Thesen und Kernforderungen des djb
Die Zielsetzung des Gesetzentwurfs und die Einführung
arbeitsmarktpolitischer Instrumente wie der
Eingliederungsvereinbarung sind zu begrüßen. Durch Maßnahmen
dieser Art wird den Arbeitslosen eine konkrete Perspektive
aufgezeigt. Es ist zu hoffen, dass die Einzelmaßnahmen besser als
bisher aufeinander abgestimmt werden. Dagegen wirken andere,
insbesondere Frauen betreffende Gesetzesänderungen
kontraproduktiv vor allem für berufstätige Frauen und solche
Eltern, die sich die Erziehung der Kinder partnerschaftlich
teilen wollen. Hier sind Nachbesserungen unverzichtbar.
Der djb fordert den Gesetzgeber auf,
- den vorgegebenen Frauenanteil für die Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung als Mindestquote festzusetzen,
- die Voraussetzung der Nahtlosigkeit für die Versicherungspflicht von Kindererziehung fallen zu lassen, damit keine Sicherungslücken entstehen,
- die Bemessung der Lohnersatzleistungen so auszugestalten, dass Alleinerziehende und Eltern, die ihre Kinder partnerschaftlich erziehen, nicht benachteiligt werden, und
- die Stellung von Frauen zu verbessern, die wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keine Arbeitslosenhilfe beziehen.
Gliederung:
- Allgemeines
- Auswahl der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SBG III-E)
- Frauenförderung (§ 8 SGB III-E)
- Versicherungspflicht während der Kindererziehung
(§ 26 SGB III-E)
a) Notwendigkeit der Versicherungspflicht
b) Bezug des Mutterschaftsgeldes
c) Nahtlosigkeit
d) "Anspruch" statt "Bezug" - Kinderbetreuungskosten
- Überbrückungsgeld
- Rahmenfristen und Kindererziehung
- Bemessungsgrundlagen und Bemessungszeiträume
- Erlöschensregelung
1. Allgemeines
Der djb begrüßt es, dass die Gleichstellung von Frauen und
Männern als durchgängiges Prinzip des SGB III in § 1 Abs. 3 SGB
III in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente ("Job-Aqtiv-Gesetz") - im
Folgenden: SGB III-E - verankert werden soll. Damit wird der
Gender-Mainstreaming-Ansatz implementiert. Dieses Konzept bedarf
aber der Begleitung durch konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung.
2. Auswahl der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SBG
III-E)
In der geltenden Fassung sieht § 7 SGB III vor, dass besonders
förderungsbedürftige Personengruppen (u. a. Langzeitarbeitslose
und Rückkehrerinnen) entsprechend ihrem Anteil an den
Gesamtarbeitslosen auch bei Maßnahmen der aktiven
Arbeitsförderung vertreten sein sollen. Eine solche Vorgabe soll
künftig zu Gunsten einer stark individualisierten Prognose
entfallen. Diese Neuregelung ist abzulehnen. Im Gegensatz zum
bisherigen Rechtszustand gewährleistet sie nicht mehr, dass die
Problemgruppen des Arbeitsmarktes, nämlich Personen mit
schlechterer Eingliederungsprognose, ausreichend gefördert
werden.
3. Frauenförderung (§ 8 SGB III-E)
Der djb fordert aus Gründen der Klarstellung, § 8 Abs. 2 SGB
III-E um das Wort "mindestens" zu ergänzen und die Erwerbsquote
in die so genannte neue Formel aufzunehmen. Die Ergänzung soll
verdeutlichen, dass die Norm nicht im Sinne einer allgemeinen
geschlechtsbezogenen Quote und damit einer Männerförderung
missverstanden werden kann. Eine solche Männerförderung
entspräche weder der Zielsetzung der Norm noch dem
verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 3 Abs. 2 GG.
Wenn die Gesetzesbegründung zur Auslegung herangezogen wird, kann
das Gesetz in der Weise interpretiert werden, dass beide
Geschlechter entsprechend ihrem absoluten und relativen Anteil
unter den Arbeitslosen zu fördern sind. Eine solche Auslegung ist
nicht fernliegend, wie die juristischen Auseinandersetzungen um
Frauenquoten im Erwerbsleben zeigen. Sie könnte sich darauf
berufen, dass es nach der neu eingeführten Formel "zu einer
überproportionalen Förderung eines Geschlechts" kommen soll,
"solange dieses stärker durch Arbeitslosigkeit betroffen ist"
(vgl. Gesetzesbegründung B zu Nr. 4 zu § 8). Wird § 8 Abs. 2 SGB
III-E jedoch als geschlechtsneutrale Quote verstanden, so wäre
dies aus zwei Gründen fatal:
- Frauen stellen einen großen Teil der so genannten stillen Reserve des Arbeitsmarktes, die statistisch nicht erfasst ist. Vor allem Frauen, die sich nach Unterbrechungen ihres Erwerbslebens durch Kindererziehung oder Pflege beruflich neu orientieren, tauchen nur zu einem kleinen Anteil in der Arbeitsmarktstatistik auf.
- Das geltende Arbeitslosenhilferecht führt dazu, dass sich überproportional viele Frauen nicht mehr arbeitslos melden, obwohl sie nach wie vor arbeitssuchend sind. Frauen sind wegen des Ehegatteneinkommens oft nicht mehr bedürftig im Sinne des Arbeitslosenhilferechtes. Sie haben daher keinen Leistungsanspruch mehr. Dementsprechend sehen sie keinen Anlass, sich bei den zuständigen Arbeitsämtern formell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Diese Gruppe senkt die Quote der den Frauen insgesamt "zustehenden" aktiven Fördermaßnahmen. Von der Einkommensanrechnung bei Bedürftigkeit sind männliche Arbeitslosenhilfeempfänger nur zu einem ganz geringen Anteil betroffen.
Schließlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Vor dem Hintergrund
der geltenden Arbeitsmarktstatistik stellt die Ergänzung des
Gesetzes im Sinne der relativen Betroffenheit einen Rückschritt
dar. Die Arbeitslosenquote wird bisher statistisch auf der
Grundlage aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse ermittelt,
einschließlich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, bei
denen keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung besteht.
Dies führt dazu, dass die relative Betroffenheit der arbeitslosen
Frauen vor allem in den alten Bundesländern niedriger ist als die
bisherige Quote. Oder anders formuliert: Durch die
Gesetzesänderung wird der Anteil zu fördernder Frauen in den
alten Ländern aus statistischen Gründen sinken. Daher sollte die
Neuregelung nur dann erfolgen, wenn gleichzeitig sichergestellt
wird, dass die statistische Bezugsgröße korrigiert wird. Die
Arbeitslosenquote muss bezogen auf die Anzahl der auch nach den
Regelungen des SGB III versicherungspflichtigen
Arbeitsverhältnisse berechnet werden. Noch besser wäre es jedoch,
die Erwerbsquote von Frauen in die Berechnung einzubeziehen.
4. Versicherungspflicht während der Kindererziehung
(§ 26 SGB III-E)
Der djb begrüßt das Bestreben, die Absicherung gegen das Risiko
der Arbeitslosigkeit für Personen, die Kinder erziehen,
auszuweiten. Die Regelung des § 26 SGB III-E ist jedoch insgesamt
unausgereift und führt in Verbindung mit den Veränderungen der
Rahmenfristen zu Verschlechterungen für bestimmte
Personengruppen.
a) Notwendigkeit der Versicherungspflicht
Nach Auffassung des djb ist die Einführung der Beitragspflicht
nicht erforderlich; eine Gleichstellung der Zeiten innerhalb des
Systems der Arbeitslosenversicherung wäre vorzuziehen.
Im bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Arbeitsförderungsgesetz
waren Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld,
Sonderunterstützung nach dem Mutterschaftsgeld und Zeiten des
Anspruchs auf Erziehungsgeld (nicht der Bezug von Erziehungsgeld)
eine der Beschäftigung gleichgestellte Zeit (vgl. § 107 Nr. 5
Buchst. b AFG). Der Bezug von Mutterschaftsgeld oder der Anspruch
auf Erziehungsgeld begründete damit einen Anspruch auf
Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld, ohne
dass die gesetzlichen Krankenkassen oder der Bund dafür
zusätzliche Beiträge erbringen mussten. Es entsprach vielmehr den
selbstverständlichen Grundlagen eines solidarisch ausge-stalteten
Systems der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, dass solche
Zeiten innerhalb der Versicherungsgruppe in der dargestellten
Weise zu bewerten waren.
Diese Gleichstellung entfiel zum 1. Januar 1998 mit der
Einführung des SGB III vollständig, was vor allem für die Zeiten
des Mutterschutzes empörend war, da ein selbstverständlicher
Ausgleichsmechanismus für Frauen gestrichen wurde, die einem
Beschäftigungsverbot unterlagen. Stattdessen wurden die
Rahmenfristen erweitert, was den damaligen Gesetzgeber mit
Mehrausgaben von 400 Mio. DM jährlich rechnen ließ (vgl.
BT-Drucksache 13/4941 S. 255). Jetzt soll auch diese Verlängerung
der Rahmenfristen und damit der letzte solidarische Ausgleich für
Familienleistungen bei der Anwartschaftsbegründung innerhalb des
Systems der Arbeitslosenversicherung zu Gunsten eines noch
strengeren Versicherungsprinzips aufgegeben werden. Der djb
beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Statt der monetären
Beitragsleistung sollte der Gesetzgeber zu einer Gleichstellung
der Zeiten zurückkehren.
Außerdem stehen die von den gesetzlichen Krankenkassen und dem
Bund aufzubringenden Mittel2 für die neu eingeführte
Versicherungspflicht in keinem Verhältnis zu den Verbesserungen
für die erziehenden Eltern. Bereits die unter "C. Finanzielle
Auswirkungen" in der Gesetzesbegründung angeführten zusätzlichen
Kosten der Bundesanstalt für Arbeit sind deutlich niedriger als
die zusätzlichen Einnahmen der Bundesanstalt für Arbeit durch die
Beitragspflicht. Dies zeigt, dass die Beitragspflicht eine
versteckte Subventionierung des allgemeinen Haushalts der
Arbeitslosenversicherung darstellt.
Das lässt sich beispielhaft an der Prognose für 2007 zeigen: In
jenem Jahr sollen zusätzliche Einnahmen für die Bundesanstalt von
der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Bund in Höhe von 310
Mio. € (620 Mio. DM) zu erwarten sein. Dem stehen zusätzliche
Ausgaben von 180 Mio. € (360 Mio. DM) gegenüber. Subventionierung
des allgemeinen Haushaltes = 130 Mio. € (260 Mio. DM). Diese
Subventionierung wäre noch deutlich höher, wenn ein Vergleich mit
dem bis 1997 geltenden Recht angestellt würde. Hierzu indes
schweigt sich die Gesetzesbegründung aus.
Schließlich ist die Berechnung der Mehrausgaben der Bundesanstalt
für Arbeit in keiner Weise nachvollziehbar. Sie wird in Kenntnis
der geltenden Rechtslage als deutlich überhöht angesehen.
b) Bezug des Mutterschaftsgeldes
Nach Auffassung des djb sollte der gesamte Bezug des
Mutterschaftsgeldes, also die Zeit sowohl vor als auch nach der
Entbindung, als Beitragszeit bzw. gleichgestellte Zeit gelten.
Dafür ist es weder gesetzessystematisch noch gesetzestechnisch
erforderlich, dass die Kosten für diese Zeiten von den
gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden (siehe dazu im
Einzelnen unter a). Nach dem Gesetzentwurf soll der Bezug von
Mutterschaftsgeld nach der Entbindung von den
Kinderziehungszeiten, die an die rentenrechtliche Zuordnung der
Kindererziehungszeiten anknüpfen, verdrängt werden. Eine
Regelung, die nur zu Lasten der Frauen geht, da Männer
bekanntlich kein Mutterschaftsgeld in Anspruch nehmen können.
c) Nahtlosigkeit
§ 26 Abs. 2a SBG III-E sollte wie folgt gefasst werden:
"Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie
ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
erziehen, wenn sie
1. innerhalb der letzten 6 Monate vor der Kindererziehung
versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine
Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und..."
Das im jetzigen Gesetzentwurf vorgesehene Erfordernis der
Nahtlosigkeit ("unmittelbar vor") sollte durch eine praktisch
handhabbare Frist von sechs Monaten ersetzt werden. Eine
"unmittelbar vorhergehende" Versicherungspflicht wird zu
Härtefällen führen, verschlechtert die Rechtslage im Verhältnis
zur bisherigen Rahmenfristverlängerung und steht im Widerspruch
zum Ziel des Gesetzgebers, die Versicherungspflicht auszuweiten.
Verschlechterungen dieser Art können vom Gesetzgeber nicht
angestrebt sein.
Zunächst ist das Merkmal "unmittelbar vor" unzureichend auf die
Regelungen zum Mutterschaftsgeld abgestimmt. § 26 Abs. 2a SGB
III-E hat wesentliche Vorteile gegenüber der bisherigen
Rechtslage ohnehin primär für Frauen, die nicht von der geltenden
Rahmenfristverlängerung (z. B. § 192 SGB III) profitieren
konnten. Das betrifft Frauen, die mangels Vorversicherungszeit
noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe
erworben haben. Häufig handelt es sich um Frauen in kurzen und
befristeten Beschäftigungsverhältnissen, die keinen Anspruch auf
Mutterschaftsgeld haben, denn sie erfüllen auch hier die
Rahmenfrist nach § 200 RVO nicht (Mitgliedschaft oder
Beschäftigung vom Beginn des zehnten bis zum Ende des vierten
Monats vor der Entbindung). Damit haben sie eine Lücke bis zur
(versicherungspflichtigen) Kindererziehung. Einerseits greift die
durch den Gesetzentwurf geplante Einführung der Beitragspflicht
des Mutterschaftsgeldes für die gesetzlichen Krankenkassen (§ 26
Abs. 2 Nr. 1 SGB III-E) mangels Bezug von Mutterschaftsgeld
nicht, andererseits ist der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld durch
den Arbeitgeber auch nicht beitragspflichtig im Sinne von § 342
SGB III, weshalb auch nach den allgemeinen Regelungen keine
Versicherungspflicht besteht.
Zudem besteht eine Sicherungslücke bei privat krankenversicherten
Frauen, die ebenfalls nicht versicherungspflichtig sind.
Das Erfordernis der Nahtlosigkeit führt weiter dazu, dass in
allen Fällen von Sperrzeiten die daran anschließenden Zeiten der
Kindererziehung nicht berücksichtigt werden können. Dies gilt
auch dann, wenn die Sperrzeit eine besondere Härte darstellt und
daher nach § 144 Abs. 3 SGB III reduziert wird.
Beispiel: Eine Frau schließt während der Schwangerschaft einen
Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber, weil sie ohnehin nicht
mehr in diesem Betrieb arbeiten will oder zu ihrem Lebenspartner
ziehen möchte. Folge ist in jedem Fall eine Sperrzeit. Weitere
Folge: Kindererziehungszeiten im Anschluss können je nach Lage
der Sperrzeit nicht berücksichtigt werden. Dies führt jedoch
dazu, dass nach der Kindererziehungszeit kein Anspruch auf
Arbeitslosengeld oder -hilfe mehr besteht. Im Beispielsfall ist
also der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe oder -geld erloschen.
Dies hängt damit zusammen, dass der Gesetzentwurf gleichzeitig
vorsieht, die Rahmenfristverlängerung nach § 124 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 SGB III aufzuheben - eine Verschlechterung gegenüber dem
bisherigen Recht für Fälle dieser Art.
d) "Anspruch" statt "Bezug"
Wie bereits erwähnt, sollte § 26 Abs. 2a SBG III-E wie folgt
gefasst werden:
"Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie
ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
erziehen, wenn sie
1. innerhalb der letzten 6 Monate vor der Kindererziehung
versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine
Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und..."
Aus folgenden Gründen sollte in § 26 Abs. 2a Nr. 1 SGB III-E das
Erfordernis des "Bezugs" von Lohnersatzleistungen durch das
Merkmal "Anspruch auf" ersetzt werden:
Frauen beziehen oft nur deshalb keine Arbeitslosenhilfe, weil das
Ehegatteneinkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung
angerechnet wird. Daher haben sie zwar einen Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe im Sinne eines Stammrechts, beziehen jedoch
keine Leistungen. Es dürfte sich bei der im Gesetzentwurf
verwendeten Formulierung wahrscheinlich um ein Versehen handeln.
Sollte die Regelung nicht verändert werden, so müsste jedoch in
jedem Fall die neue Formulierung des § 26 Abs. 3 S 2 SGB III
ebenfalls auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen abstellen.
Sonst ergeben sich nicht auflösbare Widersprüche.
5. Kinderbetreuungskosten
Die Erhöhung der erstattungsfähigen Kinderbetreuungskosten
während der Maßnahmen zur aktiven Arbeitsförderung auf 130 €
monatlich wird uneingeschränkt begrüßt. Im Sinne einer
Verwaltungsvereinfachung ist es auch sinnvoll, dass die bisherige
Aufteilung in einen Grundbetrag und einen Härtefallbetrag
aufgegeben wird.
6. Überbrückungsgeld
Nach § 57 Abs. 3 SGB III-E soll bei diversen Ruhenstatbeständen
kein Überbrückungsgeld mehr gewährt werden. Dazu gehört unter
anderem der Bezug von Mutterschaftsgeld oder sonstigen
Leistungen. Das erscheint nicht sachgerecht. Da nach der
Gesetzesbegründung während der Sperrzeiten kein Überbrückungsgeld
gewährt werden soll, reicht eine Bezugnahme nur auf § 144 SGB III
statt der vorgesehenen Bezugnahme auf §§ 142 - 145 SGB III
aus.
Im Übrigen sollte überdacht werden, ob das Bedürfnis nach
Sanktion im Rahmen der Sperrzeit dazu führen könnte, dass eine im
Einzelfall effektive Eingliederung verhindert wird. Den jeweils
zuständigen Arbeitsberatern sollte nicht qua Gesetz eine von
ihnen im Einzelfall für sinnvoll erachtete Maßnahme aus der Hand
genommen werden.
7. Rahmenfristen und Kindererziehung
Die durch das SGB III eingeführten Rahmenfristverlängerungen (z.
B. § 124 SBG III für das Arbeitslosengeld) sollen entfallen. Das
ist in all den Fällen problematisch, in denen aus
unterschiedlichen Gründen die Versicherungspflicht während der
Kindererziehungszeit nicht greift. Als Minimallösung wird daher
vorgeschlagen, § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III wie folgt zu
fassen:
"Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des
Arbeitslosen, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet
hat, sofern diese Zeiten nicht mit Pflichtbeitragszeiten belegt
sind..."
Die Regelungen für die Arbeitslosenhilfe und das Unterhaltsgeld
wären entsprechend zu ändern.
8. Bemessungsgrundlagen und Bemessungszeiträume
Die Bemessungsparameter für das Arbeitslosengeld und die
Arbeitslosenhilfe benachteiligen nach dem neuen Modell die
partnerschaftliche Kindererziehung. Die Ausgestaltung der
Arbeitslosenversicherung unterstützt die Aufgabe der
Beschäftigung während der Kindererziehung in den ersten drei
Jahren. Hier treten Wertungswidersprüche zu der erst kürzlich
durch eine Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes eingeführten
Elternzeit auf. Vor allem wird jedoch der
Dequalifizierungsprozess von Frauen, insbesondere von Frauen mit
mehreren Kindern, vorangetrieben.
Teilen sich die Eltern die Kindererziehung durch gemeinsame
Teilzeitbeschäftigung, dann erwerben sie niedrigere Ansprüche auf
Lohnersatzleistungen nach dem SGB III, als wenn ein Elternteil -
in der Regel der Mann - voll arbeitet und der anderen Elternteil
- in der Regel die Frau - sich vollständig der Kindererziehung in
den ersten drei Jahren widmet.
Dies hängt damit zusammen, dass sich die gesetzlich optimale
Lösung an klassischen Rollenstereotypen orientiert. Prototyp des
Gesetzes ist der vollzeitbeschäftigte Ehemann, der gegen das
Risiko der Arbeitslosigkeit mit seinem vollen Gehalt und
typisierten Abzügen nach Lohnsteuerklasse III versichert ist.
Ebenfalls vollständig gegen das Risiko von Arbeitslosigkeit mit
einem typisierten tariflichen Vollzeitgehalt abgesichert ist
nunmehr die kindererziehende Ehefrau entsprechend der Neuregelung
nach § 135 Nr. 8 SGB III-E.
Alleinerziehende, die neben der Kinderziehung
sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, profitieren von
der Neuregelung nicht. Bei ihnen kann allenfalls die
Entgeltreduzierung wegen Teilbeschäftigung im Bemessungszeitraum
unberücksichtigt bleiben (§ 131 Abs. 2 Nr. SGB III).
Die Benachteilung von Alleinerziehenden bzw. gemeinsam erziehende
Eltern kann an einem Beispiel vereinfacht verdeutlicht
werden:
Eine teilzeitbeschäftigte Frau (19 Stunden wöchentliche
Arbeitszeit, maßgebliches bereinigtes Bemessungsentgelt 2.000 DM
monatlich) und ihr vollzeitbeschäftigter Mann (38 Stunden
wöchentliche Arbeitszeit, maßgebliches bereinigtes
Bemessungsentgelt 4.000 DM) bekommen ein Kind und stehen vor der
Entscheidung, ob der Mann seine Beschäftigung auf die Hälfte
reduzieren oder die Frau ihre Beschäftigung aussetzen soll.
Variante 1: Alleinverdienerehe. Nur die Frau nimmt Elternzeit
voll in Anspruch. Während der Elternzeit steht der Familie ein
Erwerbseinkommen von 4.000 DM zur Verfügung. Meldet sich die
kindererziehende Frau nach drei Jahren arbeitslos, so erhält sie
auf der Bemessungsgrundlage 4.000 DM (Tariflohn Vollzeit)
Arbeitslosengeld in Höhe von 67 %. Wird der Ehemann ebenfalls
arbeitslos, so erhält er ebenfalls ein Arbeitslosengeld in
entsprechend Höhe. Zusammen erhalten sie also bei vereinfachter
Berechnung 5.360 DM monatlich an Lohnersatzleistungen.
Variante 2: Partnermodell. Der Vater reduziert sein bisherige
Vollzeitbeschäftigung auf Teilzeit und die Mutter arbeitet
weiterhin Teilzeit - eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, wie
im BErzGG gewünscht. Zusammen verdienen sie während der
Elternzeit also 4.000 DM - wie in Variante 1. Wird nach drei
Jahren die Mutter arbeitslos, so erhält sie ein Arbeitslosengeld
bezogen auf ihre bisherige Teilzeitbeschäftigung, also bezogen
auf ein bereinigtes Bemessungsentgelt von 2.000 DM monatlich. Das
sind bei vereinfachter Berechnung 1.340 DM monatlich. Wird nun
auch der Vater arbeitslos, so wird bei ungünstiger
Antragstellung2 auch für den Vater als
Bemessungsentgelt seine Teilzeitbeschäftigung (2.000 DM
monatlich) zu Grunde gelegt. Ergebnis: Die Lohnersatzleistungen
betragen nur 2.680 DM insgesamt.
Durch die partnerschaftliche Aufteilung der Kindererziehung kann
sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe auf die Hälfte
reduzieren. Diese Fehlsteuerung des Gesetzes kann nur dann
verhindert werden, wenn das Bemessungsentgelt für alle Eltern
während der Kindererziehungszeit aufgestockt wird. Bei
Teilzeitbeschäftigung während der Kinderziehung (und nicht nur
anlässlich der Kinderziehung) müsste für beide Elternteile das
Bemessungsentgelt, welches später für die Lohnersatzleistung zu
Grunde gelegt wird, auf eine fiktive Vollzeitbeschäftigung erhöht
werden.
Am Rande ist auf eine fehlende Harmonisierung von § 131 Abs. 2
Nr. 1 SGB III-E einerseits und § 135 Nr. 8 SGB III-E andererseits
hinzuweisen. Wenn Versicherungszeiten während der
Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind, so sollen diese
Zeiten nach der Intention des Gesetzes doch wohl nicht vom
Bemessungszeitraum ausgenommen sein.
9. Erlöschensregelung
Der djb ist dagegen, dass alle Rahmenfristverlängerungen wegen
Kindererziehung (so beispielsweise auch § 196 Abs. 1 SGB III)
gestrichen werden. Im Einzelfall - wenn keine
Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III-E besteht - führt
dies zu ungewollten Verschlechterungen gegenüber der bisherigen
Rechtslage.
Aus Frauensicht dringend reformbedürftig ist zudem § 196 Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 SGB III, die Regelung zum Erlöschen des Anspruchs
auf Arbeitslosenhilfe. Bezieht man maximal drei Jahre keine
Arbeitslosenhilfe, weil der Anspruch allein an der fehlenden
Bedürftigkeit bei Ehegatteneinkommen oder Einkommen des
nichtehelichen Lebenspartners ruht, so erlischt der Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe. Die Regelung zum Erlöschen der Ansprüche bei
fehlender Bedürftigkeit erfüllt alle Voraussetzungen einer
mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung:
1) Das ersatzlose Erlöschen eines materiellen Leistungsanspruchs
nach spätestens drei Jahren ist als geschlechtsneutrale Regelung
ausgestaltet.
2) Auf Grund der Einkommensdifferenz zwischen den Geschlechtern -
auch und gerade unter Berücksichtigung von
Teilzeitbeschäftigungen - sind es überwiegend Frauen, die durch
das hohe Einkommen des Ehegatten oder nichtehelichen
Lebenspartners nicht bedürftig sind.
3) Eine Rechtfertigung ist nicht erkennbar, denn es erlischt ein
Anspruch, der unbefristet ist, und er erlischt unabhängig von der
Frage, ob künftig Bedürftigkeit entsteht. Selbst wenn also der
Partner kein ausreichendes Einkommen mehr erhält oder die
Partnerschaft zerbricht, lebt der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe
nicht auf; es bleibt nur die Sozialhilfe.
Fazit: Aus Frauensicht besteht Änderungsbedarf nicht nur bei dem
vorgelegten Gesetzentwurf, sondern auch bei dem SGB III in seiner
jetzigen Fassung.
Bonn, den 10. Oktober 2001
gez. RAin Margret Diwell Präsidentin | gez. Dr.Christine Fuchsloch Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich |
1 Für das Jahr 2007 sind das 290 Mio. € durch den
Bund und geschätzt 40 Mio. € durch die gesetzlichen
Krankenkassen.
2 Die Höhe des Bemessungsentgelts hängt von dem
Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit ab. Die Reduzierung durch
Teilzeitbeschäftigung bleibt nur in den ersten zwei Lebensjahren
des Kindes (Anspruch auf Erziehungsgeld bei gleichzeitiger
Reduzierung der Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung)
unberücksichtigt (vgl. § 131 Abs. 2 SGB III). Spätestens dann, wenn
das Kind dreieinhalb Jahre alt ist, zählt nur noch die
Teilzeitbeschäftigung.