Stellungnahme: 04-15


zur Arbeitsmarkt-, Renten- und Gleichstellungspolitik: djb-Teil des German NGO Report on the Implementation of the Beijing Platform for Action and its Outcome Documents Produced at the General Assembly Special Session in 2000 (Bejing+5)

Stellungnahme vom

Teil 2: Umsetzung der kritischen Bereiche der Aktionsplattform

A. Frauen und Armut


Frauen sind bereits jetzt überdurchschnittlich von Armut betroffen und haben in jeder Altersgruppe weniger Geld – sei es Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (z.B. Krankengeld, Arbeitslosengeld, Altersrente) – zur Verfügung als Männer. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken, da durch die Sozialreformen bisher solidarisch abgesicherte Risiken privatisiert und sozialstaatliche Ausgleichmechanismen zurückgenommen werden. Einzelne regionale Modellprojekte ändern wenig, wenn in der für ganz Deutschland geltenden Gesetzgebung Leistungen, die bisher vor allem Frauen zugute kamen, gekürzt werden.

Alleinerziehende, prozentual überwiegend Frauen, erhalten besonders häufig „Hilfe zum Lebensunterhalt“ als Leistung der Sozialhilfe angewiesen. Sozialhilfe ist ein steuerfinanziertes Instrument der Armutsbekämpfung und sichert als letztes Auffangnetz das Existenzminimum. Der Frauenanteil unter den Sozialhilfebeziehenden ist u.a. deshalb so hoch, weil familienfördernde Sozialleistungen zu schwach ausgeprägt sind oder sogar reduziert wurden. Beispiele dafür sind:

  • Bisherige steuerliche Begünstigungen für Alleinerziehende sind stark reduziert worden.
  • Das Erziehungsgeld, das während der ersten beiden Lebensjahre eines Kindes gewährt wird, wurde in dieser Legislaturperiode durch eine neue Berechnungsmethode real gesenkt.
  • Kindererziehende ohne eigene sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit sind in einer bestehenden Ehe im Wege der Familienversicherung beitragsfrei krankenversichert, wenn der „Ernährer“ sozialversicherungspflichtig erwerbstätig ist. Nach Scheidung der Ehe endet dieser beitragsfreie Versicherungsschutz der Erziehungsperson, zumeist der Mutter. Diese hat nach längerer Familienpause kaum Chancen, selbst eine sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit zu finden, und ist auf Unterhaltsleistungen ihres Ex-Ehemannes angewiesen. Diese Unterhaltsleistung ist selten kostendeckend. Dennoch muss die nach einer Scheidung Alleinerziehende nun auch noch Krankenversicherungsbeiträge aufbringen. Das Sozialversicherungsrecht privilegiert damit eindeutig die Ehe.
  • Zwar wurde über Jahrzehnte der „gleitende Übergang in die Rente“ der über 50-jährigen Erwerbstätigen aus Mitteln der Beitragszahlenden der Sozialversicherung sowie durch erhebliche steuerliche Zuschüsse gefördert. Jedoch gab es zu keinem Zeitpunkt vergleichbare Aufwendungen, um für junge Erwerbstätige bezahlte zeitliche Freiräume zur Kindererziehung zu schaffen.
  • Die Kinderbetreuung in staatlichen und privaten Einrichtungen ist als Folge der schlechten finanziellen Situation der Kommunen für viele Eltern teurer geworden. In vielen Bundesländern muss unabhängig vom Einkommen ein fester Betrag gezahlt werden, der nur in Härtefällen reduziert wird. Dadurch müssen Frauen mit niedrigem Einkommen einen höheren Anteil ihres Erwerbseinkommens für die Kinderbetreuung aufbringen.
  • Kinderbetreuungskosten sind erst nach Erreichen eines bestimmten Anrechnungsbetrags und auch nicht in vollem Umfang absetzbar. Die geltende steuerrechtliche Regelung benachteiligt daher Personen mit niedrigem Einkommen, und damit vor allem Frauen. In vielen Fällen entsteht gar keine oder selbst bei Gutverdienenden nur eine geringe steuerentlastende Wirkung.


Frauenverbände fordern seit langem eine grundsätzliche Umgestaltung des Einkommenssteuersystems: An Stelle der bisherigen Förderung der Ehe durch einen „Splittingtarif“ soll eine Individualbesteuerung mit der Förderung von Kindern treten. Das Ehegattensplitting verteilt das gemeinsam erzielte Einkommen vor dem Steuerabzug fiktiv auf beide Ehegatten. Mit dem dadurch bewirkten geringeren Steuersatz wird völlig unabhängig von Kindern in erster Linie die „Alleinverdienerehe“ begünstigt.

Insgesamt sollten die sozialen Sicherungssysteme mit Blick auf Kindererziehende weiterentwickelt werden. Dazu gehört ein als dynamische Leistung ausgestaltetes deutlich höheres Erziehungsgeld, das einen echten Einkommensersatz darstellt. Richtig ist es, die institutionelle Kinderbetreuung vor allem für Kinder unter drei Jahren und im Schulalter auszubauen. Bloße Absichtserklärungen reichen dafür jedoch nicht aus. Die bisherigen Schritte sind zu zögerlich, da die Bundesländer bzw. die Kommunen zusätzliche Kosten befürchten. Institutionelle Kinderbetreuung muss in jedem Fall auch bezahlbar sein, solange sie nicht generell von der Gesellschaft getragen wird. Darüber hinaus sind die Arbeitsmarktchancen von Frauen und insbesondere die von Alleinerziehenden durch spezielle Lohnkostenzuschüsse und eine von allen Unternehmen getragene Umlage der Mutterschutzkosten zu erhöhen.

Ältere Frauen, vor allem in den alten Bundesländern, haben im Vergleich zu Männern deutlich niedrigere eigenständig erworbene Rentenansprüche. Ihre Durchschnittsrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind nur halb so hoch wie durchschnittliche Männerrenten. Diese geringen Renten führen zwar nicht direkt in die Altersarmut im Sinne von Sozialhilfebedürftigkeit, da Frauen in der Regel noch ergänzende Witwenrenten beziehen. Lebenslange Ehen als Mittel der sozialen Absicherung werden jedoch in der sozialen Wirklichkeit immer seltener. Ein zeitgemäßes frauenpolitischen Selbstverständnis setzt Eigenständigkeit auch in der Alterssicherung voraus.

Es ist zu befürchten, dass die Altersarmut von Frauen in Zukunft ansteigt. Die wichtigste Ursache für niedrige selbsterworbene Renten von Frauen in ist im deutschen Rentensystem zu finden. Das allgemeine Rentenniveau hängt vom durchschnittlichen Einkommen aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten ab. Da Frauen häufig unterdurchschnittlich verdienen und/oder wegen Kindererziehung bzw. Pflege von Angehörigen ihre Erwerbstätigkeit für mehrere Jahre unterbrechen, sind auch ihre Renten deutlich unterdurchschnittlich. Dies ist die Konsequenz eines Versicherungsprinzips ohne ausreichende soziale Elemente.

Die Benachteiligung erwerbstätiger Frauen wurde mit den Reformgesetzen des Bundes (1992, 1999 und 2001) weiter verstärkt. Zeiten der Arbeitslosigkeit, insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit von mehr als einem Jahr Dauer, wirken sich auf die Höhe der Rente gerade von Frauen besonders negativ aus. Dies liegt vor allem daran, dass auf die Arbeitslosenhilfe das Einkommen des Lebenspartners angerechnet wird. Diese Regelung, die Frauen überproportional betrifft, führt zu einer erheblichen Absenkung der Arbeitslosenhilfe und damit auch der Rentenansprüche der davon betroffenen Frauen. Die gesetzliche Rentenversicherung selbst wird durch das Ansteigen von versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen geschwächt, da dies zu einem Rückgang von Beitragseinnahmen führt.

Insgesamt haben die bisherigen Reformen das Rentenniveau generell gesenkt und insbesondere die Alterssicherung von Frauen verschlechtert. Auch wenn es aus frauenpolitischer Sicht nicht unbedingt zeitgemäß erscheint, werden beitragsfrei erworbene Witwenrenten für Mütter weiterhin notwendig bleiben, um das Armutsrisiko im Alter zu mindern.

Seit dem Jahr 2001 soll die gesetzliche Rente teilweise durch eine private Altersvorsorge mit staatlicher Förderung, die sog. Riester-Rente, ersetzt werden. Diese Förderung wirkt sich bei gut Verdienenden deutlich steuermindernd aus und wird von diesen auch genutzt.

Unterdurchschnittlich Verdienende, zu denen Frauen überproportional zählen, können aus ihrem geringen Einkommen zusätzliche Versicherungsbeiträge oft gar nicht aufbringen. Denn die maximale staatliche Förderung, die im Jahr 2008 mit 154 € im Jahr erreicht sein wird, setzt eine eigene Beitragsleistung voraus.

Da die kapitalgedeckte Privatversicherung keine Ausgleichselemente für Kindererziehung, Pflege von Angehörigen, niedriges Einkommen oder Teilzeitbeschäftigung kennt, werden die künftigen Leistungen für Frauen aus einer solchen Versicherung besonders niedrig sein. Durch Teilzeiterwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit entstandene „Sicherungslücken“ werden damit nicht geschlossen werden können. Trotz erheblichem Widerstand der Frauenverbände wurde die staatlich geförderte private Altersvorsorge zunächst ohne geschlechterneutrale Tarife eingeführt. Das bedeutet, dass Frauen wegen ihrer versicherungsmathematisch längeren Lebenserwartung für die gleiche Leistung höhere Beiträge zahlen müssen. Erst für die Zukunft, und ohne Veränderung der bereits abgeschlossenen Verträge, sind unterschiedliche Tarife für Frauen und Männer in der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge nicht mehr zulässig.

Eine grundlegende Forderung an die Reform der Rentenversicherung ist die Wiedereinführung bzw. Ausweitung von solidarisch umverteilenden Elementen. Dafür gibt es bereits konkrete und auch hinsichtlich der Verteilungswirkungen berechnete Rentenmodelle. Vor allem muss die versicherungsfreie Beschäftigung wieder deutlich eingeschränkt werden, um den Fortbestand der solidarischen gesetzlichen Rentenversicherung insgesamt zu sichern.



F. Frauen und Wirtschaft

Gleichstellung in der Privatwirtschaft
In der Vereinbarung der Bundesregierung und der Spitzenverbände der Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft vom 2. Juli 2001 verpflichteten sich die Spitzenverbände erstmals zu einer aktiven Gleichstellungspolitik. Die im Januar 2004 vorgelegte Bilanz zeigt entgegen den Einschätzungen der Politik und Wirtschaft, dass eine Umsetzung der Vereinbarung in den Unternehmen überwiegend nicht stattgefunden hat.

Frauenerwerbstätigkeit
Der Bericht stellt zwar zutreffend fest, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen seit 2000 gestiegen ist, erwähnt aber nicht, dass gleichzeitig das Gesamtvolumen ihrer Arbeitszeit gesunken ist. Beide Fakten erklären sich aus dem deutlichen Anstieg der nicht existenzsichernden geringfügigen Beschäftigung von Frauen. Politik und Wirtschaft feiern die Ausweitung der Minijobs als Frauenförderung und übersehen die existentiellen Probleme von geringfügig Beschäftigten während der Erwerbs- und in der Rentenphase.

Ausbildungsniveau
Der Frauenanteil an den Studienanfängerinnen ist im Jahr 2003 um 2,3 Prozentpunkte und damit erneut unter 50% gesunken. Die an sich erfreulichen Ergebnisse über Ausbildungsstand und Ausbildungsniveau von Frauen führen indes nicht zu adäquaten beruflichen Chancen. Das beruht auf der Verweigerung chancengerechter und diskriminierungsfreier Arbeitsmarktbedingungen für Frauen und wird die Motivation von Frauen zu einer anspruchsvollen Ausbildung nicht erhöhen.

Betriebliche Gleichstellungsmaßnahmen
Zwei Drittel aller Beschäftigten arbeiten in Betrieben, in denen sich Chancengleichheit weder auf Vereinbarungen noch auf freiwillige Maßnahmen stützen kann. Die von den Unternehmen am weitaus häufigsten genannten Maßnahmen betreffen die „Familienfreundlichkeit“, wobei flexibilisierte Beschäftigungszeiten, die häufig nur durch betriebliche Bedürfnisse hinsichtlich der Arbeitszeit aller Beschäftigten bedingt sind, zu Unrecht mit familienfreundlichen Beschäftigungszeiten gleichgesetzt werden. Dass eine chancengleichheitsorientierte Personalpolitik derzeit kaum stattfindet, belegt die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung und des Deutschen Gewerkschaftsbundes durchgeführte Unternehmensbefragung, wonach nur ein Viertel der befragten Unternehmen überhaupt nach Geschlechtern getrennte Personalstatistiken führen und nur 2 % die Verteilung der hierarchischen Positionen und Vergütungen auf die Geschlechter statistisch erfassen. Bei dieser mangelhaften Informationslage wundert es nicht, dass sich in zwei Dritteln der befragten Unternehmen der Frauenanteil an der Belegschaft, im Management und in technischen Berufen in den letzten drei Jahren nicht verändert hat.

Entgeltgleichheit
Trotz des gesetzlich verankerten Entgeltgleichheitsgebotes verdienen Frauen im Durchschnitt 30% weniger als Männer. Das liegt auch an diskriminierenden Strukturen in Tarifverträgen und betrieblichen Entlohnungssystemen, in denen Frauenarbeit systematisch unterbewertet wird. Die Einschätzung der Bundesregierung, der Gesetzgeber habe hier keine Regelungsmöglichkeit, ist nicht zutreffend. Die Tarifvertragsparteien sind an das Entgeltgleichheitsgebot ebenso gebunden wie der einzelne Arbeitgeber. Der Gesetzgeber ist angesichts des geschlechtsspezifischen Entgeltgefälles daher verpflichtet, Tarifvertragsparteien und Unternehmen zur faktischen Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes durch geeignete Maßnahmen anzuhalten. Die Erstellung von Leitfäden wird nicht genug bewirken.

Reformen am Arbeitsmarkt
Die im Verhältnis zu Männern inzwischen angeblich niedrigere Arbeitslosenquote von Frauen entspricht nicht der Realität, sondern einer veränderten – für Frauen nachteiligen – statistischen Berechnung. Seit 1999 gelten geringfügig Beschäftigte und Personen während der Elternzeit als Beschäftigte im Sinne der Statistik. Die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse bzw. Minijobs als nicht existenzsichernde Arbeit ohne sozialen Schutz sind im Zusammenhang mit den Arbeitsmarktreformen massiv ausgeweitet worden. Sie sind – wie die Kindererziehungszeiten – eine Domäne von Frauen und entstehen in den für Frauen klassischen Erwerbsfeldern (Einzelhandel, Reinigungsbranche, Gesundheits- und Sozialwesen). Durch die gegenwärtig stattfindende Umwandlung von Vollzeittätigkeiten in für die Unternehmen finanziell günstigere Minijobs verschlechtern sich in der Realität die Erwerbschancen von Frauen, obwohl ihre statistische Arbeitslosenquote sinkt. Damit ist auch die Mindestförderungsquote für Frauen, die auf diesen unzureichenden statistischen Grundlagen beruht, ein falscher Indikator für die tatsächliche Förderung von Frauen im Verhältnis zu Männern.

Die Arbeitsmarktreformen (insgesamt vier Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und Ergänzungsgesetze aus den Jahren 2002 und 2003) haben vor allem auf Frauen in den neuen Bundesländern mit einem besonders hohen Anteil unter den Langzeitarbeitslosen negative Auswirkungen. Die Dauer der einkommensunabhängigen Lohnersatzleistung Arbeitslosengeld ist erheblich auf nur noch 12 Monate (für ältere Arbeitslose 18 Monate) gekürzt worden. Die bisherige Arbeitslosenhilfe, die an das frühere Einkommen anknüpft, wird ab 2005 abgeschafft. Stattdessen gibt es für alle eine in der Regel niedrigere Leistung auf Sozialhilfeniveau. Gleichzeitig werden schon jetzt Partnereinkommen und Vermögen in stärkerem Umfang als bisher angerechnet. Folge ist, dass vor allem verheiratete Frauen und Frauen in Lebensgemeinschaften, deren Partner erwerbstätig ist, gar keine Leistungen mehr erhalten und sich auch nicht mehr arbeitslos melden werden. Damit verlieren sie nicht nur ihre eigene Existenzgrundlage und werden auf das überkommene Modell der „Versorgerehe“ verwiesen. Auch die Chancen auf eine künftige Wiedereingliederung in das Erwerbsleben mit Unterstützung durch das so genannte Job-Center sind denkbar schlecht. Denn da es sich nicht um „teure Arbeitslose“ handelt, besteht angesichts beschränkter Mittel aus Sicht der Behörde wenig Motivation zu ihrer Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Schließlich sind durch interne Vorgaben an den Eingliederungserfolg Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung stark reduziert worden. Teilzeitmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen nach der Familienphase werden vor allem in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit nicht mehr angeboten. Besonders problematisch ist, dass – anders als bisher – unter Sanktionsandrohung auch geringfügige Beschäftigungen ohne soziale Absicherung von Arbeitslosen angenommen werden müssen. Zu befürchten ist, dass vor allem Frauen darauf verwiesen werden. Dann werden sie jedoch noch größere Probleme haben, eine existenzsichernde Arbeit zu finden, und müssen gleichzeitig Nachteile in den anderen Sicherungssystemen hinnehmen.

Insgesamt sind die Arbeitsmarktreformen für Frauen negativ zu bewerten. Gewissen Verbesserungen für die bisherigen Sozialhilfeempfängerinnen stehen massive Verschlechterungen für die Mehrzahl der Frauen, die bisher Arbeitslosenhilfe beziehen, gegenüber. Das Konzept der Arbeitsmarktpolitik sowohl der Bundesregierung als auch der Opposition mit einer staatlich geförderten Ausweitung des Niedriglohnsektors ist generell in Frage zu stellen.



Teil 3
Institutionelle Mechanismen, wie Strukturen und Maßnahmen zur Beteiligung und Förderung der Frau

Gender Mainstreaming

Gender Mainstreaming als durchgängiges Leitprinzip zeigt trotz Verankerung in Gemeinsamen Geschäftsordnungen bisher im regierungsamtlichen Handeln noch keine Auswirkung auf ausschlaggebende Entscheidungen. Sofern die entscheidenden Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Jahre die gleichstellungspolitische Bedeutung bzw. Auswirkung als Prüfkriterium überhaupt auswiesen, wurde regelmäßig – ohne jegliche Begründung und Darlegung des Prüfungsablaufes – festgestellt, dass das Gesetz den Anforderungen Rechnung trage. Gender Mainstreaming ist bisher nicht Realität geworden.

Bundesgremienbesetzungsgesetz
Die Umsetzung des Bundesgremienbesetzungsgesetzes setzt voraus, dass allen besetzenden Stellen die weibliche Unterrepräsentanz in Gremien als Problem bewusst ist. Frauenverbände fordern, dass alle Ministerien in den Bundes- und Landesregierungen bei der Bestellung, Berufung oder Ernennung von Gremienmitgliedern in die entsprechenden Beschlussvorlagen einen Hinweis auf die Anzahl der in dem Gremium vertretenen Frauen und Männer aufnehmen. Darüber hinaus muss weibliches Qualifikationspotential sichtbar gemacht werden. Hier wäre eine international vergleichbare Gremiendatei, wie sie vom Europäischen Parlament gefordert wird, hilfreich. Darüber hinaus sollten vergleichbare Regelungen anderer westeuropäischer Länder – wie z.B. die verbindliche Vorgabe in Belgien, wonach ein Gremium seine Beratungskompetenz verliert, wenn mehr als zwei Drittel der Mitglieder dem gleichen Geschlecht angehören – auf seine Übertragbarkeit für die Bundesrepublik überprüft werden.

Gleichstellungspolitische Institutionen auf Landesebene
In den Bundesländern ist eine rückläufige Tendenz hinsichtlich der Bedeutung der gleichstellungspolitischen Ressorts zu erkennen; sie werden zum Teil ganz aufgelöst (z.B. Hamburg), gesplittet (Hessen, Schleswig-Holstein) oder in der Hierarchie herabgestuft (Thüringen). Als fatale Entwicklung ist festzustellen, dass die Familienpolitik ohne spezielle Berücksichtigung frauen- bzw. gleichstellungspolitischer Fragen den gleichstellungspolitischen Politikansatz zurückdrängt. Dies gilt zunehmend auch für die Bundesebene.


 

Margret Diwell
Präsidentin

Prof. Dr. Doris König
Mitglied der Kommission Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht