Stellungnahme: 05-16


zum Entwurf einer Novelle des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund begrüßt, dass mit der Aufwertung des Gesetzesziels "Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit von Frauen und Männern" der Blick auf die Gleichstellung von Männern hinsichtlich ihrer Teilhabe an der Familienarbeit verstärkt wird. Bislang wurde die Vereinbarkeitsproblematik zu sehr unter Perpetuierung vorhandener Rollenzuschreibungen - "Familienarbeit ist Aufgabe von Frauen" - diskutiert, ohne die Verantwortung von Männern mit zu bedenken. Diese Blickverengung wurde bisher auch als Entschuldigung verwendet, um die zum Abbau von Frauenunterrepräsentanz notwenigen Strukturveränderungen, gerade im Führungs- und Leitungsbereich, nicht vornehmen zu mssen. Nachdrücklich wird auch die Regelung des 7 begrüßt, wodurch der Ansatz des Gender Mainstreaming für den Adressatenkreis deutlich wahrnehmbar verankert wird. Folgerichtig werden die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten im Gesetzentwurf um ein Initiativrecht zu Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ( 19 Abs. 1 S. 4) ausgeweitet und die Gleichstellungsbeauftragte als Ansprechpartnerin für Frauen und Männer positioniert.
Mit der neuen Orientierung des NGG auf Familienfreundlichkeit ist es allerdings unvereinbar, wenn der bisherige Anspruch der Beschäftigten auf Kinderbetreuung bei der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen in den §§6 und 14 entfällt und stattdessen nur noch vage Ansprüche auf Kostenerstattung gegeben werden. Auch eine Aufgabe des bisherigen Anspruchs auf gleitende Arbeitszeit ist nur dann familienfreundlich, wenn der in 5 Satz 1 statt dessen gegebene Anspruch auf individuelle Gestaltung der Arbeitszeit in Anlehnung an das BErzGG nicht schon aus "überwiegenden" sondern nur aus "dringenden" dienstlichen Belangen abgelehnt werden kann.
Der djb hält es für notwendig, das Gesetzesziel "Abbau von Unterrepräsentanz" insbesondere im Hinblick auf die nach wie vor unzureichende Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen mit mehr Nachdruck als bisher zu verfolgen und dies auch gesetzlich abzusichern. Vor diesem Hintergrund bedeutet es eine eindeutige Verschlechterung, wenn im Gesetz die bisher zwingend vorgegebene quotierte Stellenbesetzung in 13 Abs. 4 aufgegeben wird, ohne dass zugleich das Instrument der Zielvorgaben in den Gleichstellungsplänen entsprechend verstärkt wird. Auch ist nicht einsichtig, warum eine Unterrepräsentanz nach 3 Abs. 3 künftig schon beseitigt sein soll, wenn nur 45 Prozent der Positionen mit einem Geschlecht besetzt sind. Der Gesetzgeber unterliegt durch den Gleichstellungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einem Untermaßverbot: Er muss sein grundgesetzlich vorgegebenes Ziel durch effektive Maßnahmen zu erreichen suchen und darf dabei nicht hinter einen bereits erreichten Stand zurückfallen, indem er wirksame Instrumente durch wirkungslosere ersetzt.
Bei der Erstellung und Erfüllung von Gleichstellungsplänen fehlen aber bisher ernstzunehmende Sanktionen. Dies ist unverständlich angesichts des Befundes, dass schon die bisherigen Stufenpläne nicht befriedigend erstellt und umgesetzt wurden. Die Verpflichtung der Dienststelle, den vor ihr erstellten Gleichstellungsplan bei anschließenden Personalmaßnahmen und Personalentwicklungskonzepten auch zu berücksichtigen, sollte sich von selbst verstehen. Die Verpflichtungen, die Gleichstellungsbeauftragte zu beteiligen und durch Bekanntgabe der Pläne an die Beschäftigten eine gewisse Transparenz herzustellen, sowie eine Berichtspflicht gegenber dem Landtag entfalten aller Erfahrung nach keinen hinreichenden Durchsetzungsdruck auf einzelne Dienststellen. Der djb hält es daher für unerlässlich, über das bloße Beanstandungsrecht der Gleichstellungsbeauftragten in §20 hinaus einen Devolutiveffekt vorzusehen, indem sich die Gleichstellungsbeauftragte bei Dissens mit ihrer Dienststellenleitung über die Erstellung oder Umsetzung des Gleichstellungsplanes, aber auch in sonstigen Konflikten im Rahmen ihrer Aufgaben nach 19 Abs. 1 an ihre oberste Dienstbehörde wenden kann und Maßnahmen bis zu deren Entscheidung nicht vollzogen werden dürfen. Um zu verhindern, dass die Gleichstellungsbeauftragte entgegen den gesetzlichen Vorgaben gar nicht erst beteiligt wird, sollten ohne die erforderliche Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten getroffene Maßnahmen unwirksam sein, soweit nicht zwingende andere gesetzliche Regelungen entgegen stehen. Dem entsprechend sollte die Gleichstellungsbeauftragte in 21 Abs. 7 Nr. 1 auch gegenüber ihrer obersten Dienstbehörde von der Schweigepflicht befreit werden.
Die Ausbildungsplatzquote des bisherigen 6 hat sich bewährt und sollte daher in §13 beibehalten werden. Eine volle Gleichstellung ist im öffentlichen Ausbildungsbereich Niedersachsens noch nicht erreicht. Außerdem könnte es ohne die Quote Rückentwicklungen geben. Zudem sind die großen Gleichstellungsdefizite im Ausbildungssektor bei der Privatwirtschaft mit zu bedenken.
Auch sollten freie Stellen wie bisher entgegen der Neufassung in 11 grundsätzlich öffentlich, zumindest aber intern ausgeschrieben werden, da sich diese Regelung aus Frauensicht besonders bewährt hat und auch Quereinsteigerinnen Chancen eröffnet. Stellen, auf die Beschäftigte, die sich im Personalüberhang befinden, umgesetzt oder versetzt werden sollen, unterliegen derartigen Ausschreibungspflichten ohnehin nicht.
Bei den Auswahlkriterien sollten solche, die Frauen nachweislich diskriminieren und nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig sind, wie z.B. Familienstand und eigene Einkünfte des Partners oder der Partnerin, in §9 ausdrücklich ausgeschlossen werden, wie dies bereits in §8 Abs. 4 BerlLGG geschieht. §13 Abs. 1 Satz 3 hat angesichts des vorausgehenden Satzes 2 keinen Regelungsbereich und sollte deshalb ersatzlos gestrichen werden.
Ferner ist zu kritisieren, dass der Anwendungsbereich des NGG ohne Begründung reduziert werden soll, indem 2 Abs. 3 die Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft und der freien Berufe von der Beachtung der Gleichstellungsziele frei stellt. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts sollten sie im Gegenteil voll in den Anwendungsbereich des Gleichstellungsgesetzes einbezogen werden. Auch die Herausnahme der selbstständigen Betriebe einschließlich der Eigenbetriebe der Kommunen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes durch 3 Abs. 2 ist ungerechtfertigt. Gerade hat der EuGH in der am 22.10.2005 ergangenen Entscheidung Mangold klargestellt, dass die europarechtlichen Diskriminierungsverbote auch unter Privaten Geltung haben. Insofern hat der Staat seinen Gleichstellungsverpflichtungen sowohl verfassungsrechtlich als auch europarechtlich auch dann weiter nachzukommen, wenn er öffentliche Aufgaben durch private Rechtstrger, bei denen er Mehrheitsgesellschafter ist, erfüllt oder auf solche verlagert.
Positiv zu bewerten ist, dass die Freistellungsansprüche von Gleichstellungsbeauftragten in kleineren Dienststellen durch 21 Abs. 2 Satz 4 konkretisiert werden. Abzulehnen ist allerdings, dass den Gleichstellungsbeauftragten die zusätzliche Betreuung von Beschäftigten nachgeordneter kleinerer Dienststellen ( 18 Abs. 3) gem §21 Abs. 3 Satz 2 nur zur Hälfte angerechnet werden soll. Tatsächlich ist die Betreuung von Beschäftigten in anderen Dienststellen sogar zeitaufwendiger. Z.B. verlangt §19 Abs. 6 Satz 3 eigene Frauenversammlungen für jede Dienststelle. Die Betreuung solcher Beschäftigter ist daher voll anzurechnen. Der Gesetzgeber darf nicht zu Lasten der ohnehin überlasteten Gleichstellungsbeauftragten sparen und damit die bisherige Betreuung der Beschäftigten verschlechtern.
Gesetzestechnisch ist es geboten, §1 des Entwurfs um die Adressaten "Rechtsprechung und Hochschulen" zu ergnzen. Der Begriff "Verwaltung" erfasst auch bei extensiver Interpretation weder die Rechtsprechung noch die Hochschulen.


28. November 2005

 

Ruth Schimmelpfeng-Schütte
Vorsitzende des Landesverbandes Niedersachsen