Stellungnahme: 01-24


zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente ("Job-Aqtiv-Gesetz", BT-Drucksache 14/6944) – Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages am 15. Oktober 2001

Stellungnahme vom

 

 

Thesen und Kernforderungen des djb

Die Zielsetzung des Gesetzentwurfs und die Einführung

arbeitsmarktpolitischer Instrumente wie der

Eingliederungsvereinbarung sind zu begrüßen. Durch Maßnahmen

dieser Art wird den Arbeitslosen eine konkrete Perspektive

aufgezeigt. Es ist zu hoffen, dass die Einzelmaßnahmen besser als

bisher aufeinander abgestimmt werden. Dagegen wirken andere,

insbesondere Frauen betreffende Gesetzesänderungen

kontraproduktiv vor allem für berufstätige Frauen und solche

Eltern, die sich die Erziehung der Kinder partnerschaftlich

teilen wollen. Hier sind Nachbesserungen unverzichtbar.

Der djb fordert den Gesetzgeber auf,

 

  • den vorgegebenen Frauenanteil für die Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung als Mindestquote festzusetzen,
  • die Voraussetzung der Nahtlosigkeit für die Versicherungspflicht von Kindererziehung fallen zu lassen, damit keine Sicherungslücken entstehen,
  • die Bemessung der Lohnersatzleistungen so auszugestalten, dass Alleinerziehende und Eltern, die ihre Kinder partnerschaftlich erziehen, nicht benachteiligt werden, und
  • die Stellung von Frauen zu verbessern, die wegen der Anrechnung des Partnereinkommens keine Arbeitslosenhilfe beziehen.

 

 

Gliederung:

 

  1. Allgemeines
  2. Auswahl der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SBG III-E)
  3. Frauenförderung (§ 8 SGB III-E)
  4. Versicherungspflicht während der Kindererziehung
    (§ 26 SGB III-E)
    a) Notwendigkeit der Versicherungspflicht
    b) Bezug des Mutterschaftsgeldes
    c) Nahtlosigkeit
    d) "Anspruch" statt "Bezug"
  5. Kinderbetreuungskosten
  6. Überbrückungsgeld
  7. Rahmenfristen und Kindererziehung
  8. Bemessungsgrundlagen und Bemessungszeiträume
  9. Erlöschensregelung

 

 

1. Allgemeines

Der djb begrüßt es, dass die Gleichstellung von Frauen und

Männern als durchgängiges Prinzip des SGB III in § 1 Abs. 3 SGB

III in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der

arbeitsmarktpolitischen Instrumente ("Job-Aqtiv-Gesetz") - im

Folgenden: SGB III-E - verankert werden soll. Damit wird der

Gender-Mainstreaming-Ansatz implementiert. Dieses Konzept bedarf

aber der Begleitung durch konkrete Maßnahmen zur Frauenförderung.

 

 

 

 

2. Auswahl der aktiven Arbeitsförderung (§ 7 SBG

III-E)

In der geltenden Fassung sieht § 7 SGB III vor, dass besonders

förderungsbedürftige Personengruppen (u. a. Langzeitarbeitslose

und Rückkehrerinnen) entsprechend ihrem Anteil an den

Gesamtarbeitslosen auch bei Maßnahmen der aktiven

Arbeitsförderung vertreten sein sollen. Eine solche Vorgabe soll

künftig zu Gunsten einer stark individualisierten Prognose

entfallen. Diese Neuregelung ist abzulehnen. Im Gegensatz zum

bisherigen Rechtszustand gewährleistet sie nicht mehr, dass die

Problemgruppen des Arbeitsmarktes, nämlich Personen mit

schlechterer Eingliederungsprognose, ausreichend gefördert

werden.

 

 

 

 

3. Frauenförderung (§ 8 SGB III-E)

Der djb fordert aus Gründen der Klarstellung, § 8 Abs. 2 SGB

III-E um das Wort "mindestens" zu ergänzen und die Erwerbsquote

in die so genannte neue Formel aufzunehmen. Die Ergänzung soll

verdeutlichen, dass die Norm nicht im Sinne einer allgemeinen

geschlechtsbezogenen Quote und damit einer Männerförderung

missverstanden werden kann. Eine solche Männerförderung

entspräche weder der Zielsetzung der Norm noch dem

verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 3 Abs. 2 GG.

Wenn die Gesetzesbegründung zur Auslegung herangezogen wird, kann

das Gesetz in der Weise interpretiert werden, dass beide

Geschlechter entsprechend ihrem absoluten und relativen Anteil

unter den Arbeitslosen zu fördern sind. Eine solche Auslegung ist

nicht fernliegend, wie die juristischen Auseinandersetzungen um

Frauenquoten im Erwerbsleben zeigen. Sie könnte sich darauf

berufen, dass es nach der neu eingeführten Formel "zu einer

überproportionalen Förderung eines Geschlechts" kommen soll,

"solange dieses stärker durch Arbeitslosigkeit betroffen ist"

(vgl. Gesetzesbegründung B zu Nr. 4 zu § 8). Wird § 8 Abs. 2 SGB

III-E jedoch als geschlechtsneutrale Quote verstanden, so wäre

dies aus zwei Gründen fatal:

 

  • Frauen stellen einen großen Teil der so genannten stillen Reserve des Arbeitsmarktes, die statistisch nicht erfasst ist. Vor allem Frauen, die sich nach Unterbrechungen ihres Erwerbslebens durch Kindererziehung oder Pflege beruflich neu orientieren, tauchen nur zu einem kleinen Anteil in der Arbeitsmarktstatistik auf.
  • Das geltende Arbeitslosenhilferecht führt dazu, dass sich überproportional viele Frauen nicht mehr arbeitslos melden, obwohl sie nach wie vor arbeitssuchend sind. Frauen sind wegen des Ehegatteneinkommens oft nicht mehr bedürftig im Sinne des Arbeitslosenhilferechtes. Sie haben daher keinen Leistungsanspruch mehr. Dementsprechend sehen sie keinen Anlass, sich bei den zuständigen Arbeitsämtern formell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Diese Gruppe senkt die Quote der den Frauen insgesamt "zustehenden" aktiven Fördermaßnahmen. Von der Einkommensanrechnung bei Bedürftigkeit sind männliche Arbeitslosenhilfeempfänger nur zu einem ganz geringen Anteil betroffen.

 

 

Schließlich ist auf Folgendes hinzuweisen: Vor dem Hintergrund

der geltenden Arbeitsmarktstatistik stellt die Ergänzung des

Gesetzes im Sinne der relativen Betroffenheit einen Rückschritt

dar. Die Arbeitslosenquote wird bisher statistisch auf der

Grundlage aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse ermittelt,

einschließlich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, bei

denen keine Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung besteht.

Dies führt dazu, dass die relative Betroffenheit der arbeitslosen

Frauen vor allem in den alten Bundesländern niedriger ist als die

bisherige Quote. Oder anders formuliert: Durch die

Gesetzesänderung wird der Anteil zu fördernder Frauen in den

alten Ländern aus statistischen Gründen sinken. Daher sollte die

Neuregelung nur dann erfolgen, wenn gleichzeitig sichergestellt

wird, dass die statistische Bezugsgröße korrigiert wird. Die

Arbeitslosenquote muss bezogen auf die Anzahl der auch nach den

Regelungen des SGB III versicherungspflichtigen

Arbeitsverhältnisse berechnet werden. Noch besser wäre es jedoch,

die Erwerbsquote von Frauen in die Berechnung einzubeziehen.

 

 

 

 

4. Versicherungspflicht während der Kindererziehung

(§ 26 SGB III-E)

Der djb begrüßt das Bestreben, die Absicherung gegen das Risiko

der Arbeitslosigkeit für Personen, die Kinder erziehen,

auszuweiten. Die Regelung des § 26 SGB III-E ist jedoch insgesamt

unausgereift und führt in Verbindung mit den Veränderungen der

Rahmenfristen zu Verschlechterungen für bestimmte

Personengruppen.

 

 

 

 

a) Notwendigkeit der Versicherungspflicht

Nach Auffassung des djb ist die Einführung der Beitragspflicht

nicht erforderlich; eine Gleichstellung der Zeiten innerhalb des

Systems der Arbeitslosenversicherung wäre vorzuziehen.

Im bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Arbeitsförderungsgesetz

waren Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld,

Sonderunterstützung nach dem Mutterschaftsgeld und Zeiten des

Anspruchs auf Erziehungsgeld (nicht der Bezug von Erziehungsgeld)

eine der Beschäftigung gleichgestellte Zeit (vgl. § 107 Nr. 5

Buchst. b AFG). Der Bezug von Mutterschaftsgeld oder der Anspruch

auf Erziehungsgeld begründete damit einen Anspruch auf

Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld, ohne

dass die gesetzlichen Krankenkassen oder der Bund dafür

zusätzliche Beiträge erbringen mussten. Es entsprach vielmehr den

selbstverständlichen Grundlagen eines solidarisch ausge-stalteten

Systems der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, dass solche

Zeiten innerhalb der Versicherungsgruppe in der dargestellten

Weise zu bewerten waren.

Diese Gleichstellung entfiel zum 1. Januar 1998 mit der

Einführung des SGB III vollständig, was vor allem für die Zeiten

des Mutterschutzes empörend war, da ein selbstverständlicher

Ausgleichsmechanismus für Frauen gestrichen wurde, die einem

Beschäftigungsverbot unterlagen. Stattdessen wurden die

Rahmenfristen erweitert, was den damaligen Gesetzgeber mit

Mehrausgaben von 400 Mio. DM jährlich rechnen ließ (vgl.

BT-Drucksache 13/4941 S. 255). Jetzt soll auch diese Verlängerung

der Rahmenfristen und damit der letzte solidarische Ausgleich für

Familienleistungen bei der Anwartschaftsbegründung innerhalb des

Systems der Arbeitslosenversicherung zu Gunsten eines noch

strengeren Versicherungsprinzips aufgegeben werden. Der djb

beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Statt der monetären

Beitragsleistung sollte der Gesetzgeber zu einer Gleichstellung

der Zeiten zurückkehren.

Außerdem stehen die von den gesetzlichen Krankenkassen und dem

Bund aufzubringenden Mittel2 für die neu eingeführte

Versicherungspflicht in keinem Verhältnis zu den Verbesserungen

für die erziehenden Eltern. Bereits die unter "C. Finanzielle

Auswirkungen" in der Gesetzesbegründung angeführten zusätzlichen

Kosten der Bundesanstalt für Arbeit sind deutlich niedriger als

die zusätzlichen Einnahmen der Bundesanstalt für Arbeit durch die

Beitragspflicht. Dies zeigt, dass die Beitragspflicht eine

versteckte Subventionierung des allgemeinen Haushalts der

Arbeitslosenversicherung darstellt.

Das lässt sich beispielhaft an der Prognose für 2007 zeigen: In

jenem Jahr sollen zusätzliche Einnahmen für die Bundesanstalt von

der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Bund in Höhe von 310

Mio. € (620 Mio. DM) zu erwarten sein. Dem stehen zusätzliche

Ausgaben von 180 Mio. € (360 Mio. DM) gegenüber. Subventionierung

des allgemeinen Haushaltes = 130 Mio. € (260 Mio. DM). Diese

Subventionierung wäre noch deutlich höher, wenn ein Vergleich mit

dem bis 1997 geltenden Recht angestellt würde. Hierzu indes

schweigt sich die Gesetzesbegründung aus.

Schließlich ist die Berechnung der Mehrausgaben der Bundesanstalt

für Arbeit in keiner Weise nachvollziehbar. Sie wird in Kenntnis

der geltenden Rechtslage als deutlich überhöht angesehen.

 

 

 

 

b) Bezug des Mutterschaftsgeldes

Nach Auffassung des djb sollte der gesamte Bezug des

Mutterschaftsgeldes, also die Zeit sowohl vor als auch nach der

Entbindung, als Beitragszeit bzw. gleichgestellte Zeit gelten.

Dafür ist es weder gesetzessystematisch noch gesetzestechnisch

erforderlich, dass die Kosten für diese Zeiten von den

gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden (siehe dazu im

Einzelnen unter a). Nach dem Gesetzentwurf soll der Bezug von

Mutterschaftsgeld nach der Entbindung von den

Kinderziehungszeiten, die an die rentenrechtliche Zuordnung der

Kindererziehungszeiten anknüpfen, verdrängt werden. Eine

Regelung, die nur zu Lasten der Frauen geht, da Männer

bekanntlich kein Mutterschaftsgeld in Anspruch nehmen können.

 

 

 

 

c) Nahtlosigkeit

§ 26 Abs. 2a SBG III-E sollte wie folgt gefasst werden:

"Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie

ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,

erziehen, wenn sie

1. innerhalb der letzten 6 Monate vor der Kindererziehung

versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine

Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und..."

Das im jetzigen Gesetzentwurf vorgesehene Erfordernis der

Nahtlosigkeit ("unmittelbar vor") sollte durch eine praktisch

handhabbare Frist von sechs Monaten ersetzt werden. Eine

"unmittelbar vorhergehende" Versicherungspflicht wird zu

Härtefällen führen, verschlechtert die Rechtslage im Verhältnis

zur bisherigen Rahmenfristverlängerung und steht im Widerspruch

zum Ziel des Gesetzgebers, die Versicherungspflicht auszuweiten.

Verschlechterungen dieser Art können vom Gesetzgeber nicht

angestrebt sein.

Zunächst ist das Merkmal "unmittelbar vor" unzureichend auf die

Regelungen zum Mutterschaftsgeld abgestimmt. § 26 Abs. 2a SGB

III-E hat wesentliche Vorteile gegenüber der bisherigen

Rechtslage ohnehin primär für Frauen, die nicht von der geltenden

Rahmenfristverlängerung (z. B. § 192 SGB III) profitieren

konnten. Das betrifft Frauen, die mangels Vorversicherungszeit

noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe

erworben haben. Häufig handelt es sich um Frauen in kurzen und

befristeten Beschäftigungsverhältnissen, die keinen Anspruch auf

Mutterschaftsgeld haben, denn sie erfüllen auch hier die

Rahmenfrist nach § 200 RVO nicht (Mitgliedschaft oder

Beschäftigung vom Beginn des zehnten bis zum Ende des vierten

Monats vor der Entbindung). Damit haben sie eine Lücke bis zur

(versicherungspflichtigen) Kindererziehung. Einerseits greift die

durch den Gesetzentwurf geplante Einführung der Beitragspflicht

des Mutterschaftsgeldes für die gesetzlichen Krankenkassen (§ 26

Abs. 2 Nr. 1 SGB III-E) mangels Bezug von Mutterschaftsgeld

nicht, andererseits ist der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld durch

den Arbeitgeber auch nicht beitragspflichtig im Sinne von § 342

SGB III, weshalb auch nach den allgemeinen Regelungen keine

Versicherungspflicht besteht.

Zudem besteht eine Sicherungslücke bei privat krankenversicherten

Frauen, die ebenfalls nicht versicherungspflichtig sind.

Das Erfordernis der Nahtlosigkeit führt weiter dazu, dass in

allen Fällen von Sperrzeiten die daran anschließenden Zeiten der

Kindererziehung nicht berücksichtigt werden können. Dies gilt

auch dann, wenn die Sperrzeit eine besondere Härte darstellt und

daher nach § 144 Abs. 3 SGB III reduziert wird.

Beispiel: Eine Frau schließt während der Schwangerschaft einen

Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeber, weil sie ohnehin nicht

mehr in diesem Betrieb arbeiten will oder zu ihrem Lebenspartner

ziehen möchte. Folge ist in jedem Fall eine Sperrzeit. Weitere

Folge: Kindererziehungszeiten im Anschluss können je nach Lage

der Sperrzeit nicht berücksichtigt werden. Dies führt jedoch

dazu, dass nach der Kindererziehungszeit kein Anspruch auf

Arbeitslosengeld oder -hilfe mehr besteht. Im Beispielsfall ist

also der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe oder -geld erloschen.

Dies hängt damit zusammen, dass der Gesetzentwurf gleichzeitig

vorsieht, die Rahmenfristverlängerung nach § 124 Abs. 3 Satz 1

Nr. 2 SGB III aufzuheben - eine Verschlechterung gegenüber dem

bisherigen Recht für Fälle dieser Art.

 

 

 

 

d) "Anspruch" statt "Bezug"

Wie bereits erwähnt, sollte § 26 Abs. 2a SBG III-E wie folgt

gefasst werden:

"Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie

ein Kind, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat,

erziehen, wenn sie

1. innerhalb der letzten 6 Monate vor der Kindererziehung

versicherungspflichtig waren oder Anspruch auf eine

Entgeltersatzleistung nach diesem Buch hatten und..."

Aus folgenden Gründen sollte in § 26 Abs. 2a Nr. 1 SGB III-E das

Erfordernis des "Bezugs" von Lohnersatzleistungen durch das

Merkmal "Anspruch auf" ersetzt werden:

Frauen beziehen oft nur deshalb keine Arbeitslosenhilfe, weil das

Ehegatteneinkommen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung

angerechnet wird. Daher haben sie zwar einen Anspruch auf

Arbeitslosenhilfe im Sinne eines Stammrechts, beziehen jedoch

keine Leistungen. Es dürfte sich bei der im Gesetzentwurf

verwendeten Formulierung wahrscheinlich um ein Versehen handeln.

Sollte die Regelung nicht verändert werden, so müsste jedoch in

jedem Fall die neue Formulierung des § 26 Abs. 3 S 2 SGB III

ebenfalls auf den Bezug von Entgeltersatzleistungen abstellen.

Sonst ergeben sich nicht auflösbare Widersprüche.

 

 

 

 

5. Kinderbetreuungskosten

Die Erhöhung der erstattungsfähigen Kinderbetreuungskosten

während der Maßnahmen zur aktiven Arbeitsförderung auf 130 €

monatlich wird uneingeschränkt begrüßt. Im Sinne einer

Verwaltungsvereinfachung ist es auch sinnvoll, dass die bisherige

Aufteilung in einen Grundbetrag und einen Härtefallbetrag

aufgegeben wird.

 

 

 

 

6. Überbrückungsgeld

Nach § 57 Abs. 3 SGB III-E soll bei diversen Ruhenstatbeständen

kein Überbrückungsgeld mehr gewährt werden. Dazu gehört unter

anderem der Bezug von Mutterschaftsgeld oder sonstigen

Leistungen. Das erscheint nicht sachgerecht. Da nach der

Gesetzesbegründung während der Sperrzeiten kein Überbrückungsgeld

gewährt werden soll, reicht eine Bezugnahme nur auf § 144 SGB III

statt der vorgesehenen Bezugnahme auf §§ 142 - 145 SGB III

aus.

Im Übrigen sollte überdacht werden, ob das Bedürfnis nach

Sanktion im Rahmen der Sperrzeit dazu führen könnte, dass eine im

Einzelfall effektive Eingliederung verhindert wird. Den jeweils

zuständigen Arbeitsberatern sollte nicht qua Gesetz eine von

ihnen im Einzelfall für sinnvoll erachtete Maßnahme aus der Hand

genommen werden.

 

 

 

 

7. Rahmenfristen und Kindererziehung

Die durch das SGB III eingeführten Rahmenfristverlängerungen (z.

B. § 124 SBG III für das Arbeitslosengeld) sollen entfallen. Das

ist in all den Fällen problematisch, in denen aus

unterschiedlichen Gründen die Versicherungspflicht während der

Kindererziehungszeit nicht greift. Als Minimallösung wird daher

vorgeschlagen, § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III wie folgt zu

fassen:

"Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des

Arbeitslosen, welches das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet

hat, sofern diese Zeiten nicht mit Pflichtbeitragszeiten belegt

sind..."

Die Regelungen für die Arbeitslosenhilfe und das Unterhaltsgeld

wären entsprechend zu ändern.

 

 

 

 

8. Bemessungsgrundlagen und Bemessungszeiträume

Die Bemessungsparameter für das Arbeitslosengeld und die

Arbeitslosenhilfe benachteiligen nach dem neuen Modell die

partnerschaftliche Kindererziehung. Die Ausgestaltung der

Arbeitslosenversicherung unterstützt die Aufgabe der

Beschäftigung während der Kindererziehung in den ersten drei

Jahren. Hier treten Wertungswidersprüche zu der erst kürzlich

durch eine Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes eingeführten

Elternzeit auf. Vor allem wird jedoch der

Dequalifizierungsprozess von Frauen, insbesondere von Frauen mit

mehreren Kindern, vorangetrieben.

Teilen sich die Eltern die Kindererziehung durch gemeinsame

Teilzeitbeschäftigung, dann erwerben sie niedrigere Ansprüche auf

Lohnersatzleistungen nach dem SGB III, als wenn ein Elternteil -

in der Regel der Mann - voll arbeitet und der anderen Elternteil

- in der Regel die Frau - sich vollständig der Kindererziehung in

den ersten drei Jahren widmet.

Dies hängt damit zusammen, dass sich die gesetzlich optimale

Lösung an klassischen Rollenstereotypen orientiert. Prototyp des

Gesetzes ist der vollzeitbeschäftigte Ehemann, der gegen das

Risiko der Arbeitslosigkeit mit seinem vollen Gehalt und

typisierten Abzügen nach Lohnsteuerklasse III versichert ist.

Ebenfalls vollständig gegen das Risiko von Arbeitslosigkeit mit

einem typisierten tariflichen Vollzeitgehalt abgesichert ist

nunmehr die kindererziehende Ehefrau entsprechend der Neuregelung

nach § 135 Nr. 8 SGB III-E.

Alleinerziehende, die neben der Kinderziehung

sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, profitieren von

der Neuregelung nicht. Bei ihnen kann allenfalls die

Entgeltreduzierung wegen Teilbeschäftigung im Bemessungszeitraum

unberücksichtigt bleiben (§ 131 Abs. 2 Nr. SGB III).

Die Benachteilung von Alleinerziehenden bzw. gemeinsam erziehende

Eltern kann an einem Beispiel vereinfacht verdeutlicht

werden:

Eine teilzeitbeschäftigte Frau (19 Stunden wöchentliche

Arbeitszeit, maßgebliches bereinigtes Bemessungsentgelt 2.000 DM

monatlich) und ihr vollzeitbeschäftigter Mann (38 Stunden

wöchentliche Arbeitszeit, maßgebliches bereinigtes

Bemessungsentgelt 4.000 DM) bekommen ein Kind und stehen vor der

Entscheidung, ob der Mann seine Beschäftigung auf die Hälfte

reduzieren oder die Frau ihre Beschäftigung aussetzen soll.

Variante 1: Alleinverdienerehe. Nur die Frau nimmt Elternzeit

voll in Anspruch. Während der Elternzeit steht der Familie ein

Erwerbseinkommen von 4.000 DM zur Verfügung. Meldet sich die

kindererziehende Frau nach drei Jahren arbeitslos, so erhält sie

auf der Bemessungsgrundlage 4.000 DM (Tariflohn Vollzeit)

Arbeitslosengeld in Höhe von 67 %. Wird der Ehemann ebenfalls

arbeitslos, so erhält er ebenfalls ein Arbeitslosengeld in

entsprechend Höhe. Zusammen erhalten sie also bei vereinfachter

Berechnung 5.360 DM monatlich an Lohnersatzleistungen.

Variante 2: Partnermodell. Der Vater reduziert sein bisherige

Vollzeitbeschäftigung auf Teilzeit und die Mutter arbeitet

weiterhin Teilzeit - eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, wie

im BErzGG gewünscht. Zusammen verdienen sie während der

Elternzeit also 4.000 DM - wie in Variante 1. Wird nach drei

Jahren die Mutter arbeitslos, so erhält sie ein Arbeitslosengeld

bezogen auf ihre bisherige Teilzeitbeschäftigung, also bezogen

auf ein bereinigtes Bemessungsentgelt von 2.000 DM monatlich. Das

sind bei vereinfachter Berechnung 1.340 DM monatlich. Wird nun

auch der Vater arbeitslos, so wird bei ungünstiger

Antragstellung2 auch für den Vater als

Bemessungsentgelt seine Teilzeitbeschäftigung (2.000 DM

monatlich) zu Grunde gelegt. Ergebnis: Die Lohnersatzleistungen

betragen nur 2.680 DM insgesamt.

Durch die partnerschaftliche Aufteilung der Kindererziehung kann

sich der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder -hilfe auf die Hälfte

reduzieren. Diese Fehlsteuerung des Gesetzes kann nur dann

verhindert werden, wenn das Bemessungsentgelt für alle Eltern

während der Kindererziehungszeit aufgestockt wird. Bei

Teilzeitbeschäftigung während der Kinderziehung (und nicht nur

anlässlich der Kinderziehung) müsste für beide Elternteile das

Bemessungsentgelt, welches später für die Lohnersatzleistung zu

Grunde gelegt wird, auf eine fiktive Vollzeitbeschäftigung erhöht

werden.

Am Rande ist auf eine fehlende Harmonisierung von § 131 Abs. 2

Nr. 1 SGB III-E einerseits und § 135 Nr. 8 SGB III-E andererseits

hinzuweisen. Wenn Versicherungszeiten während der

Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen sind, so sollen diese

Zeiten nach der Intention des Gesetzes doch wohl nicht vom

Bemessungszeitraum ausgenommen sein.

 

 

 

 

9. Erlöschensregelung

Der djb ist dagegen, dass alle Rahmenfristverlängerungen wegen

Kindererziehung (so beispielsweise auch § 196 Abs. 1 SGB III)

gestrichen werden. Im Einzelfall - wenn keine

Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III-E besteht - führt

dies zu ungewollten Verschlechterungen gegenüber der bisherigen

Rechtslage.

Aus Frauensicht dringend reformbedürftig ist zudem § 196 Abs. 1

Satz 2 Nr. 1 SGB III, die Regelung zum Erlöschen des Anspruchs

auf Arbeitslosenhilfe. Bezieht man maximal drei Jahre keine

Arbeitslosenhilfe, weil der Anspruch allein an der fehlenden

Bedürftigkeit bei Ehegatteneinkommen oder Einkommen des

nichtehelichen Lebenspartners ruht, so erlischt der Anspruch auf

Arbeitslosenhilfe. Die Regelung zum Erlöschen der Ansprüche bei

fehlender Bedürftigkeit erfüllt alle Voraussetzungen einer

mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung:

1) Das ersatzlose Erlöschen eines materiellen Leistungsanspruchs

nach spätestens drei Jahren ist als geschlechtsneutrale Regelung

ausgestaltet.

2) Auf Grund der Einkommensdifferenz zwischen den Geschlechtern -

auch und gerade unter Berücksichtigung von

Teilzeitbeschäftigungen - sind es überwiegend Frauen, die durch

das hohe Einkommen des Ehegatten oder nichtehelichen

Lebenspartners nicht bedürftig sind.

3) Eine Rechtfertigung ist nicht erkennbar, denn es erlischt ein

Anspruch, der unbefristet ist, und er erlischt unabhängig von der

Frage, ob künftig Bedürftigkeit entsteht. Selbst wenn also der

Partner kein ausreichendes Einkommen mehr erhält oder die

Partnerschaft zerbricht, lebt der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe

nicht auf; es bleibt nur die Sozialhilfe.

Fazit: Aus Frauensicht besteht Änderungsbedarf nicht nur bei dem

vorgelegten Gesetzentwurf, sondern auch bei dem SGB III in seiner

jetzigen Fassung.

 

 

Bonn, den 10. Oktober 2001

 

 

 

gez. RAin Margret Diwell
Präsidentin
gez. Dr.Christine Fuchsloch
Vorsitzende der Kommission Recht
der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich

 

 

 


 

1 Für das Jahr 2007 sind das 290 Mio. € durch den

Bund und geschätzt 40 Mio. € durch die gesetzlichen

Krankenkassen.

2 Die Höhe des Bemessungsentgelts hängt von dem

Zeitpunkt der Arbeitslosigkeit ab. Die Reduzierung durch

Teilzeitbeschäftigung bleibt nur in den ersten zwei Lebensjahren

des Kindes (Anspruch auf Erziehungsgeld bei gleichzeitiger

Reduzierung der Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung)

unberücksichtigt (vgl. § 131 Abs. 2 SGB III). Spätestens dann, wenn

das Kind dreieinhalb Jahre alt ist, zählt nur noch die

Teilzeitbeschäftigung.