten Legislaturperiode orientieren will. Der djb fordert den Gesetzgeber auf, diesen Entwurf nunmehr zügig und ungeschmälert zu verabschieden. Immerhin befindet sich Deutschland mit dreien der vier umzusetzenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in Zeitverzug und ist deswegen bereits zweimal vom EuGH verurteilt worden, so dass nach der parlamentarischen Sommerpause erhebliche Strafzahlungen wegen der Nichtumsetzung drohen.

Nur ein einheitliches Gesetz, das für alle in den umzusetzenden Richtlinien genannten Merkmale ein möglichst gleiches Schutzniveau gegen Diskriminierung vorsieht, vermag die in Deutschland immer noch vorhandene Diskriminierungsvielfalt wirksam zu bekämpfen. Nur bei einer einheitlichen Behandlung aller Diskriminierungsmerkmale wird der Eindruck vermieden, manche Diskriminierungen seien gesellschaftlich weniger zu missbilligen als andere. Auch sind gerade Frauen oft das Opfer doppelter Diskriminierung, einerseits wegen ihres Geschlechts, andererseits wegen anderer Merkmale wie der zugeschriebenen Rasse/Ethnie, der sexuellen Identität oder des Alters. Vor diesem Hintergrund begrüßt der djb besonders, dass der Gesetzgeber weiterhin etwas über die Vorgaben der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien hinausgehen und allen nach Art. 13 Abs. 1 EGV bzw. Art. 3 Abs. 3 GG gegen Diskriminierung zu schützenden Merkmalen auch im Zivilrecht Schutz gewähren will. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu kritisieren, dass der neue Gesetzentwurf im Vergleich zum vorherigen Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADG-E) bei der Kalkulation von Versicherungsprämien zwischen den Merkmalen noch stärker differenziert: So dürfen die Merkmale zugeschriebene Rasse und Ethnie unverändert gar nicht berücksichtigt werden. Für Differenzierungen nach dem Geschlecht müssen die Versicherungen wie im Vorentwurf „relevante und genaue versicherungsmathematische und statistische Daten“ vorlegen. Bei Differenzierungen nach den übrigen Merkmalen sollen nach § 20 Abs. 2 AGG-E nunmehr schon „anerkannte Prinzipien risikoadäquater Kalkulation“ genügen.

Der djb begrüßt weiter ausdrücklich, dass die „Verbandsklage“ für Betriebsräte und im Betrieb vertretene Gewerkschaften in § 17 Abs. 2 AGG-E beibehalten worden ist und damit das Eintreten gegen Diskriminierung nicht allein Sache der Diskriminierten bleiben soll. Darüber hinaus wäre jedoch auch eine Klagemöglichkeit für Antidiskriminierungsverbände wünschenswert gewesen. Gerade Letztere hat sich in anderen Ländern bewährt, während die arbeitsrechtlichen Akteure erfahrungsgemäß kaum Gebrauch von der Möglichkeit einer „Verbandsklage“ machen.

Im Übrigen bleibt der neue Entwurf stellenweise immer noch bzw. neu hinter den Vorgaben der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien zurück. Auch hat der Entwurf nicht alle Bedenken beseitigt, die der djb bereits in seiner Stellungnahme 05/05 vom 15.12.2004 zum Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADG-E) geäußert hatte. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Antirassismusrichtlinie 2000/43/EG und die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG: Danach ist keine Rechtfertigung der unmittelbaren Diskriminierung möglich. Diese Vorgabe bleibt in dem AGG-E unbeachtet.

Der djb regt folgende Klarstellungen und Änderungen in Artikel 1 des Entwurfs zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG-E) an, um eine richtlinienkonforme Umsetzung und einen umfassenden und effizienten Diskriminierungsschutz zu gewährleisten:

 

Abschnitt 1 - Allgemeiner Teil

Fragwürdige Begrifflichkeit

Der djb hält weiterhin die Verwendung des Begriffs der „Rasse“ in § 1 AGG-E und durchgehend im gesamten Gesetzestext gerade in Deutschland für historisch unsensibel und rechtspolitisch inopportun. Denn dadurch wird sprachlich der Anschein erweckt, es gäbe tatsächlich unterschiedliche Rassen im Sinne einer Rassenideologie, welche man doch gerade durch das Gesetz bekämpfen will. Die Begründung zum AGG-E erkennt zwar diese Problematik, meint sich aber an die Terminologie der EU-Richtlinien halten zu müssen. Die Verwendung des Begriffs „Rasse“ im Völkerrecht und im europäischen Recht ist jedoch keine ausreichende Rechtfertigung für das Festhalten an diesem Begriff in einem bundesdeutschen Gesetz. Der deutsche Gesetzgeber sollte diesen Sprachgebrauch nicht übernehmen, sondern richtigerweise von „zugeschriebener Rasse“ oder „Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ sprechen. Für den Begriff „Ethnie“ gelten vergleichbare Bedenken, nur dass dieser Begriff durch die deutsche Geschichte weniger belastet ist.

Verbot der unmittelbaren Diskriminierung durch Schlechterstellung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft und durch Belästigung und sexuelle Belästigung auch im Zivilrecht

§ 3 Abs.1 AGG-E enthält eine für alle Bereiche geltende Definition der unmittelbaren Diskriminierung. In Satz 2 ist eine Diskriminierung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit Art. 2 (7) der Richtlinie 2002/73/EG als unmittelbare Diskriminierung bezeichnet, jedoch nur in Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Bereich (Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4). Art. 4 (1) a) der Richtlinie 2004/113/EG verbietet eine Schlechterstellung wegen Schwangerschaft und Mutterschaft aber auch im Zivilrecht als eine Form der unmittelbaren Diskriminierung. Belästigung und sexuelle Belästigung sind in beiden Richtlinien und damit im arbeits- und zivilrechtlichen Bereich ebenfalls als unmittelbare Diskriminierungen untersagt. Daher ist es erforderlich, in § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 und 5 die Worte „in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 4“ zu streichen, um den zivilrechtlichen Bereich europarechtskonform einzubeziehen.

Subjektive Annahme eines Diskriminierungsmerkmals auch im Zivilrecht

Die nur für den arbeitsrechtlichen Bereich getroffene und sehr zu begrüßende Regelung in § 7 Abs. 1 AGG-E, nach der Diskriminierungen auch untersagt werden, wenn die diskriminierende Person ein Diskriminierungsmerkmal nur annimmt, sollte in den Allgemeinen Teil aufgenommen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Diskriminierungsverbote im zivilrechtlichen Bereich im Gegensatz zum arbeitsrechtlichen Bereich nur gelten sollen, wenn ein Diskriminierungsmerkmal tatsächlich vorliegt (s. auch unter Abschnitt 3 – Inkonsistenzen im Arbeitsrecht und allgemeinen Schuldrecht).

 

Abschnitt 2 - Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung

Verschlechterung im Vergleich zu § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB

Nach Art. 8e Abs. 2 RL 2002/73/EG darf die Umsetzung dieser Richtlinie nicht zur Absenkung eines einmal garantierten Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen führen. Bisher musste nach § 611a BGB das Geschlecht „unverzichtbare Voraussetzung“ sein, um für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit ein bestimmtes Geschlecht ausschließen zu dürfen. Künftig soll es nach § 8 Abs. 1 AGG-E aber schon ausreichen, wenn ein bestimmtes Geschlecht „wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit … eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt“, sofern die Einschränkung verhältnismäßig ist. Diese Formulierung bietet mehr Raum als bisher für Ausnahmen vom Verbot der Geschlechtsdiskriminierung und verstößt daher gegen die Vorgaben der RL 2002/73/EG, auch wenn sie dem Wortlaut der Richtlinie entspricht.

Unzulässige Geschlechterdiskriminierung durch unterschiedliche Altersgrenzen

§ 10 Ziff. 4 letzter Satz AGG-E setzt die Vorgabe des Art. 6 (2) der Richtlinie 2000/78/EG für eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unzureichend um. Unterschiedliche Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit sind nach der Richtlinie nur zulässig, solange dies nicht zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt. Diese einschränkende Voraussetzung fehlt im AGG-E, so dass § 10 Ziff. 4 AGG-E entsprechend zu ergänzen ist.

Pflichten, nicht nur Obliegenheiten des Arbeitgebers

§ 12 Abs. 1 und 2 AGG-E enthält die Verpflichtung des Arbeitgebers, Maßnahmen einschließlich vorbeugender Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Missverständlich formuliert ist aber § 12 Abs. 2 AGG-E, der in der vorgelegten Form als Abschwächung zu einer bloßen Sollvorschrift verstanden werden könnte. Es sollte klargestellt werden, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers bindend ist und er nur in der Wahl seiner Mittel frei ist, solange diese geeignet sind, Benachteiligungen zu unterbinden. Der djb bedauert, dass die Pflichten des Arbeitgebers zur Vorbeugung durch den neuen § 12 Abs. 2 Satz 2 AGG-E nunmehr faktisch auf Schulungsmaßnahmen begrenzt werden sollen.

Bedenkliche Regelung von Sanktionen

Die Ausgestaltung der Sanktionen bei festgestellter Diskriminierung in § 15 AGG-E begegnet in mehrfacher Hinsicht Bedenken:

Höhe der Entschädigung

§ 15 Abs. 2 AGG-E gibt die europarechtlichen Anforderungen an die Höhe der zu leistenden Entschädigungszahlung nur unvollkommen wieder. Die Entschädigung muss demnach nicht nur „angemessen“, sondern vor allem auch „wirksam“ und „abschreckend“ sein, Art. 6 (2) und 8 d der Richtlinie 2002/73/EG, Art. 15 der Richtlinie 2000/43 und Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG. Von diesen Anforderungen greift § 15 Abs. 2 AGG-E nur die Angemessenheit auf und begrenzt die Entschädigung im neuen Entwurf zudem noch auf drei Monatsgehälter, soweit die diskriminierte Person auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Dies ist insbesondere auch im Hinblick auf immer wieder auftretende Doppel- bzw. Mehrfachdiskriminierungen nicht ausreichend. Eine auf Prävention zielende abschreckende Wirkung durch ausreichend hohe Entschädigungen ist nicht nur wegen der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Umsetzung aufzunehmen, sondern auch in Hinblick auf die bisher zu § 611 a BGB ergangenen Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit. Denn die Gerichte haben im Rahmen ihrer Ermessensausübung bisher stets nur geringe Entschädigungszahlungen gegeben, die keine abschreckende Wirkung entfalten konnten. Ein anderer und nach Ansicht des djb besserer Weg wäre es, zumindest bei der Einstellungs- und Aufstiegsdiskriminierung eine Mindestentschädigung von drei Monatsverdiensten vorzusehen und nur die Entschädigungen bei den neuen Belästigungstatbeständen vollständig dem gerichtlichen Ermessen zu überlassen. Auf diese Weise könnte der Gesetzgeber den präventiven Ansatz der Richtlinien weitestgehend umsetzen und gleichzeitig der Befürchtung unkalkulierbarer Entschädigungsleistungen bei Belästigungen entgegenwirken.

Kein Verschulden und keine Privilegierung für diskriminierende Kollektivverträge

§ 15 Abs. 1 AGG-E konstruiert einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber verschuldensabhängig. § 15 Abs. 3 AGG-E macht bei der Anwendung kollektivrechtlicher Regelungen sogar einen Entschädigungsanspruch von einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhalten des Arbeitgebers abhängig. Zum einen ist hier auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zu verweisen, wonach ein Mitgliedstaat, der sich für eine Sanktion in Form einer Entschädigungszahlung entschieden hat, diese nicht von einem Verschulden des Arbeitgebers abhängig machen darf. Dies gilt auch für materielle Schäden, die einer Bewerberin oder einem Bewerber dadurch entstehen, dass eine Einstellung allein aus diskriminierenden Gründen unterblieben ist. Zum anderen sind die Mitgliedstaaten nach Art. 9 (1) der Richtlinie 2002/73/EG und Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet, die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung zu erlassen oder sicherzustellen, dass die Sozialpartner die erforderlichen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinien vereinbaren. Die teilweise Wiedereinführung eines Verschuldens als Anspruchvoraussetzung ist nicht richtlinienkonform. Dies gilt erst recht für die vorgesehene Erteilung einer Art „Freibrief“ für die Diskriminierung durch Kollektivvereinbarungen, solange der Gesetzgeber nicht auf andere Weise eine Überprüfung von Kollektivvereinbarungen auf diskriminierende Regelungen und deren Beseitigung sicherstellt. Eine Richtigkeitsgewähr bezogen auf Diskriminierungsfreiheit, wie sie die Begründung zum Gesetzentwurf anführt, bieten Kollektivvereinbarungen in der Praxis keineswegs. Die Verwendung geschlechtsdiskriminierender Arbeitsbewertungs- und Eingruppierungssysteme ist vielmehr verbreitet. Auch sind die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote nicht verhandelbar. Insbesondere besteht kein Anlass, die Anwendung diskriminierender Regelungen in Kollektivvereinbarungen auf diese Weise zu privilegieren, wenn der Arbeitgeber einen für sein Unternehmen abgeschlossenen Haustarifvertrag oder eine für seinen Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung anwendet. Denn hier war der Arbeitgeber selbst als Vertragspartei an der Vereinbarung der Regelungswerke beteiligt und hätte Diskriminierungen vermeiden müssen und auch können.

Fehlender Einstellungsanspruch

Der djb bedauert, dass die Sanktionen für Diskriminierungen im Arbeitsrecht durch § 15 Abs. 6 AGG-E weiterhin auf Schadensersatz und Entschädigungsleistungen beschränkt bleiben. Aus Sicht der von Diskriminierung Betroffenen wird sich deshalb auch künftig eine Klage nur selten persönlich lohnen. Dieser „Konzeptionsfehler“ des Diskriminierungsschutzes im Arbeitsrecht ist im neuen Entwurf nun leider tendenziell auch noch auf das Zivilrecht ausgeweitet worden, weil in § 22 AGG-E im Gegensatz zum früheren Entwurf von einem Kontrahierungsanspruch nicht mehr die Rede ist.

Frist zur Geltendmachung

Anders als noch nach früheren ADG-E, der ebenso wie § 611 a Abs. 4 Satz 3 BGB eine Frist von sechs Monaten zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen wegen Diskriminierung vorsah, soll die Frist nach § 15 Abs. 4 AGG-E nunmehr nur noch drei Monate betragen. Zum einen verstößt diese generelle Fristverkürzung gegen das gemeinschaftsrechtliche Verschlechterungsverbot. Zum anderen werden durch die Verkürzung der Frist, die Durchsetzungsmöglichkeiten der von Diskriminierung betroffenen Personen unangemessen und in einer mit den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der RL 2002/73/EG, des Art. 7 Abs. 1 der RL 2000/43/EG bzw. des Art. 9 Abs. 1 der RL 2000/78/EG nicht mehr zu vereinbarenden Weise eingeschränkt. Dies gilt insbesondere, wenn - wie in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG-E vorgesehen - im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs die Frist nicht erst mit Kenntnis von der Benachteiligung beginnen soll, sondern bereits mit dem Zugang der Ablehnung. Allein die Kenntnis von der Ablehnung reicht ohne nähere Kenntnis der Tatsachen und Umstände, die die Auswahlentscheidung beeinflusst haben, nicht aus, um etwaige Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüche effektiv durchsetzen zu können. Der djb schlägt deshalb vor, eine Frist von mindestens sechs Monaten vorzusehen bzw. den Fristbeginn generell von der Kenntnis der für die Diskriminierung maßgeblichen Umstände abhängig zu machen.

 

Abschnitt 3 - Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr

Der djb begrüßt, dass der Gesetzentwurf im allgemeinen Schuldrecht über eine Umsetzung der RL 2000/43/EG eins-zu-eins hinausgeht und das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus der RL 2004/113/EG erstmals rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist einführen will.

Keine Diskriminierung der Gleichbehandlung ungeachtet des Geschlechts

Der djb vermag jedoch nicht nachzuvollziehen, dass das Merkmal Geschlecht nach wie vor im Vergleich zur zugeschriebenen Rasse und Ethnie schlechter geschützt und dadurch diskriminiert wird. Die Differenzierung zwischen dem Verbot der Diskriminierung wegen der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft bei der Begründung, Durchführung und Beendigung von Verträgen über den Zugang zu und über die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (§ 19 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG-E) einerseits und dem Verbot der Diskriminierung wegen aller übrigen Merkmale nur bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AGG-E) andererseits, ist nicht überzeugend. Die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die Deutschland nicht nur zum Schutz vor rassistischer Diskriminierung sondern ebenso auch zum Schutz der Frauen vor Geschlechtsdiskriminierung eingegangen ist, verlangen auch für den Bereich des Bürgerlichen Rechts einen umfassenden Schutz vor Geschlechtsdiskriminierung.

Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes

Hinzu kommt, dass das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland einen ausdrücklichen Gleichstellungsauftrag mit Bezug auf das Geschlechterverhältnis enthält (Art. 3 Abs. 2 GG). Der vorliegende Gesetzesentwurf schützt Frauen in so wichtigen Bereichen wie Zugang zu und Bedingungen von Geschäftskrediten, Versorgung mit Geschäfts- und Wohnräumen, Zugang zu und Preise von Dienstleistungen im Zusammenhang mit geschäftlicher Werbung, Buchhaltung etc. nicht vor Geschlechtsdiskriminierung. Hierzu lässt sich zwar die Auffassung vertreten, der grundgesetzliche Gleichstellungsauftrag verlange einen solchen Schutz nicht zwingend. Art. 3 Abs. 2 GG stellt aber auch ein Rangverhältnis zwischen der Geschlechtergleichheit und den übrigen Diskriminierungsverboten des Grundgesetzes zugunsten der Geschlechtergleichheit her. Selbst wenn der Gesetzgeber dieses Rangverhältnis politisch nicht billigt, so ist er dennoch daran gebunden. Das schließt es aus, Frauendiskriminierung in weit größerem Umfang für legal zu erklären als die Diskriminierung aufgrund der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft.

Die Bindung an die RL 2000/43/EG und 2004/113/EG, die eine umgekehrte Hierarchie der Diskriminierungsverbote statuieren, ändert daran nichts. Beide RL sehen ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten weitergehende Vorschriften des Diskriminierungsschutzes schaffen oder aufrechterhalten können. Bei der Entscheidung für oder gegen einen solchen weitergehenden Diskriminierungsschutz bleibt der Gesetzgeber an das Grundgesetz gebunden.

Der djb weist zudem darauf hin, dass das Grundgesetz auch die Gleichbehandlung ungeachtet einer Behinderung höher einschätzt als die Gleichbehandlung ungeachtet der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft. Zwar enthält Artikel 3 insoweit keinen Gleichstellungsauftrag, aber Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 statuiert im Gegensatz zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 hier ein asymmetrisches Diskriminierungsverbot, wodurch die Überwindung von Diskriminierungen behinderter Menschen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zum Ziel der Verfassung wird. Daher ist auch der schlechtere Schutz bei Behinderung im Vergleich zur zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft verfassungsrechtlich unzulässig.

Zu weit gefasste zulässige unterschiedliche Behandlung

Der Gesetzentwurf weicht zudem diesen schon reduzierten Diskriminierungsschutz beim Geschlecht und den weiteren Merkmalen in § 20 Abs. 1 AGG-E noch weiter auf. Damit wird das Diskriminierungsverbot faktisch zu einem bloßen Begründungsgebot abgeschwächt, indem nahezu jede Differenzierung wegen des Geschlechts sowie der übrigen Merkmale für rechtlich akzeptabel erklärt wird, wenn sich ein sachlicher Grund finden lässt und die Benachteiligung nicht unverhältnismäßig ist. Insbesondere § 21 Nr. 1 AGG-E ist ein Einfallstor für die nahezu beliebige Ausgrenzung insbesondere von behinderten Menschen, aber auch von Frauen, die zwar in bestimmten Situationen Schutz benötigen, aber nicht paternalisierend in einem nicht gewünschten Übermaß. Irgendeine Gefahr, ein denkbarer Schaden oder anderer Zweck vergleichbarer Art lässt sich leicht finden, um behinderten Menschen oder Schwangeren oder Müttern mit Kinderwagen den Zutritt oder die Teilhabe zu verweigern. Diese Vorschrift sollte gestrichen oder zumindest dahin konkretisiert werden, dass nur erhebliche und nicht durch zumutbare Vorkehrungen zu verhindernde Gefahren und Schäden eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können.

Zu weite Ausnahmen für Diskriminierung von Frauen bei Versicherungen

Besonders problematisch ist aus verfassungsrechtlicher Sicht, wenn der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern aufgrund statistischer Durchschnittswerte ausdrücklich legalisiert (§ 20 Abs. 2 AGG-E). Der Sinn des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgebotes ist u.a., Frauen ebenso wie Männern eine Behandlung als Individuen zuzugestehen, sie also aus der Zuordnung zu einer Geschlechtsgruppe zu lösen. Damit ist die personale Ebene des Diskriminierungsverbotes angesprochen: Es gewährleistet das Recht, als Mensch und Individuum beurteilt zu werden und nicht nach der individuell nicht beeinflussbaren Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die habituell diskriminiert wird. In anderen Worten: Es geht darum, dass eine Frau aufgrund ihrer Individualität als Mensch betrachtet werden soll und nicht als statistisches Durchschnittsaggregat all derjenigen Personen, die als weiblich klassifiziert werden. Denn dieses statistische Durchschnittsaggregat, das ja immer nur retrospektiv erhoben wird, spiegelt unweigerlich die Realität einer nach Geschlechtern trennenden und getrennten Gesellschaft. Die Tatsache, dass Frauen in einer sozial anderen Situation sind als Männer, darf aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann ein Grund für eine individuelle Ungleichbehandlung sein, wenn eben dies zur Überwindung von Benachteiligung erforderlich ist. Darum geht es bei der „Versicherungsdiskriminierung“ gerade nicht. Selbst wenn geschlechtsspezifische Statistiken wirtschaftliche Vorteile bieten sollten, können sie nach dem Grundgesetz niemals einen sachlichen Grund für eine Differenzierung nach dem Geschlecht darstellen. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts ließe sich sonst allein damit rechtfertigen, dass sie eben üblich und profitabel ist.

Der djb plädiert deshalb nachdrücklich und wiederholt dafür, den Wertungswiderspruch zwischen § 19 Abs. 1 Nr. 2 AGG-E, wonach Versicherungsverträge in den Anwendungsbereich des Verbots der Geschlechterdiskriminierung aufgenommen werden, und § 20 Abs. 2 AGG-E, wonach die aktuarische Diskriminierung legalisiert wird, wieder aufzuheben.

Aktueller Handlungsbedarf bei Krankenversicherungen

Immerhin ist es auch aus der Sicht des djb schon ein Fortschritt, wenn im Bereich der privatrechtlichen Versicherung zukünftig eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts nur noch zulässig ist, wenn die Berücksichtigung des Geschlechts ein bestimmender Faktor für die Risikobewertung ist und die Risikobewertung auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruht. Auch dass Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft nicht mehr wie bisher allein den Frauen angerechnet werden (§ 20 Abs. 2 AGG-E), wird begrüßt.

Mittlerweile ist erwiesen, dass die privaten Krankenversicherungen (PKV) entgegen ihren Behauptungen die Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft in die Prämienkalkulation für Frauen, nicht aber in die für Männer einbeziehen und damit diskriminierende Faktoren ansetzen. Bislang sind die Prämien der PKV für Frauen erheblich höher als für Männer; der Unterschied beträgt bis zu 76%. Als Begründung werden regelmäßig die höheren Leistungsausgaben für Frauen genannt, die nach Angaben der Versicherungswirtschaft vor allem auf der höheren durchschnittlichen Lebenserwartung von Frauen beruhen. Aus der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellten Studie „Differenzierung privater Krankenversicherungstarife nach Geschlecht: Bestandsaufnahme, Probleme, Optionen“ des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen aus dem Jahr 2005 ergibt sich indes, dass dies nicht stimmt. Ein Zusammenhang von höherer Lebenserwartung der Frauen mit höheren Ausgaben der Krankenkassen lässt sich der Studie nach gerade nicht belegen. Die so genannten Mortalitätsunterschiede machen nur einen marginalen Teil der Prämienunterschiede aus. Stattdessen hat sich gezeigt, dass die Ausgaben für nicht schwangere Frauen einerseits und für Männer andererseits fast gleich sind, wobei Frauen in jüngeren Lebensjahren, Männer hingegen im höheren Alter vermehrte Kosten verursachen. Diese Unterschiede gleichen sich im Laufe des Lebens aus. Signifikante Unterschiede ergaben sich hingegen bei den Kosten für schwangere Frauen und Mütter gegenüber den Kosten für nicht schwangere Frauen. Die höheren Ausgaben für Frauen sind demnach vornehmlich auf Kosten für Schwangerschaft und Mutterschaft zurückzuführen, die ihnen von den PKV einseitig auferlegt werden, obgleich Männer an diesen Umständen gleichermaßen beteiligt sind und obwohl die Erhöhung der Kinderzahl ein erklärtes gesellschaftliches Anliegen ist.

Auch nach dem neuen Entwurf ist eine unmittelbare Verbesserung der Versicherungsbedingungen für Frauen nicht oder nur mit erheblicher weiterer Zeitverzögerung zu erwarten. Denn bislang werden die für die Berechnung relevanten versicherungsmathematischen Daten trotz ihrer behaupteten Ursächlichkeit für die erhöhten Prämien von den PKV nicht einmal erhoben. Das Zentrum für Sozialpolitik hat für seine Untersuchung deshalb teilweise mit Daten der Betriebskrankenkassen arbeiten müssen. Insofern ist es bedauerlich, dass den Versicherungen nach den Übergangsbestimmungen des § 33 AGG-E keine Frist für die Erhebung von Daten schon vor dem 22. Dezember 2007 gesetzt werden soll.

Aus diesem Grund hält der djb an seiner Forderung fest, für die PKV, aber auch bei allen anderen Versicherungen Unisex-Tarife einzuführen.

Inkonsistenzen zwischen Arbeitsrecht und allgemeinem Schuldrecht

Der djb hält es für nicht angemessen, dass § 7 Abs. 1 AGG-E nur für das Arbeitsverhältnis gilt. Auch im allgemeinen Schuldrecht kann es vorkommen, dass jemand benachteiligt wird, weil sein Gegenüber ihn für homosexuell, moslemisch oder für eine Frau hält. Benachteiligungen wegen der zugeschriebenen Rasse beruhen sogar immer auf dieser Fiktion, denn es gibt keine unterschiedlichen Menschenrassen. Daher sollte § 7 Abs. 1 als letzter Absatz an § 3 angefügt werden.

Unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinien

Jenseits dieser verfassungs- und rechtspolitischen Forderungen stellt der djb fest, dass der Entwurf im Zusammenhang mit Diskriminierung im allgemeinen Vertragsrecht an einigen Stellen richtlinienwidriges Recht vorschlägt. Der djb hat kein Verständnis dafür, dass der zum Teil hinter den Anforderungen des Grundgesetzes zurückbleibende, gemeinschaftsrechtlich gebotene Schutz vor Diskriminierung noch unterschritten werden soll.

Verbot der sexuellen Belästigung und Viktimisierung auch bei Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Allgemeine Teil des AGG immer noch eine gemeinschaftsrechtlich nicht haltbare Beschränkung vornimmt: § 3 Abs. 4 und § 16 AGG-E definieren nur für Beschäftigungsverhältnisse die sexuelle Belästigung sowie die Viktimisierung als Diskriminierung. Dies ist mit RL 2004/113/EG und RL 2000/43/EG nicht vereinbar. Nach Art 2 d) der Richtlinie 2004/113/EG müssen die Mitgliedstaaten die sexuelle Belästigung auch bei Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen, als Diskriminierung definieren und verbieten. Nach Art. 10 RL 2004/113/EG sowie nach Art. 9 der RL 2000/43/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Einzelnen vor Benachteiligungen als Reaktion auf eine Beschwerde oder ein Verfahren wegen Diskriminierung wegen des Geschlechts bzw. der zugeschriebenen Rasse oder ethnischen Herkunft auch beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu schützen, im Anwendungsbereich der RL 2000/43/EG gilt das auch für den Sozialschutz, soziale Vergünstigungen und für Bildung. Gerade Dauerschuldverhältnisse sind auch im Zivilrecht für Viktimisierungen anfällig. In § 3 Abs. 4 sind daher die Worte „in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4“ zu streichen. Das Maßregelungsverbot des § 16 ist entsprechend weit gefasst in den allgemeinen Teil aufzunehmen.

RL 2000/43/EG verbietet Ausnahmen für ein „besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis“

Wenn § 19 Abs. 5 vorsieht, dass das Verbot der Diskriminierung im Vertragsrecht generell nicht gilt, soweit ein Nähe- oder Vertrauensverhältnis durch ein Schuldverhältnis begründet wird, ist diese Formulierung zunächst missverständlich. Die Begründung eines Schuldverhältnisses ist in der Regel nicht geeignet, Nähe und Vertrauen herzustellen. Möglicherweise ist gemeint, dass bei Schuldverhältnissen, bei deren Durchführung typischerweise ein Nähe- und Vertrauensverhältnis entsteht, auch diskriminiert werden darf. Eine solche Ausnahme ist aber von der RL 2000/43/EG nicht gedeckt. Dort sind nur solche Güter und Dienstleistungen vom Schutz vor Diskriminierung ausgenommen, die nicht in der Öffentlichkeit angeboten werden. Wer durch ein Angebot in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in einer Zeitungsanzeige, zu verstehen gibt, dass er eben nicht nur mit persönlich Bekannten kontrahieren will, muss sich auch an die Diskriminierungsverbote halten. Darüber hinaus ist nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben eine solche Ausnahme bezogen auf die Merkmale „zugeschriebene Rasse und ethnische Herkunft“ nicht zulässig. Gleiches gilt aus den o.g. verfassungsrechtlichen Erwägungen für die Merkmale „Geschlecht“ und „Behinderung“.

 

Abschnitt 4 – Rechtsschutz

Beweislast

§ 22 AGG-E übernimmt die bisherige Beweiserleichterung aus § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB soweit möglich wortgleich. Obwohl damit die Umsetzungsvorgaben der EU-Richtlinien eingelöst werden, bedauert der djb, dass der Gesetzgeber selbst im Zusammenhang mit der Begründung eines Dauerschuldverhältnisses nicht darüber hinausgegangen ist. Denn nach den Erfahrungen des djb sind in der Vergangenheit viele Klagen wegen Geschlechtsdiskriminierung bereits daran gescheitert, dass die diskriminierte Person keine Tatsachen glaubhaft machen konnte, welche eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen. Die wenigen vor den Gerichten in den letzten Jahren verhandelten Fälle von Geschlechtsdiskriminierung hatten fast ausnahmslos geschlechtsspezifisch formulierte Stellenausschreibungen zum Gegen­stand oder richteten sich gegen die explizite Nichteinstellung Schwangerer. Im Rahmen der Begründung von Vertragsverhältnissen, wie z.B. von Arbeits- oder Mietverhältnissen, haben nämlich die abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber in der Regel keine Informationen darüber, aus welchem Bewerberkreis und unter welchen Gesichtspunkten der Arbeitgeber oder Vermieter seine Auswahl getroffen hat oder wie die Belegschaft des Betriebes oder die Mieterschaft einer Wohnungsbaugesellschaft zusammengesetzt ist, wenn solche Gesichtspunkte zusammen mit der Ablehnung nicht ausnahmsweise freiwillig mitgeteilt werden. Während im Arbeitsrecht noch der eher seltene Fall eintreten kann, dass die betriebliche Arbeitnehmervertretung, falls es sie gibt, einer anderweitigen Einstellung wegen Verstoßes gegen §§ 611 a BGB widerspricht und auch die abgelehnten Bewerberinnen und Bewerber davon zufällig erfahren, fehlt im Mietrecht auch dies. Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Möglichkeit eines Testings hilft nur weiter, solange die Stelle oder Wohnung noch nicht anderweitig vergeben ist. Dann aber wissen die Diskriminierten zumeist noch gar nicht, dass sie abgelehnt werden sollen.

Angesichts der starken Machtungleichgewichte auf dem Arbeits- bzw. Wohnungsmarkt stellt es für Bewerberinnen und Bewerber um Arbeitsplätze und Wohnungen ein elementares Problem dar, wenn sie bei der Vergabe dieser knappen Ressourcen auch noch wegen eines der in § 1 AGG-E genannten Merkmale benachteiligt werden. Deshalb sollte der Gesetzgeber zumindest hier eine Beweislastumkehr vorsehen, um den neuen Diskriminierungsverboten eine ernsthafte Durchsetzungschance zu geben.

Verbandsbeteiligung

Die EU-Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG schreiben sämtlich vor, dass Verbände, die ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen der jeweiligen Richtlinie zu sorgen, sich künftig im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche aus dieser Richtlinie vorgesehenen Gerichts- und Verwaltungsverfahren beteiligen können. Für eine Umsetzung sind nach deutschem Recht vier verschiedene Wege denkbar:

  • Die Verbände dürfen die Betroffenen unterstützen, indem sie diese beraten und im Verfahren begleitend anwesend sind, ohne jedoch selbst aktiv werden (bloße Beteiligung).
  • Die Verbände dürfen die Betroffenen im Prozess als Bevollmächtigte vertreten (Prozessvertretung, z.B. Gewerkschaften nach § 11 Abs. 1 und 2 ArbGG).
  • Die Verbände dürfen die Rechte Betroffener vor Gericht mit deren Zustimmung an deren Stelle in eigener Regie wahrnehmen (Prozessstandschaft, z.B. Behindertenverbände nach § 63 SBG IX).
  • Die Verbände dürfen die Einhaltung des Gesetzes aus eigenem Recht einklagen (Verbandsklage, z.B. Behindertenverbände nach § 13 BGG).

Um wirksam gegen Diskriminierungen vorgehen zu können und insbesondere nicht durch die Angst der Diskriminierten vor zeitlichen Belastungen, Kosten und Repressionen immer wieder ausgebremst zu werden, ist es erforderlich, den Antidiskriminierungsverbänden zumindest die Möglichkeit zur Prozessstandschaft, besser noch zu einer eigenen Klage im Sinne einer Verbandsklagebefugnis einzuräumen. Aus der individuellen Sicht der Diskriminierten sind viele Fälle im Vergleich zu den Mühen und Risiken einer Individualklage nicht bedeutend genug, so dass sie erst gar nicht klagen oder schnell aufgeben. Zudem kann über Individualklagen eine weit verbreitete Diskriminierungspraxis in ihrer Gesamtheit oder eine Diskriminierungsstruktur, z.B. in einem Tarifvertrag, nicht ausreichend erfasst werden, weil sich die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen im Fall eines Klageerfolges immer nur auf den Einzelfall erstreckt und diskriminierende Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen ansonsten wirksam bleiben bzw. unverändert fortbestehen. Das deutsche Antidiskriminierungsrecht krankt insgesamt daran, dass es aus der Bindung an Einzelpersonen und Einzelfälle nicht herausführt. Auf diese Weise werden die Mitglieder der Gesellschaft, die erfahrensgemäß häufig Diskriminierungen ausgesetzt und deshalb sowieso schon schwächer sind, mit der Aufgabe allein gelassen, einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel einzuleiten und durchzusetzen.

Der derzeitige Entwurf enthält in § 23 Abs. 2 Satz 1 AGG-E dennoch nur eine Prozessvertretung in gerichtlichen Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. Antidiskriminierungsverbände können damit nicht unabhängig von den Betroffenen vor Gericht agieren und sind auf die jeweils unterste Gerichtsinstanz beschränkt: In der Arbeitsgerichtsbarkeit dürfen sie Betroffene nur in der ersten Instanz vertreten. Ihre Beteiligungsmöglichkeiten bleiben damit noch hinter denjenigen von Gewerkschaften zurück, die nach § 11 Abs. 2 ArbGG immerhin noch in der zweiten Instanz, also vor den Landesarbeitsgerichten, auftreten dürfen. Bei Zivilklagen können Verbände Betroffene ebenfalls nur vor dem Amtsgericht vertreten und damit nur bei Streitwerten bis einschließlich 5000 Euro. Auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Verbände Betroffene nur in der ersten Instanz vor dem Verwaltungsgericht vertreten. Damit werden die Verbände in allen drei Gerichtszweigen gehindert, Prozesse durch den gesamten Instanzenzug zu begleiten. Gerade Diskriminierungsfälle mit höheren Streitwerten oder von grundlegender Bedeutung bleiben den Antidiskriminierungsverbänden entzogen bzw. werden ihnen ab der zweiten Instanz sofort wieder abgenommen. Aus Verbandssicht wäre es angesichts der eigenen knappen Ressourcen jedoch gerade wichtig, die eher größeren, gravierenderen Fälle und solche von grundlegender Bedeutung durch alle Instanzen begleiten zu können. Eine Kooperation mit spezialisierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, wie sie die Gesetzesbegründung den Antidiskriminierungsverbänden statt dessen empfiehlt, mag im Einzelfall sinnvoll sein, erhöht jedoch die Verfahrenskosten und den Arbeitsaufwand.

Hinzu kommt, dass nach § 23 Abs. 2 Satz 2 AGG-E den Antidiskriminierungsverbänden das Recht, in der mündlichen Verhandlung weiter zu plädieren nach § 157 Abs. 2 ZPO entzogen werden kann, wenn der Verband aus Sicht des Gerichts zu einem geeigneten Vortrag nicht in der Lage ist. Der Gesetzgeber zeigt damit nur geringes Vertrauen in die juristischen Fähigkeiten der Antidiskriminierungsverbände, indem er sie der richterlichen Aufsicht und Bevormundung unterstellt. Derartiges war beispielsweise im Umweltschutzrecht bezogen auf die Umweltverbände oder im Behindertenschutzrecht bezogen auf die Behindertenverbände nie vorgesehen. Daher ist zumindest Satz 2 in § 23 Abs. 2 ersatzlos zu streichen.

Um auf dem Rechtsweg wirksam und systematisch gegen diskriminierende Strukturen oder bestimmte weit verbreitete Praktiken vorgehen zu können, brauchen die Antidiskriminierungsverbände die Verbandsklagemöglichkeit, für welche das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) Vorbild sein könnte, zumindest aber eine gesetzliche Prozessstandschaft, wie sie im unveröffentlichten ersten Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vom Mai 2004 noch vorgesehen war.

Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, Antidiskriminierungsverbände könnten doch bereits heute nach dem UKlaG oder dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Unterlassung klagen, eine eigene Verbandsklage sei also gar nicht nötig, geht fehl. Es ist für heutige Antidiskriminierungsverbände wie den djb weder sinnvoll noch zumutbar, die Satzung dahingehend zu ändern, dass Aufgaben des Verbraucherschutzes bezogen auf ihre jeweilige Klientel stärker in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit gerückt werden. Denn diese Verbände sind keine Verbraucherschutzorganisationen, die auch Ziele im politischen Raum verfolgen, wie der in der Gesetzesbegründung beispielhaft erwähnte ADAC. Sie sind vielmehr vorrangig auf eine politisch-gesellschaftliche Einflussnahme und Gestaltung hin ausgerichtet. Angesichts ihrer nur begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen sind die Möglichkeiten solcher Antidiskriminierungsverbände zur individuellen Aufklärung und Beratung ihrer Mitglieder oder gar noch darüber hinaus anderer Betroffener stets begrenzt. Den Antidiskriminierungsverbänden hilft deshalb keine Befugnis zur Unterlassungsklage durch die juristische Hintertür des Verbraucherschutzes, welche zudem durch jedes Gericht in Frage gestellt werden kann. Sie benötigen eine eigene explizit gesetzlich geregelte Klagebefugnis.

 

Abschnitt 6 – Antidiskriminierungsstelle

Der djb begrüßt, dass der Gesetzgeber eine zentrale Antidiskriminierungsstelle auf Bundesebene schaffen will, die ausnahmslos für alle in § 1 AGG-E genannten Merkmale zuständig ist, auch wenn die Rahmenrichtlinie Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG im Gegensatz zu den anderen drei Antidiskriminierungsrichtlinien für die dort genannten Merkmale keine solche Stelle verlangt. Denn nur durch eine zentral angesiedelte umfassend zuständige Stelle kann eine Auseinanderentwicklung des Diskriminierungsschutzes bei einzelnen Merkmalen vermieden und insbesondere das Problem der Mehrfachdiskriminierung effektiv angegangen werden. Im Detail erscheint der Abschnitt 6 jedoch noch wenig systematisch und durchdacht.

Die Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die EU-Richtlinien verlangen, dass die Antidiskriminierungsstellen zwar nicht selbst unabhängig sind, jedoch unabhängig arbeiten können. § 26 Abs. 1 Satz 3 AGG-E nimmt diesen Anspruch in zutreffender Weise auf. Für diese Unabhängigkeit kommt der Art und Weise, wie die Leitung der neuen Antidiskriminierungsstelle ausgewählt und ernannt wird, große Bedeutung zu. Im Vorentwurf war eine Ernennung durch den Bundespräsidenten vorgesehen, was der herausgehobenen Funktion und der Unabhängigkeit der Stelle sehr zuträglich gewesen wäre. Jetzt sieht § 26 Abs. 1 Satz 1 AGG-E nur noch eine Ernennung durch die Bundesministerin oder den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor, bei deren Ministerium die Stelle auch angesiedelt werden soll. Damit wird die Antidiskriminierungsstelle tendenziell zu einer Unterabteilung dieses Ministeriums herabgestuft und Schwierigkeiten haben, mit den Beauftragten der Bundesregierung und des Bundestages auf gleicher Augenhöhe zu kooperieren. Auch das direkte Vorschlagsrecht der Bundesregierung in § 26 Abs. 1 Satz 1 AGG-E vermag nicht voll zu überzeugen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz wird nach § 22 BDSG auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag gewählt und danach vom Bundespräsidenten ernannt. Eine solche Parlamentswahl und präsidiale Ernennung stärkt das Amt in seiner Unabhängigkeit gegenüber Bundesregierung und Ministerium durch seine direkte demokratische Legitimation. Dieses Verfahren sollte daher auch für die Leitung der neuen Antidiskriminierungsstelle gewählt werden.

Das Amtsverhältnis der Leitung der Antidiskriminierungsstelle soll nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 AGG-E jeweils mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages enden. Da eine Ernennung erst dann möglich ist, wenn sich ein neuer Bundestag und eine neue Bundesregierung konstituiert haben, beträgt die Amtszeit der Leitung der Diskriminierungsstelle faktisch weniger als 4 Jahre. Wenn vorzeitig Neuwahlen stattfinden oder sich die Regierungsbildung hinzieht oder eine neue Regierung die Leitung nicht sofort ernennt, ist die jeweilige Amtszeit sogar noch deutlich kürzer. Aber auch eine Legislaturperiode von vier Jahren ist zu kurz, um in einem derartig komplexen Bereich wie dem Kampf gegen Diskriminierungen effektiv tätig werden zu können. Außerdem müsste der nach § 27 Abs. 4 AGG-E dem Bundestag alle vier Jahre vorzulegende Bericht jeweils von einer neuen Leitung konzipiert und vor allem auch verantwortet werden. Der djb schlägt daher vor, die Leitung der Antidiskriminierungsstelle für zwei Legislaturperioden zu bestellen, um ihre Unabhängigkeit zu stärken und die Kontinuität und Effektivität der Arbeit zu gewährleisten.

Aufgaben und Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle

Auch die Aufgabenbeschreibung für die Antidiskriminierungsstelle ist im Entwurf weiterhin unbefriedigend geregelt. Nicht nur die Leitung der Stelle, sondern gerade auch die Stelle selbst muss nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in ihrer konkreten Arbeit unabhängig sein. § 27 Abs. 2 Satz 1 AGG-E legt die Antidiskriminierungsstelle, was die Einzelfallbetreuung betrifft, vorschnell und einseitig auf eine informierende, vermittelnde und eine gütliche Streitbeilegung hin ausgerichtete Unterstützungsstrategie fest. Es muss der Stelle jedoch auch möglich sein, in entsprechend gelagerten Fällen zur Durchführung eines Musterprozesses zu raten. Die Stelle darf deshalb in der Einzelfallbetreuung vom Gesetzgeber nicht von vornherein auf das Anstreben einer Kompromisslösung festgelegt werden. Vielmehr muss die Antidiskriminierungsstelle über Strategie und Taktik von Fall zu Fall selbst entscheiden können, soll sie tatsächlich „unabhängig“ arbeiten können. Nur eine so ausgestaltete echte Unabhängigkeit kann dazu führen, dass die Antidiskriminierungsstelle bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen, für die sie eingerichtet werden soll, überhaupt bekannt wird und auf Akzeptanz stößt.

§ 27 Abs. 4 AGG-E sieht eine Berichtspflicht der Antidiskriminierungsstelle nur alle vier Jahre vor. Das ist zu wenig und sollte alle zwei Jahre geschehen. Denn der Bericht zum Entwicklungsstand des Antidiskriminierungsrechts stellt die Hauptverbindung der Stelle zum Parlament dar und dürfte in der Regel das einzige Mittel sein, bestimmten Verbesserungsvorschlägen z.B. auch gegenüber der Bundesregierung politischen Nachdruck zu verleihen. Auch kann nur eine Berichtspflicht alle zwei Jahre sicherstellen, dass das Parlament auf Anliegen der Antidiskriminierungsstelle während einer Legislaturperiode noch reagieren kann.

Nach § 28 Abs. 2 AGG-E hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bisher ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht bei anderen Bundesstellen. Ansonsten kann sie nach § 28 Abs. 1 AGG-E Beteiligte nur um Stellungnahmen ersuchen. Die Antidiskriminierungsstelle braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Einzelfallbetreuung jedoch unbedingt auch einen Auskunftsanspruch z.B. gegenüber Arbeitgebern oder Vermietern. Denn das Hauptproblem bei einem angeblich diskriminierend verweigerten Vertragsschluss ist in der Regel gerade, dass die Abgelehnten über keinerlei Informationen bezüglich der Auswahlkriterien und des -verfahrens verfügen.

Beirat

Der djb begrüßt, dass die Arbeit der neuen Antidiskriminierungsstelle durch einen Beirat unterstützt werden soll, um entsprechend § 30 Abs. 1 Satz 1 AGG-E den Dialog mit Antidiskriminierungsorganisationen und -gruppen zu fördern. Die Besetzungsvorgaben in § 31 Abs. 2 AGG-E zeigen jedoch, dass der Gesetzgeber die Funktion des Beirats zwischen Expertengremium der Antidiskriminierungsstelle einerseits und Gremium für den Gruppendialog andererseits noch nicht hinreichend durchdacht hat.

Um dem Beirat ein angemessenes Gewicht zu verleihen, sollten seine Mitglieder nicht - wie in § 30 Abs. 2 Satz 1 AGG-E vorgesehen - durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berufen werden, sondern auf dessen Vorschlag hin durch den Deutschen Bundestag. Darüber hinaus ist das zahlenmäßige Verhältnis von Gruppenvertreter/innen und Experten/innen bisher nicht und die Vertretung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in § 30 Abs. 2 Satz 2 nur ungenügend geregelt. Hingegen begrüßt der djb, dass nach § 30 Abs. 2 Satz 3 AGG-E der Beirat mit Frauen und Männern zu gleichen Teilen besetzt werden muss. Diese Regelung trägt der Tatsache angemessen Rechnung, dass innerhalb anderer von Diskriminierung bedrohter gesellschaftlicher Gruppen Frauen jeweils anders und negativer betroffen sind als Männer. Abgesehen davon sollte aber durch eine entsprechende klarstellende Regelung sichergestellt werden, dass im Beirat alle von Diskriminierung i.S.d. § 1 AGG-E betroffenen Gruppen angemessen repräsentiert werden.

§ 30 AGG-E trifft bisher keine Aussage dazu, wie lange der Beirat im Amt bleiben soll und unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder des Beirats ausgetauscht werden können. Aus Sicht des djb sollte auch die Amtszeit des Beirats bzw. die seiner Mitglieder zeitlich begrenzt werden.

Berlin, 22. Juni 2006

Jutta Wagner
Präsidentin

Prof. Dr. Sibylle Raasch
Vorsitzende der Kommission Arbeits-,
Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht