Stellungnahme: 01-22


zu der Verfassungsbeschwerde 1 BvR 193/97 - aus der Vorehe erworbener Ehename als neuer Ehename

Stellungnahme vom

www.bundesverfassungsgericht.de

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, zu den mit der Verfassungsbeschwerde angesprochenen Problemen des Ehenamensrechts ergänzend Stellung nehmen zu können.

A. Rechtslage

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist das Familiennamensrecht, und zwar die gesetzlichen Vorgaben bei der Wahl des Ehenamens (§§ 1355 Abs. 2 BGB a.F. und n. F.).

Die Beschwerdeführer haben in den USA geheiratet. Die Beschwerdeführerin hat ihren aus der Vorehe erworbenen Namen beibehalten; der Beschwerdeführer trug zu diesem Zeitpunkt seinen Geburtsnamen. Der Standesbeamte lehnte den Antrag der Beschwerdeführer, mit dem sie den aus der Vorehe erworbenen Namen der Beschwerdeführerin zum Ehenamen bestimmen wollten, ab und erteilte ihnen keine Bescheinigung über die Wahl eines gemeinsamen Ehenamens. Der Antrag der Beschwerdeführer auf gerichtliche Anweisung an den Standesbeamten, den erworbenen Namens der Beschwerdeführerin als Ehename beider Beschwerdeführer einzutragen, blieb durch alle Instanzen erfolglos. Auch das Kammergericht hat aufgrund der seiner Meinung nach eindeutigen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtslage die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Ehenamensrecht sieht vor, dass die Eheleute regelmäßig einen ihrer beiden Geburtsnamen zum Ehenamen bestimmen sollen. Beide führen anschließend den gemeinsam bestimmten Ehenamen als ihren Namen. Nach der Legaldefinition des § 1355 Abs. 2 S. 3 BGB a. F. bzw. des § 1355 Abs. 6 BGB n. F. handelt es sich bei dem Geburtsnamen um den in die Geburtsurkunde eines der Verlobten zur Zeit der Eheschließung einzutragenden Namen. Ein aufgrund einer Vorehe erworbener Familienname kann nach dem Gesetz daher nicht von den Verlobten als gemeinsamer Ehename der neuen Ehe gewählt werden. Die Namenswahlmöglichkeiten beschränken sich demnach auf die Beibehaltung des aktuellen Namens, d. h. keinen einheitlichen Ehenamen, oder einen gemeinsamen Ehenamen, gebildet aus dem eigenen Geburtsnamen oder dem des Ehegatten. Zudem besteht gem. § 1355 Abs. 4 S. 1 BGB die Möglichkeit, einen unechten Doppelnamen zu bilden, wozu auch der durch Vorehe erworbene Familienname herangezogen werden kann.

Für die Neufassung des Gesetzes sah ein Regierungsentwurf1 vor, dass der neue Familienname auch in dem Namen des geschiedenen Ehegatten bestehen könne. Dieser Entwurf ist jedoch nicht Gesetz geworden.

Demnach besteht nach altem und nach neuem Recht das Problem, dass ein Ehegatte, der schon einmal verheiratet war, auf seinen durch die Vorehe erworbenen und eventuell über Jahre getragenen Familiennamen verzichten muss, wenn er einen völlig gleichen Namen wie sein neuer Ehegatte tragen möchte. Gleichzeitig ist der Ehepartner in seinen Wahlmöglichkeiten insofern beschränkt, als ihm nicht das Recht eingeräumt wird, gemeinsam mit dem Partner dessen Familiennamen zu tragen und auf diesem Weg Verbundenheit nach außen zu demonstrieren.

B. Verfassungsrechtliche Prüfung

Es ist zu prüfen, ob die der angegriffenen Entscheidung zugrunde gelegte gesetzliche Regelung (§ 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F.) gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 2, 3 und 1 GG verstößt, als sie nur die Geburtsnamen der Ehegatten als Ehenamen zulässt.

I. Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin durch die angegriffene Entscheidung
1. Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG

a) Eingriff in den Schutzbereich

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG könnte verletzt sein, da es ihr verwehrt ist, ihren durch die erste Ehe erworbenen Familiennamen als Familiennamen für ihre zweite Ehe zu wählen. Ihre Identität und Individualität könnten somit nicht gewahrt sein.

Der Geburtsname jedenfalls ist Zeichen der familiären Verbundenheit und soll die Abstammung des Namensträgers deutlich machen. Er ist Ausdruck von Identität und Individualität2.

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes reicht allerdings nach dem Beschluss des BVerfG vom 11.04.2001 (1 BvR 1646/97) über den Geburtsnamen hinaus. Zu berücksichtigen ist danach der Aspekt, dass der Name einen Menschen in seinem Leben begleitet. Auch wenn er unrechtmäßig erworben, aber tatsächlich geführt wurde, wird er dem Schutz des Art. 2 I i. V. m. 1 I GG unterstellt, sofern er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum geführt wurde, sich mit diesem Namen eine Identität und Individualität des Namensträgers herausgebildet und verfestigt hat, d. h. die Persönlichkeit des Namensträgers von diesem Namen tatsächlich mitbestimmt wurde, und sich ein Vertrauen in die Richtigkeit der Namensführung auch herausbilden durfte.3

Wenn aber sogar ein unrichtiger Name, der gar nicht existieren dürfte, dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterfällt, so muss dies erst recht für einen Namen gelten, den der Betreffende rechtmäßig erworben hat, wie eben infolge einer Heirat. Der Namensträger ist im Rechtsverkehr und im gesellschaftlichen Leben ab der Eheschließung gewöhnlich nur noch unter dem neuen Namen bekannt. Dabei kann die Zeit, in der er diesen Ehenamen als seinen Namen führt, länger andauern als die Zeit, in der die gleiche Person Träger ihres Geburtsnamens war.

Für die Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, seinen sozialen Geltungsanspruch sowie seine soziale Identität4, kann ein durch Heirat erworbener Familienname und die Identifikation damit durch sich selbst und andere wichtig sein. In dem Moment, in dem sich der Namensträger für den neuen Namen entschieden hat, identifizieren nicht nur andere, sondern auch er selbst sich mit ihm bzw. dem Ehepartner und dessen Familie.

Genauso wie der Geburtsname vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG umfasst ist, ist also auch der Familienname dadurch geschützt. Das Recht zur Führung des Namens des anderen Ehegatten wird nicht nur für die Dauer der Ehe erworben. Auch nach Scheidung oder Auflösung der Ehe kann derjenige Ehegatte, der den Namen des anderen als Ehename führt, diesen auch weiterhin führen. Die Regeln des EheG, wonach die Namensführung nach Scheidung untersagt werden konnte, sind durch das EheRG 1977 ersatzlos gestrichen worden. Ab dem Zeitpunkt der Eheschließung steht das Recht zur Führung des Ehenamens als eigener Name daher auch dem bis dato anders heißenden Ehegatten als eigenes Recht zu.

Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG ist insofern anzunehmen, als der einzelne nicht über sein Namensrecht verfügen und den Namen mit Einverständnis des neuen Ehepartners an diesen weitergeben darf: Im Gegensatz zu der Weitergabe des Namens an ein Kind, geht es hier nicht um ein Bestimmungsrecht über andere, das ein auf die Menschenwürde gestütztes Grundrecht nicht gewähren kann. 5 Es geht hier vielmehr um eine einvernehmliche Bestimmung des Familiennamens zum Ehenamen in der neuen Ehe. Des weiteren ist ein Eingriff darin zu sehen, dass der Namensführende seinen Familiennamen aufgeben muss, wenn er mit dem neuen Ehegatten einen völlig einheitlichen Namen führen möchte und dabei den Namen, mit dem er sich identifiziert, behalten möchte.

b) Rechtfertigung des Eingriffs

Eingriffe in das geschützte Persönlichkeitsrecht der Person bedürfen der Rechtfertigung durch andere verfassungsmäßige Rechte oder überwiegende Interessen Dritter bzw. der Allgemeinheit. Das Namensrecht ist nicht nur eine Privatangelegenheit. Vielmehr sind aufgrund der Ordnungsfunktion des Namensrechts, der Bedeutung des Namens als Unterscheidungsmerkmal in der Gesellschaft und als Kennzeichen für familiäre Zusammengehörigkeit auch das Persönlichkeitsrecht übergreifende Interessen zu berücksichtigen. Auch das Recht am eigenen Namen ist daher nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Belange der Allgemeinheit sind daher bei der gesetzlichen Regelung des Namensrechts zu berücksichtigen. Eingriffe dürfen aber nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgen.6

Fraglich ist, ob der Eingriff hier verhältnismäßig ist. Es dürfte kein geeignetes, weniger einschneidendes Mittel zur Erreichung eines mit § 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F. BGB verfolgten Zwecks geben.

Legitimer Zweck der Beschränkung der Wahlmöglichkeit auf die Geburtsnamen der Ehegatten bzw. die Möglichkeit mit dem erworbenen Familiennamen einen unechten Doppelnamen zu bilden, ist die Wahrung der Belange des geschiedenen Ehepartners. Möglichen Missbrauchsgefahren soll Rechnung getragen werden. 7

Die geltende Regelung ist auch geeignet, dieses Ziel zumindest zu fördern.

Fraglich ist, ob die Einschränkung in dem Umfang erforderlich ist, d. h., ob es kein milderes, gleich effektives Mittel gibt als die Beschränkung der Wahlmöglichkeit auf die Geburtsnamen und die Bildung eines unechten Doppelnamens mit dem Namen aus der vorherigen Ehe.

Weniger einschneidend als diese Regelung ist die Erweiterung der Wahlmöglichkeiten auf den durch Vorehe erworbenen Familiennamen eines Ehegatten als neuen Ehenamen. Fraglich ist, ob dieses mildere Mittel gleichermaßen effektiv ist, um den Schutz des geschiedenen Ehegatten zu wahren.

Man kann nicht damit argumentieren, dass ohnehin kein umfassender Schutz für den geschiedenen Ehegatten gewährleistet wird, da sein Name zum einen an Kinder weitergegeben werden kann, die nicht vom früheren Ehegatten abstammen und zum anderen, da der Name gem. § 1355 Abs. 4 S. 1 BGB dem Ehenamen vorangestellt oder angehängt werden kann:

Bei der Weitergabe an fremde Kinder handelt es sich um ein Problem, das durch § 1355 Abs. 2 BGB selbst nicht geschaffen wird. Diese Möglichkeit, den Schutz des früheren Ehegatten zu unterlaufen, ergibt sich aus anderen Vorschriften. Sie hat mit dem Vergleich, welche der beiden hier in Frage stehenden Möglichkeiten zur Fassung des § 1355 Abs. 2 BGB den ehemaligen Ehepartner besser schützt, nichts zu tun. Maßgebend sind im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung nicht allgemeine Erwägungen zur Effektivität des Schutzes durch das Gesetz, sondern besondere, am Ehenamensrecht im speziellen ausgerichtete Überlegungen.

§ 1355 Abs. 4 S. 1 BGB eröffnet nur die Möglichkeit, einen unechten Doppelnamen mit dem durch Vorehe erworbenen Namen zu bilden. Dieser Namensbestandteil kann dann nicht an Kinder oder weitere Ehegatten und über diese an deren Kinder weitergegeben werden. Es bestehen keine so vielfältigen Missbrauchsmöglichkeiten wie bei der von den Beschwerdeführern anvisierten Lösung, wenn die Möglichkeit der Verbreitung des Namens durch Heirat schon bei demjenigen gestoppt wird, welcher den Namen von seinem früheren Ehegatten im Zuge der Eheschließung erworben hat. Auch wenn der Schutz des betroffenen vormaligen Ehegatten, wie oben erörtert, nicht umfassend gewährleistet ist, so ist er doch durch § 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F. immer noch ein wenig besser, als durch die in Frage stehende erweiterte Wahlmöglichkeit. Aus diesem Grund ist die erweiterte Wahlmöglichkeit zwar im Hinblick auf einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG ein milderes, aber im Verhältnis zu § 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F. kein effektiveres Mittel zum Schutz des Namens des geschiedenen Ehegatten. Die Regelung der § 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F. ist daher erforderlich.

Fraglich ist jedoch, ob die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit i. e. S. erfüllt sind. Dem Identifikationsbedürfnis des Rechtsverkehrs und der Identitätswahrung des Namensträgers wird nicht hinreichend Rechnung getragen durch die Möglichkeit, einen unechten Doppelnamen mit dem erworbenen Familiennamen zu bilden. Problematisch und nicht mehr ausreichend wird der Schutz insbesondere dann, wenn beide Ehegatten verwitwet bzw. geschieden sind und beide nicht mehr ihren Geburtsnamen tragen. Diese Konstellationen sind denkbar, seit der Mannesname nicht mehr zwingend (gemeinsamer) Ehename werden muss. In diesen Fällen müsste einer der beiden seinen Geburtsnamen als Ehenamen wählen, um eine Verbundenheit auszudrücken, selbst wenn er im Zweifel diesen seit Jahren nicht mehr getragen hat. Bei einer Güterabwägung zwischen dem ohnehin aufgeweichten Schutz des Namens des geschiedenen Ehegatten und dem Bedürfnis seines ehemaligen Partners, den Namen weiterzugeben, muss daher letzterem der Vorrang eingeräumt werden.

Der Eingriff verstößt daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist folglich nicht gerechtfertigt.

Ein Verstoß gegen das durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin liegt demnach vor.

2. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG

Möglicherweise liegt in der angegriffenen Entscheidung durch ihre Begründung aus § 1355 Abs. 2 BGB a. F. und n. F. ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG zu Lasten der Beschwerdeführerin.

Art. 6 Abs. 1 GG stellt u. a. die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Es handelt sich bei Art. 6 Abs. 1 GG um ein klassisches Abwehrrecht ebenso wie eine Institutsgarantie sowie eine verbindliche Wertentscheidung und ein Leistungsrecht. Die Vorschrift erlegt dem Staat zudem eine Schutzpflicht auf.8

Hier könnte die Institutsgarantie maßgebend sein. Nur der Ordnungskern des Instituts der Ehe ist geschützt. Um denselben zu ermitteln, kann Art. 6 Abs. 1 GG nicht ausschließlich als solcher betrachtet werden. So zwingen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG beispielsweise zu Einschränkungen auch hinsichtlich der Namenseinheit. Dementsprechend darf z. B. jeder Ehegatte seinen im Zeitpunkt der Eheschließung geführten Namen gem. § 1355 Abs. 1 S. 3 BGB behalten. Der einheitliche Ehename gehört daher nicht zum Ordnungskern der Ehe.

Durch die Erschwernis, einen einheitlichen Ehenamen zu bilden, indem der von einem Ehegatten durch Vorehe erworbene Familienname dafür nicht zur Verfügung gestellt wird, greift der Gesetzgeber somit nicht in Art. 6 Abs. 1 GG ein.

3. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG

Unter das Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau gem. Art. 3 Abs. 2 GG fallen auch alle Regelungen, die sich rechtlich unterschiedlich auf Männer und Frauen auswirken, d. h. auch indirekte Ungleichbehandlungen. Aus der Tatsache, dass noch immer ganz überwiegend in Fällen des gemeinsamen Ehenamens der Mannesname gewählt wird, wird deutlich, dass nach wie vor gesellschaftliche Vorgaben und Mechanismen wirksam sind, die einer gleichen Rechtswahrnehmung durch Frauen entgegen stehen10.

In der Vergangenheit wurde also meist der Name des Mannes als einheitlicher Familienname gewählt. Zwar wird es in weiten Bevölkerungskreisen immer noch als Schwäche des Mannes interpretiert, wenn der Frauenname zum Ehenamen wird. Dennoch ist eine Zunahme der Fälle zu konstatieren, in welchen der Name der Frau Ehename werden soll. Dieser Entwicklung Rechnung tragend sind als Regelfall Fälle denkbar, in denen die Frau in einer früheren Ehe den Namen des Mannes angenommen hat und diesen in der neuen Ehe zum Ehenamen bestimmen möchte. Umgekehrte Fälle, d. h. dass der Mann schon in der früheren Ehe den Namen seiner Frau angenommen hat und ihn nun weitergeben möchte, dürften eher selten sein. Daher wird in der Regel in solchen Konstellationen wie der vorliegenden die Frau Trägerin eines Familiennamens sein, welcher nicht Ehename werden kann. Dies ist insbesondere dann schwer erträglich, wenn sie sehr lange Trägerin dieses Familiennamens war und über diesen auch im Rechtsverkehr identifiziert zu werden pflegt.

Allerdings ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht entschieden, dass auch die mittelbare Diskriminierung dem Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG unterfällt11 und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, während nach der Rechtsprechung des EuGH Regelungen, die sich vor dem Hintergrund tatsächlicher sozialer Verhältnisse als Benachteiligung eines Geschlechts darstellen, als Verstoß gegen Gleichheitsgebot und Diskriminierungsverbot gewertet werden.

4. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG

Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG könnte sich auch daraus ergeben, dass für Ehen zwischen einem deutschen und einem ausländischen Staatsbürger gem. § 15 d PStG a. F. i. V. m. Art. 220 Abs. 4 EGBGB a. F., welche zum Zeitpunkt der Erklärung der Beschwerdeführer am 22.11.1993 noch in Kraft waren, ebenso wie Art. 10 Abs. 2 EGBGB die Möglichkeit offen steht, den Familiennamen des Ehegatten zu seinem Ehenamen zu bestimmen. Ehen mit Ausländern werden daher bessergestellt als Ehen zwischen deutschen Staatsangehörigen, da letztere nicht die Möglichkeit haben, den durch Vorehe erworbenen Familiennamen eines der Ehegatten zum Ehenamen zu machen.

Art. 3 Abs. 3 GG verbietet jedoch nur ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen.

Von § 15 d PStG a. F. i. V. m. Art. 220 Abs. 4 EGBGB sind solche Fälle erfasst, in denen ein deutscher und ein ausländischer Staatsbürger heiraten wollen und die Namensführung des Ausländers einem Recht unterliegt, welches eine Namenswahl gem. § 1355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. nicht zulässt. Dann kann der Familienname des Ausländers zum gemeinsamen Ehenamen bestimmt werden, wenn der deutsche Staatsbürger keine Erklärung gem. Art. 10 Abs. 3 EGBGB abgegeben hat. Die Rechtfertigung besteht hier in der besonderen IPR-Konstellation. In den Fällen könnte auf anderem Wege kein gemeinsamer Familienname zustande kommen. Die Ehegatten könnten ihre Verbundenheit nicht durch den Namen zum Ausdruck bringen.

Der in der Verfassungsbeschwerde erwähnte Art. 10 Abs. 2 EGBGB ermöglicht die Wahl ausländischen Rechts, so dass der Familienname aus einer Vorehe Ehename in einer späteren Ehe werden kann. Eine Rechtfertigung für diese Besserstellung gemischtnationaler Ehen ergibt sich aus der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit der Ehegatten in Art. 10 Abs. 2 EGBGB, da das Namensrecht gem. Art. 10 Abs. 1 EGBGB dem Recht des Staates unterliegt, dem der Namensträger angehört.

Daher liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG vor.

5. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

Schließlich könnte ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, im wesentlichen Gleiches nicht ungerechtfertigt ungleich und im wesentlichen Ungleiches nicht ungerechtfertigt gleich zu behandeln.

Hier könnte eine Ungleichbehandlung von im wesentlichen Gleichem darin liegen, dass der Gesetzgeber einen Unterschied macht zwischen der Weitergabe eines durch eine Ehe erworbenen Namens an Kinder mit anderen Partnern und der Weitergabe dieses Namens an einen neuen Ehegatten:

Die Mutter eines nichtehelichen Kindes kann den durch eine Ehe erworbenen Familiennamen als Geburtsnamen gem. § 1617 a Abs. 1 BGB i. V. m. § 1626 a Abs. 2 BGB an das Kind weitergeben. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Kind in einer Ehe geboren wird, bei der z. B. die Mutter den Namen aus einer früheren Ehe beibehalten hat. Die Führung eines gemeinsamen Ehenamens ist gem. § 1355 Abs. 1 S. 3 BGB n. F. nicht mehr zwingend. Wenn die Mutter den erworbenen Namen behält, kann sie diesen Namen an das Kind weitergeben gem. § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB. Außerdem behalten scheineheliche Kinder mangels anderweitiger Regelung den Namen des Scheinvaters sogar dann, wenn dieser die Ehe angefochten hat. Es zeigt sich insofern eine Inkonsequenz in der Gesetzgebung, als an Kinder von fremden Partnern der Name eines früheren Ehegatten unproblematisch als Geburtsname weitergegeben werden kann, während der neue Ehegatte den Namen nicht erhalten kann.

Die Namensträgerschaft betreffend, ist kein Unterschied zwischen einem neuen Ehegatten und einem Kind mit einem fremden Partner zu sehen. Beide haben gleichermaßen wenig Bezug zu dem Namensgeber und beide können ihren Namen an Dritte durch Heirat oder durch Namensvergabe an ein eigenes Kind weitergeben. Der Namensgeber ist daher gleichermaßen schutzwürdig. Im wesentlichen Gleiches wird daher ungleich behandelt.

Für diese Ungleichbehandlung gibt es keinen logischen Grund, der sie rechtfertigen könnte.

Allerdings könnte diese Ungleichbehandlung nur von dem ursprünglichen Träger des Namens geltend gemacht werden, in Bezug auf die Beschwerdeführerin dieses Verfahrens ist insoweit ein Gleichheitsverstoß nicht erkennbar.

II. Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers durch die angegriffene Entscheidung
1. Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Soweit hier der betroffene Ehemann, dessen Familienname nicht Ehename werden soll (auch) Beschwerdeführer ist, ist zunächst zu prüfen, ob dessen grundrechtliche Positionen durch die in § 1355 Abs. 2 BGB enthaltene Regelung verletzt sein könnten.

Der Schutz des Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG umfasst neben der engeren persönlichen Lebenssphäre auch die Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, seinen sozialen Geltungsanspruch sowie seine soziale Identität. 12 Vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist jedenfalls der Geburtsname umfasst, da er Ausdruck von Identität und Individualität seines Trägers ist. Der Einzelne kann daher verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt13.

Ob der Familienname ebenso wie der Geburtsname dem Schutz der Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG unterliegt, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben: Soweit der Geburtsname bislang dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterstellt wurde, handelte es sich nämlich jeweils um den Schutz des Grundrechtsträgers vor Änderungen14 des ihm gegebenen und von ihm geführten Namens. Mit einem Namen, den er noch nicht führt, kann der Träger keine Identität verknüpfen. 15 Wenn vorliegend dem Ehemann verweigert wird, den gleichen Namen zu führen wie seine Frau, so wird von ihm nicht die Änderung seines bisher geführten Namens verlangt; eine solche bleibt ihm gerade versagt. Er war und ist auch nicht Träger des von seiner Frau durch Vorehe erworbenen Familiennamens, der nun zum Ehenamen werden soll. Eine Beeinträchtigung des Ehemannes in der Namensführung ist daher nicht erkennbar.

Es liegt daher kein Verstoß gegen sein allgemeines Persönlichkeitsrecht vor.

2. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG

Wie oben ausgeführt, greift der Gesetzgeber durch die in § 1355 Abs. 2 BGB a.F. und n.F. enthaltene Erschwernis, einen gemeinsamen Ehenamen zu bilden, nicht in den Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG ein. Dies gilt auch in Bezug auf den Beschwerdeführer.

C. Abschließende Wertung

Die Beschränkung der Wahlmöglichkeit verstößt, wie oben dargelegt, gegen Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 GG und dürfte auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen i. S. d. Art. 3 Abs. 2 GG darstellen. Die Regelung erscheint daher als verfassungswidrig.

Ein Regierungsentwurf hat die Wählbarkeit eines durch frühere Ehe erworbenen Familiennamens als Ehename für eine spätere Ehe ausdrücklich vorgeschlagen. Es handelt sich bei diesem Lösungsvorschlag um eine naheliegende und logische Alternative16. Vor allem würde sie die persönliche Freiheit, den eigenen Namen nicht aufgeben zu müssen, um Einheit mit dem Partner herstellen und darstellen zu können, respektieren. Dem Identifikationsbedürfnis des Rechtsverkehrs und der Identitätswahrung des Namensträgers würde hinreichend Rechnung getragen. Eine Konsequenz würde insofern hergestellt, als der Name eines geschiedenen Ehepartners auch jetzt bereits an Kinder weitergegeben werden kann. Die im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG erfolgte Rechtsangleichung dahingehend, dass die Ehegatten ihre im Zeitpunkt der Eheschließung geführten Namen behalten können bzw. dass auch der Geburtsname der Frau gemeinsamer Ehename werden kann, würde konsequent weitergeführt. Denn mögliche Namenskonstellationen durch die im Zuge der Rechtsangleichung erfolgten Neuregelungen, ergeben i. V. m. § 1355 Abs. 2 BGB in der geltenden bzw. der alten Fassung untragbare Härten: Sind beide Ehegatten verwitwet bzw. geschieden und tragen beide nicht mehr ihren Geburtsnamen, müsste einer der beiden zu seinem Geburtsnamen zurückkehren, damit beide in einem gemeinsamen Ehenamen Verbundenheit ausdrücken können. Dies ist besonders gravierend, wenn der Betreffende seinen Geburtsnamen seit Jahren nicht mehr getragen hat.

Die Regelung in dieser Form scheint ein Relikt aus der Zeit zu sein, in der die Wahl des Geburtsnamens der Frau als Ehename noch nicht möglich war. Eine entsprechende Korrektur durch den Gesetzgeber scheint geboten.

Margret Diwell
Präsidentin

Sabine Heinke
Vorsitzende der Kommission Zivil-,
Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften

Sandra Kern-Eimann
Mitglied der Kommission Zivil-, Familien- und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften

 



1 BT-Drucks. 12/5982, S. 4
2 BVerfGE 78, 38, 49
3 BVerfG, 1 BvR 1646/97 vom 11.04.2001, Rn. 10, 12; vgl. auch BayObLG StAz 2000, 148, 151; AG Tübingen, StAZ 1995, 297, 298; LG Essen, StAZ 1992, 309, 310
4 BVerfGE 35, 202, 220; 54, 148, 154 ff.; 65, 1, 41 f.; Sachs/Murswiek, GG-Kommentar, Art. 2 Rn. 69-74
5 Sacksofsky, a.a.O., S. 94 ff., 98 f.
6 BVerfGE 78, 38ff., 49
7 BT-Drucks. 12/5982, S. 18
8 Klein/Schmidt-Bleibtreu, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 6 Rn. 2-3
9 v. Münch/Kunig-Gubelt, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Rn. 86
10 so auch: Dethloff/ Walther, Abschied vom Zwang zum gemeinsamen Familiennamen, NJW 1991, S. 1575 ff., S. 1578
11 Sacksofsky, Steuerung der Familie durch Steuern, NJW 2000, S. 1896ff., 1900
12 BVerfGE 35, 202, 220; 54, 148, 154 ff.; 65, 1, 41 f.; .; Sachs/Murswiek, GG-Kommentar, Art. 2 Rn. 69-74
13 BVerfGE 78, 38ff., 49
14 BVerfG, NJW 1991, 1602
15 Vgl. Sacksofsky, Das eheliche Namensrecht - der unendlichen Geschichte dritter Akt, KritV 1995, S. 94 ff., 98 f.
16 Wagenitz, Grundlinien des neuen Familiennamensrechts, FamRZ 1994, S. 409 ff., 411