Stellungnahme: 01-19


zu mehreren Verfahren vor dem BVerfG zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1626 a, 1672 BGB - Alleinsorge der "nichtehelichen" Mutter

Stellungnahme vom

Vorlageverfahren 1 BvL 20/99 und Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1028/99, 1 BvR 1248/99, 1 BvR 1805/00, 1 BvR 2059/00 sowie 1 BvR 933/01 vor dem BVerfG zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 1626 a, 1672 BGB

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, zu den mit dem Vorlagebeschluss und den Verfassungsbeschwerden angesprochenen Problemen bei der Ausgestaltung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern Stellung nehmen zu können (s.u. I.). Der Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Korbach (s. unter II.) bezieht sich ebenso wie die Verfassungsbeschwerden, auf die unter III. näher eingegangen wird, auf die Neuregelung durch das KindRG, insbesondere auf § 1626 a BGB.


I. Die Gesetzeslage nach dem Kindschaftsrechtsreformgesetz

Zielsetzung des KindRG war es, „rechtliche Unterschiede zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern .... soweit wie möglich“ abzubauen (BT-Drs. 13/4899, S. 1; vgl. im übrigen auch die Nachweise bei Schumann, Erfüllt das neue Kindschaftsrecht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des nichtehelichen Vater-Kind-Verhältnisses?, FamRZ 2000, 389ff., FN 1).

Miteinander verheiratete Eltern haben, wie auch schon vor dem KindRG (§ 1626 Abs. 1 S. 1 a.F.), mit der Geburt des Kindes gemeinsam das Sorgerecht inne (§ 1626 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die Rechtsposition der nicht miteinander verheirateten Eltern ist modifiziert worden: zwar übt die Mutter, wie auch vor der Reform (§ 1705 Abs. 1 S. 1 BGB, nun allerdings gänzlich ohne Amtspfleger) grundsätzlich allein das Sorgerecht für ihr Kind aus; der nicht mit der Mutter verheiratete Vater hat jedoch erstmals die gesetzliche Möglichkeit, neben und zusammen mit der Mutter Sorgerechtsinhaber für das gemeinsame Kind zu werden. Voraussetzung dafür ist, dass beide Eltern – vor oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach der Geburt (§ 1626 b Abs. 2 BGB) eine sog. Sorgeerklärung abgeben (§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Die Mit-Sorgeberechtigung des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters ist danach allein an die übereinstimmende Erklärung beider Eltern gebunden, das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu wollen (§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Es handelt sich dabei nicht um eine konstitutive Willenserklärung, sondern um parallel abzugebende Erklärungen beider Eltern, deren Wirkung lediglich auf die Bereitschaft zur Sorge und auf das gemeinsame Innehaben des Sorgerechts gerichtet ist. Die Erklärungen können nicht widerrufen und auch nicht angefochten werden (§ 1626 e BGB). Weitere, insbesondere materielle Anforderungen als Voraussetzung für die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts stellt das Gesetz an die nicht miteinander verheirateten Eltern nicht (vgl. hierzu auch Diederichsen, Die Reform des Kindschafts- und Beistandschaftsrechts, NJW 1998, 1977ff., 1983). Gibt kein oder nur ein Elternteil eine derartige Erklärung ab, so hat die Mutter allein die elterliche Sorge (§ 1626 a Abs. 2 BGB).

Geben die Eltern allerdings übereinstimmende Sorgeerklärungen ab, unterscheidet sich die rechtliche Situation der nicht miteinander verheirateten Eltern im Hinblick auf die Ausübung der Sorge und die Auswirkungen einer etwaigen Trennung von der Rechtsposition miteinander verheirateter Eltern nicht (vgl. §§ 1627ff., 1671 BGB).

Die Mit-Sorgeberechtigung des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters tritt also nach der gesetzlichen Neuregelung nur ein, wenn die Mutter dem väterlichen Wunsch, die Sorge mit ihr gemeinsam auszuüben, zustimmt. Es ist im Gesetz nicht vorgesehen, dass die Mutter in irgendeiner Weise dazu verpflichtet wäre oder veranlasst werden könnte, eine solche mit der des Vaters übereinstimmende Erklärung abzugeben. Auch eine Ersetzungsbefugnis, wie etwa in § 1748 BGB in Fällen missbräuchlicher Verweigerungshaltung vorgesehen, enthält das Gesetz für die mütterliche Sorgeerklärung nicht.

Da die Sorgeberechtigung des Vaters nicht vom Vorliegen bestimmter tatsächlicher Voraussetzungen abhängig ist, sondern allein auf seiner Sorgebereitschaft, seiner entsprechenden Erklärung und auf der parallel abgegebenen Erklärung der Mutter beruht, hat der nicht mit der Mutter seines Kindes verheiratete Vater keine Möglichkeit, ohne Mitwirkung und Zustimmung der Mutter Sorgerechtsinhaber zu werden. Die Mitsorgebefugnis des Vaters ist danach allein davon abhängig, dass die Mutter des Kindes diese auch wünscht und akzeptiert (vgl. Finger, §§ 1626a ff., 1672 BGB – verfassungswidrig?, FamRZ 2000, 1204ff., 1206); auf die näheren Lebensumstände des Elternpaares und die konkrete Ausgestaltung ihrer jeweiligen Beziehung zum Kind kommt es nicht an.

Das gilt auch dann, wenn die Eltern mit dem Kind zunächst zusammen gelebt haben und sich später trennen. Wenn sie bislang keine Sorgeerklärungen abgegeben haben, kann das Familiengericht dem Vater auf seinen Antrag nach der Trennung allein das Sorgerecht übertragen. Entscheidende Voraussetzung dafür ist indes nicht eine kindeswohlbezogene Sachverhaltsklärung und Abwägung, sondern wiederum allein die Zustimmung der Mutter (§ 1672 Abs. 1 BGB). Praktische Relevanz scheint die Vorschrift nicht zu entfalten, veröffentlichte Entscheidungen jedenfalls gibt es hierzu nicht. Soweit die Vorschrift zitiert wird, handelt es sich um Fälle, in denen der Mutter das Sorgerecht zu entziehen und zu prüfen war, ob es dem Vater übertragen werden kann (OLG Hamm, FamRZ 2000, 1239f., OLG Köln, FamRZ 1999, 530f.), im übrigen um jene, die Gegenstand der Verfassungsbeschwerdeverfahren sind. Die vom Familiengericht nach § 1672 BGB zu treffende Regelung unterscheidet sich von der übereinstimmenden Sorgeerklärung dadurch, dass der Vater allein Sorgerechtsinhaber werden kann, während die Sorgeerklärung immer und ausschließlich nur auf die gemeinsame Ausübung der gesamten Sorge durch beide Eltern gerichtet ist. Allerdings kann das Gericht, wenn es dem Vater zunächst das Sorgerecht übertragen hat, „auf Antrag eines Elternteils mit Zustimmung des anderen Elternteils entscheiden, dass die elterliche Sorge (nach der Trennung) beiden Eltern gemeinsam zusteht“ (§ 1672Abs. 2 BGB), eine Regelung, die offenbar ebensowenig Anwendung findet wie Abs. 1 der Vorschrift. Von Bedeutung ist letztlich, dass auch und gerade anlässlich der Trennung der nicht mit der Mutter verheiratete Vater erst recht nicht gegen den Willen der Mutter noch Sorgerechts(mit)inhaber werden kann.

Gegen den Willen der Mutter kann der Vater also nicht mit ihr gemeinsam das Sorgerecht für das gemeinschaftliche Kind ausüben und Alleininhaber des Sorgerechts kann er ohne Mitwirkung der Mutter nur werden, wenn die Mutter – in ihrer Funktion oder als Person – vollständig ausfällt, §§ 1678 Abs. 2, 1680 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3, 1681 BGB. Im Unterschied zur vormals geltenden Regelung wird der Vater nicht nur als (behördlicher und gerichtlicher Kontrolle unterworfener) Vormund eingesetzt, sondern es ist dem nicht mit der Mutter verheiratet (gewesenen) Vater das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen, wenn die Mutter die Kinder vernachlässigt oder gefährdet oder wenn die Mutter verstirbt und die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater dem Kindeswohl dient. Im übrigen ist jedoch eine Änderung des Sorgerechts, sei es durch Begründung einer gemeinschaftlichen elterlichen Sorge, sei es durch Übertragung des Sorgerechts auf den Vater, auch dann ausgeschlossen, wenn das Kindeswohl eine solche Änderung der Sorgerechtszuständigkeit erfordert, ohne bereits gefährdet zu sein.



II. 1 BvL 20/99 – Vorlagebeschluss des Amtsgerichts Korbach

Das Amtsgericht Korbach hat über den Antrag eines Vaters zu entscheiden, der gemeinsam mit der Mutter seines Kindes das Sorgerecht ausüben will und die Übertragung des Sorgerechts (auch) auf ihn beantragt hat. Der Antragsteller und die Mutter des Kindes hatten von 1983 bis 1993 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen gelebt. Das gemeinsame Kind ist 1990 geboren. Nach der Trennung Ende April 1993 lebte der Junge zunächst im Haushalt seines Vaters und wechselte, nachdem die Eltern eine entsprechende Vereinbarung getroffen hatten, Weihnachten 1993 in den Haushalt der Mutter. Der Vater hat den Jungen seither im wesentlichen regelmäßig besuchsweise zu sich genommen und auch häufig die Ferien mit seinem Sohn verbracht. Er hat sich auf verschiedene Weise bemüht, (Mit)inhaber des Sorgerechts zu werden. Die Mutter hat weder einer Ehelicherklärung zugestimmt, noch hat sie sich bereit gefunden, eine Sorgeerklärung abzugeben. Sie lehnt eine gemeinsame elterliche Sorge ab, weil eine normale Kommunikation zwischen ihr und dem Antragsteller über Kindesbelange nicht möglich sei.

Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass der Junge im Haushalt der Mutter lebt. Der Antragsteller wünscht jedoch, dass er in wichtigen, das Kind betreffenden Fragen mitbestimmen und für das Kind Verantwortung übernehmen kann. Das Amtsgericht hat durch Anhörung beider Eltern festgestellt, dass sie in ihrer Erziehungshaltung und ihren Erziehungszielen, jedenfalls, was die wichtigen das Kind betreffenden Fragen anbelangt, übereinstimmen.

Das Amtsgericht Korbach hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG mit der Frage vorgelegt, ob es mit Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 6 Abs. 5 GG vereinbar ist, dass gemäß §§ 1626 a, 1672 BGB der Vater eines nichtehelichen Kindes, der mit der Kindesmutter und dem Kind mehrere Jahre in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, nach Trennung der Eltern ohne Rücksicht auf die konkreten Umstände des Einzelfalls die gemeinsame elterliche Sorge für sein Kind nicht zugesprochen erhalten kann, solange die Kindesmutter ihre Zustimmung hierzu verweigert.

Das Familiengericht ist der Auffassung, dass für die Ausnahmslosigkeit der gesetzlichen Regelung ein rechtfertigender Grund nicht vorliege.

Die gesetzliche Regelung verletze die Grundrechtsposition der nichtehelichen Väter aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Das Elternrecht des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters, der sich kontinuierlich um sein Kind kümmere und eine enge Beziehung zu dem Kind aufgebaut habe und aufrecht erhalte, genieße auch nach der Neuregelung nicht den gleichen Rang wie das Elternrecht des Vaters eines ehelichen Kindes nach der Trennung der Eltern. Der Problematik, dass nichteheliche Kinder häufig in „labile“ Beziehungen hineingeboren würden, könne durch ein weniger eingreifendes Mittel als durch die generelle Anordnung eines vom Willen der Mutter bestimmten Dispositionsrechts begegnet werden, nämlich durch eine entsprechende generelle Anordnung verbunden mit einer am Maßstab des Kindeswohls orientierten gerichtlichen Ersetzungsmöglichkeit bei fehlender Zustimmung der Mutter.

Zudem verstoße die gesetzliche Regelung auch gegen Art. 6 Abs. 5 GG. Wenn dem Wunsch der Mutter eines nichtehelichen Kindes, die elterliche Sorge allein auszuüben, von vornherein einseitig der Vorrang gegeben werde, ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls, liege darin eine erhebliche Schlechterstellung des nichtehelichen Kindes im Verhältnis zum ehelichen Kind. Jedem Kind erwachse aus der Existenz zweier lebender Elternteile die Chance zweier innerfamiliärer Plazierungsalternativen (unter Bezug auf Coester, FamRZ 1995, 1245f.). Werden dem Kind nicht miteinander verheirateter Eltern nicht zwei rechtlich grundsätzlich vollwertige Elternteile zuerkannt, seien seine Lebenschancen empfindlich gemindert und seine Rechte aus Art. 6 Abs. 5 GG tangiert.

Die Frage, ob die genannten Vorschriften verfassungswidrig sind, sei entscheidungserheblich. Das Gericht sieht sich mangels Zustimmung der Antragsgegnerin daran gehindert, dem Antragsteller die gemeinsame elterliche Sorge für den Sohn zu übertragen. Wenn die Mutter nicht, wie es vom Gesetz gefordert wird, zustimmen müsste, wäre dem Antrag des Vaters stattzugeben, da die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach dem Ergebnis der Anhörung dem Wohl des gemeinsamen Kindes der Beteiligten am besten entspricht.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG, 80 Abs. 2 BVerfGG bestehen nicht. Die Vorlage beschränkt sich auf die im konkreten Fall entscheidungserhebliche verfassungsrechtliche Frage: Das Gericht kann die von ihm im Kindesinteresse für sachgerecht angesehene Regelung nicht treffen, weil sie unter den konkreten Umständen – fehlende Sorgeerklärung der Mutter, fehlende Zustimmung der Mutter zu Allein- und späterer gemeinsamer Sorge – nach der Gesetzeslage nicht vorgesehen ist. Sowohl § 1626 a als auch § 1672 BGB setzen zwingend die Zustimmung der Mutter zur Begründung der gemeinsamen oder der alleinigen elterlichen Sorge des Vaters voraus. In Anbetracht des insoweit eindeutigen Wortlauts der genannten Bestimmungen scheidet eine abweichende Auslegung etwa in dem Sinn, dass an die Stelle der Zustimmung der Mutter eine gerichtliche Entscheidung zu treten hätte, aus. Eine solche wäre zwangsläufig mit einer eigenen Wertung des Gerichts verbunden, die im Gesetz gerade nicht vorgesehen ist (s. insoweit die Entscheidung des BGH vom 04.04.2001, XII ZB 3/00, S. 7).



II. 2. a) Verstoß von §§ 1626a ff., 1672 BGB gegen Art. 6 Abs. 2 GG

Anlass für die Reform des Kindschaftsrechts waren u.a. die verfassungsgerichtlichen Vorgaben, wonach die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder weiter anzupassen sei, wobei die sukzessive veränderte Ausgestaltung der Rechtsposition des nichtehelichen Vaters (vgl. hierzu BVerfGE 45, 104ff., 123; 56, 363ff, 382; 84, 168ff., 92, 158ff.) in der Gesetzesbegründung keine ausdrückliche Erwähnung findet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber mittlerweile davon auszugehen, dass selbstverständlich auch der Vater eines nichtehelichen Kindes Träger des Elterngrundrechts ist, und zwar unabhängig davon, ob er mit der Mutter zusammen lebt und mit ihr die Erziehungsaufgaben wahrnimmt (BVerfGE 92, 158ff., Leitsatz 1). Die Verbindung der Eltern durch die Ehe ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der Gewährleistung Voraussetzung für die Grundrechtsträgerschaft (a.a.O., S. 177). ... Wortlaut und Gehalt der verfassungsrechtlichen Gewährleistung wird ... am besten eine Auslegung gerecht, die alle Väter nichtehelicher Kinder in den Schutzbereich der Norm jedenfalls dann einbezieht, wenn sie nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als Väter feststehen, die zugleich aber dem Gesetzgeber die Befugnis zuerkennt, bei der Ausgestaltung der konkreten Rechte und Pflichten beider Elternteile den unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen (a.a.O., S. 178).

Die Einbeziehung aller leiblichen Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG bedeutet daher nicht, dass allen leiblichen Vätern und Müttern die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt werden müssen. ... Das Elternrecht bedarf gerade auch deshalb der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, weil es den Eltern gemeinsam zusteht und seine Ausübung ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass Recht und Pflicht im Elternrecht untrennbar miteinander verbunden sind und dass die Wahrnehmung des Rechts am Kindeswohl ausgerichtet sein muss. Es obliegt daher dem Gesetzgeber, einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei um so größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann.

Die Einbeziehung aller Väter nichtehelicher Kinder in den Schutzbereich schließt danach eine differenzierende Ausgestaltung ihrer Rechtsstellung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse nicht aus (BVerfGE 92, 158ff., 179). Bei der Ausgestaltung der Rechte von Vätern nichtehelicher Kinder darf der Gesetzgeber auch den Umstand berücksichtigen, dass nicht generell vom Bestehen einer sozialen Beziehung auszugehen ist, und berücksichtigen, ob der Vater Interesse an der Entwicklung seines nichtehelichen Kindes zeigt (BVerfGE 92, 158ff., 178f.). Der Gesetzgeber konnte und musste dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die tatsächliche Situation nichtehelicher Elternschaft von jener miteinander verheirateter Eltern unterscheidet. Dabei ist die Datenlage nach wie vor defizitär. Die amtlichen Statistiken erheben zwar, ob und wie viele Kinder in nichtehelichen Partnerschaften leben; es werden jedoch keine Daten darüber erhoben, in wie vielen Fällen es sich hierbei um die nichteheliche Partnerschaft der biologischen Eltern handelt. Die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie zur Erforschung der Lebenslage nichtehelicher Kinder (Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Vaskovics u.a., Lebenslage nichtehelicher Kinder. Rechtstatsächliche Untersuchung zu Lebenslagen und Entwicklungsverläufen nichtehelicher Kinder, Bonn 1997) kommt zu dem Ergebnis, dass sich ein nicht unerheblicher Teil von nicht miteinander verheirateten Paaren bereits während der Schwangerschaft trennt, dass unmittelbar nach der Geburt noch eine große Zahl von Beziehungen aufgelöst wird und dass sechs Monate nach der Geburt die Hälfte der Mütter in den alten Bundesländern und ein Drittel der Mütter in den neuen Bundesländern keine Beziehung mehr zum Vater des Kindes unterhielt. Gut jede dritte Mutter in den alten Bundesländern und knapp die Hälfte der Mütter in den neuen Bundesländern unterhielt auch noch sechs Monate nach der Geburt eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit dem Vater (a.a.O., S. 59), d.h. in der Hälfte bis zwei Drittel der Fälle, in denen Kinder von nicht verheirateten Müttern geboren werden, leben diese nicht mit ihrem Vater in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Gerade auch die familienrichterliche Praxis erweist immer wieder, dass nicht selten zwischen den leiblichen Eltern eines Kindes außer einem einmaligen sexuellen Kontakt keinerlei Beziehung bestand und auch nach der Geburt des Kindes eine solche nicht aufgenommen wurde. Die Anhörung von Parteien und Zeuginnen in Statusverfahren fördert immer wieder solche Sachverhalte zu Tage.

Der Gesetzgeber des KindRG hat ebenfalls gesehen, dass Kinder nicht nur in intakten nichtehelichen Gemeinschaften ..., sondern nach wie vor auch im Rahmen flüchtiger und instabiler Beziehungen geboren werden. Er wollte demzufolge die Modalitäten der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern entsprechend regeln (BT-Drucks. 13/4899, S. 58). Er hat sich dafür entschieden, der Mutter eine starke sorgerechtliche Stellung einzuräumen, und zwar aus der Erwägung, dass eine erzwungene Gemeinsamkeit der Sorge für Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind, in einer Vielzahl von Fällen dazu führen würde, dass die Eltern Streitigkeiten auf dem Rücken des Kindes austragen würden (a.a.O., S. 59).

Das durch Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistete Elternrecht von nicht mit der Mutter verheirateten Vätern ist daher nicht schon dadurch verletzt, dass der Gesetzgeber ihnen keine gleichrangige Möglichkeit eingeräumt hat, gegen oder neben der Mutter die elterliche Sorge zu erhalten. So hat auch bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für die Erziehung zuordnen (kann), wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternbefugnisse nicht vorliegen (BVerfGE 92, 158ff., 178). Da das Kind nach der Geburt auf Pflege und Versorgung existenziell angewiesen ist, muss die gesetzliche Verpflichtung für die Sicherstellung der lebensnotwendigen Versorgung klar und zweifelsfrei geregelt sein und wird sachgerecht im Interesse der Kinder der Mutter zugewiesen, weil nicht von vornherein feststeht, dass der andere Elternteil seinen im Kindesinteresse gleichermaßen bestehenden Verpflichtungen nachkommen wird. Der Gesetzgeber muss im Kindesinteresse Vorsorge dafür treffen, dass in einer Reihe von Fällen rein tatsächlich der Pflichtgehalt des Elterngrundrechts nicht greifen wird.

Daher ist es verfassungsrechtlich letztlich nicht zu beanstanden, dass das Elterngrundrecht des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters nicht automatisch als gleiche Teilhabe am Sorgerecht im Zeitpunkt der Geburt des Kindes ausgestaltet worden ist. Darin allein liegt kein unzulässiger Eingriff in das Grundrecht nicht mit der Mutter verheirateter Väter aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.

Wenn allerdings der nicht mit der Mutter verheiratete Vater willens und in der Lage ist, die elterliche Verantwortung für das gemeinsame Kind in gleicher Weise wie die Mutter zu tragen und dies auch tatsächlich tut, stellt sich die Frage, ob seiner grundrechtlich geschützten Elternposition dadurch ausreichend Rechnung getragen wird, dass er neben der Mutter oder allein für das Kind nur sorgeberechtigt sein kann, wenn die Mutter des Kindes damit einverstanden ist und mit ihm zusammen die entsprechenden Erklärungen abgibt. Nach Auffassung des djb fordert der berechtigte Schutz kindlicher Interessen nicht, die ausnahmslose Zuordnung des Kindes zur Mutter auch in jenen Fällen aufrecht zu erhalten, in denen die grundsätzliche gesetzgeberische Vorsorge nicht erforderlich ist.

Das gilt u.E. sowohl für diejenigen Fälle, in denen die Eltern mit dem Kind zusammen leben und gemeinsam die elterliche Verantwortung ausüben als auch für jene Fälle, in denen die Eltern familienähnlich mit dem Kind zusammengelebt haben und sich nach einer gewissen Zeit trennen. Der Vater kommt in diesen Fällen seiner Verpflichtung zu persönlicher und materieller Sorge für das Kind nach bzw. ist ihr nachgekommen.

Eine generalisierende Regelung, die den unterschiedlichen tatsächlichen Lebensumständen von Eltern und Kindern nicht ausreichend Rechnung trägt, ist nur dann mit dem Elterngrundrecht vereinbar und stellt keine verfassungswidrige Beeinträchtigung des Elternrechts, hier: des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters, dar, wenn Kindesinteressen derartige Ausnahmslosigkeit erfordern und rechtfertigen. Insoweit überschneiden sich wegen der Kindbezogenheit des Elterngrundrechts die zur Prüfung von Verstößen gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG anzulegenden Maßstäbe mit jenen, die bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG anzunehmen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass Regelungen, die nicht in allen Fällen geeignet sind, dem Kindeswohl zu dienen und in ihrer Ausnahmslosigkeit dazu auch nicht erforderlich sind, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Elternrecht darstellen und daher verfassungswidrig sind (vgl. etwa BVerfGE 92, 158ff., 181f.).

Das gilt insbesondere dann, wenn das Gesetz kein Instrumentarium vorsieht, wie im Einzelfall die Interessen des anderen Elternteils Berücksichtigung finden können (a.a.O., S. 182). Das gilt aber auch dann, wenn die tatsächliche Fürsorgeleistung eines Elternteils für das Kind nicht oder nur unter restriktiven Bedingungen rechtliche Anerkennung erfahren kann. Das Gesetz sieht zwar vor, dass die Eltern bei Einverständnis gemeinsam das Sorgerecht ausüben können und dass der Vater auch allein das Sorgerecht für sein Kind übertragen erhalten kann. Insoweit trägt die gesetzliche Regelung dem Erfordernis Rechnung, dass Eltern, die kooperationsbereit und -fähig sind, eigenverantwortlich ihr Verhältnis zum Kind regeln können sollen (BVerfGE 61, 358ff). Dass die staatliche Aufgabe, im Falle elterlicher Konflikte ein Lösungsinstrumentarium zur Verfügung zu stellen, allein durch eine starre Regelung zugunsten der Mutter erfüllt werden kann, ist nicht ersichtlich. Auch wird nach unserer Auffassung der elterliche Konflikt durch die alleinige Zuordnung der elterlichen Sorge an die Mutter nicht generell vermieden (s. hierzu BVerfGE 84,168ff., 181). Die gesetzliche Regelung enthält keine Vorgaben für jene Fälle, in denen die grundsätzlich sorgefähigen, nicht miteinander verheirateten Eltern in einen Konflikt geraten. Die vorgesehene Lösungsmöglichkeit: alleiniges Bestimmungsrecht der Mutter stellt in solchen Situationen eine unüberwindliche Einschränkung des väterlichen Elternrechts dar, das sich dann noch allein im Recht auf Umgang mit dem Kind manifestiert. Die Situation des mit seinen unverheirateten Eltern zusammen lebenden Kindes oder des Kindes, dessen unverheiratete Eltern sich nach einiger Zeit des familiären Zusammenlebens trennen, unterscheidet sich aber im Tatsächlichen nicht von der Situation eines Kindes verheirateter Eltern: Im einen wie im anderen Falle hat das Kind durch die familiäre Nähe Bindungen zu beiden Elternteilen entwickelt, die erhaltenswert sind und gleichermaßen leidet es unter Auseinandersetzungen, die die Eltern überhaupt oder seinetwegen führen. Die ausnahmslose Zuordnung zur Mutter ohne Regelungsmöglichkeit für den Konfliktfall birgt zum einen die Gefahr, dass für das Kind wichtige Bindungen, vor allem die zum Vater, beeinträchtigt und reduziert werden, zum anderen ist sie keine Garantie dafür, dass das Kind dem elterlichen Streit ferngehalten würde.

Die mit dem Kind zusammenlebenden verheirateten Eltern haben gemeinsam das Sorgerecht inne, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Sorgebereitschaft besteht. Bei den nicht miteinander verheirateten Eltern muss im Einzelfall dem Vater jedenfalls die Möglichkeit eröffnet werden, das Sorgerecht neben der Mutter und gemeinsam mit ihr zu erlangen. Zwar hat der Vater, der mit der Mutter und dem Kind zusammenlebt, tatsächlich die Möglichkeit, das Kind mit ihr gemeinsam zu betreuen und zu erziehen. Seinem Elternrecht ist aber nicht schon damit genügt, dass der Gesetzgeber ihn an der tatsächlichen Wahrnehmung von Elternaufgaben nicht hindert. In dieses Grundrecht wird vielmehr auch dann eingegriffen, wenn die rechtlichen Befugnisse, die zur Ausübung der Elternverantwortung erforderlich sind, einem Elternteil vorenthalten werden (BVerfGE 84, 168ff., 179f.). Die gleichen rechtlichen Befugnisse könnte der Vater erlangen, wenn er die ablehnende Haltung der Mutter gerichtlich überprüfen lassen könnte. Denkbar wäre eine gerichtliche Ersetzungsbefugnis in Bezug auf die mütterliche Sorgeerklärung, jedenfalls in solchen Fällen, in denen das Kindeswohl die gemeinsame Sorge beider Eltern erfordert.

Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Mutter im Falle der Elterntrennung ihr Alleinbestimmungsrecht nicht im Kindesinteresse, sondern vorrangig in Reaktion auf den Beziehungskonflikt mit dem Vater des Kindes ausübt mit dem Ziel, den Vater von der vormals jedenfalls gelebten elterlichen Verantwortung nach der Trennung vollends auszuschließen. Auch dies kann im Einzelfall mit dem Kindesinteresse unvereinbar sein. § 1672 BGB stellt ja gerade auf die Fälle ab, in denen die Eltern mit dem Kind zusammen gelebt haben. Ungeachtet dieser Spezifizierung gegenüber den Voraussetzungen für die Sorgeerklärung in § 1626ff. ist jedoch die Rechtsfolge unflexibel und allein auf den nun in Trennungsfällen nicht gerade typischen Fall abgestellt, dass die Mutter freigiebig den Vater nicht nur beteiligt, sondern das Sorgerecht (und das Kind) abgibt. Für den wirklichen Konfliktfall enthält die Vorschrift keine Regelungsmöglichkeit. Auch hier bedürfte es eines materiellen Anspruchs des Vaters, die Sorgerechtszuordnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ein solcher materieller Anspruch bedingte im übrigen auch entsprechende Antragsbefugnis.

Die im Gesetz allein vorgesehene Möglichkeit, in der der Vater auch gegen den Willen der allein sorgeberechtigten Mutter das Sorgerecht übertragen bekommen kann, nämlich dann, wenn der Mutter das Sorgerecht zu entziehen ist, dürfte in der überwiegenden Zahl der streitigen Trennungsfälle nicht greifen. Allein der Umstand, dass die Mutter den Vater nach der Trennung nicht an der elterlichen Sorge beteiligen will, stellt entgegen der Auffassung des BGH in der angegriffenen Entscheidung vom 04.04.2001 nicht eine solche Gefährdung des Kindeswohls dar, dass der Mutter allein aus diesem Grunde das Sorgerecht entzogen werden könnte. Allerdings führt der strenge Maßstab des § 1666 BGB in der Praxis bereits jetzt dazu, dass in streitigen Trennungsfällen nichtehelicher Elternpaare relativ „normales“ Verhalten einer Mutter in solcher Situation vollständig übertrieben dargestellt werden muss, Konflikte herbeigeschrieben werden müssen, um einen Antrag auf Entzug des mütterlichen Sorgerechts und anschließende Übertragung auf den Vater zu rechtfertigen. Derart durch die Gesetzeslage provozierte und verschärfte Auseinandersetzung zwischen den Eltern ist in ihren Auswirkungen allerdings erst recht geeignet, die Kinder zu schädigen. Im übrigen führt dies auch zu diskriminierender Anschuldigung gegenüber der Mutter, die in einen dem Normalfall nicht mehr entsprechenden Rechtfertigungsdruck gerät.

§ 1672 BGB dürfte daher ebenso wie § 1626 BGB insoweit als unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechtsposition des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungswidrig sein, als für die ausnahmslose Zuordnung der Sorgebefugnis zur Mutter und deren alleiniges Bestimmungsrecht im Einzelfall keine Korrekturmöglichkeit vorgesehen ist.



II. 2 b) Verstoß von §§ 1626a, 1672 BGB gegen Art. 6 Abs. 5 GG

Art. 6 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber, Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern gleiche Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie Kindern miteinander verheirateter Eltern. Abweichungen von einer familienrechtlichen Gleichstellung der Kinder sind daher zulässig, wenn ihre soziale Situation dies erfordert oder wenn andere, ebenso geschützte Rechtspositionen beeinträchtigt werden (BVerfGE 84, 168ff.,185).

Die tatsächliche Situation von Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern unterscheidet sich, wie ausgeführt, zunächst vor allem dadurch, dass bei Geburt der Kinder die Vaterschaft grundsätzlich ungeklärt ist und dass nicht vorausgesetzt werden kann, dass beide Eltern bereit sind, die ihnen zuwachsende elterliche Verantwortung auch zu übernehmen. Diese Situation setzt sich fort, indem eine Reihe von Kindern nicht in einer Familiengemeinschaft mit ihren beiden Eltern, sondern mit der Mutter allein oder mit neuen Partnern der Mutter aufwachsen. Es kommt für die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen sozialen Befunde letztlich nicht darauf an, in welcher Anzahl sie jeweils auftreten. Es genügt die Feststellung, dass nicht in ehelicher Lebensgemeinschaft ihrer Eltern geborene und aufwachsende Kinder jedenfalls zum Teil zur Erreichung gleicher Lebenschancen einer anders gearteten rechtlichen Fürsorge seitens des Gesetzgebers bedürfen als eheliche Kinder dies brauchen. Aus diesem Grunde erscheint auch die a-priori-Zuordnung der elterlichen Sorge für das nicht in einer Ehe seiner Eltern geborene Kind zur Mutter als eine sachgerechte und im Interesse der Kinder erforderliche Regelung. Das Kind benötigt in seiner umfassenden Hilflosigkeit zunächst eine verbindlich für Fürsorge und Vertretung zuständige Person. Es liegt nahe, dass dies die Mutter ist, da diese als erste für das Kind erreichbar ist.

Die Lebenssituation nichtehelicher Kinder gestaltet sich jedoch nicht einheitlich und es stellt sich die Frage, ob die Kinder der verstärkten gesetzgeberischen Fürsorge auch dann bedürfen, wenn ihre tatsächliche Lebenssituation sich von derjenigen von Kindern verheirateter Eltern nicht unterscheidet, sie also in einem Familienverband mit ihren Eltern leben, die sich, wie verheiratete Eltern auch, nach einiger Zeit womöglich voneinander trennen. Sowohl in der Zeit des Zusammenlebens wie auch nach der Trennung der Eltern kann sich die vom Gesetz vorgesehene Regelung, wonach es allein vom Willen der Mutter abhängt, ob und wann der Vater (Mit)Inhaber des Sorgerechts wird, nachteilig für die Kinder auswirken, denn während und nach dem Zusammenleben mit den Eltern besteht gerade keine Notwendigkeit einer a-priori-Sorgerechtszuweisung. Das Kind, das in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufwächst, hat – unabhängig von der Zustimmung der Mutter – ein erhebliches Interesse daran, dass die emotionalen Bindungen an seine beiden Eltern rechtlich abgesichert werden (BVerfGE 84, 168ff., 182), wobei dieser Absicherung gerade bei Trennung der Eltern eine besondere Bedeutung zukommen kann, denn die gemeinsame Sorge der Eltern kann sich auch über den Zeitpunkt der Trennung hinaus positiv auf die Entwicklung ... des Kindes auswirken und sich für sein Wohl ebenso entscheidend erweisen wie für ein Kind nach Scheidung seiner Eltern (vgl. BVerfGE 84, 168ff., 182). Zu denken ist hier z.B. an solche Situationen, wo die Mutter als Alleinsorgeberechtigte sich vom Vater trennt, mit dem Kind an einen anderen Ort verzieht, dem Kind neben der Familientrennung die Trennung von Verwandten, Halbgeschwistern, Schulkameraden zumutet und so unterstützende Faktoren, die dem Kind die Trennung erleichtern und Entwicklungsschäden vorbeugen könnten, eliminiert.. Wenn die Mutter im übrigen jedoch das ihr allein zustehende Sorgerecht beanstandungsfrei ausübt, kann ihre Entscheidung nicht korrigiert werden. Ebensowenig sind Fälle regelbar, in denen das Kind eine gleich gute oder gar bessere Beziehung zum Vater hat als zur Mutter; auch dann wird eine im Kindesinteresse erforderliche Zuweisung der elterlichen Sorge an den Vater scheitern, wenn die Mutter ihrerseits ebenfalls eine gute Beziehung zum Kind hat und das Sorgerecht beanstandungsfrei ausübt. Während in Fällen ehelich geborener Kinder hier kindeswohlbezogene Entscheidungen möglich sind, müssen Kinder nicht verheirateter Eltern Beziehungsabbrüche weitgehend ohne Korrektur hinnehmen. Es ist nicht erkennbar, dass derartige Beeinträchtigung durch die Vorteile der Alleinsorgeberechtigung der Mutter ausgeglichen würden, weil sich diese Vorteile, wie ausgeführt, in anderem Lebenssachverhalt manifestieren. Eine einzelfallbezogene Korrektur des gesetzlichen Sorgerechts der Mutter durch gerichtliche Entscheidung erscheint auch in diesen Fällen notwendig, wenn eine einvernehmliche Elternlösung nicht möglich ist. Nur so kann den Bindungen des Kindes Rechnung getragen und das Kind als eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen berücksichtigt werden.

Auch ist die in Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternverantwortung als Elternpflichtrecht dem Wohl des Kindes verhaftet und hat das Kind als Grundrechtsträger zu berücksichtigen, daher muss bei einem etwaigen Interessenkonflikt zwischen Mutter und Kind dem Kind der Vorrang zukommen (BVerfGE 37, 217ff. 252). Eine Versagung der Zustimmung der Mutter zu einer Sorgerechtsbegründung (mit dem Vater) (gemeinsame elterliche Sorge) oder Sorgerechtsänderung (Übertragung der Alleinsorge auf den Vater unterhalb der Schwelle des § 1666 BGB) kann daher nicht ausschlaggebend sein, wenn das Kindeswohl eine andere Regelung erfordert.

Der völlige gesetzliche Ausschluss einer solchen Möglichkeit stellt eine gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoßende Benachteiligung nicht in ehelicher Gemeinschaft ihrer Eltern geborener Kinder dar. Die gesetzlichen Vorschriften dürften daher auch deshalb verfassungswidrig sein, weil eine einzelfallbezogene, am Kindeswohl orientierte Regelungsmöglichkeit ohne rechtfertigenden Grund nicht vorgesehen wurde. Die gesetzgeberische Absicht, Kinder aus nichtehelichen Partnerschaften aus dem Streit der Eltern herauszuhalten, ist in dieser Allgemeinheit kein ausreichender Grund und greift in den geschilderten Fällen letztlich auch nicht. Die vorgegebene Machtposition, die Kindesinteresse und Kindeswohl nicht berücksichtigen muss, gewährt hier keinen Vorteil vor einer individuellen gerichtlichen Entscheidung.

Auch wenn dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rechtsposition von Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern ein gewisser Gestaltungsspielraum zusteht, sollte doch auch darauf hingewiesen werden, dass Maßstab für gerichtliche Korrekturmöglichkeiten etwa sein könnte, dass eine andere als die mütterliche Sorgezuständigkeit im Kindesinteresse erforderlich sein müsste.

In Fällen, in denen die Eltern zusammen leben und die Mutter sich weigert, eine Sorgeerklärung abzugeben, könnte daher vorgesehen werden, ihre Sorgeerklärung gerichtlich zu ersetzen, falls das Kindeswohl es erfordert. Insoweit sollten die Bindungen des Kindes, sein zu beachtender Wille und die Übereinstimmung der Eltern in Erziehungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung ausschlaggebend sein.

Bei Trennung der Eltern sollte bei fehlender Zustimmung der Mutter die elterliche Sorge auf den Vater übertragen werden können, wenn die Eltern nicht fähig und bereit sind, die gemeinsame Sorge zu begründen oder aufrecht zu erhalten und das Kindeswohl die Alleinzuständigkeit eines Elternteils erfordert. Der djb hatte eine derartige gerichtliche Regelungsmöglichkeit bereits in seinem Entwurf zur Reform des Kindschaftsrechts (FuR Info 4/92, S. 11) vorgeschlagen.

Sämtliche gerichtliche Entscheidungen könnten unter der Voraussetzung des § 1696 BGB geändert werden, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Auch dieser Weg darf dem Kind, das mit seinen Eltern nicht durch eine eheliche Familiengemeinschaft verbunden ist, nicht versperrt werden; eine gerichtliche, am Kindeswohl orientierte Überprüfung und Korrektur der sorgerechtlichen Zuordnung zur Mutter muss gerade im Hinblick auf die Dynamik der kindlichen Entwicklung möglich sein.

Eine typisierende, starre Regelung der sorgerechtlichen Zuständigkeit ist wegen der damit verbundenen erheblichen Beeinträchtigung der Grundrechte, insbesondere des Kindes, nicht zulässig (vgl. BVerfGE 84, 168ff, 183).



III. Zu den Verfassungsbeschwerdeverfahren:

1. 1 BvR 1028/99

Der Beschwerdeführer war mit der Mutter seiner zum Antragszeitpunkt 4 und 6 Jahre alten Kinder nicht verheiratet. Nach der Trennung voneinander lebten die Eltern in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander; der Beschwerdeführer hatte nach wie vor eine enge Beziehung zu seinen Kindern. Nach Inkrafttreten des KindRG bat er die Mutter der Kinder, gemeinsam eine Sorgeerklärung abzugeben, wozu diese jedoch nicht bereit war.

Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde direkt gegen die gesetzliche Regelung des § 1626 a BGB, soweit sie keine Ersetzungsmöglichkeit für die mütterliche Sorgeerklärung vorsieht, den Rechtsweg nicht eröffne und im übrigen der Mutter von vornherein die Alleinsorge zuweise.

Die Verfassungsbeschwerde ist nach Auffassung des djb gem. § 93 Abs. 3 BVerfGG fristgemäß eingelegt und auch im übrigen zulässig. Das Gesetz greift unmittelbar in die Rechtsstellung des Beschwerdeführers ein, ohne dass es zu seiner Durchführung noch eines Vollziehungsaktes der öffentlichen Gewalt bedarf (vgl. BVerfGE 10, 59ff, 65f.). Der Beschwerdeführer ist als Vater zweier aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stammender Kinder durch die mangelnde Möglichkeit, ohne Zustimmung der Mutter die gemeinsame elterliche Sorge zu erhalten, in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG betroffen. Der Beschwerdeführer rügt neben der Verletzung seines Elternrechts auch die Verletzung der Rechte seiner Kinder aus Art. 6 Abs. 5 GG. Im Hinblick darauf, dass das Elternrecht untrennbar mit der Pflicht zur Gewährleistung und Förderung der Erziehung und Entwicklung des Kindes verknüpft ist, ist eine Rüge auch zugunsten der Kinder zulässig.

Der djb hält die Verfassungsbeschwerde aus den unter II. 2 a) und b) aufgeführten Erwägungen auch für begründet. Mit Recht weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass sich eine gemeinsame Sorge der Eltern über die Trennung hinaus unter Berücksichtigung der Stetigkeit in Entwicklung und Förderung des Kindes sowie seiner gefühlsmäßigen Bindungen als ebenso entscheidend erweisen könne, wie für das Wohl des Kindes nach Scheidung seiner Eltern, so dass die aus einer Ehe stammenden und nicht aus einer Ehe stammenden Kinder in der Sorgerechtsfrage gleich behandelt werden müssten, sofern sie in einer Lebensgemeinschaft mit den Eltern aufgewachsen seien. Die Ausnahmslosigkeit der gesetzlichen Regelung lässt sie aus den bereits dargelegten Gründen sowohl als Verstoß gegen das Elternrecht des Vaters wie auch gegen den Anspruch der Kinder auf weitestmögliche Angleichung ihrer Rechtsposition erscheinen.

Wenn die Vorschriften der §§ 1626 a und 1672 BGB bereits wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 2 S. 1 und Art. 6 Abs. 5 GG in ihrer gegenwärtigen Fassung verfassungswidrig sind, kommt es auf den gerügten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG nicht an. Abgesehen davon handelt es sich bei der a-priori-Zuweisung des Sorgerechts für die Kinder lediger Mütter nicht um eine verfassungswidrige Bevorzugung der Mütter wegen ihres Geschlechts, sondern, wie bereits dargelegt, um eine vor allem auch im Interesse der betroffenen Kinder sachgerechte Ausgestaltung des Sorgerechts, weil nun einmal Frauen Kinder gebären.



2. 1 BvR 1805/00

Der Beschwerdeführer ist der leibliche Vater der Beklagten des Ausgangsverfahrens. Die Mutter des Kindes ist thailändische Staatsangehörige, die Eltern waren nicht miteinander verheiratet. Vor der Botschaft Thailands hatten sie erklärt, dass das Kind die thailändische Staatsangehörigkeit habe. Nach thailändischem Recht üben auch die nicht miteinander verheirateten Eltern die Sorge für ihr Kind gemeinsam aus. Nach der Trennung der Eltern lebte das Kind zunächst für ein halbes Jahr im Haushalt des Beschwerdeführers, anschließend in einer Bereitschaftspflegestelle, da die Mutter sich nicht persönlich um ihr Kind kümmern kann.

Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren die Feststellung begehrt, dass ihm und der Mutter des Kindes das gemeinsame elterliche Sorgerecht für ihr Kind, die Beklagte zustehe. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Urteile des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.11.1999 (266 F 1849/99) sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 08.08.2000 (1 UF 66/00), durch welche die Klage aus § 640 Abs. 2 Nr. 3 ZPO rechtskräftig abgewiesen worden ist.

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 3 GG, 103 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG sowie eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 101 Abs. 1 GG.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die Feststellungsklage hatte sich zunächst darauf gestützt, dass dem Beschwerdeführer die gemeinsame elterliche Sorge nach thailändischem Recht zustehe. Des weiteren hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, die Regelung der §§ 1626 a BGB verstoße gegen das Grundgesetz und internationales Recht.

Beide Instanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Ausgestaltung des Sorgerechts für das Kind gem. Art. 21 EGBGB nach dem Aufenthaltsstatut des Kindes, also nach deutschem Recht richtet. Mit Recht hat das OLG Düsseldorf auf S. 5 seines Urteils auch darauf hingewiesen, dass die grundsätzliche Zuweisung der elterlichen Sorge an die Mutter nicht sachwidrig sei, jedoch die Frage, inwieweit eine spätere Beteiligung des Vaters an der elterlichen Sorge (Einräumung der Mitsorge oder Übertragung der Alleinsorge auf den Vater) von der Zustimmung der Mutter anhängig gemacht werden könne, allenfalls im Sorgerechtsverfahren zu prüfen sei.

Diese Erwägungen verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sowie den Gleichheitsgrundsatz nicht. Wie unter II.2 a) ausgeführt ist, hält der djb die grundsätzliche Zuordnung des Kindes zur Mutter unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG aus Gründen des Kindeswohls für verfassungsgemäß. Das Kindeswohl gebietet darüber hinaus auch ein Zurückstehen des Vaters in seinen Rechten aus Art. 3 GG. Gleichfalls ist der Gesichtspunkt des Kindeswohls auch im Rahmen der Prüfung, ob eine Verletzung völkerrechtlicher Normen vorliegt, ausschlaggebend. Sämtliche Rügen des Beschwerdeführers, die auf sein nicht originäres Sorgerecht gestützt sind, gehen daher ins Leere. Der Beschwerdeführer hat nach diesseitiger Auffassung ein Klageziel verfolgt, welches er aus Gründen des einfachen Rechts, die zunächst mit der Regelung des Sorgeverhältnisses nicht miteinander verheirateter Eltern nichts zu tun haben, ohnehin nicht erreichen konnte. Er hätte ein Sorgerechtsverfahren einleiten und in dessen Rahmen die gemeinsame Sorge oder sogar Alleinsorge für sich beantragen müssen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer sein Klageziel ungeachtet des grundsätzlichen gesetzlichen Vorrangs der Mutter hätte erreichen können. Vorliegend fehlt es also an einer Kausalität zwischen behauptetem Grundrechtsverstoß und Rechtsbeeinträchtigung. Denn nach dem mitgeteilten Sachverhalt dürfte es sich vorliegend wohl um einen derjenigen Fälle handeln, wo der Vater auch bei fehlender Zustimmung der Mutter Sorgerechtsinhaber hätte werden können, weil das Verhalten der Mutter zumindest Ansatzpunkte für einen Sorgerechtsentzug bietet (§§ 1666, 1680 Abs. 3 BGB). Insoweit wäre auch zu würdigen gewesen, dass der Beschwerdeführer das Kind selbst versorgt hat, während die Mutter es in eine Pflegestelle gegeben hat.

Soweit der Beschwerdeführer die Nichtzulassung der Revision als verfassungswidrig rügt, verkennt er die eindeutige Rechtslage nach dem IPR. Eine besondere Begründung der Nichtzulassung der Revision war nicht geboten.



3. 1 BvR 1248/99

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Marsberg vom 22.03.1999 (5 F 51/99) sowie den Beschluss des OLG Hamm vom 02.07.1999 (7 UF 203/99).

Das Amtsgericht hat die Anträge des Vaters, ihm das Sorgerecht für sein am 13.06.1994 geborenes und bis zur Trennung der Eltern im Mai 1998 in deren nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebendes Kind allein zu übertragen, die Zustimmung der Mutter zu ersetzen und das Verfahren gem. Art. 100 GG auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, da die Väter nichtehelicher Kinder gegenüber Vätern ehelicher Kinder ohne sachlichen Differenzierungsgrund ungleich behandelt würden. Dies gelte für die automatische Zuweisung der elterlichen Sorge an die Mutter gem. § 1626 a Abs. 2 BGB und erfolge weiter dadurch, dass dem Vater ohne Zustimmung der Mutter kein Antragsrecht auf Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn zustehe (§ 1672 BGB), wie es verheirateten Vätern eingeräumt sei. Es liege somit eine doppelte Ungleichbehandlung vor. Im übrigen sei er durch den Beschluss des OLG auch in seinem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) verletzt, da das OLG überraschend den Kontinuitätsgrundsatz herangezogen habe, ohne den Beschwerdeführer zu hören. Insoweit fehle es auch an einer ausführlichen Tatsachenanalyse und Begründung.

a) Der djb hält die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die grundsätzliche sorgerechtliche Zuordnung des Kindes zur Mutter (§ 1626 a Abs. 2 BGB) richtet, aus den unter II.2. a) genannten Gründen für unbegründet. Die Behauptung des Beschwerdeführers, im Regelfall habe das Kind wie in ehelichen Beziehungen gleich starke Beziehungen zu beiden Eltern aufgebaut, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend und kann nur für Kinder gelten, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit beiden Eltern aufwachsen. Dies ist bei Kindern nicht verheirateter Eltern jedoch nicht der Regelfall. Die sorgerechtliche Zuordnung des Kindes zur Mutter bei der Geburt ist daher nicht verfassungswidrig. Sie verstößt, wie ausgeführt, nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot, es handelt sich um eine sachgerechte Differenzierung im Kindesinteresse.

b) Es muss aber, insbesondere, um dem Kind, dessen Eltern nicht verheiratet sind, gleiche Lebenschancen wie einem Kind verheirateter Eltern zu geben, eine Korrekturmöglichkeit der Sorgerechtszuständigkeit geben. Diese besteht für den mit der Mutter nicht verheirateten Vater nur dann, wenn die Mutter zustimmt (§ 1672 Abs. 1 BGB) oder zuvor eine gemeinsame elterliche Sorge durch Sorgeerklärung beider Eltern begründet war (§ 1671 Abs. 1 BGB). Nur dann ist eine Änderung der Sorgerechtszuständigkeit durch gerichtliche Entscheidung möglich. Die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil muss dem Wohl des Kindes am besten entsprechen (§ 1671 Abs. 2 S. 2 BGB), falls der andere – gemeinsam sorgeberechtigte – Elternteil nicht zustimmt bzw. bei alleiniger Sorge und (mit) Zustimmung der Mutter dem Wohl des Kindes dienen (§ 1672 Abs. 1 BGB). Dagegen hat der mit der Mutter nicht verheiratete Vater bereits kein Antragsrecht, selbst wenn er geltend macht, das Kindeswohl erfordere einen Wechsel im Sorgerecht und dies im einzelnen ausführt. Insoweit ist sein Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S 1 GG tangiert, aber auch das Recht des Kindes auf Verwirklichung gleicher Lebenschancen (Art. 6 Abs. 5 GG) verletzt.

Ob der Vortrag des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall konkret genug war, eine Übertragung des Sorgerechts auf ihn zu begründen und ob die Gerichte den Sachverhalt genügend aufgeklärt haben, lässt sich anhand der übersandten Unterlagen letztlich nicht prüfen. Es läßt sich nach dem Vortrag in der Verfassungsbeschwerde nicht feststellen, dass selbst dann, wenn eine gesetzliche Möglichkeit gegeben wäre, dass der Beschwerdeführer, wie es sein Ziel ist, Alleininhaber der elterlichen Sorge für sein Kind wird, er vom Tatsächlichen her dieses Ziel auch erreicht hätte. Die Verfassungsbeschwerde legt weder dar, aus welchen Gründen die Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer dem Wohl des Kindes am besten dienen soll, noch macht der Beschwerdeführer geltend, dass die mangelnde Anhörung in der zweiten Instanz und die überraschend – auch – auf den Kontinuitätsgrundsatz gestützte Entscheidung des OLG bei hinreichender Aufklärung des Sachverhaltes und Erörterung des Ergebnisses zu einer Übertragung des Sorgerechts auf den Vater hätte führen können oder gar müssen. Es fehlt nicht nur an Vortrag dazu, was an weiteren Tatsachen das OLG hätte feststellen und wie es diese hätte werten können, der Beschwerdeführer trägt sogar vor, dass nach der Sachverhaltsaufklärung, soweit das OLG sie vorgenommen hat, die optimalen Voraussetzungen für ein gemeinsames, gleichberechtigtes Sorgerecht vorgelegen hätten. Gründe für eine Alleinsorge des Beschwerdeführers anstelle der Mutter sind nicht vorgetragen.

Ob eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidungen im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit von §§ 1626 a ff, 1672 BGB gerechtfertigt ist und die Zurückverweisung zur weiteren Ermittlung und Entscheidung in Betracht kommt, kann daher nicht abschließend beurteilt werden.



4. 1 BvR 2059/00

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Beschlüsse des AG Northeim (8 F 254/99) vom 08.03.2000 sowie des OLG Braunschweig vom 11.10.2000 ( 2 UF 55/00), durch welche der Antrag des Beschwerdeführers auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für sein am 23.02.1997 geborenes Kind auf ihn bzw. die Beschwerde gegen die ablehnende erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen worden sind.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 3 GG. Er macht geltend, die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn entspreche dem Wohl des bis zum August 1999 mit beiden Eltern in deren nichtehelicher Lebensgemeinschaft aufgewachsenen Kindes am besten. Schon die nach § 1626 a Abs. 2 BGB wesentlich stärkere Position der ab Geburt des Kindes allein sorgeberechtigten Mutter sei mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG nicht vereinbar, im Regelfall habe das Kind zu beiden Eltern gleich starke Beziehungen aufgebaut. Darüber hinaus müsse dem Vater eines in nichtehelicher Lebensgemeinschaft geborenen Kindes zumindest das gleiche Antragsrecht zugebilligt werden wie dem Vater eines ehelichen Kindes. Väter ehelicher Kinder und nicht in der Ehe geborener Kinder seien nach der Trennung der Eltern in der gleichen Ausgangslage einer gescheiterten Beziehung, würden aber durch das Zustimmungserfordernis in § 1672 Abs. 1 S. 1 BGB ungleich behandelt. Die vom OLG angesprochene Differenzierungsnotwendigkeit dürfe nicht zu einer doppelten Ungleichbehandlung der Väter führen. Eine Differenzierung zwischen in der Ehe und nicht in der Ehe geborenen Kindern könne beim konkreten Antragsrecht nicht vorgenommen werden.

Der djb hält die Verfassungsbeschwerde nicht für begründet.

a) Soweit die erstmalige Zuordnung des Sorgerechts für das Kind an die Mutter beanstandet wird, kann auf die Ausführungen zu II.2. a) sowie zum Verfahren 1 BvR 1248/99 verwiesen werden.

§ 1626 a Abs. 2 BGB ist insoweit verfassungsgemäß. Das Recht des Kindes auf verbindliche Regelung seiner personalen Verhältnisse bei Geburt geht dem Elternrecht des Vaters vor.

b) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, ihm müsse ein gleiches Antragsrecht wie Vätern zugebilligt werden, die mit den Müttern verheiratet sind, verkennt er, dass diesen Vätern das Sorgerecht nicht allein, sondern mit der Mutter zusammen zusteht. Haben die Eltern, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft leben, die gemeinsame elterliche Sorge durch entsprechende Sorgeerklärungen begründet, so werden die Väter den verheirateten Vätern gleichgestellt, d.h., sie können einen Antrag auf Alleinsorge stellen, dem entweder bei Zustimmung der Mutter oder dann stattzugeben ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bestand keine gemeinsame Sorge, so gewährt die gesetzliche Regelung dem nicht mit der Mutter verheirateten Vater kein Antragsrecht. Fraglich ist allerdings, ob allein das fehlende Antragsrecht den Verfassungsverstoß zu begründen vermag. Ein eigenes Antragsrecht wäre formale Folge einer materiellen Berechtigung, an der es allerdings fehlt.

Dies ist unter Kindeswohlgesichtspunkten verfassungsrechtlich problematisch. In seinem Interesse an gleichen Entwicklungschancen, Berücksichtigung seiner Bedürfnisse und Bindungen sowie erzieherischer Förderung kann es erforderlich sein, einen Sorgewechsel zwischen den Eltern vorzunehmen. Eine gerichtliche Korrekturmöglichkeit unterhalb der Schwelle des § 1666 BGB ist daher notwendig, wobei auch eine Übertragung von Teilen des Sorgerechts, wie etwa des Aufenthaltsbestimmungsrechts, in Betracht kommt. Eine Korrektur der Sorgerechtsverteilung muss aber – anders als beim Wechsel von gemeinsamer zur Alleinsorge – an strengere Bedingungen geknüpft werden, d.h. es genügt nicht, wenn das Kind beim Vater besser aufgehoben ist, sondern es müssen triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe i.S. des § 1696 BGB vorliegen (vgl. Coester, FamRZ 1995, 1245, 1248); der Sorgerechtswechsel bzw. die Einschränkung des Sorgerechts durch Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts muss – unter entscheidender Berücksichtigung auch der Bindungen und Wünsche des Kindes – erforderlich sein. Unter diesen Voraussetzungen ist auch der Eingriff in das Sorgerecht der Mutter gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer hat keine konkreten Angaben dazu gemacht, aus welchen Gründen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn zum Wohl des Kindes notwendig sein soll. Insoweit hat das OLG darauf hingewiesen, es seien keine Gesichtpunkte dargetan, die es, selbst bei Vorliegen entsprechender Korrekturmöglichkeiten, rechtfertigten, der Antragsgegnerin einen wesentlichen Teil des Sorgerechts, nämlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen. Dass das Kind sich möglicherweise während der Besuchskontakte beim Beschwerdeführer noch wohler fühle als bei der Mutter, die es bestens betreue und versorge und eine gute Beziehung zu dem Kind habe, reiche ebensowenig aus wie der Umstand, dass das Kind durch den Beschwerdeführer mit Hilfe seiner Eltern u.U. gleich gut betreut werden könne. Diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer nicht entgegen getreten.

Seine Verfassungsbeschwerde zeigt keine konkreten Auswirkungen der gesetzlichen Regelung auf die angegriffenen Entscheidungen auf. Der djb hält sie danach für unbegründet.



5. 1 BvR 933/01

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 19.05.1999 (6 F 60/99), gegen den die Beschwerde zurückweisenden Beschluss des OLG Stuttgart vom 02.12.1999 (18 UF 259/99) und gegen den Beschluss des BGH vom 04.04.2001 (XII ZB 3/00), wonach auch die weitere Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Das Amtsgericht hat die Anträge des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge für sein am 02.04.1993 geborenes Kind, hilfsweise Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Befugnis zur Wahl der Schullaufbahn und der beruflichen Ausbildung sowie grundlegender Entscheidungen im Bereich der medizinischen Vorsorge zur gemeinsamen Ausübung mit der Mutter zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 2, 6 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 6, 8, 14 EMRK und erhebt die Verfassungsbeschwerde auch im Namen und im Interesse seines Kindes wegen Verletzung von dessen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 5 sowie 103 GG.

Der Beschwerdeführer führt aus, die Eltern hätten zur Zeit der Geburt des Kindes in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt, er habe die Vaterschaft am 08.04.1993 anerkannt. Während der ersten eineinhalb Jahre sei das Kind von beiden Eltern versorgt und betreut worden, während einer Ausbildung der Mutter hauptsächlich vom Vater. Im Februar 1996 sei die Mutter mit dem Kind in eine andere Wohnung gezogen. Das Kind lebe jedoch von Montag bis Mittwoch beim Vater, von Mittwoch abend bis Freitag bei der Mutter; die Wochenenden verbringe es abwechselnd bei einem Elternteil. Nach Absprache sollten Fragen der Wahl des Kindergartenplatzes, der Schule und Schullaufbahn, der medizinischen Betreuung u.a., soweit möglich, einverständlich geregelt werden.

Der Beschwerdeführer hat am 12.02.1999 beim Jugendamt Tübingen eine Sorgeerklärung abgegeben, die Mutter lehne es ab, ihrerseits eine Sorgeerklärung beurkunden zu lassen. Das gemeinsame Sorgerecht sei zur rechtlichen Absicherung der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Kind notwendig und verfassungsrechtlich geboten. Dies führt der Beschwerdeführer eingehend aus, wobei er Rechtsprechung und Schrifttum erschöpfend ausgewertet hat.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, auch soweit sie für das Kind eingelegt worden ist.

Wird für das Kind – wie hier – kein Ergänzungspfleger bestellt, so können im Verfassungsbeschwerdeverfahren Personen das Kind vertreten, die für einen nicht unerheblichen Zeitraum das Sorgerecht tatsächlich ausgeübt haben (BVerfGE 72, 122, 136; 55, 171ff., 176, 178 sowie Walter, FamRZ 2001, 1ff., S. 3f.)

b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Die ausnahmslose und im Einzelfall ohne Zustimmung der Mutter nicht korrigierbare Zuweisung der elterlichen Sorge für ein Kind nach § 1626 a Abs. 2 BGB an die Mutter verstößt sowohl gegen das Elternrecht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG als auch gegen das Recht des Kindes auf Gleichstellung gem. Art. 6 Abs. 5 GG (vgl. die Ausführungen zu II. sowie die zutreffenden Ausführungen der Verfassungsbeschwerde zum gemeinsamen Sorgerecht auch der Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind sowie die Ausführungen zu Art. 6 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG).

Es trifft zu, dass das Kind nicht miteinander verheirateter Eltern selbst dann, wenn es mit beiden zusammen lebt oder mit ihnen zusammen gelebt hat und auch nach der Trennung enge Beziehungen zu beiden Eltern mit häufigen Kontakten zum Vater aufrecht erhält, gegenüber ehelichen Kindern erheblich benachteiligt wird. Bei etwa gleichen sozialen Verhältnissen besteht kein Grund zu einer differenzierenden Ausgestaltung des Sorgerechts. Es muss, soweit es in diesen Fällen das Kindeswohl erfordert, eine Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge zur rechtlichen Absicherung des Anspruchs des Kindes auf Erziehung und Förderung seiner Entwicklung durch beide Eltern möglich sein, wobei ein Weg die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung der Mutter zur gemeinschaftlichen elterlichen Sorge, ein anderer die Übertragung der gemeinschaftlichen elterlichen Verantwortung durch gerichtliche Entscheidung wäre.

Ein solcher Fall ist hier gegeben: Beide Eltern praktizieren die elterliche Sorge in ihren wesentlichen Teilen gemeinsam, versorgen und betreuen das Kind in gleichem Umfang und stimmen sich über die wesentlichen Inhalte der Erziehung ab. Der Vater hat darüber hinaus eine formgerechte Sorgeerklärung abgegeben. Damit werden der Beschwerdeführer und seine vormalige Lebensgefährtin ihrer elterlichen Verantwortung gemeinsam gerecht, sie gehen über die nach dem Gesetz geforderte „Absichtserklärung“ (Diederichsen, NJW 1998, 1977, 1983) weit hinaus. Falls die Eltern verheiratet (gewesen) wären, wäre die gemeinsame Sorge ohne Zweifel aufrecht zu erhalten.

Durch die angegriffenen Entscheidungen, die sämtlich die Gewährung einer gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Mutter ablehnen, werden Vater und Kind in ihren Grundrechten verletzt. Eine Korrektur der a-priori-Sorgerechtsinhaberschaft der ledigen Mutter ist auch nicht, wie der BGH in der angegriffenen Entscheidung meint, durch „verfassungskonforme Auslegung von § 1666 BGB“ möglich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und die mit Recht hohe Hürde, die § 1666 BGB für einen Eingriff in das Elternrecht darstellt, dürfen nicht aufgeweicht werden. Wie auch bereits ausgeführt, würde es zu einer erheblichen Verschärfung des elterlichen Konflikts einerseits und zu einer empfindlichen Diskriminierung der Mütter führen, wenn, wie der BGH vorschlägt, in die Prüfung, ob die Mutter ihr Sorgerecht missbräuchlich ausübt, auch die Frage einbezogen würde, ob und inwieweit die Mutter das Elternrecht des Vaters angemessen zur Geltung bringt. § 1666 BGB bietet eben gerade keinen Maßstab für die Entscheidung zwischen den um das Sorgerecht streitenden Eltern. Die Vorschrift ist auf den im Kindesinteresse legitimierten staatlichen Eingriff in das Elternrecht zugeschnitten, nicht für eine Anwendung in elterlichen Sorgestreitigkeiten, und nur auf die zur Ausübung des staatlichen Wächteramtes erforderlichen Maßnahmen sollte sie auch Anwendung finden.



Bonn, den 10. August 2001

Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende
 Reglindis Böhm
Kommission Familienrecht
Sabine Heinke
Vorsitzende der Kommission
Familienrecht