Stellungnahme: 01-15


zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung (BT-Drucksache 14/6160) - Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 20.06.2001

Stellungnahme vom

 

 

Thesen und Kernforderungen des djb

 

 

 

 

Der Gesetzentwurf führt eine Fehlsteuerung, die durch Einführung

eines Betreuungsfreibetrages für alle Familien im 1.

Familienförderungsgesetz angelegt wurde, weiter fort. Er

diskriminiert damit besonders Familien mit zwei berufstätigen

Eltern und Ein-Eltern-Familien. Er diskriminiert zugleich die

Frauen, die in diesen Familien Erziehungs- und Erwerbstätigkeit

miteinander vereinbaren müssen. Diese Fehlsteuerung muss

vermieden werden.

 

 

 

 

Der djb fordert den Gesetzgeber auf,

 

  • Kosten der Kinderbetreuung wegen Erwerbstätigkeit, Ausbildung, Behinderung oder längerer Krankheit von der ersten Mark an und ohne Beschränkung der Höhe zum Abzug zuzulassen,
  • den Erziehungsbedarf nicht durch eine weitere Anhebung der Freibeträge zu berücksichtigen und statt dessen das Kindergeld um mindestens 25 Euro anzuheben,
  • die Erhöhung des Kindergeldes in jedem Fall auf dritte und weitere Kinder zu erstrecken,
  • vorzusehen, dass der geplante Betrag der Kindergelderhöhung nicht als Einkommen auf die Sozialhilfe angerechnet wird.

 

 

Die Gewährleistung des Kindesexistenzminimums erfordert außerdem

(insbesondere im Interesse der Kinder allein Erziehender) eine

Abstimmung des Unterhalts- und Sozialhilferechts mit den

Regelungen des Steuerrechts. Unterhaltsrechtlich sollten die

Grenzen der Kindergeldanrechnung auf den Barunterhalt (§ 1612b

Abs. 5 BGB) über 135 % des Regelbetrages hinaus angehoben

werden.

Die übergangsweise Beibehaltung des Haushaltsfreibetrags wird für

Ein-Eltern-Familien ausdrücklich begrüßt. Dagegen besteht kein

Grund, eine Übergangsregelung für nichteheliche

Lebensgemeinschaften mit Kindern zu schaffen und damit eine

verfassungswidrige Rechtslage aufrecht zu erhalten.

Der djb erinnert an die dringende Reformbedürftigkeit der

Ehebesteuerung. Er fordert die Abschaffung des

Ehegattensplittings und die Einführung der Individualbesteuerung.

 

 

 

 

Gliederung

 

 

 

  I.Allgemeines

 II.Berücksichtigung des

Betreuungsaufwands

III.Erziehungsfreibetrag und Erhöhung des

Kindergeldes

 IV.Reformbedürftigkeit des Unterhalts-

und Sozialhilferechts

  V.Berechnung des

Kindeseinkommens

 VI.Haushaltsfreibetrag und

Ehebesteuerung

 

 

 

I. Allgemeines

 

 

Der djb begrüßt das Ziel des Regierungsentwurfs zum Zweiten

Familienförderungsgesetz, durch einen Ausbau des

Kinderlastenausgleichs Familien weiter zu fördern.

Tatsächlich führt der Gesetzentwurf jedoch eine grundlegende

Fehlsteuerung, die durch Einführung eines Betreuungsfreibetrages

für alle Familien im 1. Familienförderungsgesetz angelegt wurde,

weiter fort. Dadurch werden bestimmte Familien, nämlich die mit

einem allein erziehenden Elternteil und die mit zwei

berufstätigen Eltern, diskriminiert. Gerade in diesen

Familienkonstellationen sind Eltern durch Erwerbstätigkeit und

Kinderbetreuung doppelt belastet. Da die Erziehungspersonen in

Zwei-Eltern-Familien und die Haushaltsvorstände in

Ein-Eltern-Familien überwiegend Frauen sind, benachteiligt der

Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung vor allem berufstätige

sowie allein erziehende Frauen. Zugleich verfehlt der

Gesetzentwurf seine ausdrückliche Zielsetzung, eine bessere

Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu schaffen und insbesondere

Frauen die Aufnahme einer Berufstätigkeit zu erleichtern

1. Schließlich benachteiligt der Gesetzentwurf unter

den genannten Familien die kinderreichen Familien ganz

besonders.

Damit versäumt es die Bundesregierung zugleich, positive Akzente

für die demografische Entwicklung und den Arbeitsmarkt zu setzen.

Die Geburtenentwicklung in den einzelnen europäischen Ländern

macht deutlich, dass die Geburtenraten dort am größten sind, wo

ein dichtes sozial- und steuerrechtliches Netz die Vereinbarkeit

von Familie und Beruf gewährleistet und die Frauen nicht an der

Erwerbsarbeit hindert. Sie sind umgekehrt dort am kleinsten, wo

Familienförderung selbst klein geschrieben wird und traditionelle

Familienleitbilder vorherrschen. Daran gemessen, steuert dieser

Regierungsentwurf die demografische Entwicklung eher negativ als

positiv. Zusätzlich wird die Chance vertan, in der Gruppe der

Frauen mittelfristig zusätzliche Arbeitskräfte für den

Arbeitsmarkt zu gewinnen.

 

 

II. Berücksichtigung des Betreuungsaufwands (zu Art. 1 Nr. 10

und Nr. 2)

 

 

 

 

In Nr. 10 regelt der Regierungsentwurf die Abzugsfähigkeit von

Kosten für Kinderbetreuung als außergewöhnliche Belastung, wenn

diese 1548 Euro überschreiten, bis zu maximal 1500 Euro pro Kind.

Die geplante Regelung ist jedoch völlig unzureichend und mit

einer modernen, familien- und frauenfreundlichen Konzeption des

Steuerrechts nicht vereinbar.

Dabei geht der djb mit dem Regierungsentwurf konform, dass

Betreuungskosten nur abzugsfähig sein sollten, wenn das Kind

unter 14 Jahre alt oder wegen einer Behinderung außer Stande ist,

sich selbst zu unterhalten. Angemessen ist auch der

Ausschlusstatbestand in § 33c Abs. 1 Satz 5 EStG-E, der die

Absetzbarkeit für Unterricht, die Vermittlung besonderer

Fähigkeiten sowie für Freizeitbetätigungen ausdrücklich

ausschließt; denn diese Bedarfe sind bereits durch den auf

Erziehung und Ausbildung entfallenden Teil des einheitlichen

Freibetrags nach § 32 Abs. 6 EStG-E abgedeckt.

Für Familien, in denen beide Eltern wegen Erwerbstätigkeit,

Ausbildung, Behinderung oder längerer Krankheit außer Stande

sind, die Kinder selbst zu betreuen, reichen die

Abzugsmöglichkeiten für Kosten der Betreuung durch Dritte aber

bei weitem nicht. Die nachgewiesenen Kosten der Kinderbetreuung

durch Dritte sollten vielmehr von der ersten Mark an, also ohne

Anrechnung des bisherigen Betreuungsfreibetrags, und in

unbegrenzter Höhe abzugsfähig sein.

 

 

 

 

1. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten ab der ersten

Mark

Der djb fordert, die Kosten der Kinderbetreuung in den Fällen des

§ 33c EStG-E für alle Familien von der ersten Mark an zum Abzug

zuzulassen. Zugleich ist klarstellend zu formulieren, dass der

Ansatz einer zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG

unterbleibt.

Die Bundesregierung legt zu Grunde, dass Kosten der Betreuung

durch Dritte in Höhe von 1548 Euro bereits durch den alten

Betreuungsfreibetrag abgedeckt seien 2. Sie ordnet

also bei Familien, die aus den genannten Gründen auf Betreuung

der Kinder durch Dritte angewiesen sind, die Kosten der

Drittbetreuung bis zur genannten Höhe in vollem Umfang dem

Betreuungsfreibetrag zu. Aber auch Eltern, die

Betreuungsleistungen Dritter in Anspruch nehmen, betreuen ihre

Kinder in erheblichem Umfang selbst. Häufig nimmt ein Elternteil

dabei sogar den teilweisen Ausfall eigenen Einkommens und den

Verzicht auf Qualifikation und beruflichen Aufstieg in Kauf, um

neben der Erwerbstätigkeit genügend Zeit für die Kinder zu

erübrigen. Die geplante Anrechnung diskriminiert diese Familien

gegenüber solchen, bei denen Kosten für Drittbetreuung nicht

entstehen. Ein konkretes Beispiel soll dies illustrieren: Der

derzeitige Betreuungsfreibetrag reicht mit 129 Euro (253 DM)

monatlich in vielen Bundesländern nicht einmal aus, um die Kosten

eines halbtägigen Kindergartenplatzes für eine durchschnittlich

verdienende Familie zu decken. Dennoch bleibt das Kind in

erheblichem zeitlichem Umfang darüber hinaus

betreuungsbedürftig.

Diese Ungleichbehandlung von Familien, die Betreuungskosten

gegenüber Dritten aufbringen müssen, mit solchen, in denen ein

Elternteil die Kinder ausschließlich betreut, verletzt

grundlegende Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG. Hiernach sind die

Familien frei in der Gestaltung des Familienlebens und in der

Entscheidung, wie sie ihre Kinder erziehen und betreuen. Diese

Gestaltungsfreiheit wird empfindlich eingeschränkt, wenn der

Betreuungsfreibetrag bei Familien, die entgeltliche

Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, die weiterhin

erforderliche Eigenbetreuung durch die Eltern ganz außer Betracht

lässt.

Diese Einschätzung des djb steht nicht in Widerspruch zur

Kinderbetreuungs-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von

1998 3. Das Gericht hat dort das Verfassungspostulat

einer Berücksichtigung von Kinderbetreuung nicht auf

Betreuungskosten beschränkt, die für Betreuung durch Dritte

aufzuwenden sind, sondern auf Familien erweitert, in denen ein

Elternteil die Kinder ausschließlich betreut. Dies ist bis heute

auf nahezu einhelligen Widerspruch der verfassungs- und

steuerrechtlichen Literatur gestoßen, unter anderem deswegen,

weil sich im Einkommensteuerrecht, das die Belastung von

Einkommen und die Abzugsfähigkeit von Ausgaben regelt,

persönlicher, unentgeltlicher Einsatz mit tatsächlich anfallenden

Kosten gar nicht vergleichen lässt. Auch der djb hält die

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Punkt nicht

für überzeugend. Doch selbst wenn man die (den Beschluss nicht

tragende) Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde

legt, trifft sie nicht den vorliegenden Fall: Der

Betreuungsfreibetrag wurde für alle Familien eingeführt,

gleichgültig ob sie ihre Kinder ausschließlich selbst betreuen

oder zusätzliche Leistungen Dritter in Anspruch nehmen. Beim

vorliegenden Gesetzentwurf geht es dagegen nur um die Frage der

zusätzlichen Absetzbarkeit real angefallener

Betreuungskosten als außergewöhnliche Belastungen.

Aus dem gleichen Grund ließe sich die Mindestgrenze von 1548 Euro

auch nicht damit begründen, es handle sich um eine Pauschale,

innerhalb derer es auf die konkret entstandenen Kosten nicht

ankommen solle (vergleichbar der Werbungskostenpauschale). Es

erhalten nämlich nicht nur Familien den Betreuungsfreibetrag, die

die Tatbestandsvoraussetzungen des § 33c EStG-E erfüllen.

Vielmehr steht er auch Familien zu, die gar keine

Betreuungskosten zum Abzug bringen könnten.

Auch beim Vergleich mit Art. 1 Nr. 9 b) des Regierungsentwurfs

zeigt sich die Ungerechtigkeit der gewählten Lösung. Bei in

Berufsausbildung befindlichen, auswärtig untergebrachten,

volljährigen Kindern kann nämlich sogleich ein Freibetrag in Höhe

von künftig 924 Euro (ca. 1808 DM) als Sonderbedarf pro Kind und

Jahr in Abzug gebracht werden (§ 33a Abs. 2 EStG-E), obwohl der

Ausbildungsbedarf schon im integrierten Freibetrag des § 32 Abs.

6 EStG-E Berücksichtigung finden soll 4. Ein

Mindestbetrag für die Abzugsfähigkeit ist hier gerade nicht

vorgesehen.

§ 33c EStG-E lässt überdies nicht erkennen, ob ein Abzug von

Betreuungskosten lediglich jenseits der Grenze "zumutbarer

Belastung" im Sinne des § 33 Abs. 3 EStG möglich sein soll oder

nicht. Die Rechtslage zur Abzugsfähigkeit von

Kinderbetreuungskosten nach § 33c a.F. war in diesem Punkt bisher

höchst umstritten, so dass der djb anregt, die volle

Abzugsfähigkeit positiv festzuschreiben. Die Problematik

entfällt, wenn die Betreuungskosten statt als außergewöhnliche

Belastungen als Sonderausgaben qualifiziert werden.

 

 

 

 

2. Keine Fehlsteuerung für kinderreiche Familien und

Alleinerziehende

So betrachtet, diskriminiert der Gesetzentwurf mit der Regelung

in Nr. 10 besonders kinderreiche Familien, die

Betreuungsleistungen Dritter in Anspruch nehmen. Obwohl die

Kosten hierfür zumeist nicht proportional mit der Zahl der Kinder

steigen, soll künftig dennoch der Betreuungsfreibetrag vorab für

jedes Kind auf diese Betreuungskosten angerechnet werden. Für

zwei Kinder sind Aufwendungen erst dann abzugsfähig, wenn sie

3096 Euro übersteigen, für drei Kinder erst ab 4644 Euro usw. Die

besondere Eigenleistung dieser Eltern findet daneben keine

steuerliche Berücksichtigung mehr. Die Diskriminierung von

Familien, die Kinder durch Dritte betreuen lassen, gegenüber

Familien, die die Kinder ausschließlich selbst betreuen, steigt

also mit zunehmender Kinderzahl.

Die geplanten Regelungen diskriminieren außerdem in besonderer

Weise Ein-Eltern-Familien, in denen die Erziehungsperson häufiger

erwerbstätig ist als bei zusammen lebenden Eltern. Die

Erwerbstätigkeit ist in vielen Fällen gerade deshalb notwendig,

weil der andere Elternteil keinen Kindes- und Betreuungsunterhalt

in ausreichender Höhe zahlt. Bei allein Erziehenden wird damit

der Betreuungsfreibetrag typischerweise durch die Aufwendungen

für die Betreuung der Kinder durch Dritte aufgezehrt. Dadurch

wird ihnen zugleich die Anerkennung für die eigene

Erziehungsleistung versagt, obwohl diese gerade in

Ein-Eltern-Familien besonders hohe Anforderungen an den

betreuenden Elternteil stellt. Die Diskriminierung dieser

Familien und - damit verbunden - die Diskriminierung von Frauen

ist offensichtlich.

Für Ein-Eltern-Familien verschärft sich die Fehlsteuerung des

Gesetzentwurfs durch die Abschaffung des § 33c EStG a.F., wonach

Kinderbetreuungskosten Alleinstehender in bestimmter Höhe

abzugsfähig waren. Die im 1. FamFG ersatzlos gestrichene Regelung

war 1985 gerade zu dem Zweck eingeführt worden, den erhöhten

Aufwand allein erziehender Steuerpflichtiger zu berücksichtigen

5. Das Bundesverfassungsgericht verwarf sie zwar in

der Kinderbetreuungsentscheidung von 1998 und setzte an ihre

Stelle den allgemeinen Betreuungsfreibetrag 6. Doch

beseitigte es damit nicht allein die Besserstellung

nichtehelicher Lebensgemeinschaften gegenüber Ehepaaren - worin

der djb der Entscheidung zustimmt - , sondern diskriminierte

zugleich wieder Ein-Eltern-Familien gegenüber kinderlosen Ehen

und ehelichen Familien.

Die geplanten Regelungen müssen auch im Zusammenhang mit dem

Ehegattensplitting gelesen werden. Das Splitting berücksichtigt

und begünstigt realwirtschaftlich den Umstand, dass einer der

Ehepartner einkommenslos bleibt, was heutzutage vorwiegend in

Ehen mit Kindern praktiziert wird. Sowohl die Ein-Eltern-Familie

wie auch die eheliche Familie erhalten den Betreuungsfreibetrag.

Jedoch kommen bei allein Erziehenden ausschließlich die zumeist

erforderlichen Betreuungskosten, nicht aber die ebenso

erforderliche und zudem besonders aufwendige Eigenbetreuung in

Ansatz. Während also bei ehelichen Familien die Eigenbetreuung

zumindest einmal steuerlich berücksichtigt wird, ist dies bei

Ein-Eltern-Familien zumeist gar nicht der Fall.

 

 

 

 

3. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten in

unbeschränkter Höhe

Der djb fordert, die Kosten der Kinderbetreuung in den Fällen des

§ 33c EStG-E für alle Familien in unbeschränkter Höhe zum Abzug

zuzulassen.Mit 1500 Euro (ca. 2934 DM) pro Kind und Jahr ist die

Höchstgrenze der Abzugsfähigkeit viel zu gering bemessen. Um bei

dem gewählten Beispiel zu bleiben: Der Abzugsbetrag deckt selbst

zusammen mit dem Betreuungsfreibetrag in vielen Bundesländern

nicht einmal die Kosten einer sechsstündigen Kinderbetreuung, die

eine Familie im oberen Spektrum gestaffelter Beiträge für eine

Tageseinrichtung aufzubringen hat. Eine erhebliche Belastung

stellt § 33c EStG-E in Verbindung mit der Abschaffung der

Abzugsmöglichkeit für hauswirtschaftliche

Beschäftigungsverhältnisse (§ 10 Nr. 8 EStG) in Nr. 2 des

Regierungsentwurfs dar. Der djb wendet sich nicht grundsätzlich

gegen die Aufhebung von § 10 Nr. 8 EStG. Diese Regelung war aus

Sicht der Familien schon deshalb nicht gerecht, weil sie

einerseits die Aufwendungen Kinderloser begünstigte, aber

andererseits Aufwendungen, die durch Kinderbetreuung außerhalb

des eigenen Haushalts entstanden, nicht berücksichtigte. Dennoch

bedeutet der Wegfall der Abzugsmöglichkeit eine erhebliche Härte

für solche Familien, die häusliche Kinderbetreuung im Vertrauen

auf die Regelung des § 10 Nr. 8 EStG organisiert haben, denn ihre

Abzugsmöglichkeit nach § 33c EStG-E läge in Zukunft ohne

nachvollziehbaren Grund nur noch bei einem Sechstel des

ursprünglichen Betrags.

Eine umfassende steuerliche Förderung privater

Kinderbetreuungslösungen ist schon deshalb geboten, weil die

Familien durch den Mangel an bedarfsgerechter Kinderbetreuung in

großem Umfang auf privat organisierte und bezahlte

Kinderbetreuung angewiesen sind. Die Abzugsfähigkeit von

Betreuungskosten erfolgt dabei nicht als Subvention oder sozialer

Transfer, sondern sie ist die schlüssige Konsequenz einer

Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Erst die

umfassende Abzugsmöglichkeit gibt außerdem die Chance, die

private Kinderbetreuung aus dem "grauen" Markt der

Kinderbetreuung heraus zu holen und heraus zu halten. Ein

positiver Effekt wären zusätzliche Steuereinnahmen aus den

privaten Beschäftigungsverhältnissen.

 

 

III. Erziehungsfreibetrag und Erhöhung des Kindergeldes

 

 

 

 

(zu Art. 1 Nr. 6, 7b und 19, Art. 2 Nr. 3)

Der djb tritt dafür ein, auf die in § 32 Abs. 6 EStG-E

vorgesehene Anhebung der Freibeträge für den Erziehungsbedarf zu

verzichten und statt dessen das Kindergeld weiter zu erhöhen.

Hier besteht ebenfalls eine Möglichkeit, die Fehlsteuerung durch

das 1. Familienförderungsgesetz zu korrigieren. Der im 1. FamFG

eingeführte Betreuungsfreibetrag berücksichtigt nämlich die

Kinderbetreuung abhängig vom Einkommen des Steuerpflichtigen, was

gerade für Eigenbetreuung durch die Eltern sachwidrig ist.

Vielmehr hätte es näher gelegen, für die Bemessung des

Betreuungsbedarfs von einem einheitlichen Betrag auszugehen und

diesen einer Erhöhung des Kindergeldes oder einer eigenständigen

Familienleistung zu Grunde zu legen 7. Gerade bei

Vereinheitlichung der Freibeträge bietet es sich an, diese

Korrektur nun vorzunehmen.

Die Erhöhung des Kindergeldes um 16 Euro (31,20 DM) ist deshalb

im Grundsatz zu begrüßen, doch reicht sie bei weitem nicht aus.

Der djb hält - auch unter Berücksichtigung des Ausbildungsbedarfs

(s.u. V.) - in diesem Reformschritt eine Erhöhung um mindestens

25 Euro für angemessen.

Die Kindergelderhöhung ist außerdem auf dritte und weitere Kinder

zu erstrecken. Die Regelungen in Art. 1 Nr. 19, Art. 2 Nr. 3 des

Gesetzentwurfs benachteiligen Familien mit drei und mehr Kindern,

die zudem überdurchschnittlich häufig unterhalb der Grenze

versteuerbaren Einkommens liegen werden und deshalb auf das

Kindergeld in besonderem Maße angewiesen sind. Gerade der

Erziehungsbedarf ist am einzelnen Kind orientiert und lässt auch

in kinderreichen Familien nur wenige Synergieeffekte zu. Die

Begründung der Bundesregierung, durch die Neuregelung werde die

"Zählkinderproblematik" verringert, rechtfertigt die

unterbliebene Kindergelderhöhung für dritte und weitere Kinder

nicht: Hier handelt es sich um einen vom Bundesverfassungsgericht

festgestellten, für jedes Kind bestehenden Bedarf im Bereich des

Existenzminimums. Für die Verminderung der

"Zählkinderproblematik" eignen sich nur Anhebungen, die nicht mit

diesem besonderen Bedarf begründet sind.

 

 

IV. Reformbedürftigkeit des Unterhalts- und

Sozialhilferechts

 

 

 

 

Der Verlängerung der Frist für die Nichtanrechnung des

Kindergelderhöhungsbetrags von 20 DM (Erhöhung zum 1. 1. 2001)

als Einkommen in der Sozialhilfe in Art. 3 des Entwurfs stimmt

der djb zu. Darüber hinaus sollte auch der neue Erhöhungsbetrag

in der endgültigen Fassung des 2. FamFG nicht als Einkommen in

der Sozialhilfe angerechnet werden, so lange das

sozialhilferechtliche Existenzminimum eines Kindes nicht

angehoben wird. Der djb gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken,

dass das Kindesexistenzminimum im Unterhalts-, Sozialhilfe- und

Steuerrecht nach wie vor unterschiedlich bemessen wird. Die

Regelungen des Kindesexistenzminimums sollten in allen

Rechtsgebieten systematisch aufeinander abgestimmt werden.

Unterhaltsrechtlich ist eine Erhöhung der Anrechnungsgrenzen des

Kindergelds auf den Barunterhalt über gegenwärtig 135 % des

Regelbetrags (§ 1612b Abs. 5 BGB) erforderlich.

 

 

V. Berechnung des Kindeseinkommens (zu Art. 1 Nr. 7a)

 

 

 

 

Bei der Berechnung des Kindeseinkommens sollte nicht an die

Legaldefinition der Einkünfte in § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG

angeknüpft, sondern der Begriff des Einkommens verwendet werden.

"Einkünfte" definieren sich als Überschuss der Einnahmen über die

Werbungskosten. Die Freistellung des Kindesexistenzminimums von

der Besteuerung und die Entlastung der Eltern erfordert aber,

dass z.B. auch Sonderausgaben (insbesondere Beiträge zur

Sozialversicherung) zum Abzug gebracht werden können.

Insbesondere bei Auszubildenden, die nicht unerhebliche

Sozialversicherungsbeiträge zu leisten haben, führt der Ansatz

der "Einkünfte" dazu, dass der Grenzbetrag rechnerisch

überschritten ist, obwohl tatsächlich dem Kind überhaupt keine

Beträge zur Verfügung gestanden haben, die es ihm ermöglichten

würden, sich selbst zu unterhalten. Damit bleiben die Eltern

tatsächlich weiter belastet 8.

 

 

VI. Haushaltsfreibetrag (zu Art. 1 Nr. 17) und

Ehebesteuerung

 

 

 

 

Die vorläufige Beibehaltung und stufenweise Abschmelzung des

Haushaltsfreibetrags in Nr. 17 befürwortet der djb ausdrücklich

im Sinne der Familien, in denen ein steuerpflichtiger Elternteil

allein mit den Kindern lebt und vorwiegend für sie verantwortlich

ist. Dagegen besteht kein Grund, die verfassungswidrige Lage bei

der Besteuerung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit

Kindern aufrecht zu erhalten. Der Anwendungsbereich der

Übergangsregelung lässt sich deshalb - auch und gerade angesichts

der neu eingeführten Freibeträge und Kindergelderhöhungen - auf

die Gruppe der Ein-Eltern-Familien, die in einem Haushalt

zusammen leben, beschränken.

In diesem Zusammenhang erinnert der djb erneut an die dringende

Reformbedürftigkeit der Ehebesteuerung. Das Ehegattensplitting

fördert in seiner bestehenden Form die Hausfrauenehe ohne

Rücksicht darauf, ob in der Ehe Kinder aufwachsen oder nicht. Die

konkrete Gestaltung diskriminiert eheliche Familien, in denen

beide Eltern Einkommen haben, und vernachlässigt den besonderen

Bedarf der Ein-Eltern-Familien. Diese Form steuerlicher

Eheförderung ist nicht länger verfassungsgemäß.

 

 

 

 

Bonn, den 15. Juni 2001

 

Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende des djb
Dr. Margarete Schuler-Harms
Mitglied der Kommission Familienlastenausgleich

 

 


 

1 Begründung zu Nr. 10 des Entwurfs.

2 Begründung zu Nr. 10 des Entwurfs.

3 BVerfGE 99, 216 (236).

4 Vgl. Begr. zu Nr. 6 des Entwurfs.

5 Vgl. amtl. Begr. zum Steuerbereinigungsgesetz 1985 vom

14. 12. 1984, BT-Drucks. 10/1636, S. 55 ff., und amtl. Begr. zum

Steuersenkungsgesetz 1986/1988 vom 26. 6. 1985, BT-Drucks. 10/2884,

S. 96 f.; BVerfGE 61, 319.

6 BVerfGE 99, 216 (235 ff.).

7 Ein Beispiel bietet die Rechtsprechung zur

Schadensersatzregelung des § 844 Abs. 2 BGB, die den Aufwand

unterhaltsberechtigter Hinterbliebener mit den Kosten für eine

Ersatzkraft bemisst, deren Leistungen denen der verstorbenen Mutter

entsprechen. Eine andere Vergleichsregelung ist die

rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten, die

mit 100% des Durchschnittseinkommens aller Beitragszahler in Ansatz

kommen. Auch die Berücksichtigung ursprünglichen und nun

entgangenen Einkommens der Erziehungsperson hätte näher gelegen als

gerade die Orientierung am Einkommen des Steuerpflichtigen, das in

vielen Fällen allein das Einkommen des Ehepartners ist.

8 Hierzu ist unter Az. 2 BvR 1781/00 eine

Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig.