Stellungnahme: 02-13


zur Reform des Verfahrens der Freiwilligen Gerichtsbarkeit BMJ R A 5 - 3800/9 III - 6 - R5 426/2002

Stellungnahme vom


Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, aus der Praxis zu einer möglichen Reform des FGG Anregungen zu geben. Wir beziehen uns vor allem auf die Überlegungen, die sich auf eine Reform des familiengerichtlichen Verfahrens richten.

Grundsätzlich ist daher zu den Ausführungen unter I., aber gleichzeitig auch unter Ziff. VI.32 anzumerken:
Das familiengerichtliche Verfahren ist geprägt durch das Nebeneinander von Amtsermittlungs- und Parteimaxime. Dies entspricht den unterschiedlichen materiellen Regelungsgegenständen, die das Familienrecht beinhaltet. Wie unter I. Ihrer Problemanalyse auch ausgeführt, spricht der wesentlich fürsorgerische Aspekt etwa der Sorge- und Umgangsrechtsverfahren für die Beibehaltung des Amtsermittlungsprinzips in diesen Bereichen. Die Amtsermittlung ist hier auch Ausdruck des staatlichen Wächteramtes aus Art. 6 Abs. 2 GG. Wegen der Grundrechtsbezogenheit von Eingriffen in das Elternrecht einerseits und vitaler Interessen des Kindes andererseits (Art. 1, 2 und 6 GG) kommt u.E. auch eine andere Verfahrensweise als jene durch ein Gericht nicht in Betracht.

Die Praxis hat sich auf das Nebeneinander von Vorschriften auch eingestellt. Probleme bereiten die unterschiedlichen Rechtsmittelfristen, auch die unterschiedlichen Vorschriften zur Vollziehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen, beispielsweise nur erwähnt: des gerichtlichen Auskunftsrechts zum Versorgungs-ausgleich nach § 11 VAHRG nach FGG-Vorschriften, des wechselseitigen Auskunftsanspruchs der Eheleute zum Versorgungsausgleich nach § 1587 e BGB nach ZPO-Vorschriften. Teilweise gibt es Probleme bei der Identifikation der „richtigen“ Verfahrensordnung.

Diese könnten u.E. aber nur dadurch beseitigt werden, dass ein auf die unterschiedlichen materiellen Bedürfnisse der Ehe- und Familiensachen abgestimmtes reines Familienverfahrensrecht mit einem Ne-beneinander von Amtsermittlungs- und Parteiverfahren geschaffen würde, das weitgehend auf Verweisungen verzichtet. Daran ist aber offenbar nicht gedacht. Wie auch immer eine Regelung letztlich aussehen wird, sollte ganz zentral bedacht werden: Die Ausweitung des Amtsermittlungsprinzips auf alle Ehe- und Familiensachen, insbesondere also auf Unterhalts- und Güterrechtsverfahren wäre eine Katastrophe, zumindest für die Unterhaltsgläubiger. Bekannt-lich ist die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in der Bundesrepublik ohnehin schon schwer. Das betrifft vor allem die Vollstreckungsmöglichkeiten. Eine Ausweitung des Amtsermittlungsprinzips auch auf die Erkenntnisverfahren würde dazu führen, dass dann schon bereits die Titulierung von Unterhaltsansprüchen auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt: Der FGG-Richter soll, so die einschlägige Kom-mentierung zu § 12 FGG, die objektive Wahrheit ermitteln. Das Aufklärungsgebot ist in keiner anderen Verfahrensordnung so hoch wie im FGG-Verfahren. Damit würden Unterhaltsverfahren in vielen Fällen nur schwer beendet werden können, manche würden überhaupt keine Entscheidung ermöglichen. Die Gerichte sind gegenwärtig im Unterhaltsrecht zumindest in der Lage, mit Hilfe der ZPO-Regeln: verspätetes Vorbringen, Säumnis, Beweislastentscheidung, verhältnismäßig schnell Entscheidungen treffen zu können. Soweit ihnen die nötigen Informationen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Schuldners fehlen und auch von diesem nicht beigebracht werden, hilft - neben der ihn treffenden Darlegungslast - § 643 ZPO. Dieser könnte erweitert werden durch ein Informationsrecht bei Banken (die Auskunftspflicht des § 1605 BGB umfasst Einkünfte und Vermögen) und auch im Hinblick auf Ehegattenunterhalt Aus-kunftserteilung durch das Finanzamt. Eine weitere Aufweichung des Parteiprozesses im Unterhaltsrecht ist kontraproduktiv.

Im Güterrecht ist überhaupt nicht erkennbar, weshalb reine Zahlungsansprüche der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstellt werden sollten. Hier ist die Funktionalität des ZPO-Verfahrens u.E. auch kaum jemals in Frage gestellt worden. Auch hier würde die Einführung des Amtsermittlungsprinzips dazu führen, dass die Verfahren schwerer handhabbar und teilweise noch schwerer entscheidbar werden. Für die einstwei-lige Sicherung von Zugewinnausgleichsansprüchen vor treuwidriger Vermögensminderung wird das entsprechende ZPO-Instrumentarium mittlerweile überwiegend wohl eingesetzt. Die Rechtsdurchsetzung der Anspruchsteller scheitert im übrigen häufig am materiellen Recht: Das Auseinanderfallen von Berechnungs- und Ausgleichszeitpunkt mit der gesetzlichen Möglichkeit, Vermögensschwund dazwischen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, öffnet der illoyalen Vermögensminderung Tür und Tor. Da nützt es dem um seinen Ausgleichanspruch gebrachten Teil auch wenig, wenn der amtsermittelnde Richter feststellt, dass das Geld weg ist. Dass ihm die Möglichkeit eröffnet werden soll, mittels Durchleuchtung von Inlands- und Auslandskonten, von Konten der Freundin des Ehemannes nach dem Verbleib des Vermö-gens zu forschen, ist offenbar ohnehin nicht beabsichtigt und hätte wegen der materiellen Regelung (§ 1378 Abs. 2 BGB) letztlich auch wenig Effekt.

Auf die fehlenden Vollstreckungsmöglichkeiten für Zahlungsansprüche im FGG-Recht sei hier nur am Rande hingewiesen. Soll der Unterhaltsgläubiger nach § 33 FGG vorgehen müssen? Er will schließlich kein an die Gerichtskasse zu entrichtendes Zwangsgeld beitreiben, sondern braucht seinen monatlichen Unterhalt.

Hinsichtlich der unter I. a.E. geäußerten Vermutung, eine Familienmediation einzuschließen, sei aus der Beobachtung amerikanischer Verfahren hierzu folgendes angemerkt: Wegen des fehlenden Verbundverfahrens hat sich in manchen Bundesstaaten ein Mediationsverfahren herausgebildet, in dem die Parteien die Scheidungsfolgen mit einem „magistrate“, einem Juristen, der jedoch nicht zum Richter gewählt wurde, erörtern und regeln. Diese Regelung legen sie dem Richter im Scheidungsverfahren vor. Einem Richter arbeiten regelmäßig mehrere „magistrates“ zu (z.B. Ohio). Dazu muss bedacht werden, dass in den U.S.A. bis weit in den Mittelstand hinein die Ehepaare nicht in der Lage sind, für die Scheidung einen Anwalt zu beauftragen, weil dies ihre finanziellen Möglichkeiten weit überschreitet. Prozesskostenhilfe gibt es nicht. Folglich sind die Gerichte in höherem Maße gefordert, die Parteien in Bezug auf die Scheidungsfolgen zu beraten und ihnen Konfliktregelungsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Soweit im übrigen Sorge- und Umgangsstreitigkeiten der Mediation unterliegen, erscheint diese vom zeitlichen Rahmen her als stark begrenzt, teilweise wird durch die gerichtlichen Mediatoren auch die Stellungnah-me des Jugendamtes ersetzt (z.B. Kalifornien). Umfangreichere Mediation muss von den Parteien außer-halb der Gerichte selbst bezahlt werden.

Abgesehen davon würde die mehr oder minder verbindliche Vorgabe einer einverständlichen Scheidung erfordern, dass alle Scheidungsfolgen, also auch jene, die den Familiengerichten bislang nicht zugewiesen sind, wie etwa vermögensrechtliche Ansprüche außerhalb des Güterrechts, letztlich in die Entscheidungshoheit der Familiengerichte gelangen, um im Falle des Scheiterns einverständlicher Regelungen den Parteien eine Entscheidung zur Verfügung stellen zu können.

Im übrigen kann der Deutsche Juristinnenbund die obligate Einführung eines Schlichtungsverfahrens nur dann unterstützen, wenn darin alle Scheidungsfolgen geregelt werden können und sollen. Allein die Fokussierung etwa auf Sorge- und Umgangsrecht birgt die Gefahr der Benachteiligung von Frauen in dem Mediationsverfahren, weil diese über die in der Mehrzahl nun einmal tatsächlich von ihnen versorgten Kinder hinsichtlich der materiellen Folgen der Scheidung erpressbar sind und dann, wenn diese nicht mit verhandelt werden, zu einseitig belastenden Kompromissen finden müssen. Eine solche Regelung wäre auch nicht erforderlich, da die Jugendämter nach den Vorschriften des SGB VIII diese Form der Mediation bereits heute vorhalten müssen.

Die Abschaffung des früher als Erfolg, heute als Zwang gekennzeichneten Verbundverfahrens im Zuge der Kindschaftsrechtsreform steht den Überlegungen für eine obligate Schlichtung eigentlich auch eher entgegen.


Zu II.

Verfahrensgrundsätze
Nicht angesprochen werden in Ihrer Problemauflistung die Verfahrensgrundsätze als solche wie z.B. die Frage, ob die Verfahren öffentlich sein sollten, wie es im Hinblick auf Sorge- und Umgangsverfahren beispielsweise von einschlägigen Interessenvertretern (Vätergruppen) immer wieder gefordert wird. Der Deutsche Juristinnenbund lehnt dies mit Rücksicht auf die schützenswerten Positionen der Beteiligten nach wie vor ab, zumal die Zulassung der Öffentlichkeit meist für jene Verfahren gefordert wird, in denen dann gezielt Personen an den Verhandlungen teilnehmen sollen, um auf die Beteiligten und das Gericht Druck auszuüben.

Zentraler erscheint uns allerdings das Gebot der Parteiöffentlichkeit des ermittelten Sachverhaltes. Dies bedeutet, dass alle Fakten, die das Gericht beispielsweise über die psychische Befindlichkeit eines El-ternteils, auch über dessen Erkrankungen etc. erhebt, immer auch dem anderen Elternteil zugänglich gemacht werden müssen. Richtig ist, dass es, gerade im grundrechtsrelevanten Bereich etwa der Sorgeverfahren kein Geheimverfahren geben darf, andererseits hat das Gericht aber auch Fürsorgepflichten gegenüber den Verfahrensbeteiligten. Es kommt immer wieder vor, dass Einzelheiten aus Gerichtsverfahren veröffentlich werden mit dem Ziel, andere Beteiligte zu verunglimpfen, sie zu verfolgen, unter Druck zu setzen. Familienrechtliche FGG-Verfahren sind eine Fundgrube für Stalker. Es stellt sich zumindest die Frage, ob das Gericht in begründeten Ausnahmefällen bestimmte Informationen, die es für seine Ent-scheidung braucht, nicht in allen Einzelheiten allen Verfahrensbeteiligten mitzuteilen braucht. So könnte es beispielsweise ausreichen, lediglich das Ergebnis eines ärztlichen Attestes (depressive Erkrankung) den übrigen Verfahrensbeteiligten mitteilen zu müssen, nicht aber die in dem Attest ebenfalls enthaltene Genese dieser Erkrankung. Über derartige rechtliche Möglichkeiten zur Verfahrensgestaltung sollte je-denfalls nachgedacht werden.

5. Örtliche Zuständigkeit
Die Zuständigkeitsregelung des § 36 FGG birgt Probleme dort, wo es um die Begründung eines Aufenthaltes für das Kind geht: bei den sog. innerstaatlichen Entführungen. Sollte künftig auf die Sachnähe des Gerichts abgestellt werden, müsste für diese Fälle eine materielle Regelung vorgesehen werden, denn sicher ist das Gericht das sachnächste, in dessen Bezirk sich das Kind gerade aufhält (siehe hierzu auch 33.)

6. Verfahrenseinleitung
Wir würden es grundsätzlich begrüßen, wenn Hinweisgeber vom Gericht eine Mitteilung erhielten, dass ihrem Hinweis nachgegangen wird. Zumindest eine derart neutrale Eingangsbestätigung wäre sinnvoll. Gerade in Misshandlungs- und Missbrauchsfällen (§§ 1666 ff. BGB) sind Hinweise aus der Nachbarschaft geschädigter Kinder wichtig. Mit einer solchen Eingangsbestätigung würde dem Hinweis der denunziatorische Anschein genommen und dem Hinweisgeber der Eindruck vermittelt, dass seine Beobachtung ernst genommen wird. Einzelheiten der ergriffenen Maßnahmen hingegen sollten dem Hinweisgeber nicht mitgeteilt werden, soweit er nicht selbst Betroffener des Verfahrens ist.

7. Beteiligte:
Die Veränderung der Beteiligtenstellung, gerade auch von Kindern, erscheint wünschenswert, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass dem Kind, gleich welchen Alters, nun ein Verfahrenspfleger bestellt werden kann. Es fragt sich, wessen Verfahrensrechte der Verfahrenspfleger eigentlich wahrnehmen soll. Stellt er Antrag auf Beweiserhebung beispielsweise aus eigenem Recht oder aus dem Recht des von ihm vertretenen Minderjährigen? Die vorgeschlagene Klarstellung in Bezug auf die Beteiligtenstellung von Kindern wird daher begrüßt.

11. Verfahrenspfleger
Durch das fiskalisch bedingte Wegbrechen sozialer Hilfsstrukturen einerseits und die Vervielfachung so-zialer Probleme andererseits ist u.E. eine Tendenz erkennbar, die Lösung sozialer Konflikte zunehmend auf die Justiz zu verlagern, die damit allerdings sowohl personell wie auch von den Möglichkeiten tatsächlicher Einflussnahme her hoffnungslos überfordert ist. Ausdruck dieses Dilemmas sind die Auseinandersetzungen über die Funktion des Verfahrenspflegers, hier nach § 50 FGG.

Eine klarere Beschreibung des Aufgabenfeldes und eine möglichst eindeutige Beschränkung auf das gerichtliche Verfahren, nicht auf sozialpädagogische oder -psychiatrische Abhilfemöglichkeiten, ist daher zu begrüßen.

Ein Rechtsmittel gegen die Pflegerbestellung sollte zumindest in Sorgerechtsentziehungsverfahren nicht möglich sein. Auch in den übrigen streitigen Sorge- und Umgangsverfahren würde die Rechtsmittelmöglichkeit für die Eltern dazu führen, dass weitere Streitfelder aufgemacht werden können. Wenn der Verfahrenspfleger als Ausdruck staatlicher Unterstützung für Kinder angesehen wird, sollten Eltern diesen Eingriff in ihr Sorgerecht hinnehmen müssen. Bei der Beachtung von Verhältnismäßigkeitserwägungen wird regelmäßig übersehen, dass die geschützten Rechte Dritter die Rechtsbeeinträchtigung ohne Widerspruchsmöglichkeit erfordern können.

13. Verfahrensförderung
Die manchmal zu beobachtende Dauer der Verfahren, gerade auch in Sorge- und Umgangsstreitigkeiten ergibt sich u.E. vor allem daraus, dass die Gerichte mit der Bearbeitung von Problemen, die juristischer Lösung eigentlich nicht zugänglich sind, häufig überfordert sind. Es gibt einfach immer wieder familiäre Konflikte und Konstellationen, die darauf angelegt sind, Dritte derart zu involvieren, dass Lösungen unmöglich sind. Das bleibt, wegen der fehlenden fachlichen Unterstützung für die Gerichte, nicht immer ohne Auswirkungen auf den Richter und macht ihn oder sie entscheidungsunfähig. Wenn dieses Stadium erreicht ist, können juristische Fertigkeiten häufig nicht mehr aktiviert werden.

Die Probleme beginnen mit der mangelnden Qualifikation der Familien- und Vormundschaftsrichter hinsichtlich der psychologischen und sozialen Implikationen ihrer Tätigkeit und gehen weiter mit der Art der Stellenbesetzung, die sich oft nicht nach den Erfordernissen des besonderen Amtes richtet. Schließlich kann nicht genug betont werden, dass Familien- und Vormundschaftsrichter wie andere soziale Berufe auch eine psychologische Supervision benötigen, die es ihnen ermöglicht, die z.T. grauenvollen Sachver-halte, mit denen sie befasst sind, mit der nötigen Distanz und Fachlichkeit zu behandeln und darüber zu entscheiden. Dies ist nicht nur notwendig, um Entscheidungskompetenz zu behalten, sondern stellt auch ein Erfordernis dienstlicher Fürsorge dar. Bei langjährigen Familienrichtern ist nicht selten ein Burnout-Syndrom zu beobachten.

Die vom BVerfG in letzter Zeit mehrfach betonte Entscheidungsgeschwindigkeit ist nicht allein auf Ver-fahrenswegen herzustellen, sondern im Zurverfügungstellen von Unterstützungsstrukturen für die Ent-scheider. Wenn man die Sachverhalte der entsprechenden Verfassungsbeschwerdeverfahren betrachtet, drängt sich einem eigentlich immer der Eindruck auf, dass der konkrete Richter von dem jeweiligen Fall überfordert war. Hinzu kommt, dass sich auf sozialfürsorgerischem Feld die Fälle häufen, für die es keine adäquaten Hilfen (mehr) gibt, erwähnt seien hier nur schwere Verhaltensauffälligkeiten von Kindern, Schulverweigerer u.dgl. mehr.

Es kann daher nicht um einen Beschleunigungsappell an die Gerichte gehen. Vielmehr muss über eine institutionalisierte Form nachgedacht werden, die Entscheidungsfähigkeit der Richter in Familien- und Vormundschaftssachen sicherzustellen und dabei zugleich ihre Unabhängigkeit zu wahren. Es geht nicht um Sanktionierung, sondern um Professionalisierung einer Entscheidungstätigkeit, die eben nicht nur juristische, sondern zu erheblichem Anteil auch psychologische und soziale Anteile hat.

Im übrigen finden sich gerade auch im Vormundschafts- und Familienbereich nicht unerhebliche Pro-zentsätze querulatorischer Ansinnen oder Charaktere, die ebenfalls verantwortlich sind für eine überlange Verfahrensdauer. Diese Personenkreise gehören allerdings oft auch zu jenen, die einerseits die Gerichte mit ihren unlösbaren Konflikten lähmen und sich andererseits über deren Unfähigkeit zur Entscheidung beschweren.

14. Beweisrecht
Eine Veränderung des Beweisrechts erscheint uns grundsätzlich auch unangebracht. Wichtig erscheint noch der Hinweis, dass eine Verpflichtung zum Strengbeweis immer dann angenommen wird oder werden sollte, wenn es um Grundrechtseingriffe durch gerichtliche Entscheidung geht. Möglicherweise bedürfte es hierzu einer gesetzlichen Klarstellung. Dieses Kriterium wird auch unter b) nicht aufgeführt.

Zu wenig Beachtung findet u.E. die Rechtsprechung des BVerfG, wonach Art. 6 GG insbesondere auch eine Bedeutung als Verfahrensgrundrecht hat, und zwar neben und unabhängig von Art. 103 GG.

Diesem Erfordernis wird die gerichtliche Praxis nicht immer gerecht.

Insbesondere wird auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der staatliche Eingriffe in das Sorgerecht zwingend beherrscht, im Verfahren keineswegs ausreichend Rechnung getragen. Dies betrifft insbesondere die Frage der Gutachtenerstattung in Sorge- und Umgangsrechtsfällen. Hierfür fehlt es vollständig an einer Rechtsgrundlage. §§ 12 und 15 FGG geben es nicht her, sorgeberechtigte Eltern auf ihre Erziehungsfähigkeit hin psychologisch untersuchen zu lassen. Der einzige Zwang zu körperlicher Untersuchung in dem in Bezug genommenen Zivilrecht - mit Ausnahme der Betreuungs- und Unterbringungsverfahren - ist in § 372 a ZPO enthalten.

Gerichte können folglich Eltern nicht verpflichten, an einer für erforderlich gehaltenen psychologischen Begutachtung teilzunehmen. Wenn ein Gutachten ohne Teilnahme eines Elternteils erstattet wird, hat es weniger Aussagekraft. Nachteilige Schlüsse dürfen aus der Weigerung nicht gezogen werden: „Beweis-last“entscheidungen sind in Sorgerechtsverfahren nicht zulässig.

Lediglich Kinder können zwangsweise einer solchen Begutachtung zugeführt werden, indem man insoweit das Sorgerecht der Eltern einschränkt und einen Pfleger bestellt, der das Kind zum Gutachter bringt.

Es ist aber teilweise mit Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen und auch ihren eigenen Persönlichkeitsrechten nicht vereinbar, dass Kinder als Untersuchungsobjekte herhalten müssen, wenn zu vermuten steht, dass ihre Eltern nicht oder eingeschränkt erziehungsgeeignet sind.

Des weiteren ergeben sich in der Praxis immer wieder Probleme damit, dass von den Eltern gesetzte Gefahren für das Kindeswohl nicht objektiviert werden können. Es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die psychiatrische Untersuchung etwa vermutlich psychisch kranker Eltern, man kann Eltern nicht auf Alkohol- oder Drogensucht untersuchen. Zwar werden solche Untersuchungen durchgeführt, sie setzen jedoch das Einverständnis der Betroffenen voraus, das jederzeit widerrufen werden kann. Dies bedeutet, dass in vielen Fällen Kinder in Familien bleiben, in denen sie existentiell gefährdet sind, weil es den Gerichten und Jugendämtern nicht möglich ist, das Bestehen etwa einer Drogensucht nachzuweisen. Allein der Verdacht reicht im grundrechtsrelevanten Bereich nicht aus. Der Nachweis gelingt häufig erst dann, wenn das Kind aufs Schwerste körperlich und psychisch geschädigt ist.

Wer auch verfahrensmäßig Kinderschutz ernst nimmt, sollte hier darüber nachdenken, dass die gerichtlichen Kompetenzen erweitert werden. Gegenwärtig beispielsweise behelfen sich Gerichte, die psychische Erkrankung einer Mutter dadurch zu objektivieren, dass sie die über die Mutter geführten Betreuungs- und Unterbringungsakten beiziehen, wenn es solche gibt. Nicht immer allerdings werden diese Akten von der Vormundschaftsabteilung ausgehändigt; auch könnte die Mutter oder ihr Rechtsvertreter, wegen fehlender Rechtsgrundlage, die Herausgabe durch die Vormundschaftsabteilung untersagen.

17. Kostenentscheidung
Zu einem großen Problem haben sich die Kosten für die in streitigen Sorgerechts- und Umgangsfällen von höchstrichterlicher und auch Verfassungsrechtsprechung zunehmend geforderten psychologischen Sachverständigengutachten entwickelt. Abgesehen davon, dass bei zwei PKH-berechtigten Eltern diese oft immensen Kosten letztlich von der Staatskasse aufgebracht werden, kommt es immer wieder zu Konstellationen, in denen einem Elternteil Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, dem anderen jedoch nicht. In diesen Fällen bemühen sich die Staatskassen nach § 2 KostO, den anderen Elternteil als Interesseschuldner voll für die Sachverständigenkosten in Anspruch zu nehmen, was regelmäßig Beschwerden nach sich zieht. Da die Rechtsprechung zu §§ 13a FGG und 2, 94 KostO höchst uneinheitlich ist, sollte jedenfalls über die Verteilung dieser Kosten eine eindeutige Regelung erfolgen.

20. Akteneinsichtsrecht
Hierzu sei auf die einleitenden Hinweise zum Grundsatz der Parteiöffentlichkeit verwiesen. Nicht nur in Betreuungssachen, auch in Sorge- und Umgangsverfahren, insbesondere in Verfahren nach §§ 1666ff. BGB sind Daten enthalten, die die übrigen Verfahrensbeteiligten nichts angehen bzw. von ihnen missbraucht werden können und sollen und die auch Dritten grundsätzlich vorenthalten werden sollten. An-dererseits können Forschungen etwa über die Gründe von Sorgerechtsentziehungen ohne Kenntnis dieser Fakten nur unvollständig bleiben.


III. Rechtsmittel

21/3. Vereinheitlichung der Fristen
Diese ist jedenfalls zu begrüßen.

26. Rechtspflegergenehmigung
Die Einführung eines rechtmittelfähigen Vorbescheides erscheint sinnvoll. Die Übertragung von Genehmigungsverfahren auf den Richter dürfte dazu führen, dass diese Verfahren noch länger dauern, weil regelmäßig der Vormundschaftsrichter wegen der häufig eiligen Verfahren, die er zu bearbeiten hat, die Genehmigungsverfahren hintanstellen wird.

Eine materielle Beschränkung der Genehmigungserfordernisse sollte kritisch erfolgen. Gerade im Bereich von Eltern/Minderjährigen-Geschäften kommt wegen der ungebrochenen Tendenz zum Steuersparen durch Verlagerung von Vermögen einschließlich der damit einhergehenden Verpflichtungen auf die Kinder dem Genehmigungsverfahren nicht unerhebliche Schutzwirkung für die Interessen der Minderjährigen zu.


IV. Einstweiliger Rechtsschutz und Zwangsvollstreckung

27. Einstweiliger Rechtsschutz
Wie dort ausgeführt, werden vielfach überflüssige Hauptsacheverfahren anhängig gemacht, obwohl nur eine einstweilige Regelung gewünscht wird und auch erforderlich ist. Dies führt außer zu einer personellen Belastung der Gerichte vor allem auch zu unnötigen PKH-Aufwendungen für die anwaltliche Vertre-tung der Parteien in diesen der Sache nach häufig überflüssigen Verfahren.

Sinnvoll wäre daher, wie auch vorgeschlagen, eine an die §§ 916ff. ZPO angelehnte Regelung, wonach es isolierten Eilrechtsschutz gibt und das Gericht das Betreiben eines Hauptsacheverfahrens auferlegen kann, wenn die Rechtswirkungen der vorläufigen Regelung dauerhaft festgeschrieben werden sollen.

28. Zwangsvollstreckung
Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass gerade international die fehlende Vollstreckbarkeit deutscher Umgangs- und Sorgeregelungen auf völliges Unverständnis stößt. Hierzu nur ein Hinweis aus der kalifornischen Gerichtspraxis: Dort gibt es speziell ausgebildete Gerichtsvollzieher, meist frühere Polizeibeamte, die nichts anderes tun, als Kinder vom entführenden Elternteil abzuholen oder zum Besuch abzuholen. Befragt, wie oft einer dieser Gerichtsvollzieher denn in einer Familie schon mehrfach Kinder zu Besuch abgeholt hat, erklärte dieser, dass dies in 13jähriger Tätigkeit noch nie vorgekommen sei.

Hintergrund dieser besseren Befolgung gerichtlicher Anordnungen sind allerdings wohl auch die bei „Missachtung des Gerichts“ regelmäßig angeordneten und unverzüglich vollstreckten freiheitsbeschrän-kenden und finanziellen Auflagen, die das deutsche Verfahren so nicht kennt.

Vor dem Hintergrund, dass fast jede, jedenfalls aber jede grundrechtsbeeinträchtigende Entscheidung rechtsmittelfähig sein soll, stellt sich die Frage, inwieweit die Grundrechte der übrigen Beteiligten gewahrt und durchgesetzt werden können. Zumindest in den Bereichen, in denen Konflikte zwischen mehreren Grundrechtsträgern, etwa innerhalb einer Familie, zu schlichten sind, führen verfahrensrechtliche Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zugunsten eines Beteiligten häufig zu unverhältnismäßigen Rechtsbe-einträchtigungen bei anderen Beteiligten.

Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Festsetzung von Zwangsgeldern gegenüber den vielfach vermögenslosen und überschuldeten Betroffenen wenig Effekte zeigen. Womit soll das Gericht einen umgangsverweigernden Elternteil zur Einhaltung der Umgangsanordnung zwingen ? Daher sollte über die Einsetzung eines Umgangspflegers nachgedacht werden. De facto werden heute zuweilen die Verfahrenspfleger für diese Aufgabe eingesetzt, je nachdem, wie weit man ihren Aufgabenbereich fasst.

Allerdings ist auch darauf hinzuweisen, dass es wohl nach dem Eindruck der meisten familienrechtlichen Praktiker im In- und Ausland einen geringen, aber sehr arbeitsintensiven Anteil von sog. hochstreitigen Familien gibt, in denen Umgang selten oder nie klappt. Diese Konflikte sind mit justiziellen Mitteln nicht zu lösen, auch nicht mit Zwang. Die Forschung scheint sich in der letzten Zeit dahin zu verlagern, die Ursachen dieser Hochstreitigkeit zu ergründen und möglichst frühe Hilfs- und Interventionsmöglichkei-ten zu finden.

In einem großen Teil streitiger Umgangsfälle wäre es für Eltern und Kinder schon eine große Hilfe, wenn das jugendhilferechtliche Angebot begleiteten Umgangs flächendeckend und vor allem am Wochenende verfügbar wäre; sinnvoll wären z.B. auch solche Einrichtungen, wo der sorgende Elternteil das Kind hinbringen kann, während der umgangsberechtigte es von dort abholt; damit könnte die vielfach belastende und zum Abbruch des Umgangs beitragende Übergabesituation entschärft werden.

Jedenfalls muss auch in diesem Bereich davon gewarnt werden, die Defizite im sozialen Bereich justiz-förmiger Lösung zuführen zu wollen. Das vielfache Fehlen trennungs- und scheidungsbegleitender Infrastruktur, die insbesondere im Interesse von Kindern erforderlich wäre, lässt sich durch Veränderungen der gerichtlichen Verfahrens nicht beheben.


VI. Sonstiges

31. Betreuungsverfahren
Nach Einschätzung des djb steigen die Betreuungsverfahren u.a. auch deshalb, weil die sozialen Dienste personell so weit ausgedünnt sind, dass sie selbst einfachste Regelungen für alte oder kranke Personen nicht mehr treffen können und die Einleitung eines Betreuungsverfahrens anregen.

Da es immer wieder vorkommt, dass die Betreuer zum Schaden der Betreuten nicht ordnungsgemäß arbeiten, scheint eine weniger enge gerichtliche Kontrolle nicht vertretbar. Das betrifft auch die Frage der Notwendigkeit des Fortbestehens einer einmal eingerichteten Betreuung.

32. Familiengerichtsverfahren
Hierzu wird auf die Ausführungen zu I. verwiesen. Die einheitliche Behandlung aller Familiensachen nach FGG-Grundsätzen ist materiellrechtlich nicht erforderlich und für die Betroffenen kontraproduktiv, ins-besondere in Unterhalts- und güterrechtlichen Verfahren. Die Forderung ernst genommen würde im übri-gen bedeuten, dass der Familienrichter sämtliche Scheidungsfolgen von Amts wegen zu regeln hätte. Dies kann nicht ernstlich gemeint sein.

33. Einzelne Probleme des familiengerichtlichen Verfahrens

33/1 sachliche Zuständigkeit
Die Einführung eines sog. großen Familiengerichts, allerdings mit einer nach Regelungsgegenständen differenzierenden Verfahrensordnung, erscheint nach wie vor wünschenswert und sachgerecht. Auch wenn von Richtern wegen der häufig ungeliebten Tätigkeit des Vormundschaftsrichters eine Zusammenlegung von Vormundschafts- und Familiensachen abgelehnt wird, erscheint es zumindest sinnvoll, hierüber genauer nachzudenken. Allerdings wäre es dann umso dringender erforderlich, diesen dann umfassend belasteten Entscheidungsträger, wie oben bereits gefordert, zu professionalisieren.

33/2 örtliche Zuständigkeit
Abgesehen von der geschilderten Unübersichtlichkeit der geltenden Regelungen besteht in Einzelfällen, wie auch angeführt, immer wieder einmal das Bedürfnis, den Aufenthalt eines Beteiligten und von Kindern wegen der von anderen Beteiligten ausgehenden ernsthaften Gefahr geheim zu halten. Hierzu fehlt es sowohl in der ZPO wie im FGG an einer Regelung. Viele Gerichte behelfen sich hier, indem sie die Anschriften zum PKH-Heft nehmen, teilweise auch hinsichtlich des wirklichen Aufenthaltes keine Ermittlungen anstellen und sich für zuständig halten. Dies geht aber nur, so lange andere Verfahrensbeteiligte die Zuständigkeit des Gerichts nicht monieren. Häufig aber besteht auch ein solches Verständnis für die prekäre Lage der Beteiligten nicht mit der Folge, dass der Aufenthalt bekannt gemacht werden muss. Wie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum GewSchG wiederholt betont worden ist, ist die Trennungszeit in gewaltbesetzten Beziehungen die gefährlichste Phase für Gewaltopfer und Kinder. Dem sollte auch im Verfahren dadurch Rechnung getragen werden, dass beispielsweise das Gericht des früheren dauernden Aufenthaltsortes gewählt werden kann, wenn ein dringendes Bedürfnis nach Anonymität in Bezug auf den neuen Aufenthalt besteht. Hierzu wäre ein gesonderter Antrag erforderlich, der, etwa wie PKH-Unterlagen, der Gegenseite nicht zugänglich gemacht werden darf.



Margret Diwell
Präsidentin

Sabine Heinke
Vorsitzende der Kommission Zivilrecht-,Familien- und Erbrecht, Recht der anderer Lebensgemeinschaften