Stellungnahme: 04-07


zur Reform der Strafvorschriften über den Menschenhandel und Vorschlag des Deutschen Juristinnenbundes

Stellungnahme vom

 

 

Der djb begrüßt ausdrücklich, dass mit dem Referenten-Entwurf

(Stand 5. Februar 2004) für ein "Strafrechtsänderungsgesetz - §§

180b, 181 StGB" der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen

Union vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels (ABl.

EG. L 203 v. 1. 8. 2002, S. 1) nunmehr umgesetzt werden soll.

 

 

 

 

Dieser Rahmenbeschluss gibt den Mitgliedstaaten auf, den

Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft oder zum

Zweck der sexuellen Ausbeutung nach den Vorgaben der Europäischen

Union unter Strafe zu stellen bzw. den Vorgaben des

Rahmenbeschlusses anzupassen und bis spätestens zum 1. August

2005 in innerstaatliches Recht umzusetzen. Der Menschenhandel ist

im geltenden deutschen Strafrecht bislang nur in der Variante des

Menschenhandels zum Zweck der Prostitution in den §§ 180b und 181

StGB und auch dort nicht hinreichend geregelt. Es besteht deshalb

Änderungs- und Ergänzungsbedarf.

 

 

 

 

Der (Referenten-) Entwurf stellt zu Recht klar, dass

Menschenhandel in allen seinen Erscheinungsformen in erster Linie

ein Delikt gegen die Freiheit und nicht Thema des

Sexualstrafrechts (13. Abschnitt des Strafgesetzbuches: Delikte

gegen die sexuelle Selbstbestimmung) ist. Es ist deshalb richtig,

sämtliche neu zu fassenden Strafvorschriften gegen den

Menschenhandel in den 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches:

"Straftaten gegen die persönliche Freiheit" einzustellen.

 

 

 

 

Auch nach der Einschätzung des djb muss eine für die Adressaten

verständliche Regelung in die unterschiedlichen Grundtatbestände

des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und zum

Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft aufgeteilt werden. Diese

Grundtatbestände sind um darauf bezogene Erschwerungsgründe

(Qualifikationen) zu ergänzen, die der besseren Übersicht wegen

in gesonderten Vorschriften zu regeln sind.

 

 

 

 

Allerdings enthält der vorliegende Referenten-Entwurf in einigen

Teilen Unschärfen, die seine Praktikabilität beeinträchtigen. Die

Begehungsformen des Grundtatbestandes sind nicht hinreichend klar

bestimmt. Auch die vorgeschlagenen Qualifikationstatbestände sind

nicht konsistent geregelt. Sie entsprechen zudem nicht der

üblichen Gesetzessystematik in vergleichbaren

Qualifikationstatbeständen wie etwa der Erpressung (§§ 255, 250,

251 StGB) oder der Vergewaltigung (§§ 177 Abs. 3 und 4, 178

StGB). Die durch besonderes Unrecht und besondere Schwere der Tat

gekennzeichneten Fälle werden mit Blick auf die jeweils bedrohten

bzw. angegriffenen Rechtsgüter der Verletzten nicht angemessen

erfasst. Außerdem trägt der Entwurf dem Umstand nicht hinreichend

Rechnung, dass Menschenhandel ein Wirtschaftszweig ist, in dem

arbeitsteilig handelnde Organisationen tätig werden. Die

vorgeschlagenen Strafvorschriften decken - entgegen den Vorgaben

des Rahmenbeschlusses - die Beteiligungen von untergeordneten

Mitgliedern solcher Organisationen nicht in hinreichender Weise

ab. Die allgemeinen Teilnahmeregeln des Strafgesetzbuchs erfassen

nicht die Förderungshandlungen solcher Mitglieder einer

Organisation, die nur über Teilinformationen verfügen, die

Ausbeutungszwecke also nicht in einer den Anforderungen an

vorsätzliches Verhalten entsprechenden Weise kennen. Dazu sind

zusätzliche Regelungen erforderlich.

 

 

 

 

Es sind ferner Änderungen des Strafverfahrensrechts notwendig,

die es ermöglichen, die Straftatbestände gegen den Menschenhandel

auch umzusetzen, also Strafverfolgung auch tatsächlich

durchzuführen.

 

 

 

 

Der djb legt deshalb einen eigenen Entwurf zur Änderung und

Neufassung der Straftatbestände des Menschenhandels und zur

Änderung strafprozessrechtlicher Regelungen vor. In der

Begründung wird dabei auch zu den Schwachstellen des

Referentenentwurfs Stellung genommen:

 

 

 

 

 

 

Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - §§ 180b, 181

StGB (...StrÄndG)

 

 

 

 

Art. ...

 

 

 

 

Im Achtzehnten Abschnitt des Besonderen Teils "Straftaten gegen

die persönliche Freiheit" werden nach der Überschrift folgende §§

232, 232a, 233, 233a und 233b eingefügt:

 

 

 

 

§ 232

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung

 

 

 

 

(1) Wer auf eine andere Person seines Vorteils wegen einwirkt, um

sie unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die

mit einem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur

Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen, wird mit

Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Einwirken ist jede Beeinflussung des Willens einer anderen Person

zur Einreise in ein anderes Land.

 

 

 

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer seines Vorteils wegen die

Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer anderen Person ausnutzt,

die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, um

sie zu sexuellen Handlungen zu bringen, die sie an oder vor dem

Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem

Dritten an sich vornehmen lassen soll.

 

 

 

 

(3) Ebenso wird bestraft, wer seines Vorteils wegen die

Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer anderen Person, die mit

deren Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, durch

zusätzliche Handlungen verschärft und diese Zwangslage dazu

ausnutzt, sie zu sexuellen Handlungen zu bringen, die sie an oder

vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter

oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll.

 

 

 

 

(4) Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die verletzte Person

unter einundzwanzig Jahre alt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe

von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

 

 

 

 

(5) Wer in den Fällen der Absätze 1 bis 3 Täuschung oder List

anwendet, wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren

bestraft.

 

 

 

 

(6) Der Versuch ist strafbar.

 

 

 

 

§ 232a

Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft

 

 

 

 

(1) Wer auf eine andere Person seines Vorteils wegen einwirkt, um

sie unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die

mit einem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, in eine

der Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft

entsprechende Lage oder dazu zu bringen, bei ihm oder einem

Dritten zu Arbeitsbedingungen beschäftigt zu sein, die in einem

auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer

Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche

oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, wird mit

Freiheitsstrafe bis von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Einwirken ist jede Beeinflussung des Willens einer anderen Person

zur Einreise in ein anderes Land.

 

 

 

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer seines Vorteils wegen die

Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer anderen Person ausnutzt,

die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, um

sie in eine der Sklaverei, Leibeigenschaft oder

Schuldknechtschaft entsprechende Lage oder dazu zu bringen, bei

ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen beschäftigt zu sein,

die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen

anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die

gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

 

 

 

 

(3) Ebenso wird bestraft, wer seines Vorteils wegen die

Zwangslage oder die Hilflosigkeit einer anderen Person, die mit

deren Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, durch

zusätzliche Handlungen verschärft und diese Zwangslage dazu

ausnutzt, sie in eine der Sklaverei, Leibeigenschaft oder

Schuldknechtschaft entsprechende Lage oder dazu zu bringen, bei

ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen beschäftigt zu sein,

die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen

anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die

gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

 

 

 

 

(4) Ist in den Fällen der Absätze 1 bis 3 die verletzte Person

unter einundzwanzig Jahre alt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe

von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.

 

 

 

 

(5) Ebenso wird bestraft, wer in den Fällen der Absätze 1 bis 3

Täuschung oder List anwendet.

 

 

 

 

(6) Bringt der Täter das Opfer in den Fällen der Absätze 1 bis 3

in eine der Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft

entsprechende Lage, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs

Monaten bis zu zehn Jahren.

 

 

 

 

(7) Der Versuch ist strafbar.

 

 

 

 

§ 233

Schwerer Menschenhandel

 

 

 

 

(1) Wer in den Fällen der § 232 und 232a mit Gewalt oder Drohung

mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben vorgeht oder

gewerbsmäßig handelt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis

zu zehn Jahren bestraft.

 

 

 

 

(2) Ebenso wird bestraft, wer die Kontrolle über eine Person,

gegen die eine Straftat nach § 232 oder 232a verübt wurde,

 

 

 

 

1. einem anderen überlässt und dafür einen Vorteil für sich oder

einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt oder

der verletzten Person damit droht,

 

 

 

 

2. von einem anderen übernimmt und dafür dem anderen einen

Vorteil für diesen oder einen Dritten anbietet, verspricht oder

gewährt.

 

 

 

 

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen,

wenn

 

 

 

 

1. der Menschenhandel von mehreren gemeinschaftlich begangen

wird,

 

 

 

 

2. der Täter eines Menschenhandels eine Waffe oder sonst ein

gefährliches Werkzeug bei sich führt, um den Widerstand einer

anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern

oder zu überwinden,

 

 

 

 

3. der Täter eine andere Person, gegen die eine Straftat nach den

§§ 232, 232 a verübt wurde, in die Gefahr einer schweren

Gesundheitsschädigung bringt oder

 

 

 

 

4. der Täter die Tat als Mitglied einer Bande, die sich zur

fortgesetzten Begehung des Menschenhandels (§§ 232, 232a)

verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds

begeht.

 

 

 

 

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen,

wenn der Täter eines Menschenhandels

 

 

 

 

1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug

verwendet oder

 

 

 

 

2. das Opfer anlässlich der Tat

 

 

 

 

a) körperlich schwer misshandelt oder

 

 

 

 

b) in die Gefahr des Todes bringt.

 

 

 

 

(5) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von

sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

 

 

 

 

§ 233a

Menschenhandel mit Todesfolge

 

 

 

 

Verursacht der Täter durch den Menschenhandel (§§ 232, 232a)

wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen, so ist

die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht

unter zehn Jahren.

 

 

 

 

§ 233b

Förderung des Menschenhandels

 

 

 

 

(1) Wer seines Vorteils wegen eine Person, von der er weiß oder

den Umständen nach annehmen muss, dass sie bei dem Entschluss zur

Einreise in ein anderes Land in ihrer Willensfreiheit

beeinträchtigt wurde oder aufgrund von Hilflosigkeit oder einer

Zwangslage, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land

verbunden ist, in ihrer Willensfreiheit beeinträchtigt ist,

 

 

 

 

- befördert

- beherbergt

- weitergibt

wird wie ein Gehilfe (§ 27) bestraft.

 

 

 

 

(2) §§ 233 und 233a gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass die

Strafe nach § 49 StGB zu mildern ist.

 

 

 

 

Art. ...

§ 154c StPO wird wie folgt neu gefasst:

 

 

 

 

§ 154c StPO

(Nichtverfolgung von Erpressten)

 

 

 

 

(1) Ist eine Erpressung oder eine Straftat nach dem 18. Abschnitt

des StGB durch die Drohung begangen worden, ein Vergehen zu

offenbaren oder unter Ausnutzung der Zwangslage, die dadurch

entstanden ist, dass das Opfer sich wegen eines Vergehens

strafbar gemacht hat oder wird ein Vergehen des Opfers anlässlich

der Ermittlungen wegen einer Straftat nach dem 18. Abschnitt

bekannt, so sieht die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der

Tat des Opfers ab, wenn nicht wegen der Schwere der Tat eine

Sühne unerlässlich ist.

 

 

 

 

(2) Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung des

Opferzeugen kann angeordnet werden, dass dieser sich bis zum

rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens für Zwecke des

Verfahrens im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhält.

 

 

 

 

(3) Diese Maßnahme darf nur durch den Richter angeordnet werden.

Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch von der

Staatsanwaltschaft getroffen werden. Die Anordnung der

Staatsanwaltschaft tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei

Tagen von dem Richter bestätigt wird.

 

 

 

 

 

 

Begründung

 

 

 

 

1. Zu §§ 232, 232a, 233, 233a, 233b und 233c

 

 

 

 

Anders, als es der Referentenentwurf vorsieht, sind Ausgangspunkt

der Neufassung nicht die bisherigen Strafvorschriften gegen

Menschenhandel (§§ 180 b, 181 StGB), sondern es ist der

Rahmenbeschluss umzusetzen, dem die §§ 180b, 181 StGB gerade

nicht entsprechen. Nach dem Rahmenbeschluss gibt es zwei Formen

des Menschenhandels: den zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und

den zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft. Diese beiden

Formen werden dort als gleichrangig und in ihren Voraussetzungen

- sieht man vom spezifischen Ausbeutungszweck ab - völlig

parallel behandelt. Das muss sich sowohl in der Struktur der neu

zu fassenden Normen, als auch in ihren Bezeichnungen

niederschlagen. Nennt man, wie es der Referentenentwurf

vorschlägt, den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung

nur "Menschenhandel", um davon den "Menschenhandel zum Zweck der

Ausbeutung der Arbeitskraft" zu unterscheiden, könnte die irrige

Annahme begründet werden, dass es sich bei dem Menschenhandel zum

Zweck der sexuellen Ausbeutung um den "Normalfall", also den

Grundtatbestand handelt und bei dem Menschenhandel zum Zweck der

Ausbeutung der Arbeitskraft um einen "Spezialfall". Das aber ist

mit Überführung dieser Normen in den Abschnitt der

Freiheitsdelikte nicht mehr zu vereinbaren: beide Formen des

Menschenhandels zeichnen sich durch einen Angriff auf oder einen

Eingriff in die persönliche Freiheit aus. Die Straftat ist

Menschenhandel mit dem Zweck der Ausbeutung. Lediglich die Art

der mit der Ausbeutung bezweckten Tätigkeit ist verschieden. Es

müssten von daher in einer Strafvorschrift zum "Menschenhandel"

beide Ausbeutungszwecke erfasst und parallel geregelt werden. Der

djb schlägt der besseren Lesbarkeit wegen und um die für die

Adressaten von Strafvorschriften unleserliche Verweisungstechnik

zu vermeiden mit den §§ 232 und 232a zwei (parallel) gestaltete

Grundtatbestände vor: "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen

Ausbeutung" (§ 232 Abs. 1 bis 3) und "Menschenhandel zum Zweck

der Ausbeutung der Arbeitskraft" (§ 232a Abs. 1 bis 3).

Unterschiede (§ 232a Abs. 6) sind nur insoweit zu

berücksichtigen, als tatsächliche Eingriffe in das (spezielle

Freiheits-) Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch

Vorschriften aus dem 13. Abschnitt des StGB erfasst werden, die

aber für die Ausbeutung der (allgemeinen) Arbeitskraft nicht

gelten.

 

 

 

 

Bezogen auf beide Formen des Menschendhandels werden sodann

Qualifikationstatbestände vorgeschlagen (§§ 233, 233a).

 

 

 

 

Ferner wird vorgeschlagen, Förderungshandlungen von

(untergeordneten) Mitgliedern einer Menschenhandelsorganisation

oder auch von Externen, die durch die allgemeinen

Teilnahmevorschriften (§ 27 StGB) nicht oder nur schwer erfassbar

sind, gesondert zu regeln. Auch diese Förderung hat sich auf

beide Formen des Menschenhandels zu beziehen. Die entsprechende

Vorschrift gehört deshalb ans Ende der Regelungen (§ 233 c).

 

 

 

 

2. Zu § 232

 

 

 

 

Menschenhandel ist (auch) ein Wirtschaftszweig, in dem

arbeitsteilig handelnde Organisationen tätig werden. Es ist

notwendig, alle Tätigkeitsstufen solcher Organisationen zu

erfassen: die "Anwerbung" im Ausland (dazu Abs. 1), das

"operative Geschäft im Inland" nach Verbringen der Verletzten in

das fremde Land (dazu Abs. 2) und die "Vollstreckung", also

Maßnahmen, die besonders widerstandsfähige Verletzte durch

zusätzlichen Druck (Gewalt, Überbürdung von Schulden, Drohung

gegen Angehörige u. ä.) zu dem erstrebten Zweck - hier

Prostitution - gefügig machen sollen (dazu Abs. 3).

 

 

 

 

Menschenhandel kommt aber nicht nur in organisierter Form vor.

Sowohl die Motive der Täter als auch deren Ziele variieren

erheblich. Der Referentenentwurf will nur die Täter erfassen, die

ihres "Vermögensvorteils" wegen handeln. Damit werden aber

diejenigen Fälle nicht erfasst, in denen einzelne Täter

persönliche Vorteile anstreben, die sich nicht ohne weiteres als

Vermögenswert ausdrücken lassen. Dazu gehören beispielsweise,

eine Person als nur individuelle Sexpartnerin ausbeuten zu

können, die Befriedigung ungehemmter Machtgelüste oder oft auch

die Möglichkeit, etwa auf deren Kinder zugreifen zu können u. ä.

Es wird deshalb vorgeschlagen, den Begriff "Vermögensvorteil" in

allen Tatbeständen des § 232 durch den des "Vorteils" zu

ersetzen. Dieser Begriff ist insofern auch hinreichend klar

umrissen, als auf die Judikatur zu den Amtsdelikten

zurückgegriffen werden kann, in denen dieser Begriff ebenfalls

verwendet wird.

 

 

 

 

Zur Beschreibung der objektiven Tathandlung wird in Absatz

1 zwar der Begriff "Einwirken" übernommen, der sich schon in

§ 180b des geltenden StGB findet. Er erhält aber aufgrund der

Einstellung des § 232 in den 18. Abschnitt des StGB einen anderen

Inhalt. Im Kontext des § 180b als eines Deliktes gegen die

sexuelle Selbstbestimmung bereitete dieser Begriff

Auslegungsprobleme. Die Rechtsprechung hat die Voraussetzung

restriktiv ausgelegt und darunter eine besonders "intensive

Einflussnahme auf den Willen des Opfers" verstanden. In den

Fällen, in denen Tatopfer in ihrem Herkunftsland bereits der

Prostitution nachgingen oder bei Anwerbung bereits entschlossen

waren, sich im Einreiseland zu prostituieren oder wussten, dass

dies von ihnen erwartet werden würde, ist mit dieser Begründung

regelmäßig ein "Einwirken" verneint worden. Dahinter steht die

Vorstellung, dass man keinen Entschluss zu etwas hervorrufen

kann, zu dem ein Mensch bereits entschlossen ist. Das Merkmal

wurde also ähnlich ausgelegt wie das "Bestimmen" im Sinne der

Anstiftungstatbestände. Im Kontext des § 180b StGB ist eine

solche restriktive Interpretation mit Blick auf das geschützte

Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung - auch wenn sie nicht

sachgerecht ist - zumindest vertretbar gewesen. Mit Einstellung

des Menschenhandels in den 18. Abschnitt entfällt aber die

Grundlage für eine solche Auslegung. Menschenhandel (in beiden

Formen) ist danach ein Freiheitsdelikt. Geschütztes Rechtsgut ist

ganz allgemein die Freiheit der Willensentschließung und

Willensbetätigung. Systematisch und nach Sinn und Zweck des

Menschenhandels kann es jetzt allein noch auf die Beeinflussung

oder Beugung des Willens ankommen, die Sicherheit des eigenen

(oder eines anderen Wohnsitzlandes) zu verlassen und sich den

Unsicherheiten auszusetzen, die mit dem Aufenthalt in einem

anderen Land verbunden sind. Dafür ist es unerheblich, zu welchem

Zweck Verletzte des Menschenhandels in das andere Land einreisen,

ob sie etwa wissen oder auch nur vermuten, dass sie dort der

Prostitution nachgehen sollen, und erst recht ist irrelevant,

welche Tätigkeit sie zuvor ausgeübt haben, ob sie also

beispielsweise bereits im Herkunftsland als Prostituierte

gearbeitet haben oder nicht. Satz 2 stellt diesen Zusammenhang

lediglich klar: auf eine Person "einwirken" heisst, eine Wirkung

zu erzeugen. Diese (objektive) Wirkung, also die unmittelbare

Folge des (objektiven) Einwirkens besteht in einer

Willensentschließung der Person, auf die eingewirkt wurde. Diese

Entschließung kann sich nur auf den objektiven Umstand der

Einreise in ein fremdes Land beziehen, nicht aber auf die

(überschießenden) Zwecke, die der Täter mit seiner Einwirkung

verfolgt. Diese Zwecke (Absichten) des Täters sind der Grund für

den spezifischen Unrechtsgehalt des Menschenhandels, nicht aber

die Bezugsgröße für die Vorstellungen und die Willensbildung der

Verletzten.

 

 

 

 

Absatz 2 regelt das Ausnutzen einer Zwangslage. Befindet

sich eine Person bereits in einem fremden Land, können

Hilflosigkeit oder eine Zwangslage, wie sie in Abs. 1 umschrieben

sind, bereits bestehen. Ist das der Fall, kann eine solche Person

- auch ohne durch Einwirken im Sinne des Absatzes 1 in dieses

Land verbracht worden zu sein - ein leichtes Opfer für weitere

sexuelle Ausbeutung (im Sinne des Absatzes 1) werden. Der

Referentenentwurf geht an dieser Konstellation vorbei. Der Täter

muss nämlich in diesen Fällen auf die Person oft gar nicht mehr

"einwirken", weil sie ja bereits in der umschriebenen Weise

hilflos ist oder sich in einer Zwangslage befindet. Deshalb ist

es allein sachgerecht, die objektive Tathandlung als die

Ausnutzung einer solchen Zwangslage zu beschreiben. - Zwangslage

meint dabei eine Situation, in der das Opfer an freier

Willensbetätigung gehindert ist (sei es, weil ihr Aufenthalt in

dem Land durch ausländerrechtliche Vorschriften illegalisiert

ist, sei es, weil ihr - in der Regel überhöhte - Kosten für die

Einreise und den Aufenthalt aufgebürdet wurden, sei es aufgrund

sozial, sprachlich und kulturell bedingter Isolation, sei es,

weil sie die Möglichkeit zur Rückkehr ins Herkunftsland für

versperrt hält o. ä.) und infolgedessen keine

Handlungsalternativen sieht, als sich dem Willen der Täter zu

beugen.

 

 

 

 

Absatz 3 erfasst das Herstellen oder Verschärfen einer

Zwangslage. Opfer von Menschenhandel werden häufig auch solche

Personen, die sich bereits in einem fremden Land aufhalten und

dann mit der Absicht, sie auszubeuten, zum Bleiben gezwungen

werden. Soweit ihre Zwangslage aus Sicht der Täter oder objektiv

nicht hinreicht, um sie sexuell auszubeuten, werden häufig

zusätzliche Druckmittel eingesetzt. Diese Fälle werden von den

Absätzen 1 und 2 nicht erfasst und bedürfen deshalb gesonderter

Regelung. Schon das geltende Recht wird mit Blick auf eine

fehlende Regelung über das Herstellen einer Zwangslage

insbesondere von den Polizeibehörden als zu lückenhaft

kritisiert.

 

 

 

 

Mit Absatz 4 wird der Vorschlag des Referentenentwurfs

(dort Absatz 1 Satz 2) aufgegriffen. Da insbesondere junge Frauen

aufgrund geringerer Lebenserfahrung leichtere Beute für die Täter

sind, liegt in einer Einwirkung auf sie regelmäßig die Ausnutzung

einer zusätzlichen Schwachstelle. Darin liegt ein erhöhtes

Unrecht, das mit dem vorgeschlagenen Strafrahmen angemessen

erfasst wird. - Auch hier kann es im übrigen, weil es sich um ein

Freiheitsdelikt handelt, nicht darum gehen, dass sich die

Einwirkung auf die Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution

bezieht. Es gilt insoweit dasselbe wie für Absatz 1.

 

 

 

 

Absatz 5 regelt den Einsatz von Täuschung oder List,

Tatmittel also, die nach dem Rahmenbeschluss ausdrücklich mit zu

erfassen sind. Der Referenten-Entwurf will List als

qualifizierten Fall regeln, der als Verbrechen ausgestaltet ist

(§ 232a Abs. 1 N2. 2 RefE). Listiges Vorgehen - oder auch

Täuschung, die nach dem Rahmenbeschluss zu ergänzen ist -

erreicht aber nicht den gleichen Unrechtsgehalt wie etwa eine

Tat, die unter Anwendung von Gewalt gegen Personen begangen wird.

Vielmehr ist listiges Vorgehen vergleichbar mit der Ausnutzung

mangelnder Lebenserfahrung bei jungen Frauen. Es ist deshalb nach

Auffassung des djb hinreichend, listiges oder irreführendes

Verhalten mit demselben (erhöhten) Strafrahmen zu bedrohen, der

in Absatz 4 vorgesehen ist.

 

 

 

 

Da alle Tatbestände des § 232 als Vergehen gestaltet sind, ist es

notwendig, den Versuch zu regeln (Absatz 6). Nicht nur der

Rahmenbeschluss gibt vor, dass der Versuch unter Strafe zu

stellen ist, sondern auch die Systematik dieses Abschnittes legt

das nahe. Selbst (einfache) Nötigung und Freiheitsberaubung sind

im Versuch unter Strafe gestellt. Die gelegentlich anzutreffende

Argumentation, der Menschenhandelstatbestand sei, weil er sich

objektiv in dem "Einwirken" erschöpfe, bereits als

Vorfeldtatbestand

 

 

 

 

gestaltet und umfasse daher die Versuchsstadien, ist

unzutreffend. Dahinter steht die Fehlvorstellung, dass der Erfolg

des Menschenhandels die Aufnahme der Prostitution sei. Das gerade

ist nicht der Fall.

 

 

 

 

Nicht geregelt werden muss der Fall, dass die verletzte Person

tatsächlich zur Aufnahme der Prostitution gebracht wird, denn

insoweit handelt es sich um eine Variante der ausbeuterischen

Zuhälterei. Der im Referentenentwurf vorgesehene Absatz 2 kann

deshalb ersatzlos entfallen. Soweit es tatsächlich unter dem

Einfluss von Zwang pp. zur Ausübung oder Fortsetzung der

Prostitution kommt, wird dieses Unrecht durch die Delikte des 13.

Abschnitts erfasst. Hier geht es dagegen ausschließlich um

Freiheitsdelikte.

 

 

 

 

3. Zu § 232a

 

 

 

 

Die vorgeschlagene Regelung folgt insgesamt dem Ansatz des

Rahmenbeschlusses, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen

Ausbeutung und zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft gleich

zu regeln. Insofern ist kein Grund dafür erkennbar, hier auf das

einschränkende Merkmal zu verzichten, dass der Täter "seines

Vorteils wegen" gehandelt haben muss.

 

 

 

 

Ferner wird vorgeschlagen, die Begriffe "Sklaverei,

Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft", die als ein Gegenstand

der Absicht des Täters im Referentenentwurf aufgeführt sind,

durch "eine der Sklaverei, Leibeigenschaft oder

Schuldknechtschaft entsprechende Lage" zu ersetzen. Teilweise

werden die Begriffe nämlich wörtlich genommen und eingewandt,

eine entsprechende Absicht lasse sich schon deshalb niemals

nachweisen, weil es, wie jeder wisse, diese Formen der

Abhängigkeit von Personen in der Bundesrepublik (normativ) nicht

gebe und deshalb auch (faktisch) nicht geben könne. Ein solcher

Fehlschluss wird durch die hier vorgeschlagene Formulierung

vermieden.

 

 

 

 

Von der Zwecksetzung abgesehen entsprechen die Absätze 1 bis

5 den Regelungen, die hier für Menschenhandel zum Zweck

sexueller Ausbeutung in § 232 vorgeschlagen werden.

 

 

 

 

Absatz 6 greift den Vorschlag des Referentenentwurfs auf.

Da es - anders als bei sexueller Ausbeutung - keine Tatbestände

der ausbeuterischen "Arbeits-Zuhälterei" gibt, ist es

sachgerecht, das tatsächliche Verbringen in eine der Sklaverei,

Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft entsprechenden Lage als

erschwerten Fall zu erfassen.

 

 

 

 

Da die auch hier erforderliche Regelung des Versuchs sich auf

alle Modalitäten des § 232a bezieht, ist sie in Absatz 7

einzustellen.

 

 

 

 

4. Zu § 233

 

 

 

 

In dem Referentenentwurf fehlen konsistente

Qualifikationstatbestände. Unterschiedliche Absichten des Täters

können kein Grund dafür sein, objektiv erschwerende Umstände des

Menschenhandels unterschiedlich zu regeln. Die Qualifikationen

müssen deshalb - auch nach der Intention des Rahmenbeschlusses -

alle Varianten des Menschenhandels erfassen. Es handelt sich um

Begehungsweisen, die für (Rechtsgüter der) Opfer besonders

gefährlich sind oder in besonders gravierender Weise in

zusätzliche Rechtsgüter eingreifen. Dazu gehören

gemeinschaftliches Handeln mehrerer Täter, Gewalt und der Einsatz

von Waffen oder gefährlichen Werkzeugen. Als erschwerender

Umstand muss zusätzlich der vollendete "Handel" mit Menschen im

wahrsten Sinne berücksichtigt werden. Ferner fehlen

Erschwerungsgründe, die sich in den besonders gravierenden Folgen

für das Opfer niedergeschlagen haben. Schließlich kommt als

Erschwerungsgrund gewerbsmäßiges Handeln des Täters in Betracht.

Es wird deshalb vorgeschlagen, die Qualifikationstatbestände der

üblichen Gesetzessystematik in vergleichbaren

Qualifikationstatbeständen anzupassen wie etwa bei der Erpressung

(§§ 255, 250, 251 StGB) oder der Vergewaltigung (§§ 177 Abs. 3

und 4, 178 StGB). Allerdings wird davon abgesehen, die im Detail

unsinnige und unanwendbare Formulierung zu übernehmen, die durch

das 6. Strafrechtsreformgesetz in § 244 Abs. 1 Nr. 1 a und b, in

§ 250 Abs. 1 Nr. 1 a und b sowie in § 177Abs. 3 Nr. 1 und 2 StGB

eingefügt wurde. Der djb schlägt insoweit eine bereinigte Fassung

vor (und empfiehlt im übrigen, bei dieser Gelegenheit auch die §§

177, 244 und 250 vernünftig zu fassen).

 

 

 

 

Absatz 1 entspricht dem qualifizierten Fall der Nötigung

in den Raubdelikten. Da beispielsweise eine räuberische

Erpressung (§ 255) als Verbrechen auch im Versuch strafbar ist,

ist es für das Unrecht der Tat unerheblich, ob der

Nötigungserfolg eingetreten ist. Maßgebend kann daher auch für

die Qualifikation des Menschenhandels (durch Einwirken etc.)

nicht sein, dass - wie der Referentenentwurf vorsieht -, das

Opfer tatsächlich zur Prostitution etc. gezwungen wurde. Die

Aufnahme der Prostitution ist weder ein qualifizierter Fall des

Freiheitsdelikts - insofern wird auf die Delikte gegen die

sexuelle Selbstbestimmung verwiesen - noch kann die Tat, wenn

Gewalt angewendet wird, erst dann zu einem schweren Fall des

Menschenhandels werden, wenn der Täter kumulativ auch seine

ausbeuterischen Absichten verwirklicht hat. Wohl aber

qualifiziert es den Menschenhandel, wenn der Täter gewerbsmäßig

handelt. Die vorstehenden Erwägungen treffen sowohl den Fall des

Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung als auch den

zur Ausbeutung der Arbeitskraft.

 

 

 

 

Absatz 2 regelt eine dem Menschenhandel eigentümliche Form

der Gewalt, die auch in Art. 1 Abs. 1 d) des Rahmenbeschlusses

besonders hervorgehoben wird. Der "Verkauf" wird von den

Verletzten eines Menschenhandels als die demütigendste Form des

Umgangs empfunden, die in ihrer Intensität der Gewaltanwendung

gleichkommt. Er ist vollständige Machtausübung über eine andere

Person. Die Drohung mit einem solchen "Verkauf" wird in der

Praxis häufig als Disziplinierungsmittel gegen die Opfer

eingesetzt, weil schon die Androhung ähnlich schwer wiegt wie die

Drohung mit körperlicher Gewalt.

 

 

 

 

Absatz 3 übernimmt den Katalog der §§ 177Abs. 3, 244 Abs.

1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB in bereinigter Fassung.

 

 

 

 

Absatz 4: Der im Referentenentwurf vorgeschlagene Absatz 2

(List) entspricht in seiner Intensität keiner der übrigen

Qualifikationen, die den Verbrechenscharakter rechtfertigen, und

ist deshalb, wie oben begründet, als Spezialfall in §§ 232 Abs. 5

und 232a Abs. 5 zu regeln.

 

 

 

 

5. Zu § 233a

 

 

 

 

Die leichtfertige Verursachung des Todes, die in Fällen

qualifizierten Menschenhandels durchaus nicht auszuschließen ist,

ist nach der üblichen Gesetzessystematik (wie vor) als

Erfolgsqualifikation in das Gesetz aufzunehmen.

 

 

 

 

6. Zu § 233 b

 

 

 

 

Der Rahmenbeschluss fordert, dass auch Anstiftung und Beihilfe

unter Strafe zu stellen sind. Selbstverständlich sind auch die

hier vorgeschlagenen Tatbestände des Menschenhandels

beihilfefähige Taten. Indessen versagen die allgemeinen Regeln

dann, wenn die untergeordneten Mitglieder einer

Menschenhandelsorganisation mit abgeschotteten Informationsebenen

jeweils nur Teilkenntnisse haben oder als Externe nur für

bestimmte Dienstleistungen wie Transport, Unterkunft u. ä.

eingesetzt werden. Die hier vorgeschlagene Regelung erfasst die

üblichen Handlungen zur Förderung der Haupttat als selbständige

Tathandlungen, ohne dass der Täter die weitergehenden Absichten

der Menschenhändler (als Haupttäter) kennen muss. Diese

Regelungstechnik ist im Strafrecht nicht unüblich. Beispielsweise

findet sich in § 111 StGB ein ähnliches Regelungsmuster

(Verweisung auf die Strafbarkeit "wie ein Anstifter"). Erreicht

wird mit dieser Regelung, dass die Anforderungen aus Art. 1 Abs.1

des Rahmenbeschlusses erfüllt werden.

 

 

 

 

7. Zu Art. ... § 154c stopp

 

 

 

 

Ermittlungen (und häufig auch Verurteilungen) wegen

Menschenhandels sind in der Regel nur mit Hilfe der Opfer

möglich. Der Referentenentwurf berücksichtigt dieses spezifische

Problem nicht.

 

 

 

 

Wenn das Gesetz also nicht nur symbolischen Charakter haben soll,

sind Änderungen der Strafprozessordnung notwendig.

 

 

 

 

Die Opfer des Menschenhandels - in allen Modalitäten dieser

Delikte - werden durch die Täter regelmäßig dauerhaft mit dem

Argument unter Druck gesetzt, dass eine Anzeige notwendig die

Aufdeckung eigener Straftaten bedeute, das Opfer sich also selbst

der strafrechtlichen Verfolgung aussetzt. Mit der Ermittlung

solcher Sachverhalte befasste Polizeibeamte und Staatsanwälte

beklagen, dass die von Menschenhandel betroffenen Personen eben

deshalb oft nicht einmal anzeige-, geschweige denn aussagewillig

sind.

 

 

 

 

Das geltende Recht sieht zwar die Möglichkeit einer Einstellung

etwaiger Strafverfahren gegen die Opfer nach § 154c StPO vor.

Diese Regelung ist aber in ihrer derzeitigen Fassung weitgehend

nicht praktikabel. Die Opfer von Nötigungen und Erpressungen

müssen eigene Straftaten schon bei der Anzeige der gegen sie

verübten Taten oder in ihren Vernehmungen als Zeugen offenbaren.

Die Zusicherung, dass sie selbst nicht verfolgt werden, kann

ihnen nicht - wie es für eine effiziente Ermittlung des

Menschenhandels nötig wäre - vorab gegeben werden kann, weil die

Ermessensbetätigung der Staatsanwaltschaft von der Kenntnis

dieser zu offenbarenden Straftat abhängt. Zusätzlich wird eine

großzügige und sachgerechte Anwendung des § 154c StPO dadurch

erschwert, dass die Richtlinien für das Straf- und

Bußgeldverfahren die Entscheidung über die Zusicherung der

Nichtverfolgung dem Behördenleiter vorbehalten.

 

 

 

 

Da die Delikte des 18. Abschnitts des StGB in der Fassung der mit

den Menschenhandelsvorschriften anstehenden Änderungen zu den

schwersten Straftaten gehören, ist ein Verzicht auf die

Verfolgung kleinerer bis mittelschwerer Delikte, die von den

Opfern begangen wurden, zum Zwecke der Sicherstellung der

Verfolgung dieser schwerwiegenden Verbrechen legitim.

 

 

 

 

Die Voraussetzungen des § 154c StPO sind den gewandelten

Kriminalitätsformen anzupassen. Anders als noch in früheren

Jahren werden die Opfer gerade des Menschenhandels nicht mehr mit

der Offenbarung von Straftaten genötigt - wie etwa früher mit der

Offenbarung der damals strafbaren Homosexualität -, sondern es

wird eine entsprechende Zwangslage ausgenutzt. Aus diesem Grunde

ist Absatz 1 auf die Taten des 18. Abschnittes auszudehnen.

Ferner ist eine verbindliche Regelung vorzusehen, um das Dilemma

der Offenbarung eigener Straftaten ohne Zusicherung und der

Zusicherung erst nach Kenntnis der Straftat aufzulösen. Der

Gefahr, dass eine solche Regelung eventuell schwere und schwerste

Straftaten eines Opfers ungesühnt lassen könnte, wird durch die

schon nach geltendem Recht bestehende Öffnungsklausel vorgebeugt.

 

 

 

 

Im Interesse der Verfolgbarkeit und wegen des Interesses an der

Verfolgung schwerster Straftaten, auch mit Blick auf die

internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland,

ist es auch zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten

unerlässlich, Zeugen, die sich ihrer Rolle im Verfahren entziehen

könnten, für das Strafverfahren verfügbar zu halten. Mit

Rücksicht auf die Grundrechte, insbesondere die Freizügigkeit,

kann diese Maßnahme freilich nur mit Zustimmung der Betroffenen

ergehen und fortdauern (Absatz 2). Wegen ihrer besonderen Schwere

ist die Maßnahme allerdings zusätzlich unter Richtervorbehalt zu

stellen (Absatz 3).

 

 

 

 

Dieser Vorschlag trägt auch dem Richtlinienentwurf 2002/0043

(CNS) 14994/03 vom 17. Dezember 2003 Rechnung, der vorsieht, dass

die Strafverfolgung durch die Erteilung kurzfristiger

Aufenthaltstitel (u.a.) für Opfer des Menschenhandels, die mit

den zuständigen Behörden kooperieren, zu erleichtern ist.

 

 

 

 

17. März 2004

 

Margret DiwellProf. Dr. Ursula Nelles
PräsidentinVorsitzende der Kommission Strafrecht