Stellungnahme: 05-05


des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) zum Entwurf eines ADG-E vom 16.12.2004

Stellungnahme vom

I. Einleitung

Der djb begrüßt es, dass mit dem nun vorliegenden Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes – ADG-E – Diskriminierungen in wesentlichen Lebens- und Gesellschaftsbereichen bekämpft werden sollen. Mit dem Entwurf wird deutlich gemacht, dass das Recht auf Seiten der Diskriminierten ist und dass sie ihr Recht selbst in die Hand nehmen können. Um in Deutschland eine Kultur der Antidiskriminierung zu fördern, bedarf es gesetzlicher Regelungen, ohne sie wird sich der oft angemahnte Bewusstseinswandel nicht vollziehen.

Der im ADG-E gewählte Ansatz, die Regelung der Diskriminierungsverbote in den unterschiedlichen Bereichen, vor allem im Arbeits- und Zivilrecht, in einem Gesetz zusammenzufassen, macht die Vielfalt diskriminierender Verhaltensweisen besonders augenfällig, gewährleistet Konsistenz und wird Signalwirkung haben.

Die Aufnahme aller in den Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG genannten Diskriminierungsmerkmale in beide Bereiche - Arbeits- und Zivilrecht - ist zu begrüßen, insbesondere das Verbot geschlechtsbezogener Diskriminierung im Zivilrecht. Der Entwurf nimmt auch zutreffend Mehrfachdiskriminierungen in den Blick, von denen Frauen besonders häufig betroffen sind.

Zu begrüßen ist auch die Unterstützung diskriminierter Personen durch die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle, deren Aufgabenstellung alle EU-rechtlichen Diskriminierungsmerkmale einschließt. Das gilt auch für das Recht des Betriebsrats oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, gegen Diskriminierungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgehen zu können, verbunden mit den notwendigen Ergänzungen hinsichtlich der EU-rechtlichen Diskriminierungsmerkmale in den betriebsverfassungs- und personalvertretungsrechtlichen Regelungen.

Der djb kann die zahlreichen Gegenargumente nicht nachvollziehen:

Wo nicht diskriminiert wird, wird das Gesetz keine Veränderungen im Rechtsalltag bewirken und schon deshalb keine Prozessflut auslösen. Wo aber diskriminiert wird, sind (einfach)gesetzliche Regelungen notwendig, denn die Drittwirkung der verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbote auf privatrechtliche Beziehungen ist beschränkt und greift gerade bei einer Vertragsverweigerung nicht. Eine Überregulierung stellt das ADG deshalb keineswegs dar, vielmehr verpflichtet Art. 3 GG den Gesetzgeber zum Tätigwerden gerade in diesem Bereich, wenn er Verstöße gegen das verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot feststellt, wie sie in der Gesetzesbegründung eindrucksvoll dokumentiert werden. Dass Diskriminierungen derzeit in nicht unerheblichem Umfang stattfinden, legen darüber hinaus gerade die teilweise heftigen Reaktionen aus der Wirtschaft und die Sorge vor zahlreichen Entschädigungsklagen nahe.

Der Gesetzentwurf ist auch weder ein Anschlag auf die Grundfesten der Demokratie noch eine Abschaffung der Vertragsfreiheit, sondern ein Schritt zur Verwirklichung eines diskriminierungsfreien Zusammenlebens der Menschen als Grundlage der Zivilgesellschaft. Das Gesetz gestaltet dabei die Vertragsfreiheit so aus, dass sie auch für diejenigen gewährleistet wird, die bisher durch Diskriminierungen von ihr ausgeschlossen blieben.

Der djb ist befremdet, dass die im ADG-E enthaltene Beweiserleichterung in der Öffentlichkeit vielfach als Beweislastumkehr zu Lasten Diskriminierender dargestellt wird. Er weist darauf hin, dass die Opfer einer Diskriminierung den Gerichten nach wie vor zuerst Tatsachen vortragen und glaubhaft machen müssen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, bevor die Gegenseite ihr Verhalten sachlich rechtfertigen muss – eine Hürde, die schon bisher in vielen Fällen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung vor den Arbeitsgerichten nicht übersprungen werden konnte.

II. Erheblicher Nachbesserungsbedarf

Der djb regt folgende Klarstellungen und Änderungen in Artikel 1 ADG-E an, um eine richtlinienkonforme Umsetzung und einen umfassenden und effizienten Diskriminierungsschutz zu gewährleisten:

 

Abschnitt 1 - Allgemeiner Teil

Fragwürdige Begrifflichkeit

Der djb widerspricht der Verwendung des Begriffs der „ Rasse“ in § 1 ADG-E und durchgehend im gesamten Gesetzestext wie schon in seiner Stellungnahme zum Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht vom 18.2.2002 (www.djb.de Nr. 02-05). Die Begründung zum ADG-E erkennt zwar die Problematik und weist Theorien zurück, die die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen versuchen. Sie erkennt auch zutreffend, dass derjenige, der sich rassistisch verhält, gerade dies annimmt. Dann sollte die Gesetzessprache aber nicht diesen Sprachgebrauch übernehmen, sondern richtigerweise von „ zugeschriebener Rasse“ oder „ Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ sprechen. Die Verwendung des Begriffs „ Rasse“ im Völkerrecht und im europäischen Recht ist keine ausreichende Rechtfertigung für das Festhalten an diesem Begriff gerade in einem bundesdeutschen Gesetz.

Verbot der unmittelbaren Diskriminierung durch Schlechterstellung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft und durch Belästigung und sexuelle Belästigung auch im Zivilrecht

§ 3 Abs. 1 ADG-E enthält die für alle Bereiche geltende Definition der unmittelbaren Diskriminie­rung. In Satz 2 der Vorschrift ist eine Diskriminierung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft zwar zutreffend und in Übereinstimmung mit Art. 2 (7) der Richtlinie 2002/73/EG als un­mit­telbare Diskriminierung bezeichnet, jedoch nur in Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Bereich (Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4). Art. 4 (1) a) der Richtlinie 2004/113/EG verbietet eine Schlech­terstellung wegen Schwangerschaft und Mutterschaft aber ebenfalls im Zivilrecht als eine Form der unmittelbaren Diskriminierung. Belästigung und sexuelle Belästigung sind in beiden Richtlinien und damit im arbeits- und zivilrechtlichen Bereich als unmittelbare Diskriminierungen untersagt. Daher ist es erforderlich, in § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 und 5 die Worte „ in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 4“ zu streichen, um den zivilrechtlichen Bereich europarechtskonform einzubeziehen (s. auch unter Abschnitt 3 - Unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinien).

Subjektive Annahme eines Diskriminierungsmerkmals auch im Zivilrecht

Die nur für den arbeitsrechtlichen Bereich getroffene und sehr zu begrüßende Regelung in § 7 Abs. 1 ADG-E, nach der Diskriminierungen auch untersagt werden, wenn der Diskriminierer ein Dis­kriminierungsmerkmal nur annimmt, sollte in den Allgemeinen Teil aufgenommen werden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Diskriminierungsverbote im zivilrechtlichen Bereich im Ge­gen­satz zum arbeitsrechtlichen Bereich nur gelten sollen, wenn ein Diskriminierungsmerkmal tat­sächlich vorliegt (s. auch unter Abschnitt 3 – Inkonsistenzen im Arbeitsrecht und allgemeinen Schuld­recht).

 

Abschnitt 2 - Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung

Unzulässige Geschlechterdiskriminierung durch unterschiedliche Altersgrenzen

§ 10 Ziff. 4 letzter Satz setzt die Vorgabe des Art. 6 (2) der Richtlinie 2000/78/EG für eine zuläs­si­ge unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unzureichend um. Unterschiedliche Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit sind nach der Richtlinie nur zulässig, solange dies nicht zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt. Diese einschränkende Voraussetzung ist der genannten Vorschrift im ADG-E anzufügen.

Pflichten, nicht nur Obliegenheiten des Arbeitgebers

§ 12 Abs. 1 und 2 ADG-E enthält die Verpflichtung des Arbeitgebers, Maßnahmen einschließlich vor­beugender Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Der verpflichtende Charakter der Regelung wird zwar in § 16 Ziff. 2 ADG-E deutlich. Zumindest missverständlich formuliert ist aber Satz 3 des § 12 Abs. 1, der in der vorgelegten Form als Abschwächung zu einer Sollvorschrift verstanden werden könnte. Es sollte klargestellt werden, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers bindend ist, er jedoch bei der Auswahl der Mittel frei ist, solange diese geeignet sind, Benachteiligungen zu unterbinden. Darüber hinaus erscheint es geboten, den Arbeitgeber zu verpflichten, die Beschäftigten über die von ihm ergriffenen insbesondere vorbeugenden Maßnahmen nach Abs. 1 zu unterrichten. Das erhöht die Transparenz und wird wegen der hergestellten Betriebsöffentlichkeit zu einem diskriminierungsfreien Verhalten der Beschäftigten beitragen ebenso wie zu einer Ermutigung diskriminierter Beschäftigten, ihre Abwehrrechte geltend zu machen.

Bedenkliche Sanktionenregelungen

Die Ausgestaltung der Sanktionen bei festgestellter Diskriminierung in § 15 ADG-E begegnet in mehr­facher Hinsicht Bedenken:

Höhe der Entschädigung

§ 15 Abs. 1 ADG-E gibt die europarechtlichen Anforderungen an die Höhe der zu leistenden Ent­schä­digungszahlung nur unvollkommen wieder. Die Entschädigung oder der Ausgleich des Schadens muss wirksam, verhältnismäßig (dem erlittenen Schaden angemessen) und abschreckend sein, Art. 6 (2) und 8 d der Richtlinie 2002/73/EG, Art. 15 der Richtlinie 2000/43 und Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG. Von diesen Anforderungen greift § 15 Abs. 1 nur die Angemessenheit auf, während nach dem nicht der Öffentlichkeit vorgestellten Entwurf vom 6.5.2004 noch gefordert wurde, dass die Entschädigung geeignet sein müsse, den Arbeitgeber von künftigen Diskriminierungen abzuhalten. Diese auf Prävention zielende Anforderung bei der Bemessung der Entschädigungshöhe ist nicht nur wegen einer richtlinienkonformen Umsetzung aufzunehmen, sondern auch in Hinblick auf die bisher zu § 611 a BGB ergangenen Entscheidungen der Arbeitsgerichtsbarkeit. Denn die gerichtliche Ermessensausübung hat bisher stets zu einer nur geringen Entschädigungszahlung geführt, die eine abschreckende Wirkung nicht entfalten konnte. Ein anderer und nach Ansicht des djb besserer Weg wäre es, zumindest bei der Einstellungs- und Aufstiegsdiskriminierung Mindesthöhen für die Entschädigungsleistung in Höhe von drei Monatsverdiensten vorzusehen und nur die Entschädigungen bei den neuen Belästigungstatbeständen vollständig dem gerichtlichen Ermessen zu überlassen. So könnte der Gesetzgeber den präventiven Ansatz der Richtlinien weitestgehend umsetzen und der Befürchtung unkalkulierbarer Entschädigungsleistungen entgegenwirken.

Keine Privilegierung für diskriminierende Kollektivverträge

§ 15 Abs. 2 macht einen Entschädigungsanspruch von einem vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhalten des Arbeitgebers bei der Anwendung kollektivrechtlicher Regelungen abhängig. Zum einen ist hier auf die ständige Rechtsprechung des EuGH zu verweisen, wonach ein Mitglied­staat, der sich für eine Sanktion in Form einer Entschädigungszahlung entschieden hat, diese nicht von einem Verschulden des Arbeitgebers abhängig machen darf. Zum anderen sind die Mitgliedstaaten aus Art. 9 (1) der Richtlinie 2002/73/EG und Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet, die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung zu erlassen oder sicherzustellen, dass die Sozialpartner die erforderlichen Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinien vereinbaren. Die Erteilung eines „ Freibriefs“ für die Diskriminierungsfreiheit von Tarifverträgen erscheint nicht richtlinienkonform, solange der Gesetzgeber nicht auf andere Weise zugleich eine Überprüfung der Tarifwerke auf diskriminierende Regelungen sicherstellt, sondern ihn nur mit der angeblichen, empirisch nicht belegbaren Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen begründet. Denn die Diskriminierungsverbote sind nicht verhandelbar. Insbesondere besteht kein Anlass, die Anwendung diskriminierender Regelungen aus Tarifverträgen in dieser Weise zu privilegieren, wenn der Arbeitgeber einen für sein Unternehmen abgeschlossenen Haustarifvertrag oder eine für seinen Betrieb abgeschlossene Betriebsvereinbarung anwendet. Denn hier war der Arbeitgeber selbst als Vertragspartei bei der Vereinbarung dieser Regelungswerke beteiligt und hätte Diskriminierungen vermeiden müssen und auch können.

Fehlender Einstellungsanspruch

Der djb bedauert, dass die Sanktionen für Diskriminierungen im Arbeitsrecht weiterhin auf Scha­dens­ersatz und Entschädigungsleistungen beschränkt sind. Aus Sicht der von Diskriminierung Betroffenen wird sich deshalb auch künftig eine Klage nur selten persönlich lohnen. Die vollständige Ablehnung eines Einstellungsanspruchs für die/den Bestqualifizierte/n ist darüber hinaus im Hinblick auf § 22 Abs. 2 ADG-E unsystematisch, da der Anspruch auf Abschluss eines Vertrages im Zivilrecht Dauerschuldverhältnisse nicht ausnimmt.

Ausschlussfrist

Unsystematisch erscheint auch die modifizierte Beibehaltung der zweistufigen Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Entschädigung in § 15 Abs. 3 und für die Klageerhebung in § 61 b ArbGG i.d.F. des Entwurfs nur im arbeitsrechtlichen Bereich, während eine entsprechende Regelung für Diskriminierungsklagen im Bereich des Zivilrechts fehlt, also dort die mehrjährigen Verjährungsfristen gelten und dies sogar für den Anspruch auf Abschluss eines Vertrages.

 

Abschnitt 3 - Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr

Der djb begrüßt es, dass der Gesetzentwurf im allgemeinen Schuldrecht über die Eins-zu-eins-Umsetzung der RL 2000/43/EG hinausgeht und insbesondere die Diskriminierung wegen des Geschlechts, die in der sozialen Realität in der Regel zum Nachteil von Frauen wirkt, auch eines gesetzlichen Verbotes für würdig erachtet.

Keine Diskriminierung der Gleichbehandlung ungeachtet des Geschlechts

Der djb vermag jedoch nicht nachzuvollziehen, dass die Gleichbehandlung unabhängig vom Geschlecht nach wie vor im Vergleich zur Gleichbehandlung unabhängig von der zugeschriebenen Rasse und des ethnischen Ursprungs deutlich abgewertet wird. Die Differenzierung zwischen dem Verbot der Diskriminierung wegen der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft bei der Begründung, Durchführung und Beendigung von Verträgen über den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 ADG-E) einerseits und dem Verbot der Diskriminierung wegen aller übrigen Gründe nur bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ADG-E), ist nicht überzeugend begründet. Die Gesetzesbegründung (BT—Drs. 15/4538, S. 40 linke Spalte) bezieht sich nur auf die weitergehenden Vorgaben der RL 200/43/EG im Vergleich zur RL 2004/113/EG, die allerdings nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Die allgemeine Begründung weist zutreffend darauf hin, dass die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands bezüglich der rassistischen Diskriminierung ebenso wie bezüglich der Diskriminierung von Frauen eine Beseitigung der Diskriminierungen im Bereich des bürgerlichen Rechts umfassen (BT-Drs. 15/4538, S. 18f).

Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes

Hinzu kommt, dass das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland einen ausdrücklichen Gleich­stellungsauftrag mit Bezug auf das Geschlechterverhältnis enthält (Art. 3 Abs. 2 GG). Der vorliegende Gesetzentwurf schützt Frauen in so wichtigen Bereichen wie Zugang zu und Bedingungen von Geschäftskrediten (hierzu insb. Begründung S. 39 rechte Spalte 3. Absatz), Versorgung mit Geschäfts- und Wohnräumen, Zugang zu und Preise von Dienstleistungen im Zusammenhang mit geschäftlicher Werbung, Buchhaltung u.v.m. nicht vor Geschlechtsdiskriminierung. Hierzu lässt sich zwar die Auffassung vertreten, der grundgesetzliche Gleichstellungsauftrag verlange einen solchen Schutz nicht zwingend. Art. 3 Abs. 2 GG stellt aber auch ein Rangverhältnis zwischen der Geschlechtergleichheit auf der einen Seite und den übrigen Diskriminierungsverboten des Grundgesetzes auf der anderen Seite zugunsten der Geschlechtergleichheit her. Selbst wenn der Gesetzgeber dieses Rangverhältnis politisch nicht billigt, so ist er dennoch daran gebunden. Das schließt es aus, Frauendiskriminierung in weit größerem Umfang für legal zu erklären als die Diskriminierung aufgrund der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft.

Die Bindung an die RL 2000/43/EG und 2004/113/EG, die eine umgekehrte Hierarchie der Diskriminierungsverbote statuieren, ändert daran nichts. Beide RL sehen ausdrücklich vor, dass die Mitgliedstaaten weitergehende Vorschriften des Diskriminierungsschutzes schaffen oder aufrechterhalten können. Bei der Entscheidung für oder gegen einen solchen weitergehenden Diskriminierungsschutz bleibt der Gesetzgeber an das Grundgesetz gebunden.

Der djb weist zudem darauf hin, dass das Grundgesetz auch die Gleichbehandlung ungeachtet einer Behinderung höher einschätzt als die Gleichbehandlung ungeachtet der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft. Zwar enthält Artikel 3 insoweit keinen Gleichstellungsauftrag, aber Artikel 3 Abs. 3 Satz 2 statuiert im Gegensatz zu den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 hier ein asymmetrisches Diskriminierungsverbot, wodurch die Überwindung von Diskriminierungen sogenannter Behinderter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit zum Ziel der Verfassung wird. Auch die Diskriminierung der Behindertengleichbehandlung gegenüber der Gleichbehandlung ungeachtet der zugeschriebenen Rasse und ethnischen Herkunft ist daher verfassungsrechtlich unzulässig.

Der Vollständigkeit halber macht der djb darauf aufmerksam, dass die Formulierung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 redaktionell missglückt ist. Da die zweite Alternative, die oben zitiert wurde, weiter gefasst ist als die erste, verlangt das Gebot der Gesetzesklarheit, die erste Alternative zu streichen.

Zu weite Ausnahmen für Diskriminierung von Frauen insb. bei Versicherungen

Der Gesetzentwurf setzt die Diskriminierung einzelner Persönlichkeitsmerkmale – aus Sicht seiner Verfasserinnen und Verfasser konsequent – in § 21 fort. Hier wird das Diskriminierungsverbot zu einem bloßen Begründungsgebot abgeschwächt, indem jede Differenzierung wegen des Geschlechts (sowie der übrigen Gründe), für die sich ein sachlicher Grund finden lässt, für rechtlich akzeptabel erklärt wird. Auch dies ist mit der Bedeutung, die das Grundgesetz der Gleichstellung von Frauen und Männern bemisst, jedenfalls dann nicht vereinbar, wenn die Diskriminierung aufgrund zugeschriebener Rasse und ethnischem Ursprung ohne eine solche weite Ausnahme für unzulässig erklärt wird. Aus Sicht des Gebotes der Geschlechtergleichbehandlung sind allein spezifische Ausnahmen, wie sie in § 21 Nr. 2 angesprochen sind, anzuerkennen.

Besonders problematisch ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht, wenn der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern aufgrund statistischer Durchschnittswerte ausdrücklich legalisiert (§ 21 Nr. 5). Der Sinn des verfassungsrechtlichen Gleichstellungsgebotes ist es u.a., Frauen ebenso wie Männern eine Behandlung als Individuen zuzugestehen. Damit ist die personale Ebene des Diskriminierungsverbotes angesprochen: Es gewährleistet das Recht, als Mensch und Individuum beurteilt zu werden und nicht nach der individuell nicht beeinflussbaren Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die habituell diskriminiert wird. In anderen Worten: Es geht darum, dass eine Frau aufgrund ihrer Individualität als Mensch betrachtet wird und nicht als statistisches Durchschnittsaggregat all derjenigen Personen, die als weiblich klassifiziert werden. Dieses statistische Durchschnittsaggregat, das ja immer nur retrospektiv erhoben wird, spiegelt unweigerlich die Realität der geschlechtersegregierten Gesellschaft. Die Tatsache, dass Frauen in einer sozial anderen Situation sind als Männer, darf aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann ein Grund für individuelle Ungleichbehandlung sein, wenn eben dies 6 zur Überwindung von Benachteiligung erforderlich ist. Gerade darum geht es bei der „ Versicherungsdiskriminierung“ aber nicht. Selbst wenn geschlechtsspezifische Statistiken wirtschaftliche Vorteile bieten sollten, so dürfen sie deswegen niemals einen sachlichen Grund für eine Differenzierung nach dem Geschlecht darstellen. Die Diskriminierung wegen des Geschlechts würde dann allein damit begründet, dass sie eben üblich und profitabel sei.

Der djb plädiert nachdrücklich dafür, den Wertungswiderspruch zwischen § 20 Abs. 1 Nr. 2, in dem Versicherungsverträge in den Anwendungsbereich des Verbots der Geschlechterdiskriminierung aufgenommen werden, und § 21 Nr. 5, in dem die aktuarische Diskriminierung legalisiert wird, wieder aufzuheben.

Zu weit gefasste zulässige unterschiedliche Behandlung

§ 21 Nr. 1 ADG-E ist ein Einfallstor für die nahezu beliebige Ausgrenzung insbesondere von sogenannten Behinderten, aber auch von Frauen, die in bestimmten Situationen Schutz benötigen, aber nicht paternalistisch in einem nicht gewünschten Übermaß. Denn irgendeine Gefahr, denkbarer Schaden oder anderer Zweck vergleichbarer Art lässt sich leicht finden, um sogenannten Behinderten den Zutritt oder die Teilhabe zu verweigern. Diese Vorschrift sollte gestrichen oder zumindest einengend konkretisiert werden. Nur erhebliche und nicht durch zumutbare Vorkehrungen zu verhindernde Gefahren und Schäden können eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Inkonsistenzen zwischen Arbeitsrecht und allgemeinem Schuldrecht

Der djb hält es für nicht angemessen, dass § 7 Abs. 1 nur für das Arbeitsverhältnis gilt. Auch im allgemeinen Schuldrecht kann es durchaus vorkommen, dass jemand benachteiligt wird, weil sein Gegenüber ihn für homosexuell oder für eine Frau hält. Benachteiligungen wegen der zugeschriebenen Rasse beruhen sogar immer auf dieser Fiktion, denn es gibt keine unterschiedlichen Menschenrassen. Daher sollte § 7 Abs. 1 als letzter Absatz an § 3 angefügt werden.

Unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinien

Jenseits dieser verfassungs- und rechtspolitischen Forderungen stellt der djb fest, dass der Entwurf im Zusammenhang mit Diskriminierung im allgemeinen Vertragsrecht an einigen Stellen richtlinienwidriges Recht vorschlägt. Der djb hat kein Verständnis dafür, dass der zum Teil hinter den Anforderungen des Grundgesetzes zurückbleibende, EU-rechtlich gebotene Schutz vor Diskriminierung noch unterschritten werden soll.

Verbot der sexuellen Belästigung und Viktimisierung auch bei Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass bereits der Allgemeine Teil des ADG hier eine EU-rechtlich nicht haltbare Beschränkung vornimmt: § 3 Abs. 4 und 5 definieren nur für Beschäftigungsverhältnisse die sexuelle Belästigung sowie die Viktimisierung als Diskriminierung. Dies ist mit RL 2004/113/EG und RL 2000/43/EG nicht vereinbar. Nach Art 2 d) der Richtlinie 2004/113/EG müssen die Mitgliedstaaten die sexuelle Belästigung auch bei Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit ohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen, als Diskriminierung definieren und verbieten. Nach Art. 10 RL 2004/113/EG sowie nach Art. 9 der RL 2000/43/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den Einzelnen vor Benachteiligungen als Reaktion auf eine Beschwerde oder ein Verfahren wegen Diskriminierung wegen des Geschlechts bzw. der zugeschriebenen Rasse oder ethnischen Herkunft auch beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zu schützen, im Anwendungsbereich der RL 2000/43/EG gilt das auch für den Sozialschutz, die sozialen Vergünstigungen, die Bildung. In § 3 Abs. 4 und 5 sind daher die Worte „ in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4“ zu streichen.

RL 2000/43/EG verbietet Ausnahmen für „ besonderes Nähe- und Vertrauensverhältnis“

Wenn § 20 Abs. 5 vorsieht, dass das Verbot der Diskriminierung im Vertragsrecht generell nicht gilt, soweit ein Nähe- oder Vertrauensverhältnis durch Schuldverhältnis begründet wird, ist diese Formulierung zunächst eher missverständlich. Die Begründung eines Schuldverhältnisses ist in der Regel nicht geeignet, Nähe und Vertrauen herzustellen. Möglicherweise ist gemeint, dass bei Schuldverhältnissen, bei deren Durchführung typischerweise ein Nähe- und Vertrauensverhältnis entsteht, auch diskriminiert werden darf. Eine solche Ausnahme ist aber von der RL 2000/43/EG nicht gedeckt. Dort sind nur solche Güter und Dienstleistungen vom Schutz vor Diskriminierung ausgenommen, die nicht in der Öffentlichkeit angeboten werden. Wer durch Angebot in der Öffentlichkeit, zum Beispiel eine Zeitungsanzeige, zu verste- 7 hen gibt, dass er eben nicht nur mit persönlich Bekannten kontrahieren will, muss sich auch an die Diskriminierungsverbote halten. § 20 Abs. 5 darf daher EU-rechtlich gesehen nicht für die rassistische Diskriminierung gelten. Aus den o.g. verfassungsrechtlichen Erwägungen folgt in diesem Zusammenhang, dass die Vorschrift auch nicht für die Diskriminierung wegen des Geschlechts oder einer Behinderung gelten darf.

Abschnitt 4 - Rechtsschutz

Beweislast

§ 23 ADG-E übernimmt die bisherige Beweiserleichterung aus § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB soweit möglich wortgleich. Obwohl damit die Umsetzungsvorgaben der EU-Richtlinien eingelöst sind, bedauert der djb, dass der Gesetzgeber darüber nicht hinausgegangen ist - selbst bei einem Streit um die Begründung eines Dauerschuldverhältnisses. Denn die Erfahrungen des djb gehen dahin, dass in der Vergangenheit viele Klagen wegen Geschlechtsdiskriminierung bereits daran gescheitert sind, dass die diskriminierte Person keine Tatsachen glaubhaft machen konnte, welche eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten ließen. Die vor den Gerichten in den letzten Jahren verhandelten wenigen Fälle von Geschlechtsdiskriminierung hatten fast ausnahmslos unter Verstoß gegen § 611 b BGB geschlechtsspezifisch formulierte Stellenausschreibungen zum Gegenstand oder richteten sich gegen die explizite Nichteinstellung Schwangerer. Geht es um die Ablehnung eines Vertragsschlusses, beispielsweise eines Arbeits- oder Mietvertrages, haben nämlich die Bewerberinnen und Bewerber im Regelfall keine Informationen darüber, aus welchem Bewerberkreis und unter welchen Gesichtspunkten der Arbeitgeber oder Vermieter seine Auswahl getroffen hat oder wie die Belegschaft der Betriebes oder der Mieterschaft einer Wohnungsbaugesellschaft ansonsten zusammengesetzt ist, soweit solche Gesichtspunkte mit der Ablehnung des Vertragsschlusses nicht freiwillig mitgeteilt werden. Im Arbeitsrecht könnte noch der eher seltene Fall eintreten, dass die betriebliche Arbeitnehmervertretung, falls es sie gibt, einer anderweitigen Einstellung wegen Verstoßes gegen §§ 611 a BGB widerspricht und auch abgelehnte Bewerberinnen oder Bewerber davon zufällig erfahren haben. Im Mietrecht gibt es solche internen Kontrollorgane sowieso nicht. Die in der Gesetzesbegründung angebotene Möglichkeit eines Testings hilft auch nur weiter, solange die Stelle oder Wohnung noch nicht anderweitig vergeben ist. Dann aber wissen auch die Diskriminierten zumeist noch gar nicht, dass sie abgelehnt werden sollen.

Angesichts der starken Machtungleichgewichte auf dem Arbeits- bzw. Wohnungsmarkt ist es für Bewerberinnen und Bewerber um Arbeitsplätze und Wohnungen ein elementares soziales Problem, bei der Vergabe dieser knappen Ressourcen zusätzlich eventuell noch wegen eines der in § 1 ADG-E genannten Merkmale benachteiligt zu werden. Deshalb sollte der Gesetzgeber zumindest hier eine Beweislastumkehr vornehmen, um den neuen Diskriminierungsverboten zumindest in solchen Fällen eine ernsthafte Durchsetzungschance zu geben.

Verbandsbeteiligung

Die EU-Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG schreiben sämtlich vor, dass Verbände, die ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen der jeweiligen Richtlinie zu sorgen, sich künftig im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den zur Durchsetzung der Ansprüche aus dieser Richtlinie vorgesehenen Gerichts- und Verwaltungsverfahren beteiligen können. Für eine Umsetzung sind nach deutschem Recht vier verschiedene Wege denkbar:

  • Die Verbände dürfen sich nur dadurch beteiligen, dass sie Betroffene beraten und im Verfahren selber begleitend mit anwesend sind, ohne jedoch selbst aktiv werden zu können (bloße Beteiligung).
  • Die Verbände dürfen die Betroffenen im Prozess als Bevollmächtigte vertreten (Prozessvertretung, z.B. Gewerkschaften nach § 11 Abs. 1 und 2 ArbGG).
  • Die Verbände dürfen die Rechte Betroffener vor Gericht mit deren Zustimmung an deren Stelle in eigener Regie wahrnehmen (Prozessstandschaft, z.B. Behindertenverbände nach § 63 SBG IX).
  • Die Verbände dürfen die Einhaltung des Gesetzes aus eigenem Recht einklagen (Verbandsklage, z.B. Behindertenverbände nach § 13 BGG).

Um wirksam gegen Diskriminierungen vorgehen zu können und insbesondere nicht durch die Angst der Diskriminierten vor zeitlichen Belastungen, Kosten und Repressionen immer wieder ausgebremst zu werden, brauchen die Antidiskriminierungsverbände zumindest eine Prozessstandschaft, besser noch eine eigene Klagebefugnis als Verband, also die Verbandsklage. Viele Fälle sind aus der Sicht der Diskriminierten im Vergleich zu den Mühen und Risiken einer Individualklage zu klein, so dass sie erst gar nicht klagen oder schnell aufgeben. Zudem kann über Einzelklagen nicht eine häufig verbreitete Diskriminierungspraxis in ihrer Gesamtheit vieler Fälle oder eine Diskriminierungsstruktur, z.B. in einem Tarifvertrag, direkt erfasst werden. Die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen über Individualklagen erstreckt sich selbst im Fall eines Klageerfolges immer nur auf den Einzelfall, die diskriminierenden Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen bleiben ansonsten wirksam und bestehen fort, bis die Vertragsparteien erneut tätig werden. Das deutsche Antidiskriminierungsrecht krankt bisher daran, dass es aus der Bindung an Einzelpersonen und Einzelfälle nicht herausführt. Damit werden die sowieso schon schwächeren Gesellschaftsmitglieder mit der Aufgabe allein gelassen, einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel einzuleiten und durchzusetzen.

Der unveröffentlichte Entwurf eines ADG vom 6.5.2004 sah in Art. 2 § 18 ADG-E und § 319 g BGB-E noch eine gesetzliche Prozessstandschaft für Verbände vor, die nicht auf bestimmte Rechtswege, Gerichte oder Instanzen beschränkt war. Demgegenüber enthält der derzeitige Entwurf in § 24 Abs. 2 Satz 1 ADG-E nur noch eine Prozessvertretung, und zwar nur in gerichtlichen Verfahren, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. Strafverfahren sind ausdrücklich generell von der Prozessvertretung ausgeschlossen, obwohl gerade auch dort die schwerwiegenderen Fälle von diskriminierender Belästigung zu verhandeln sind. Antidiskriminierungsverbände können damit nicht unabhängig von den Betroffenen vor Gericht agieren und sind auf die jeweils unterste Gerichtsinstanz beschränkt: In der Arbeitsgerichtsbarkeit dürfen sie Betroffene nur in der 1. Instanz vertreten. Ihre Beteiligungsmöglichkeiten bleiben damit hier noch unter denjenigen von Gewerkschaften, die nach § 11 Abs. 2 ArbGG immerhin noch in der 2. Instanz, also vor den Landesarbeitsgerichten, auftreten dürfen. Bei Zivilklagen können Verbände Betroffene ebenfalls nur vor dem Amtsgericht vertreten und damit nur bei Streitwerten bis einschließlich 5000 Euro. Auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Verbände Betroffene nur in der 1. Instanz, also vor dem Verwaltungsgericht, vertreten. Damit werden die Verbände in allen drei Gerichtszweigen gehindert, Prozesse durch den gesamten Instanzenzug zu begleiten. Gerade Diskriminierungsfälle mit höheren Streitwerten oder von grundlegender Bedeutung bleiben den Antidiskriminierungsverbänden dadurch entzogen oder werden ihnen ab der zweiten Instanz sofort wieder abgenommen. Aus Verbandssicht wäre es angesichts der eigenen knappen Ressourcen jedoch gerade wichtig, die eher größeren, gravierenderen Fälle und solche von grundlegender Bedeutung durch alle Instanzen begleiten zu können.

§ 24 Abs. 4 ADG-E vermag mit seiner Abtretungsmöglichkeit die eben benannten Unzulänglichkeiten nicht zu kompensieren. Denn es können hierüber nur Geldansprüche, nicht aber Unterlassungsansprüche an die Antidiskriminierungsverbände abgetreten werden. Das setzt Verbände sogar noch zusätzlich dem in der ersten Lesung im Bundestag bereits geäußerten Verdacht aus, sie könnten sich durch Diskriminierungsklagen bereichern wollen.

Hinzu kommt durch den Zusatz in § 24 Abs. 2 Satz 2 ADG-E, dass Antidiskriminierungsverbänden das Recht weiter zu plädieren nach § 157 Abs. 2 ZPO durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung wieder entzogen werden kann, wenn der Verband aus dessen Sicht zu einem geeigneten Vortrag nicht in der Lage ist. Der Gesetzgeber zeigt damit nur geringes Vertrauen in die juristischen Fähigkeiten der Antidiskriminierungsverbände, indem er sie richterlicher Aufsicht und Bevormundung unterstellt. Derartiges wurde beispielsweise im Umweltschutzrecht gegenüber Umweltverbänden oder im Behindertenschutz gegenüber den Behindertenverbänden nie vorgesehen. Satz 2 ist daher in § 24 Abs. 2 in jedem Fall ersatzlos zu streichen.

Um wirksam und systematischer als bisher auf dem Rechtsweg gegen diskriminierende Strukturen vorgehen zu können, brauchen die Antidiskriminierungsverbände die Verbandsklage, für welcher das Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) Vorbild sein könnte, zumindest aber eine gesetzliche Prozessstandschaft, wie sie im Entwurf vom Mai 2004 vorgesehen war.

Der Verweis in der Gesetzesbegründung, Antidiskriminierungsverbände könnten doch bereits heute nach dem UKlaG oder dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) auf Unterlassung klagen, eine eigene Verbandsklage sei also gar nicht nötig, geht hingegen fehl. Es ist für heutige Antidiskriminierungsverbände wie den djb weder sinnvoll noch zumutbar, die Satzung dahingehend zu ändern, dass Aufgaben des Verbraucherschutzes bezogen auf ihre jeweilige Klientel stärker in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit gerückt werden. Denn diese Verbände sind keine Verbraucherschutzorganisationen, die bloß auch Ziele im politischen Raum verfolgen, wie der in der Gesetzesbegründung beispielhaft erwähnte ADAC. Sie sind vielmehr vorrangig auf eine politisch-gesellschaftliche Einflussnahme und Gestaltung hin ausgerichtet. Angesichts ihrer nur begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen müssen die Möglichkeiten solcher Antidiskriminierungsverbände zur individuellen Aufklärung und Beratung ihrer Mitglie- 9 der oder gar noch darüber hinaus anderer Betroffener stets begrenzt bleiben. Den Antidiskriminierungsverbänden hilft deshalb keine Befugnis zur Unterlassungsklage durch die juristische Hintertür des Verbraucherschutzes, welche zudem durch jedes Gericht wieder erneut in Frage gestellt werden kann. Sie benötigen eine eigene explizit gesetzlich geregelte Klagebefugnis.

Abschließend sei noch angemerkt, dass im vorliegenden ADG-E unklar bleibt, wie sich die Verhandlungsbefugnis aus § 24 Abs. 2 Satz 1 ADG-E zur Änderung des § 11 Abs. 1 ArbGG in Art. 3 des ADG-E verhält.

 

Abschnitt 6 - Antidiskriminierungsstelle

Der djb begrüßt, dass der Gesetzgeber eine zentrale Antidiskriminierungsstelle auf Bundesebene schaffen will und dass diese Stelle prinzipiell für alle in § 1 ADG-E genannten Anknüpfungspunkte für Diskriminierung zuständig sein soll, auch wenn die Rahmenrichtlinie Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG im Gegensatz zu den anderen drei Antidiskriminierungsrichtlinien für die dort genannten Merkmale keine solche Stelle verlangt. Denn nur durch eine zentral angesiedelte Stelle für alle Anknüpfungspunkte von Diskriminierung kann eine Auseinanderentwicklung des Diskriminierungsschutzes bei einzelnen Merkmalen vermieden und insbesondere das Problem der Mehrfachdiskriminierung effektiv angegangen werden. Im Detail erscheint der Abschnitt 6 jedoch noch unsystematisch und undurchdacht.

Die Rechtsstellung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die EU-Richtlinien verlangen, dass die Antidiskriminierungsstellen zwar selber nicht unabhängig sind, jedoch unabhängig arbeiten können. § 27 Abs. 1 Satz 3 nimmt diesen Anspruch in zutreffender Weise auf. Für diese Unabhängigkeit kommt der Art und Weise, wie die Leitung der neuen Antidiskriminierungsstelle ausgewählt und ernannt wird, große Bedeutung zu. Eine Ernennung durch den Bundespräsidenten, wie in § 27 Abs. 1 Satz 1 ADG-E vorgesehen, wird dem gerecht, während das dort auch geregelte direkte Vorschlagsrecht der Bundesregierung nicht voll zu überzeugen vermag. Zwar werden die heutigen Beauftragten für Behinderte und Migration sogar direkt von der Bundesregierung bestellt (§§ 14 Behindertengleichstellungsgesetz – BBG) und sind somit weniger unabhängig konstruiert als die künftige Leitung der Antidiskriminierungsstelle. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz jedoch wird nach § 22 BDSG auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag gewählt und erst danach vom Bundespräsidenten ernannt. Eine solche Parlamentswahl stärkt das Amt in seiner Unabhängigkeit gegenüber der Bundesregierung durch seine direkte demokratische Legitimation. Dieses Verfahren sollte daher auch für die Leitung der neuen Antidiskriminierungsstelle gewählt werden.

Das Amtsverhältnis der Leitung der Antidiskriminierungsstelle soll nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 ADG-E jeweils mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages enden. Da eine Ernennung erst dann möglich ist, wenn sich ein neuer Bundestag und eine neue Bundesregierung konstituiert haben, muss damit faktisch die Amtszeit der Leitung der Diskriminierungsstelle in jedem Fall weniger als 4 Jahre betragen, verkürzt sich die Legislaturperiode oder verlängert sich der Zeitraum der Regierungsbildung oder ernennt die Regierung nicht sofort, muss die Amtszeit sogar noch deutlich kürzer ausfallen. Aber selbst eine Legislaturperiode ist zu kurz, um in einem derartig komplexen Bereich wie dem Kampf gegen Diskriminierungen effektiv tätig werden zu können. Schon der alle vier Jahre fällige Tätigkeitsbericht an den Bundestag nach § 28 Abs. 4 ADG-E müsste jeweils von einer neuen Leitung konzipiert, vor allem aber verantwortet werden. Der djb schlägt daher vor, die Leitung der Antidiskriminierungsstelle für zwei Legislaturperioden zu bestellen, um ihre Unabhängigkeit zu stärken und eine Kontinuität der Arbeit zu gewährleisten.

Aufgaben und Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle

Auch die Aufgabenbeschreibung für die Antidiskriminierungsstelle ist im Entwurf noch unbefriedigend. Nicht nur die Leitung der Stelle, sondern gerade auch die Stelle selber in ihrer konkreten Arbeit müsste nach den EU-Vorgaben unabhängig sein. § 28 Abs. 2 Satz 1 ADG-E hingegen legt die Antidiskriminierungsstelle, was die Einzelfallbetreuung angeht, vorschnell und einseitig auf eine informierende, vermittelnde und bereits auf gütliche Streitbeilegung hin ausgerichtete Unterstützungsstrategie fest. Es müsste der Stelle jedoch auch möglich sein, in entsprechend gelagerten Fällen zur Durchführung eines Musterprozesses zu raten. In der Einzelfallbetreuung darf die Kompromissfindung nicht vom Gesetzgeber vorgeschrieben werden, sondern die Antidiskriminierungsstelle muss über Strategie und Taktik von Fall zu Fall selbst entscheiden können, soll sie tatsächlich „ unabhängig“ arbeiten. Nur eine so ausgestaltete Unabhängigkeit könnte dazu führen, dass die Antidiskriminierungsstelle bei den betroffenen Bevölkerungsgruppen, für die sie ja eingerichtet worden ist, überhaupt bekannt wird und auf Akzeptanz stößt.

Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 ADG-E soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Anliegen derjenigen, die sich an sie gewandt haben, unverzüglich an andere Stellen weiterleiten, soweit solche auf Bundes-, Landes oder kommunaler Ebene entsprechend tätig sind. Das vermeidet zwar Kollisionen der neuen Stelle mit bereits bestehenden, ist aber datenschutzrechtlich problematisch, soweit vorher nicht das Einverständnis der Personen, die sich an die Antidiskriminierungsstelle gewandt haben, eingeholt worden ist. Ohne dieses Einverständnis muss die Stelle selber tätig werden, wenn sich an sie gewandt wurde. Solche Grenzen der Weiterleitung können auch ganz praktischen Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen. Denn, wer sich beispielsweise in einer kleineren Gemeinde diskriminiert fühlt, kann ein sehr berechtigtes Interesse daran haben, dass sein Fall nicht in der Gleichstellungsstelle der Kommune verhandelt wird, wo er oder sie oder andere Beteiligte möglicherweise persönlich bekannt sind. Auch wäre eine Weiterleitung an andere Stellen nur dann richtlinienkonform, wenn die angesprochene Stelle selbst über eine gesetzlich garantierte Unabhängigkeit in ihrer Arbeitsweise verfügt.

§ 28 Abs. 4 ADG-E sieht eine Berichtspflicht der Antidiskriminierungsstelle nur alle vier Jahre vor. Das ist zu wenig. Denn der Bericht zum Entwicklungsstand des Antidiskriminierungsrechts stellt die Hauptverbindung der Stelle zum Parlament dar und dürfte in der Regel das einzige Mittel sein, bestimmten Verbesserungsvorschlägen z.B. auch gegenüber der Bundesregierung etwas politischen Nachdruck zu verleihen. Auch kann nur eine Berichtspflicht alle zwei Jahre sicherstellen, dass das Parlament auf Anliegen der Antidiskriminierungsstelle während seiner Legislaturperiode auch noch reagieren kann. Daher sollte die Antidiskriminierungsstelle zumindest alle zwei Jahre über ihre Arbeit berichten müssen.

Nach § 29 Abs. 2 ADG-E hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bisher ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht bei anderen Bundesstellen. Ansonsten kann sie nach Abs. 1 Beteiligte nur um Stellungnahmen ersuchen. Die Antidiskriminierungsstelle braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der Einzelfallbetreuung jedoch unbedingt auch einen Auskunftsanspruch z.B. gegenüber Arbeitgebern oder Vermietern. Denn das Hauptproblem bei einem angeblich diskriminierend verweigerten Vertragsschluss ist in der Regel gerade, dass die Abgelehnten über ihre Ablehnung hinaus keinerlei verlässliche Hintergrundinformationen über den Auswahlprozess haben.

Beirat

Der djb begrüßt, dass die Arbeit der neuen Antidiskriminierungsstelle durch einen Beirat unterstützt werden soll, um entsprechend § 31 Abs. 1 Satz 1 ADG-E den Dialog mit Antidiskriminierungsorganisationen und -gruppen zu fördern. Die Besetzungsvorgaben in § 31 Abs. 2 ADG-E zeigen jedoch, dass der Gesetzgeber die Funktion des Beirats zwischen Expertengremium der Antidiskriminierungsstelle einerseits und Gremium für den Gruppendialog nach § 31 Abs. 1 ADG-E andererseits noch nicht hinreichend durchdacht hat.

Um dem Beirat angemessenes Gewicht zu verleihen, sollten seine Mitglieder jedenfalls nicht durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berufen werden, wie dieses § 31 Ans. 2 Satz 1 ADG-E bisher vorsieht, sondern auf dessen Vorschlag hin durch den Deutschen Bundestag. Die Frage der Auswahl und Besetzung selber ist zwischen Gruppenrepräsentanz und Expertentum bisher in § 31 Abs. 2 Satz 2 intransparent und unentschieden geregelt. Der djb begrüßt es jedoch, dass nach § 31 Abs. 2 Satz 3 ADG-E der Beirat mit Frauen und Männern zu gleichen Teilen zu besetzen ist. Diese Regelung trägt der Tatsache angemessen Rechnung, dass auch innerhalb anderer diskriminierter gesellschaftlicher Gruppen Frauen jeweils wieder anders und negativer betroffen sind als Männer. Darüber hinaus ist zumindest als Klarstellung sicherzustellen, dass alle von Diskriminierung i.S.d. § 1 ADG-E betroffenen Gruppen angemessen im Beirat repräsentiert werden.

§ 31 ADG-E trifft bisher keine Aussage dazu, wie lange der Beirat im Amt bleiben soll und unter welchen Voraussetzungen einzelne Mitglieder der Beirats ausgetauscht werden könnten. Auch die Amtszeit des Beirats sollte zeitlich begrenzt werden.

 

21. Februar 2005

 

Margret Diwell
Präsidentin

 

Ingrid Weber
Vorsitzende der Kommission Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftsrecht