Thesen und Kernforderungen des djb
Der Gesetzentwurf führt eine Fehlsteuerung, die durch Einführung
eines Betreuungsfreibetrages für alle Familien im 1.
Familienförderungsgesetz angelegt wurde, weiter fort. Er
diskriminiert damit besonders Familien mit zwei berufstätigen
Eltern und Ein-Eltern-Familien. Er diskriminiert zugleich die
Frauen, die in diesen Familien Erziehungs- und Erwerbstätigkeit
miteinander vereinbaren müssen. Diese Fehlsteuerung muss
vermieden werden.
Der djb fordert den Gesetzgeber auf,
- Kosten der Kinderbetreuung wegen Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Behinderung oder längerer Krankheit von der ersten Mark an und ohne Beschränkung der Höhe zum Abzug zuzulassen,
- den Erziehungsbedarf nicht durch eine weitere Anhebung der Freibeträge zu berücksichtigen und statt dessen das Kindergeld um mindestens 25 Euro anzuheben,
- die Erhöhung des Kindergeldes in jedem Fall auf dritte und weitere Kinder zu erstrecken,
- vorzusehen, dass der geplante Betrag der Kindergelderhöhung nicht als Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet wird.
Die Gewährleistung des Kindesexistenzminimums erfordert außerdem
(insbesondere im Interesse der Kinder allein Erziehender) eine
Abstimmung des Unterhalts- und Sozialhilferechts mit den
Regelungen des Steuerrechts. Unterhaltsrechtlich sollten die
Grenzen der Kindergeldanrechnung auf den Barunterhalt (§ 1612b
Abs. 5 BGB) über 135 % des Regelbetrages hinaus angehoben
werden.
Die übergangsweise Beibehaltung des Haushaltsfreibetrags wird für
Ein-Eltern-Familien ausdrücklich begrüßt. Dagegen besteht kein
Grund, eine Übergangsregelung für nichteheliche
Lebensgemeinschaften mit Kindern zu schaffen und damit eine
verfassungswidrige Rechtslage aufrecht zu erhalten.
Der djb erinnert an die dringende Reformbedürftigkeit der
Ehebesteuerung. Er fordert die Abschaffung des
Ehegattensplittings und die Einführung der Individualbesteuerung.
Gliederung
III.Erziehungsfreibetrag und Erhöhung des
IV.Reformbedürftigkeit des Unterhalts-
I. Allgemeines
Der djb begrüßt das Ziel des Regierungsentwurfs zum Zweiten
Familienförderungsgesetz, durch einen Ausbau des
Kinderlastenausgleichs Familien weiter zu fördern.
Tatsächlich führt der Gesetzentwurf jedoch eine grundlegende
Fehlsteuerung, die durch Einführung eines Betreuungsfreibetrages
für alle Familien im 1. Familienförderungsgesetz angelegt wurde,
weiter fort. Dadurch werden bestimmte Familien, nämlich die mit
einem allein erziehenden Elternteil und die mit zwei
berufstätigen Eltern, diskriminiert. Gerade in diesen
Familienkonstellationen sind Eltern durch Erwerbstätigkeit und
Kinderbetreuung doppelt belastet. Da die Erziehungspersonen in
Zwei-Eltern-Familien und die Haushaltsvorstände in
Ein-Eltern-Familien überwiegend Frauen sind, benachteiligt der
Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung vor allem berufstätige
sowie allein erziehende Frauen. Zugleich verfehlt der
Gesetzentwurf seine ausdrückliche Zielsetzung, eine bessere
Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen und insbesondere
Frauen die Aufnahme einer Berufstätigkeit zu erleichtern
1. Schließlich benachteiligt der Gesetzentwurf unter
den genannten Familien die kinderreichen Familien ganz
besonders.
Damit versäumt es die Bundesregierung zugleich, positive Akzente
für die demografische Entwicklung und den Arbeitsmarkt zu setzen.
Die Geburtenentwicklung in den einzelnen europäischen Ländern
macht deutlich, dass die Geburtenraten dort am größten sind, wo
ein dichtes sozial- und steuerrechtliches Netz die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf gewährleistet und die Frauen nicht an der
Erwerbsarbeit hindert. Sie sind umgekehrt dort am kleinsten, wo
Familienförderung selbst klein geschrieben wird und traditionelle
Familienleitbilder vorherrschen. Daran gemessen, steuert dieser
Regierungsentwurf die demografische Entwicklung eher negativ als
positiv. Zusätzlich wird die Chance vertan, in der Gruppe der
Frauen mittelfristig zusätzliche Arbeitskräfte für den
Arbeitsmarkt zu gewinnen.
II. Berücksichtigung des Betreuungsaufwands (zu Art. 1 Nr. 10
und Nr. 2)
In Nr. 10 regelt der Regierungsentwurf die Abzugsfähigkeit von
Kosten für Kinderbetreuung als außergewöhnliche Belastung, wenn
diese 1548 Euro überschreiten, bis zu maximal 1500 Euro pro Kind.
Die geplante Regelung ist jedoch völlig unzureichend und mit
einer modernen, familien- und frauenfreundlichen Konzeption des
Steuerrechts nicht vereinbar.
Dabei geht der djb mit dem Regierungsentwurf konform, dass
Betreuungskosten nur abzugsfähig sein sollten, wenn das Kind
unter 14 Jahre alt oder wegen einer Behinderung außer Stande ist,
sich selbst zu unterhalten. Angemessen ist auch der
Ausschlusstatbestand in § 33c Abs. 1 Satz 5 EStG-E, der die
Absetzbarkeit für Unterricht, die Vermittlung besonderer
Fähigkeiten sowie für Freizeitbetätigungen ausdrücklich
ausschließt; denn diese Bedarfe sind bereits durch den auf
Erziehung und Ausbildung entfallenden Teil des einheitlichen
Freibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG-E abgedeckt.
Für Familien, in denen beide Eltern wegen Erwerbstätigkeit,
Ausbildung, Behinderung oder längerer Krankheit außer Stande
sind, die Kinder selbst zu betreuen, reichen die
Abzugsmöglichkeiten für Kosten der Betreuung durch Dritte aber
bei weitem nicht. Die nachgewiesenen Kosten der Kinderbetreuung
durch Dritte sollten vielmehr von der ersten Mark an, also ohne
Anrechnung des bisherigen Betreuungsfreibetrags, und in
unbegrenzter Höhe abzugsfähig sein.
1. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten ab der ersten
Mark
Der djb fordert, die Kosten der Kinderbetreuung in den Fällen des
§ 33c EStG-E für alle Familien von der ersten Mark an zum Abzug
zuzulassen. Zugleich ist klarstellend zu formulieren, dass der
Ansatz einer zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG
unterbleibt.
Die Bundesregierung legt zu Grunde, dass Kosten der Betreuung
durch Dritte in Höhe von 1548 Euro bereits durch den alten
Betreuungsfreibetrag abgedeckt seien 2. Sie ordnet
also bei Familien, die aus den genannten Gründen auf Betreuung
der Kinder durch Dritte angewiesen sind, die Kosten der
Drittbetreuung bis zur genannten Höhe in vollem Umfang dem
Betreuungsfreibetrag zu. Aber auch Eltern, die
Betreuungsleistungen Dritter in Anspruch nehmen, betreuen ihre
Kinder in erheblichem Umfang selbst. Häufig nimmt ein Elternteil
dabei sogar den teilweisen Ausfall eigenen Einkommens und den
Verzicht auf Qualifikation und beruflichen Aufstieg in Kauf, um
neben der Erwerbstätigkeit genügend Zeit für die Kinder zu
erübrigen. Die geplante Anrechnung diskriminiert diese Familien
gegenüber solchen, bei denen Kosten für Drittbetreuung nicht
entstehen. Ein konkretes Beispiel soll dies illustrieren: Der
derzeitige Betreuungsfreibetrag reicht mit 129 Euro (253 DM)
monatlich in vielen Bundesländern nicht einmal aus, um die Kosten
eines halbtägigen Kindergartenplatzes für eine durchschnittlich
verdienende Familie zu decken. Dennoch bleibt das Kind in
erheblichem zeitlichem Umfang darüber hinaus
betreuungsbedürftig.
Diese Ungleichbehandlung von Familien, die Betreuungskosten
gegenüber Dritten aufbringen müssen, mit solchen, in denen ein
Elternteil die Kinder ausschließlich betreut, verletzt
grundlegende Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG. Hiernach sind die
Familien frei in der Gestaltung des Familienlebens und in der
Entscheidung, wie sie ihre Kinder erziehen und betreuen. Diese
Gestaltungsfreiheit wird empfindlich eingeschränkt, wenn der
Betreuungsfreibetrag bei Familien, die entgeltliche
Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, die weiterhin
erforderliche Eigenbetreuung durch die Eltern ganz außer Betracht
lässt.
Diese Einschätzung des djb steht nicht in Widerspruch zur
Kinderbetreuungs-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von
1998 3. Das Gericht hat dort das Verfassungspostulat
einer Berücksichtigung von Kinderbetreuung nicht auf
Betreuungskosten beschränkt, die für Betreuung durch Dritte
aufzuwenden sind, sondern auf Familien erweitert, in denen ein
Elternteil die Kinder ausschließlich betreut. Dies ist bis heute
auf nahezu einhelligen Widerspruch der verfassungs- und
steuerrechtlichen Literatur gestoßen, unter anderem deswegen,
weil sich im Einkommensteuerrecht, das die Belastung von
Einkommen und die Abzugsfähigkeit von Ausgaben regelt,
persönlicher, unentgeltlicher Einsatz mit tatsächlich anfallenden
Kosten gar nicht vergleichen lässt. Auch der djb hält die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Punkt nicht
für überzeugend. Doch selbst wenn man die (den Beschluss nicht
tragende) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde
legt, trifft sie nicht den vorliegenden Fall: Der
Betreuungsfreibetrag wurde für alle Familien eingeführt,
gleichgültig ob sie ihre Kinder ausschließlich selbst betreuen
oder zusätzliche Leistungen Dritter in Anspruch nehmen. Beim
vorliegenden Gesetzentwurf geht es dagegen nur um die Frage der
zusätzlichen Absetzbarkeit real angefallener
Betreuungskosten als außergewöhnliche Belastungen.
Aus dem gleichen Grund ließe sich die Mindestgrenze von 1548 Euro
auch nicht damit begründen, es handle sich um eine Pauschale,
innerhalb derer es auf die konkret entstandenen Kosten nicht
ankommen solle (vergleichbar der Werbungskostenpauschale). Es
erhalten nämlich nicht nur Familien den Betreuungsfreibetrag, die
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33c EStG-E erfüllen.
Vielmehr steht er auch Familien zu, die gar keine
Betreuungskosten zum Abzug bringen könnten.
Auch beim Vergleich mit Art. 1 Nr. 9 b) des Regierungsentwurfs
zeigt sich die Ungerechtigkeit der gewählten Lösung. Bei in
Berufsausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten,
volljährigen Kindern kann nämlich sogleich ein Freibetrag in Höhe
von künftig 924 Euro (ca. 1808 DM) als Sonderbedarf pro Kind und
Jahr in Abzug gebracht werden (§ 33a Abs. 2 EStG-E), obwohl der
Ausbildungsbedarf schon im integrierten Freibetrag des § 32 Abs.
6 EStG-E Berücksichtigung finden soll 4. Ein
Mindestbetrag für die Abzugsfähigkeit ist hier gerade nicht
vorgesehen.
§ 33c EStG-E lässt überdies nicht erkennen, ob ein Abzug von
Betreuungskosten lediglich jenseits der Grenze "zumutbarer
Belastung" im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG möglich sein soll oder
nicht. Die Rechtslage zur Abzugsfähigkeit von
Kinderbetreuungskosten nach § 33c a.F. war in diesem Punkt bisher
höchst umstritten, so dass der djb anregt, die volle
Abzugsfähigkeit positiv festzuschreiben. Die Problematik
entfällt, wenn die Betreuungskosten statt als außergewöhnliche
Belastungen als Sonderausgaben qualifiziert werden.
2. Keine Fehlsteuerung für kinderreiche Familien und
Alleinerziehende
So betrachtet, diskriminiert der Gesetzentwurf mit der Regelung
in Nr. 10 besonders kinderreiche Familien, die
Betreuungsleistungen Dritter in Anspruch nehmen. Obwohl die
Kosten hierfür zumeist nicht proportional mit der Zahl der Kinder
steigen, soll künftig dennoch der Betreuungsfreibetrag vorab für
jedes Kind auf diese Betreuungskosten angerechnet werden. Für
zwei Kinder sind Aufwendungen erst dann abzugsfähig, wenn sie
3096 Euro übersteigen, für drei Kinder erst ab 4644 Euro usw. Die
besondere Eigenleistung dieser Eltern findet daneben keine
steuerliche Berücksichtigung mehr. Die Diskriminierung von
Familien, die Kinder durch Dritte betreuen lassen, gegenüber
Familien, die die Kinder ausschließlich selbst betreuen, steigt
also mit zunehmender Kinderzahl.
Die geplanten Regelungen diskriminieren außerdem in besonderer
Weise Ein-Eltern-Familien, in denen die Erziehungsperson häufiger
erwerbstätig ist als bei zusammen lebenden Eltern. Die
Erwerbstätigkeit ist in vielen Fällen gerade deshalb notwendig,
weil der andere Elternteil keinen Kindes- und Betreuungsunterhalt
in ausreichender Höhe zahlt. Bei allein Erziehenden wird damit
der Betreuungsfreibetrag typischerweise durch die Aufwendungen
für die Betreuung der Kinder durch Dritte aufgezehrt. Dadurch
wird ihnen zugleich die Anerkennung für die eigene
Erziehungsleistung versagt, obwohl diese gerade in
Ein-Eltern-Familien besonders hohe Anforderungen an den
betreuenden Elternteil stellt. Die Diskriminierung dieser
Familien und - damit verbunden - die Diskriminierung von Frauen
ist offensichtlich.
Für Ein-Eltern-Familien verschärft sich die Fehlsteuerung des
Gesetzentwurfs durch die Abschaffung des § 33c EStG a.F., wonach
Kinderbetreuungskosten Alleinstehender in bestimmter Höhe
abzugsfähig waren. Die im 1. FamFG ersatzlos gestrichene Regelung
war 1985 gerade zu dem Zweck eingeführt worden, den erhöhten
Aufwand allein erziehender Steuerpflichtiger zu berücksichtigen
5. Das Bundesverfassungsgericht verwarf sie zwar in
der Kinderbetreuungsentscheidung von 1998 und setzte an ihre
Stelle den allgemeinen Betreuungsfreibetrag 6. Doch
beseitigte es damit nicht allein die Besserstellung
nichtehelicher Lebensgemeinschaften gegenüber Ehepaaren - worin
der djb der Entscheidung zustimmt - , sondern diskriminierte
zugleich wieder Ein-Eltern-Familien gegenüber kinderlosen Ehen
und ehelichen Familien.
Die geplanten Regelungen müssen auch im Zusammenhang mit dem
Ehegattensplitting gelesen werden. Das Splitting berücksichtigt
und begünstigt realwirtschaftlich den Umstand, dass einer der
Ehepartner einkommenslos bleibt, was heutzutage vorwiegend in
Ehen mit Kindern praktiziert wird. Sowohl die Ein-Eltern-Familie
wie auch die eheliche Familie erhalten den Betreuungsfreibetrag.
Jedoch kommen bei allein Erziehenden ausschließlich die zumeist
erforderlichen Betreuungskosten, nicht aber die ebenso
erforderliche und zudem besonders aufwendige Eigenbetreuung in
Ansatz. Während also bei ehelichen Familien die Eigenbetreuung
zumindest einmal steuerlich berücksichtigt wird, ist dies bei
Ein-Eltern-Familien zumeist gar nicht der Fall.
3. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten in
unbeschränkter Höhe
Der djb fordert, die Kosten der Kinderbetreuung in den Fällen des
§ 33c EStG-E für alle Familien in unbeschränkter Höhe zum Abzug
zuzulassen.Mit 1500 Euro (ca. 2934 DM) pro Kind und Jahr ist die
Höchstgrenze der Abzugsfähigkeit viel zu gering bemessen. Um bei
dem gewählten Beispiel zu bleiben: Der Abzugsbetrag deckt selbst
zusammen mit dem Betreuungsfreibetrag in vielen Bundesländern
nicht einmal die Kosten einer sechsstündigen Kinderbetreuung, die
eine Familie im oberen Spektrum gestaffelter Beiträge für eine
Tageseinrichtung aufzubringen hat. Eine erhebliche Belastung
stellt § 33c EStG-E in Verbindung mit der Abschaffung der
Abzugsmöglichkeit für hauswirtschaftliche
Beschäftigungsverhältnisse (§ 10 Nr. 8 EStG) in Nr. 2 des
Regierungsentwurfs dar. Der djb wendet sich nicht grundsätzlich
gegen die Aufhebung von § 10 Nr. 8 EStG. Diese Regelung war aus
Sicht der Familien schon deshalb nicht gerecht, weil sie
einerseits die Aufwendungen Kinderloser begünstigte, aber
andererseits Aufwendungen, die durch Kinderbetreuung außerhalb
des eigenen Haushalts entstanden, nicht berücksichtigte. Dennoch
bedeutet der Wegfall der Abzugsmöglichkeit eine erhebliche Härte
für solche Familien, die häusliche Kinderbetreuung im Vertrauen
auf die Regelung des § 10 Nr. 8 EStG organisiert haben, denn ihre
Abzugsmöglichkeit nach § 33c EStG-E läge in Zukunft ohne
nachvollziehbaren Grund nur noch bei einem Sechstel des
ursprünglichen Betrags.
Eine umfassende steuerliche Förderung privater
Kinderbetreuungslösungen ist schon deshalb geboten, weil die
Familien durch den Mangel an bedarfsgerechter Kinderbetreuung in
großem Umfang auf privat organisierte und bezahlte
Kinderbetreuung angewiesen sind. Die Abzugsfähigkeit von
Betreuungskosten erfolgt dabei nicht als Subvention oder sozialer
Transfer, sondern sie ist die schlüssige Konsequenz einer
Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Erst die
umfassende Abzugsmöglichkeit gibt außerdem die Chance, die
private Kinderbetreuung aus dem "grauen" Markt der
Kinderbetreuung heraus zu holen und heraus zu halten. Ein
positiver Effekt wären zusätzliche Steuereinnahmen aus den
privaten Beschäftigungsverhältnissen.
III. Erziehungsfreibetrag und Erhöhung des Kindergeldes
(zu Art. 1 Nr. 6, 7b und 19, Art. 2 Nr. 3)
Der djb tritt dafür ein, auf die in § 32 Abs. 6 EStG-E
vorgesehene Anhebung der Freibeträge für den Erziehungsbedarf zu
verzichten und statt dessen das Kindergeld weiter zu erhöhen.
Hier besteht ebenfalls eine Möglichkeit, die Fehlsteuerung durch
das 1. Familienförderungsgesetz zu korrigieren. Der im 1. FamFG
eingeführte Betreuungsfreibetrag berücksichtigt nämlich die
Kinderbetreuung abhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen, was
gerade für Eigenbetreuung durch die Eltern sachwidrig ist.
Vielmehr hätte es näher gelegen, für die Bemessung des
Betreuungsbedarfs von einem einheitlichen Betrag auszugehen und
diesen einer Erhöhung des Kindergeldes oder einer eigenständigen
Familienleistung zu Grunde zu legen 7. Gerade bei
Vereinheitlichung der Freibeträge bietet es sich an, diese
Korrektur nun vorzunehmen.
Die Erhöhung des Kindergeldes um 16 Euro (31,20 DM) ist deshalb
im Grundsatz zu begrüßen, doch reicht sie bei weitem nicht aus.
Der djb hält - auch unter Berücksichtigung des Ausbildungsbedarfs
(s.u. V.) - in diesem Reformschritt eine Erhöhung um mindestens
25 Euro für angemessen.
Die Kindergelderhöhung ist außerdem auf dritte und weitere Kinder
zu erstrecken. Die Regelungen in Art. 1 Nr. 19, Art. 2 Nr. 3 des
Gesetzentwurfs benachteiligen Familien mit drei und mehr Kindern,
die zudem überdurchschnittlich häufig unterhalb der Grenze
versteuerbaren Einkommens liegen werden und deshalb auf das
Kindergeld in besonderem Maße angewiesen sind. Gerade der
Erziehungsbedarf ist am einzelnen Kind orientiert und lässt auch
in kinderreichen Familien nur wenige Synergieeffekte zu. Die
Begründung der Bundesregierung, durch die Neuregelung werde die
"Zählkinderproblematik" verringert, rechtfertigt die
unterbliebene Kindergelderhöhung für dritte und weitere Kinder
nicht: Hier handelt es sich um einen vom Bundesverfassungsgericht
festgestellten, für jedes Kind bestehenden Bedarf im Bereich des
Existenzminimums. Für die Verminderung der
"Zählkinderproblematik" eignen sich nur Anhebungen, die nicht mit
diesem besonderen Bedarf begründet sind.
IV. Reformbedürftigkeit des Unterhalts- und
Sozialhilferechts
Der Verlängerung der Frist für die Nichtanrechnung des
Kindergelderhöhungsbetrags von 20 DM (Erhöhung zum 1. 1. 2001)
als Einkommen in der Sozialhilfe in Art. 3 des Entwurfs stimmt
der djb zu. Darüber hinaus sollte auch der neue Erhöhungsbetrag
in der endgültigen Fassung des 2. FamFG nicht als Einkommen in
der Sozialhilfe angerechnet werden, so lange das
sozialhilferechtliche Existenzminimum eines Kindes nicht
angehoben wird. Der djb gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken,
dass das Kindesexistenzminimum im Unterhalts-, Sozialhilfe- und
Steuerrecht nach wie vor unterschiedlich bemessen wird. Die
Regelungen des Kindesexistenzminimums sollten in allen
Rechtsgebieten systematisch aufeinander abgestimmt werden.
Unterhaltsrechtlich ist eine Erhöhung der Anrechnungsgrenzen des
Kindergelds auf den Barunterhalt über gegenwärtig 135 % des
Regelbetrags (§ 1612b Abs. 5 BGB) erforderlich.
V. Berechnung des Kindeseinkommens (zu Art. 1 Nr. 7a)
Bei der Berechnung des Kindeseinkommens sollte nicht an die
Legaldefinition der Einkünfte in § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG
angeknüpft, sondern der Begriff des Einkommens verwendet werden.
"Einkünfte" definieren sich als Überschuss der Einnahmen über die
Werbungskosten. Die Freistellung des Kindesexistenzminimums von
der Besteuerung und die Entlastung der Eltern erfordert aber,
dass z.B. auch Sonderausgaben (insbesondere Beiträge zur
Sozialversicherung) zum Abzug gebracht werden können.
Insbesondere bei Auszubildenden, die nicht unerhebliche
Sozialversicherungsbeiträge zu leisten haben, führt der Ansatz
der "Einkünfte" dazu, dass der Grenzbetrag rechnerisch
überschritten ist, obwohl tatsächlich dem Kind überhaupt keine
Beträge zur Verfügung gestanden haben, die es ihm ermöglichten
würden, sich selbst zu unterhalten. Damit bleiben die Eltern
tatsächlich weiter belastet 8.
VI. Haushaltsfreibetrag (zu Art. 1 Nr. 17) und
Ehebesteuerung
Die vorläufige Beibehaltung und stufenweise Abschmelzung des
Haushaltsfreibetrags in Nr. 17 befürwortet der djb ausdrücklich
im Sinne der Familien, in denen ein steuerpflichtiger Elternteil
allein mit den Kindern lebt und vorwiegend für sie verantwortlich
ist. Dagegen besteht kein Grund, die verfassungswidrige Lage bei
der Besteuerung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit
Kindern aufrecht zu erhalten. Der Anwendungsbereich der
Übergangsregelung lässt sich deshalb - auch und gerade angesichts
der neu eingeführten Freibeträge und Kindergelderhöhungen - auf
die Gruppe der Ein-Eltern-Familien, die in einem Haushalt
zusammen leben, beschränken.
In diesem Zusammenhang erinnert der djb erneut an die dringende
Reformbedürftigkeit der Ehebesteuerung. Das Ehegattensplitting
fördert in seiner bestehenden Form die Hausfrauenehe ohne
Rücksicht darauf, ob in der Ehe Kinder aufwachsen oder nicht. Die
konkrete Gestaltung diskriminiert eheliche Familien, in denen
beide Eltern Einkommen haben, und vernachlässigt den besonderen
Bedarf der Ein-Eltern-Familien. Diese Form steuerlicher
Eheförderung ist nicht länger verfassungsgemäß.
Bonn, den 15. Juni 2001
Prof. Dr. Ursula Nelles 1. Vorsitzende des djb | Dr. Margarete Schuler-Harms Mitglied der Kommission Familienlastenausgleich |
1 Begründung zu Nr. 10 des Entwurfs.
2 Begründung zu Nr. 10 des Entwurfs.
3 BVerfGE 99, 216 (236).
4 Vgl. Begr. zu Nr. 6 des Entwurfs.
5 Vgl. amtl. Begr. zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom
14. 12. 1984, BT-Drucks. 10/1636, S. 55 ff., und amtl. Begr. zum
Steuersenkungsgesetz 1986/1988 vom 26. 6. 1985, BT-Drucks. 10/2884,
S. 96 f.; BVerfGE 61, 319.
6 BVerfGE 99, 216 (235 ff.).
7 Ein Beispiel bietet die Rechtsprechung zur
Schadensersatzregelung des § 844 Abs. 2 BGB, die den Aufwand
unterhaltsberechtigter Hinterbliebener mit den Kosten für eine
Ersatzkraft bemisst, deren Leistungen denen der verstorbenen Mutter
entsprechen. Eine andere Vergleichsregelung ist die
rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, die
mit 100% des Durchschnittseinkommens aller Beitragszahler in Ansatz
kommen. Auch die Berücksichtigung ursprünglichen und nun
entgangenen Einkommens der Erziehungsperson hätte näher gelegen als
gerade die Orientierung am Einkommen des Steuerpflichtigen, das in
vielen Fällen allein das Einkommen des Ehepartners ist.
8 Hierzu ist unter Az. 2 BvR 1781/00 eine
Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig.