Stellungnahme: 06-06


zum „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie“

Stellungnahme vom

Der djb ist der Ansicht, dass der Gesetzentwurf den Rahmenbeschluss vom 22. Dezember 2003 zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie (ABl (EU) Nr. L 13 vom 20. Januar 2004, S. 44) nicht hinreichend umsetzt.

Im Einzelnen

1. Der Rahmenbeschluss nimmt in Art. 1 lit. b Begriffsbestimmungen der Kinderpornographie vor, deren Pönalisierung den Mitgliedstaaten – mit gewissen Einschränkungen in Art. 3 – aufgegeben ist.

– Die in b I genannten Handlungen sind im deutschen Strafgesetzbuch mit § 184 b Abs. 1 nicht erfasst. § 184 b Abs. 1 StGB stellt auf solche Schriften ab, die den sexuellen Missbrauch von Kindern im Sinne der §§ 176 – 176 b StGB zum Gegenstand haben. Es fehlt insbesondere „das aufreizende Zurschaustellen der Genitalien oder der Schamgegend von Kindern“. Diese wird durch den in seiner Reichweite umstrittenen Begriff der „sexuellen Handlung“ nicht eindeutig erfasst. § 176 Abs. 4 StGB geht auf pornographische Schriften nur insoweit ein, als sie Kindern vorgeführt werden oder durch sie auf Kinder eingewirkt wird. Die schlichte Abbildung fällt nicht darunter.

– Darstellung von nichtechten Kindern, die aktiv oder passiv an sexuellen Handlungen beteiligt sind (Art. 1 lit. b III des Rahmenbeschlusses) fällt nicht unter die deutsche Definition von kinderpornographischen Schriften im Sinne des § 184 b Abs. 1 StGB.

– Die Darstellung von echten Personen mit kindlichem Erscheinungsbild, die aktiv oder passiv an sexuellen Handlungen beteiligt sind (Art. 1 lit. b II des Rahmenbeschlusses) fällt ebenfalls nicht unter die deutsche Definition. Personen mit nur kindlichem Erscheinungsbild sind nun einmal nicht Personen, die an einem sexuellen Missbrauch im Sinne des § 176 beteiligt sein können, auf die die deutsche Definition Bezug nimmt. Zwar erlaubt Art. 3 Abs. 2 lit. a des Rahmenbeschlusses, dass ein Mitgliedstaat festlegt, dass Handlungen nach Art. 1 lit. b II des Rahmenbeschlusses keinen Straftatbestand erfüllen, wenn die echte Person mit kindlichem Erscheinungsbild zum Zeitpunkt der Abbildung in Wirklichkeit 18 Jahre oder älter war. Da jedoch Art. 1 lit. b III des Rahmenbeschlusses, der die Darstellung von nichtechten Kindern erfasst im Ergebnis weiter ist, als Art. 1 lit. b II des Rahmenbeschlusses, ist es nicht schlüssig die Darstellung echter Personen mit kindlichem Erscheinungsbild nicht einzubeziehen.

Nach alledem ist der Entwurf, wenn er lediglich die Ausweitung des § 184 b StGB  auf Personen von bis zu 18 Jahren regelt, ungeeignet, den Rahmenbeschluss vollständig umzusetzen.

2. Ebenfalls nicht umgesetzt ist Art. 2 des Rahmenbeschlusses, jedenfalls nicht hinreichend. Da Art. 1 des Rahmenbeschlusses in lit. a den Begriff „Kind“ für die Reichweite und den Geltungsbereich des gesamten Rahmenbeschlusses generell als „jede Person unter 18 Jahren“ definiert, ist notwendige Konsequenz, dass auch die Straftatbestände der sexuellen Ausbeutung von Kindern, zu deren Ausweitung die Mitgliedstaaten durch den Rahmenbeschluss verpflichtet werden, diese Personengruppe komplett und gleichermaßen schützen muss.     

3. Der Art. 2 des Rahmenbeschlusses listet Handlungen auf, die in den Mitgliedstaaten unter Strafe zu stellen sind.
a) Ein Spezialtatbestand der Nötigung von Kindern zur Prostitution ist insofern in deutschem Recht nicht erforderlich, als § 180 Abs. 2 StGB schon das Bestimmen der Kinder zu solchen Handlungen unter Strafe stellt, also über die Vorgaben des Rahmenbeschlusses bereits hinausgeht. Indessen ist die Nötigung zur Mitwirkung an pornographischen Darbietungen insofern im deutschen Recht nicht umgesetzt, als der Begriff der Kinderpornographie im Sinne des § 184 b Abs. 1 StGB nicht alle pornographischen Darstellungen umfasst, wie sie der Rahmenbeschluss in Art 1 definiert.   
Ferner ist die Nötigung von Kindern im Sinne des Rahmenbeschlusses insofern unvollständig im deutschen Strafgesetzbuch umgesetzt, als in § 182 StGB, einem Spezialfall der sexuellen Nötigung, nur Personen bis zu 16 Jahren als Opfer erfasst sind, die Definition des Rahmenbeschlusses also nicht in vollem Umfang abgedeckt wird. Darüber hinaus geht es in diesen Fällen um qualifizierte Nötigungen, ebenso wie in § 177 StGB. Die einfache Drohung mit einem empfindlichen Übel ist von diesen Tatbeständen nicht erfasst.
b) Der Rahmenbeschluss schreibt vor, dass das Anwerben von Kindern zur Prostitution oder zur Mitwirkung an pornographischen Darbietungen unter Strafe zu stellen ist. Zwar pönalisiert § 180 Abs. 2 StGB denjenigen, der eine Person unter 18 Jahren (u.a.) zur Prostitution bestimmt. Das Bestimmen ist allerdings mehr als das bloße Anwerben, weil es den Erfolg, die Vornahme der sexuellen Handlungen, voraussetzt. Das Anwerben kann auch fehlgeschlagene Versuche umfassen, Kinder zur Prostitution zu bringen.

4.  Der Gesetzgeber versäumt es, in dem Entwurf die Frage zu regeln, ob sich downgeloadete kinderpornographische Dateien im Besitz (iSv § 184 Abs. 5 StGB) desjenigen sich befinden, der den Besitz an der entsprechenden EDV-Anlage hat und ob die temporäre Speicherung im RAM oder die Speicherung entsprechender Cookies den Tatbestand des Besitzens ausfüllen können soll. Problematisch ist hier regelmäßig der subjektive Tatbestand.

Es stellt sich auch die Frage, ob man das bloße Anschauen von Kinderpornographie im Internet – wegen der die Nachfrage begründenden oder fördernden besonderen Gefährlichkeit im Zusammenhang mit der sexuellen Ausbeutung von Kindern – bereits als tatbestandsmäßiges Verhalten regeln sollte. Zu überlegen wäre dann, etwa eine Beweisregel aufzustellen (bezüglich entsprechender Cookies o.ä.) oder eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, die das Anschauen nur dann kriminalisiert, wenn es wiederholt, beharrlich dauerhaft oder ähnlich regelmäßig vorkommt. Der Gesetzgeber sollte die Neuregelung der entsprechenden Vorschriften nutzen, um auch diese Frage zu regeln.

5.  Im Übrigen läuft die Kriminalisierung von Kinderpornographie, soweit es sich um Taten handelt, die im Zusammenhang mit EDV und WWW begangen werden, ins Leere, wenn die entsprechenden Eingriffsermächtigungen nicht geregelt sind. Da es ein zwar netter, aber kein überzeugender Versuch ist, diese Eingriffe über die analoge Anwendung von Durchsuchung und Beschlagnahmevorschriften zu konstruieren, bietet es sich an, § 110 a StPO um eine entsprechende Katalogtat zu ergänzen.

Jutta Wagner
Präsidentin                                       

Cristina Tinkl
Vorsitzende der Kommission Strafrecht

Dagmar Freudenberg
Vorsitzende der Kommission Gewalt gegen Frauen und Kinder