Stellungnahme: 01-10


zu dem Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 2298/94 (Berechnung des Geschiedenenunterhalts)

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) bedankt sich für die Gelegenheit, in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren Stellung nehmen zu können:

I. Vorbemerkung

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Berechnung des Geschiedenenunterhalts.

Beschwerdeführer sind der Unterhaltspflichtige sowie seine zweite Ehefrau, die von den angegriffenen familiengerichtlichen Entscheidungen mittelbar betroffen ist.

Dabei geht es zum einen darum, ob die Erhöhung des Einkommens durch den Steuervorteil, der dem Unterhaltsverpflichteten, hier also dem Ehemann, deshalb entsteht, weil er nach der Scheidung seiner ersten Ehe erneut heiratet und in der neuen Ehe Alleinverdiener ist, bei der Bemessung des Unterhalts dergeschiedenen Ehefrau zu deren Gunsten berücksichtigt werden darf. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass ihnen hier auf unterhaltsrechtlicher Ebene genommen wird, was ihnen aufgrund des in Art. 6 GG enthaltenen Schutzgebotes steuerrechtlich zusteht. Sie sehen einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 und 4 GG darin, dass der ihnen aufgrund ihrer Ehe zustehende Steuervorteil nicht allein der zweiten Ehe des Beschwerdeführers zu 1., also ihrer gemeinsamen Ehe, vorbehalten bleiben soll. Zugleich liege darin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit anderen Ehepaaren (Art. 3 Abs. 1 GG).

Des weiteren wird als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG  gerügt, dass nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts weitere, nach Ende der ersten Ehe hinzukommende Unterhaltslasten für Kinder (hier: aus der Ehe der beiden Beschwerdeführer) bei der Bemessung des Unterhalts der geschiedenen Ehefrau keine Rolle spielen sollen.

Es geht also um die unterhaltsrechtliche Verarbeitung der seriellen Monogamie, die mit dem nach wie vor bestehenden Postulat der lebenslangen Ehe (§ 1353 Abs. 1 S. 1 BGB) in tatsächlichem Widerspruch steht, um die Anpassung von Unterhaltsrecht und Steuerrecht und schließlich um die Wirkweise der Ehegattenbesteuerung und die damit verbundene Mythenbildung.

Vorab möchte der Deutsche Juristinnenbund darauf hinweisen, dass das vorliegende Verfassungsbeschwerdeverfahren engen Bezug zu den Verfahren 1 BvR 105/95, 559/95 und 457/96 aufweist. Die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts Waiblingen und auch des OLG Stuttgart beruhen nicht nur auf der von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Ermittlung des unterhaltspflichtigen Nettoeinkommens unter Einbeziehung des aus der zweiten Ehe resultierenden steuerlichen Splittingvorteils, sondern genauso auf der - in den oben angegebenen Verfahren - als verfassungswidrig gerügten Unterhaltsberechnungsmethode, nämlich auf der Anwendung der Anrechnungsmethode. Auch wenn die Beklagte des Ausgangsverfahrens nicht gleichfalls Verfassungsbeschwerde erhoben hat, kann doch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sie sich im Ausgangsverfahrens gegen die Anwendung der Anrechnungsmethode gewendet hat (ihre Stellungnahme im Verfassungsbeschwerdeverfahren ist hier leider nicht bekannt).

Das angegriffene amtsgerichtliche Urteil beispielsweise spricht der Beklagten des Ausgangsverfahrens, die nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat und nun neben der Betreuung eines aus der geschiedenen Ehe stammenden Kindes eigenes Einkommen erzielt, noch einen restlichen Unterhaltsanspruch von 970,00 DM zu. Hätte der Amtsrichter, dem Vortrag des Beschwerdeführers zu 1. folgend, statt Einkommensteuer nach der Splittingtabelle (23.588,00 DM ESt.; 1.878,00 KiSt [1].) Einkommensteuer nach der Grundtabelle (32.850,00 DM [2]) und entsprechend erhöhte Kirchensteuer (8 % = 2.628,00 DM) (Differenz im Jahr 1993: 10.012,00 DM) vom Bruttoeinkommen des Beschwerdeführers zu 1. in Abzug gebracht, wäre dessen Einkommen monatlich nur mit 7.380,41 DM anzunehmen gewesen anstelle der vom Amtsgericht zugrunde gelegten 8.214,00 DM. Für Unterhalt der geschiedenen Ehefrau hätten dann nicht 4.940.00 DM, sondern lediglich, wenn man die übrigen Abzugsposten unverändert beibehält, 4.108,41 DM zur Verfügung gestanden. Das Amtsgericht hat die Anrechnungsmethode angewendet, dem folgend würde man nun anhand des verbleibenden Einkommens des Beschwerdeführers zu 1., also von 4.108,41 DM, die Hälfte als Bedarf der geschiedenen Ehefrau annehmen. Das wären 2.054,20 DM. Diesen Bedarf konnte sie durch - anrechenbare - eigene Einkünfte in Höhe von 1.500,00 DM netto decken, es verbliebe ein ungedeckter Bedarf – und Unterhaltsanspruch – in Höhe von 554,20 DM.

Wenn man also allein der Argumentation der Beschwerdeführer folgte, ergäbe sich durch die von ihnen gerügte Einkommensberechnungsmethode (in der amtsgerichtlichen Entscheidung ist die Belastung durch den Unterhalt für 2 Kinder berücksichtigt, die weitere Rüge richtet sich allein gegen die oberlandesgerichtliche Entscheidung) eine nach Auffassung der Beschwerdeführer verfassungswidrig begründete Mehrbelastung des Beschwerdeführers zu 1. von 415,80 DM monatlich, sicher ein nicht unerheblicher Nachteil.

Würde man allerdings mit den gleichen Zahlen, also unter Berücksichtigung der Rüge der Beschwerdeführer, aber unter Anwendung der Differenzmethode rechnen, käme man zu dem Ergebnis, dass selbst bei einem geringeren zu berücksichtigenden Einkommen des Beschwerdeführers zu 1., nämlich den um den Splittingvorteil bereinigten Einkünften, beide angegriffenen Entscheidungen der Beklagten des Ausgangsverfahrens einen zu geringen Unterhalt zusprechen.

Am Beispiel der amtsgerichtlichen Entscheidung sei dies aufgezeigt:

Das nach Abzug der vom Amtsgericht im übrigen beachteten Positionen und der erhöhten Steuer nach der Grundtabelle (= Begehr des Beschwerdeführers) verbleibende monatliche Resteinkommen des Beschwerdeführers zu 1. beläuft sich auf 4.108,41 DM.

Die Beklagte des Ausgangsverfahrens erzielt anrechenbares Nettoeinkommen von 1.500,00 DM
Differenz beider Einkünfte: 2.608,41 DM.

Von diesem Unterschiedsbetrag stünde der Beklagten des Ausgangsverfahrens üblicherweise eine Quote von 3/7 zu, das wären also 1.117,89 DM.

Bei sozusagen vollständig verfassungskonformer Berechnung - Berücksichtigung der nach Scheidung der Erstehe erhöhten Steuerlast, ungeachtet des tatsächlichen Absinkens der Steuerlast aufgrund erneuter Eheschließung einerseits; Nichtanwendung der jedenfalls in den oben genannten Verfahren als verfassungswidrig gerügten Anrechnungsmethode, die auch der BGH demnächst wohl aufgeben dürfte - hätte die Beklagte des Ausgangsverfahrens gegenüber dem ausgeurteilten Unterhalt von 970,00 DM

einen um 147,89 DM erhöhten Unterhaltsbetrag zu beanspruchen.

Unterstellt, die vorliegende Verfassungsbeschwerde hätte Erfolg, würde dieser allein auf der Anwendung einer womöglich in anderem Zusammenhang für verfassungswidrig zu erklärenden Unterhaltsberechnungsmethode beruhen. Dies lässt es zumindest für den Deutschen Juristinnenbund als fraglich erscheinen, ob ausgerechnet das vorliegende Verfahren zur Entscheidung über die gerügten Verfassungsverstöße geeignet erscheint. Aus Sicht der Beklagten des Ausgangsverfahrens würde ein verfassungswidriges, sie ohnehin bereits benachteiligendes Ergebnis (nach ihrer Auffassung hätte das Amtsgericht ihr unter Zugrundelegung der in der Entscheidung ermittelten Zahlen, aber bei Anwendung der Differenzmethode wenigstens 1.474,00 DM an Unterhalt zusprechen müssen), noch weiter verschärft.

Es wird im übrigen noch aufzuzeigen sein, dass die von den Beschwerdeführern für sich in Anspruch genommenen Argumente nur dann durchgreifen, wenn man sie nicht gleichzeitig im Zusammenhang mit der anderweitig angegriffenen Unterhaltsberechnungsmethode - Anrechnungsmethode - für unerheblich halten möchte.

II. Die einfachrechtliche Situation zur Berücksichtigung der Steuerlast bei der Bemessung des unterhaltsrelevanten Einkommens, insbesondere nach Wiederheirat des Unterhaltsschuldners, stellt sich in der Rechtsprechung wie folgt dar:

1. Die Gewährung von Unterhalt setzt voraus, dass die anspruchstellende Person bedürftig (§§ 1602 Abs. 1, 1569 i.V.m. § 1577 Abs. 1 BGB) und die in Anspruch genommene leistungsfähig ist (§§ 1603 Abs. 1, 1581 BGB). Der Unterhalt ist vorrangig aus dem laufenden Einkommen zu bestreiten, unter bestimmten Umständen auch aus dem Vermögen, was vorliegend jedoch ohne Bedeutung ist. Im Zusammenhang der Verfassungsbeschwerde kommt es allein auf die Definition und Bemessung des unterhaltspflichtigenEinkommens an.

Ungeachtet seiner entscheidenden Bedeutung ist der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff im Gesetz nicht bestimmt[3]. Daher ist seine nähere Definition Aufgabe der Rechtsprechung und letztlich Gegenstand fast jeden Unterhaltsprozesses.

Grundsätzlich ist jeder - regelmäßige oder unregelmäßige - Mittelzufluss Einkommen, das der Pflichtige für Unterhaltszwecke einsetzen muss [4]. Die Grenzen seiner Belastbarkeit werden dabei von mehreren Eckpunkten aus gesetzt: dem Unterhaltspflichtigen müssen diejenigen Anteile seiner Einkünfte belassen bleiben, die er selbst für seinen eigenen - notwendigen oder angemessenen - Unterhalt benötigt (§§ 1603, 1581 BGB, sog. Selbstbehalt), die er für den Erwerb und die Sicherung seiner Einkünfte aufwenden muss (insbesondere berufsbedingte Aufwendungen und Vorsorgeaufwand) und schließlich derjenige Teil, den er zur Erfüllung anderer unvermeidbarer Verpflichtungen benötigt. Dazu gehören neben möglichen anderweitigen Unterhaltspflichten vor allem öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die mit der Einkünfteerzielung untrennbar verbunden sind, also insbesondere die Belastung des Einkommens durch Steuern (§ 2 EStG). Die für diese Zwecke vom Unterhaltspflichtigen aufzuwendenden Anteile seines Einkommens stehen für die Erfüllung von Unterhaltsansprüchen nicht zur Verfügung, verfügbar ist allein das sog. unterhaltspflichtige (bereinigte) Nettoeinkommen, wobei dieses allerdings mit dem steuerlichen Nettoeinkommen nicht gleichgesetzt werden kann [5].

2. Der Einkommensbegriff des Unterhaltsrechts ist weiter als der steuerliche Einkommensbegriff. Während die in § 2 EStG genannten sieben Einkommensarten eine abschließende Aufzählung der steuerpflichtigen Einkünfte darstellt, sind grundsätzlich alle Mittelzuflüsse unterhaltspflichtiges Einkommen, so etwa insbesondere Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld und Krankengeld, die nicht steuerpflichtig sind (auf die Auswirkungen des Progressionsvorbehalts (§ 32 b EStG) kommt es vorliegend nicht an), aber sehr wohl unterhaltspflichtiges Einkommen darstellen[6]. Da unterhaltsrechtlich jeder Mittelzufluss Einkommen ist, soll es auf die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung des Mittelzuflusses grundsätzlich nicht ankommen [7]. Selbst krankheitshalber zugewendete Leistungen wie etwa Blindengeld sind unterhaltspflichtiges Einkommen, § 1610 a BGB [8] nimmt derartige Sozialleistungen nicht grundsätzlich von der Unterhaltspflicht aus, zugunsten des Sozialleistungsempfängers wird lediglich eine gesetzliche Vermutung dahin aufgestellt, dass die durch die Krankheit/Behinderung entstehenden Kosten nicht geringer sind als die Höhe der fraglichen Sozialleistungen. Wenn der Anspruchsteller aber beweisen kann, dass die Sozialleistungen vom Unterhaltspflichtigen etwa nicht vollen Umfangs für die krankheitsbedingten Kosten aufgewendet, sondern auch zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden, steht der Restbetrag für Unterhaltszwecke zur Verfügung [9].

3. Der Unterhalt ist üblicherweise monatlich im Voraus in Form einer Geldrente zu erbringen (§§ 1612 Abs. 1 und 3, 1361 Abs. 4 S. 1 und 2, 1585 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB). Die Verpflichtung, Unterhalt zu zahlen, setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene in dem Zeitraum, für den Unterhalt verlangt wird, auch leistungsfähig ist.

Dies würde in Anbetracht des Umstandes, dass der Unterhalt vorwiegend aus dem laufenden Einkommen bestritten werden muss, grundsätzlich den monatlichen Abgleich von Bedarf und Leistungsfähigkeit erfordern. Aus Praktikabilitätsgründen wird jedoch im Rahmen des bestehenden Dauerschuldverhältnisses die Leistungsfähigkeit in größeren Zeiträumen bestimmt. Regelmäßig wird die Höhe des künftig zu zahlenden Unterhalts anhand eines Monatsnettoeinkommens errechnet, das aus dem Durchschnitt des letztvergangenen Jahres (bei Einkünften aus vorwiegend nichtselbstständiger Tätigkeit) bzw. der letzten drei Jahre (bei Einkünften aus selbstständigen Tätigkeiten, aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen) ermittelt wird, wobei darin zugleich eine Prognose sowohl in Bezug auf die künftig erzielbaren Einkünfte wie auch die künftig zu erwartenden berücksichtigungsfähigen Belastungen des Unterhaltspflichtigen liegt.

4. Die Steuer auf Einkommen wird periodisch erhoben, und zwar grundsätzlich im Nachhinein auf das Einkommen, das im Vorjahr erzielt worden ist (§ 25 Abs. 1 EStG). Die Steuerpflichtigen haben auf die voraussichtlich entstehende Steuerschuld Vorauszahlungen zu entrichten bzw. sind diese für ihre Rechnung abzuführen (§§ 37, aber auch 38ff., 43ff. EStG). Das bedeutet, dass die tatsächliche Höhe der in einem Jahr geschuldeten Steuer erst im Nachhinein festgestellt wird, laufend aber bereits Steuer einbehalten bzw. abgeführt wird. Häufig oder regelmäßig wird zudem diein einem Veranlagungszeitraum abgeführte Steuer mit derfür diesen Veranlagungszeitraum geschuldeten Steuer nicht identisch sein. Die jeweils konkret geschuldete Steuer auf die Summe der Einkünfte setzt sich also zusammen aus den für den Veranlagungszeitraum geleisteten Vorauszahlungen und den später nachgeforderten oder erstatteten Steuerbeträgen.

Dieser Umstand ist für die Berechnung des unterhaltspflichtigen Nettoeinkommens von erheblicher Bedeutung und ebenfalls immer wiederkehrender Streitpunkt: soll das Nettoeinkommen durch Abzug der für ein Jahr geschuldeten Steuer oder derin diesem Jahr tatsächlich gezahltenSteuerbeträge bemessen werden?

Der BGH beantwortet diese Frage ist ständiger Rechtsprechung dahin, dass die tatsächlich gezahlte Steuer vom Einkommen abzuziehen ist [10]. Beispiel: der Unterhaltspflichtige hat im Jahr 1 mit gesamt 25.000,00 DM aufgrund nicht näher interessierender Umstände Steuervorauszahlungen geleistet, die 5.000,00 DM über der tatsächlich geschuldeten Steuer (20.000,00 DM) lagen. Im Jahr 2 bekommt er daher die im Jahr 1 zuviel gezahlte Steuer (5.000,00 DM) erstattet. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im Jahr 1 die eigentlich zu hohe Steuer (25.000,00 DM) vollständig vom (Brutto)Einkommen in Abzug zu bringen; im Jahr 2 verringert sich die Vorauszahlung (auf 20.000,00 DM). Zugleich erhöht der Erstattungsbetrag (5.000,00 DM), weil ebenfalls Einkommen, die für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkünfte. Die berücksichtigte Steuerlast im Jahr 2 beträgt 15.000,00 DM. Entsprechend erhöht sich der mittels prozentualer Quote vom Einkommen ermittelte Ehegattenunterhaltsanspruch.

Hauptargument des BGH ist die fehlende Prognosesicherheit: im laufenden Kalenderjahr sei regelmäßig nicht erkennbar, was letztlich an Einkommensteuer geschuldet werde [11]. Daher könne die Leistungsfähigkeit nur nach den tatsächlich abgeführten Steuerbeträgen bestimmt werden, spätere Veränderungen könnten in der Regel erst dann beachtet werden, wenn sie tatsächlich eingetreten sind [12], also mit der (bestandskräftigen) steuerlichen Veranlagung.

Diese Rechtsprechung des BGH hat aus vielerlei Gründen Kritik erfahren, vor allem deshalb, weil der BGH bei der Bemessung des Einkommens Selbstständiger von vielerlei Fiktionen ausgeht, aber trotzdem die reale und nicht eine angepassten Steuerlast bei der Einkommensbemessung zugrunde legt. [13]. Darauf kommt es aber zunächst nicht an.

Zu beachten ist allerdings, dass die vorgeschilderte Rechtsprechung des BGH eine Ausnahme kennt: Steuerersparnisse aufgrund nicht berücksichtigungsfähiger Aufwendungen des Unterhaltsschuldners für seine Vermögensbildung müssen außer Ansatz bleiben [14]. Die anteilige Steuerersparnis kommt der Unterhaltsberechtigten nicht zugute, es wird nicht der tatsächliche, sondern der um die Steuerersparnis erhöhte (fiktive) Steuerbetrag in Ansatz gebracht, der das Einkommen des Pflichtigen belasten würde, wenn er die unterhaltsrechtliche nicht abzugsfähigen Aufwendungen auch steuerlich nicht geltend machen würde [15]. Dies gilt auch für andere Steuerersparnisse, die allein aufgrund von Verlusten entstehen, die der Unterhaltsberechtigte sich nicht entgegenhalten lassen muss, wie etwa bei hohen Verlusten aus Vermietung und Verpachtung, weil der Unterhaltspflichtige nun gerade im Jahr der Trennung erhebliche Reparaturen hat vornehmen lassen, die zeitlich anders hätten verteilt werden können [16]. Dieser Grundsatz dürfte letztlich für alle unterhaltsrechtlich nicht relevanten Aufwendungen gelten: so wenig, wie diese das unterhaltspflichtige Einkommen reduzieren, so wenig wird es durch die darauf beruhenden Steuervorteile erhöht.

5. Wie im Unterhaltsrecht ist auch im Steuerrecht Leistungsfähigkeit des in Anspruch Genommenen ein maßgebliches Kriterium [17]. Die steuerliche Leistungsfähigkeit wird durch privat verursachten Aufwand grundsätzlich nicht beeinflusst (§ 12 EStG). Dem Steueranspruch dürfen vorrangig die zur Einkünfteerzielung erforderlichen Aufwendungen entgegengehalten werden, aber etwa auch -  in bestimmtem Umfang - der zur Absicherung der Erwerbsquelle notwendige Aufwand (Vorsorgeaufwand). Allerdings muss der Fiskus auch die dem Steuerpflichtigen aufgrund gesetzlicher Vorgaben entstehenden unvermeidlichen Belastungen in gewissem Umfang berücksichtigen. Dazu gehören jedenfalls die aufgrund bestehender Ehe sich ergebenden Unterhaltsverpflichtungen.

Der Steuerpflichtige kann diese nun nicht in ihrer je konkreten Höhe von seinem Einkommen in Abzug bringen. Vielmehr wird der aus der bestehenden Ehe folgenden Unterhaltsverpflichtung dadurch Rechnung getragen, dass die Eheleute, anders als alle anderen Steuerpflichtigen, die Zusammenveranlagung wählen können (§ 26 Abs. 1 i.V.m. § 26 b EStG). In diesem Falle werden ihre zusammenveranlagten Einkünfte nach einem gesonderten Tarif, dem sog. Splittingtarif (§ 32 a Abs. 5 EStG) und nicht nach dem Grundtarif versteuert. Dadurch soll eine Benachteiligung von verheirateten gegenüber ledigen Steuerpflichtigen vermieden werden.

Das Ehegattensplitting dient als Entlastung für jene, die mit ihrem Einkommen ihren Ehegatten unterhalten müssen, wobei es auf das Vorhandensein von Kindern nicht ankommt. Je mehr Einkommen der andere Ehegatte hat, desto weniger tritt durch das Splitting Entlastung ein. Bei gleich hohen Einkünften beider Eheleute tritt kein Vorteil ein, es wird lediglich eine Gleichbehandlung mit nicht verheirateten Steuerpflichtigen gewährleistet: durch den Splittingtarif führt die Zusammenrechnung der Einkünfte nicht zu einer verfassungswidrigen steuerlichen Mehrbelastung [18].

Tabelle: Splittingeffekte (Steuertarif 2000/2001)

ZVE

Ehegatte 1

DM

ZVE

Ehegatte 2

DM

Grundtabelle E Ehegatte 1

DM

Grundtabelle

Ehegatte 2

DM

Summe Steuer E 1 und E 2 DM

Splittingtabelle

DM

Differenz

DM

  50.000,00

  50.000,00

  10.497,00

  10.497,00

  20.994,00

  20.994,00

           0,00

  70.000,00

  30.000,00

  17.784,00

    4.298,00

  22.082,00

  20.994,00

    1.088,00

100.000,00

           0,00

  30.690,00

           0,00

  30.690,00

  20.994,00

    9.696,00

Die maximale Entlastung bei Einkommen, die nach dem Spitzensteuersatz belastet sind (§ 32 a Abs. 1 S. 2 Nr. 4 EStG) beträgt gegenwärtig 20.577,00 DM.

ZVE

Ehegatte 1

DM

ZVE

Ehegatte 2

DM

Grundtabelle E Ehegatte 1

DM

Grundtabelle

Ehegatte 2

DM

Splittingtabelle

DM

Differenz

DM

229.392,00

            0,00

  96.415,00

           0,00

  75.838,00

  20.577,00

Die unterhaltsberechtigte Person wird allein geschützt durch die steuerliche Entlastung der unterhaltspflichtigen Person. Steuersystematisch hat sie keinen Anspruch auf Auskehr des Splittingvorteils. Es handelt sich hier um das übliche Problem der Subvention durch Steuern: nur demjenigen fließt etwas zu, der auch steuerpflichtig ist.

Wählte eine Hausfrau und Mutter ohne eigene Einkünfte die getrennte Veranlagung (§ 26 b EStG), bekommt sie ungeachtet ihrer familiären Leistung vom Finanzamt nichts erstattet, weil sie auf ihre nicht vorhandenen Einkünfte auch keine Steuer schuldet. Die steuerliche Entlastung der nicht erwerbstätigen Hausfrau und Mutter beträgt „Null“, die Anerkennung ihrer familiären Leistungen durch das Splittingverfahren kann allenfalls mental wirken.

Steuerrechtlich steht es den Eheleuten im übrigen frei, ob sie die Zusammenveranlagung wählen oder davon absehen. Familienrechtlich soll diese Freiheit nicht bestehen: grundsätzlich besteht, abgeleitet aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, die gegenseitige Verpflichtung, einerseits dem anderen Teil bei der Vermeidung von finanziellen Belastungen behilflich zu sein, soweit man selbst hierdurch keine Nachteile erfährt und andererseits eine Obliegenheit, die Einkommensverhältnisse im Rahmen des Machbaren möglichst günstig zu gestalten. Die nicht erwerbstätige Ehefrau ist also gehalten, der Zusammenveranlagung zuzustimmen und macht sich schadensersatzpflichtig, wenn sie dies ohne Grund verweigert.[19].

Auch zivilrechtlich hat sie gegenüber ihrem Ehemann keinen direkten Anspruch auf Beteiligung an dem ihm aufgrund des Splittingtarifs allein zufallenden finanziellen Vorteil.

Sie kann lediglich erwarten, dass der andere Ehegatte die ihm zufließenden Mittel dem Familienunterhalt zuführt, so dass sie darüber mittelbar in den Genuss der nur ihm allein gewährten Steuervergünstigung kommt.

Auch wenn es für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung ist, sei darauf hingewiesen, dass auch die sog. mitverdienende Ehefrau und Mutter keinerlei eigenen steuerlichen Vorteil aus dem Splittingverfahren zieht, sondern im Gegenteil in der absoluten Mehrzahl der Fälle gegenüber einer Versteuerung ihres Einkommens nach der Grundtabelle eine steuerliche Mehrbelastung in Kauf nehmen muss. Dies liegt in der Ausgestaltung des Vorauszahlungssystems über die Lohnsteuer. Die Gestaltung der Lohnsteuerklassen führt dazu, dass der Splittingvorteil allein bei dem Mehrverdiener anfällt. Bei Wahl der Steuerklassen IV/IV in einer bestehenden Ehe werden die Einkünfte beider Ehegatten laufend mit Vorauszahlungen nach der Grundtabelle belastet. Die Wahl der Steuerklassen III einerseits und V andererseits hat zur Folge, dass der geringer verdienende Ehegatte weit höhere Vorauszahlungen auf sein Einkommen entrichtet, als er -  typischerweise: sie - auf ein Einkommen gleicher Höhe zu entrichten hätte, wenn sie sich nicht mit ihrem Ehemann zusammen veranlagen lassen würde [20].

Zivilrechtlich besteht auch hier wiederum kein interner Ausgleichsanspruch: die Ehefrau leistet verhältnismäßig höhere Vorauszahlungen auf die gemeinsame Steuerschuld, partizipiert dafür im Wege des Familienunterhaltsanspruchs an dem - durch verhältnismäßig geringere Steuerlast - höheren Einkommen ihres Ehemannes [21].

Dem getrenntlebenden (steuerehrlichen) und dem geschiedenen Steuerpflichtigen steht die Möglichkeit der Zusammenveranlagung mit dem anderen (Ex)Ehegatten nicht mehr offen. Die nach der Trennung oder auch nach der Scheidung möglicherweise fortbestehende Unterhaltsbelastung aus dieser Ehe kann dann nicht mehr durch Anwendung eines anderen Steuertarifs berücksichtigt werden, sondern nur noch als - beschränkt abzugsfähige - Sonderausgabe (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sog. begrenztes Realsplitting): der tatsächlich gezahlte Ehegattenunterhalt kann bis zu einem Höchstbetrag von gegenwärtig 27.000,00 DM pro Jahr vom Einkommen abgesetzt werden [22]. Das verbleibende - steuerpflichtige - Einkommen muss der Unterhaltspflichtige nach der Grundtabelle versteuern.

Heiratet der Steuerpflichtige ein weiteres Mal, hat er wiederum die Möglichkeit, mit dem neuen Ehegatten die Zusammenveranlagung zu wählen und kommt nun erneut in den Genuss des Splittingtarifs. Soweit er noch Unterhalt an die geschiedene Ehefrau zu zahlen hat, steht ihm insoweit zusätzlich die Möglichkeit des Sonderausgabenabzuges (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu.

Der überwiegende Regelfall, in dem der Unterhaltspflichtige vor allem Einkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt und der Arbeitgeber folglich für ihn Lohnsteuer abführt (§§ 38ff. EStG), gestaltet sich danach wie folgt: während des Zusammenlebens mit Ehegatte Nr. 1 wählt der Steuerpflichtige idealtypisch Steuerklasse III [23], im Jahr nach der Trennung muss er sich die Steuerklasse I auf der Steuerkarte eintragen lassen, weil er zur Zusammenveranlagung nicht mehr berechtigt ist [24]. Diese behält er auch nach der Scheidung. Im Jahr der neuen Eheschließung wird er sich wiederum Steuerklasse III eintragen lassen, meist unter der Voraussetzung, dass der jeweils andere Ehegatte nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig war bzw. ist.

Der Splittingvorteil tritt also allein aufgrund der jeweils bestehenden Ehe ein, es kommt nicht darauf an, ob es sich um die erste, zweite oder eine weitere Ehe handelt. Die unterhaltsrechtlichen Folgen der Vorehe(n) werden allein über das sog. Realsplitting erfasst.

Die Belastung durch den Unterhalt für Kinder wirkt sich steuerlich - außer über das nun als Steuererstattung ausgestaltete Kindergeld - nicht aus.

6. Die Veränderungen der steuerlichen Belastung sind für die Bemessung des unterhaltspflichtigen Nettoeinkommens von Bedeutung. Der BGH stuft zwar die Leistungsfähigkeit des getrennt lebenden oder geschiedenen Unterhaltspflichtigen zunächst nach Steuerklasse I ein, lehnt es aber ab, den Unterhaltspflichtigen nach der Scheidung grundsätzlich immer nach Steuerklasse I (Grundtabelle) einzustufen, auch wenn dessen steuerlich maßgebliche tatsächliche Lebensverhältnisse sich verändert haben [25]. Da der BGH die Höhe des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens grundsätzlich durch Abzug der tatsächlich gezahltenSteuern errechnet, wird der sich trennenden Ehefrau Nr. 1 im Jahr der Trennung (Zusammenveranlagung ist noch möglich) Unterhalt nach einem Einkommen des Pflichtigen zugesprochen, das nach Steuerklasse III (Splittingtabelle) versteuert wird, ab dem auf die Trennung folgenden Jahr und nach der Scheidung der Unterhaltsbemessung ein Einkommen zugrunde gelegt, das der Pflichtige nach Steuerklasse I (Grundtabelle) versteuert[26] und die tatsächlich nach erneuter Eheschließung aufgrund der dann möglichen erneuten Wahl der Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingtarifs sinkende Steuerlast wird zum Anlass genommen, den Unterhaltsanspruch der ersten Ehefrau (wieder) anzuheben, weil die tatsächlich gezahlten Steuern gesunken sind und das unterhaltspflichtige Einkommen demzufolge gestiegen ist[27]. Die Unterhaltslast gegenüber der zweiten Ehefrau tritt wegen § 1582 BGB zunächst als unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähige Belastung zurück.

Zur weiteren Begründung seiner Auffassung beruft sich der BGH auf den Umstand, dass die das Maß des nachehelichen Unterhalts bestimmenden ehelichen Lebensverhältnisse der Ehe Nr. 1 auch durch das damals ebenfalls nach dem Splittingtarif versteuerte Einkommen des Pflichtigen geprägt worden seien und dass durch die erneute Wahl des Splittingverfahrens der Unterhaltsschuldner lediglich dieses (vormals ebenfalls vorhandene) Leistungsniveau wieder erreiche[28].

Dem Einwand, bei dem aufgrund der erneuten Eheschließung dem Unterhaltspflichtigen zufließenden Splittingvorteil handele es sich um einen Bestandteil von dessen Einkommen, der dem Pflichtigen allein aufgrund der erneuten Eheschließung zukomme, und dieser allein auf der erneuten Eheschließung beruhende Einkommensbestandteil sei daher ausschließlich der neuen Ehe vorzubehalten, begegnet der BGH mit dem Argument, dass es auf die öffentlich-rechtliche (steuerrechtliche) Widmung der einzelnen Einkommensbestandteile, wie auch sonst, nicht ankomme. Daher sei auch der Steuervorteil, der aus erneuter Eheschließung resultiert, für Unterhaltszwecke der Ehefrau Nr. 1 einsetzbares Einkommen. Es handele sich zudem nicht um eine zu dem bisherigen Einkommen hinzutretende Zahlung, sondern um einen Bestandteil seines (Brutto)Einkommens, der dem Unterhaltsschuldner aufgrund der steuerlichen Regelung nunmehr belassen werde. Der Steuervorteil unterliege auch uneingeschränkt der Pfändung wie das übrige Einkommen. Nur, wenn in der neuen Ehe Mangel herrscht, werde man den Splittingvorteil der neuen Ehe - ganz oder teilweise - vorbehalten müssen. Im übrigen würden bei der Berücksichtigung des Splittingvorteils nur für die 2. Ehe die Kinder des Unterhaltsschuldners aus der 1. Ehe benachteiligt. Dies widerspreche dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller minderjährigen Kinder eines Unterhaltsverpflichteten, § 1609 Abs. 1 BGB.[29]. Eine Zurechnung - auch nur der Hälfte - des Splittingvorteils aus der neuen Ehe zugunsten der neuen Ehefrau ließe außer Acht, dass der Splittingvorteil allein in der Person des (allein) steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners entstehe[30].

III.  Verfassungsrechtliche Prüfung

A. Grundrechtsverletzung durch Inanspruchnahme des Splittingvorteils aus der 2. Ehe für   den Unterhalt der 1. Ehefrau?

1. Beschwerdeführer zu 1.: Unterhaltspflichtiger Ehemann

a) Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 6 Abs. 1 GG?

Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, weil ihm durch die angegriffenen Entscheidungen die Vorteile des steuerlichen Ehegattensplittings entzogen werden, ohne dass der Grund hierin in der Vorehe des Beschwerdeführers zu 1. läge und ihm so für seine zweite Ehe der auch dieser zustehende besondere Schutz im Ergebnis versagt werde.

Nach Ansicht des Deutschen Juristinnenbundes verkennen die Beschwerdeführer hierbei, dass Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur keinen Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung der sich aus der Erst- und Zweitehe ergebenden Verpflichtungen enthält [31], sondern auch keinen Maßstab für eine Gewichtung der aus der Ehe sich ergebenden Verpflichtungen (Unterhaltslasten) gegenüber den aufgrund einer Ehe gewährten Vorteilen (staatlichen Subventionen).

Der BGH hat früher z.B. auch das Kindergeld, ungeachtet von dessen gesetzlicher „Widmung“ als Einkommen des Bezugsberechtigten angesehen, aus dem dieser den Unterhalt nicht nur für die den Kindergeldanspruch auslösenden Kinder, sondern für alle Unterhaltsschuldner bestreiten musste. Diese Rechtsprechung hat er im Jahre 1997 geändert und hält seither an dem Berechnungsansatz, das Kindergeld zum unterhaltsrelevanten Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zu zählen und daraus der eheangemessene Unterhaltsbedarf des Berechtigten zu ermitteln sei, nicht mehr fest [32]:  „Dem steht nicht entgegen, dass der Senat zweckbestimmte Sozialleistungen im privaten Unterhaltsrecht grundsätzlich wie sonstiges Einkommen behandelt, soweit sie geeignet sind, den allgemeinen Lebensunterhalt des Leistungsempfängers und seiner Familie zu decken (...). Staatliches Kindergeld wird gewährt, um die Unterhaltslast der Eltern gegenüber ihren Kindern zu erleichtern. Diese öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung als eine entlastende Leistung darf nicht dadurch in ihr Gegenteil verkehrt werden, dass sie - im Wege einer Zurechnung zum Einkommen des Unterhaltspflichtigen - zu einer Erhöhung des Unterhaltsbedarfs führt. Dieser für die Berechnung des Kindesunterhalts allgemein anerkannte Grundsatz (BGHZ 70, 151ff., 153) muss in gleicher Weise für den Unterhaltsbedarf eines Ehegatten gelten. Auch hier kann sich Kindergeld nicht bedarfserhöhend auswirken. Auch der Gedanke, dass Kindergeld im Verhältnis der Ehegatten zueinander als Einkommen gilt, weil es ihnen beiden anteilig zusteht [33], führt nicht dazu, es bereits in die Bedarfsermittlung des Ehegattenunterhalts einzubeziehen“ [34].

Die Beschwerdeführer meinen, dass diese Rechtsgedanken zu ihren Gunsten auch für den aus der 2. Ehe resultierenden Splittingvorteil anzuwenden seien.

§§ 26, 26 b EStG erlauben es den Beschwerdeführern, die steuerliche Zusammenveranlagung zu wählen. Dies hat zur Folge, dass ihre zusammengerechneten Einkünfte dem Splittingtarif (§ 32 b Abs. 5 EStG) unterworfen werden. Da die Beschwerdeführerin zu 2. wegen der Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes der Eheleute nicht erwerbstätig ist, wirkt sich die Ehegattenveranlagung hier allein in einer Verminderung der Steuerlast auf das Einkommen des unterhaltspflichtigen Beschwerdeführers zu 1. aus.

Seine durch die neu hinzutretende (Ehegatten)Unterhaltslast verminderte Leistungsfähigkeit wird folglich bei der Bemessung der Einkommensteuer berücksichtigt. Wie bei jeder Form steuerlicher Subventionierung wirkt die staatliche Unterstützung für einen als förderungswürdig anerkannten Zweck dahin, dass dem Steuerschuldner in größerem Umfang Mittel belassen werden als ohne Anerkennung des förderungswürdigen Zwecks. Damit ist im Falle der Ausgestaltung der Ehegattenbesteuerung dem verfassungsrechtlichen Gebot aus Art. 6 Abs. 1 GG Genüge getan.

Vorgaben bezüglich der Mittelverwendung im privaten Bereich enthält das Steuerrecht gerade nicht. Es ist steuerrechtlich ohne Belang, wie der Steuerpflichtige die ihm belassenen Mittel einsetzt, ob er davon den Unterhalt seiner jetzigen Ehefrau bestreitet oder noch weitere Unterhaltspflichten erfüllt. Ein konkreter Aufwand muss für die Anwendung des Splittingtarifs ja gerade nicht nachgewiesen werden, dieser wird unterstellt.

Der Splittingvorteil wird auch sonst in keiner Weise als ein vom Einkommen oder Vermögen des begünstigten Steuerschuldners separierter Anteil gesehen: er genießt als solcher keinerlei Pfändungsschutz; die konkrete Anzahl der Unterhaltspflichten wird vielmehr jeweils durch entsprechende Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen des unterhaltspflichtigen Schuldners berücksichtigt, ohne dass Teile seiner Einkünfte dem Gläubigerzugriff vorweg entzogen würden.

Zuzugeben ist den Beschwerdeführern, dass der eigentliche Grund, weshalb die Rechtsprechung (des BGH) den Splittingvorteil aus einer weiteren Ehe nicht aus dem unterhaltspflichtigen Einkommen aussondert, sich nicht aus der Rechtsnatur dieser staatlichen Eheförderung (eine Familienförderung ist das Splittingverfahren ungeachtet seiner Etikettierung nicht) herleitet, sondern wesentlich aus dem vor allem auf Praktikabilitätserwägungen basierenden Grundsatz, dass Steuern das Einkommen immer nur in der je aktuell gezahlten Höhe mindern. Sozusagen der Nachrationalisierung dient dann die Anwendung der Regel, dass es hier, wie auch sonst, auf die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung dieses Einkommensbestandteils nicht ankomme.

Die Erhöhung des nachehelichen Bedarfs der geschiedenen Ehefrau auf das dem nach Splittingtarif versteuerten Einkommen entsprechende Niveau steht zudem in Widerspruch zu der Sichtweise des BGH, wonach die auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung kristallisierten ehelichen Lebensverhältnisse der Erstehe sich auf das durch die Grundtabelle bestimmte Einkommensniveau reduziert haben. Tatsächlich kann auch die geschiedene Ehefrau bei Scheidung nie mehr erwarten, dass die nach der Grundtabelle bemessene Steuerlast des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehemannes noch einmal sinkt.

Diese Sichtweise ist aber nur dann zutreffend, wenn man für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse der Erstehe allein auf den Zeitpunkt des Endes dieser Ehe abstellt und dieEntwicklung dieser Lebensverhältnisse völlig außer Acht lässt. Dass das Splittingverfahren auch eine Anerkennung der Leistungen der Ehefrau und Mutter in der Familie bedeuten soll (wenn auch nur eine ideelle), gilt nicht nur für die Zweitehe, sondern galt auch für die Erstehe des Beschwerdeführers zu 1. Auch die geschiedene Ehefrau hat in der Ehe ein Kind erzogen, war nicht erwerbstätig. Die ehelichen Lebensverhältnisse waren folglich während des Zusammenlebens jedenfalls davon bestimmt, dass der Beschwerdeführer zu 1. mit seinem Erwerbseinkommen und die Beklagte des Ausgangsverfahrens durch Haushaltsführung und Kindesbetreuung jeweils die ihnen obliegenden Familienunterhaltspflichten erfüllt haben und dass staatliche Unterstützung ihnen durch die in §§ 26, 26 b EStG vorgesehene Ehegattenbesteuerung zuteil wurde.

Würde man bei der Ermittlung des Bedarfs der geschiedenen Ehefrau grundsätzlich nur noch den Rahmen des nach der Grundtabelle zuletzt vorhandenen Einkommens des (alleinverdienenden) Ehemannes annehmen, würde man die - angeblich - durch das Splittingverfahren honorierte Erziehungsleistung der Ehefrau in der geschiedenen Ehe wirtschaftlich vollends eliminieren und ignorieren. Dies ist schon im Rahmen der Verfassungsbeschwerden zur Anrechnungsmethode zu beachten, spielt aber u.E. auch vorliegend eine Rolle. Es stellt sich ungeachtet der in der Tat der je konkreten Ehe zugedachten staatlichen Förderung durch Steuererleichterung beim Alleinverdiener die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 GG vorgibt, dass diese nur dem Steuerpflichtigen allein zukommt, sozusagen von ihm von Ehe zu Ehe mitgenommen werden kann, ohne dass für die zurückbleibenden geschiedenen Ehegatten von dieser ihnen vormals auch zugedachten Förderung auch diesen etwas verbliebe.

Man mag daran denken, dass die Einführung des Realsplittingverfahrens Indiz [35] dafür war, dass der Gesetzgeber eine solche Zweckbestimmung der steuerlichen Eheförderung vornehmen wollte, weil er zur Entlastung für die Unterhaltspflicht während bestehender Ehe das Splittingverfahren und nach deren Scheitern für fortbestehende Belastungen aus dieser Ehe (als Ersatz für den Fortfall der Erleichterung durch das Splittingverfahren) die Möglichkeit des Sonderausgabenabzuges eingeführt hat. Die aus der amtlichen Begründung sich ergebenden Motive enthalten hierfür allerdings keinen Anhaltspunkt.

Dies bedeutet für den Regelfall, dass dem Pflichtigen, der Unterhalt an eine geschiedene und an eine gegenwärtige Ehefrau zahlt, wegen der jeweils auf Art. 6 Abs. 1 GG resultierenden Belastung entsprechend der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit steuerliche Erleichterung zukommen soll, die sich summiert, wenn auch die Belastung kumuliert. Der Realsplittingvorteil entsteht allein in der Person des Pflichtigen, die Unterhaltsberechtigte hat weder gegenüber dem Fiskus noch gegenüber dem Pflichtigen Anspruch auf Beteiligung an der aus dem Sonderausgabenabzug sich ergebenden Steuerersparnis [36]. Allenfalls kann die Erhöhung des steuerpflichtigen Einkommens über die Unterhaltsquote abgeschöpft werden [37].

Auch der Vorteil aus dem Realsplitting ist also keineswegs exklusiv für die unterhaltsberechtigte geschiedene Ehefrau vorgesehen, an dem so entlasteten Einkommen des Pflichtigen partizipieren sowohl die unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder wie auch ein neuer Ehegatte [38], weil es sich letztlich auch hier darum handelt, dass dem Pflichtigen aufgrund der sozusagen doppelt eingeschränkten Leistungsfähigkeit vom Steuergesetzgeber in größerem Umfang Mittel zu seiner freien Verfügung belassen werden.

Es ist mit Rücksicht auf die gleichwertigen Grundrechtspositionen der Beteiligten nicht erkennbar, dass Art. 6 Abs. 1 GG fordern würde, die steuerlichen Entlastungen nur zweckgerichtet zukommen zu lassen.

Die von Weychardt vertretene Lösung [39], nämlich den Splittingvorteil aus der 2. Ehe dieser allein vorzubehalten und den Unterhalt der geschiedenen Ehefrau nach einem allein um den Realsplittingvorteil erhöhten, im übrigen aber nach der Grundtabelle versteuerten Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, führt auch nicht dazu, dass die Wertungsproblematik zwischen der für die erste Ehe nach deren Ende noch bestehenden Förderung und der für die zweite Ehe neu gewährten Förderung gelöst würde, denn auch hier bleibt die Frage der Bedarfsbemessung zu lösen, die wiederum von der Definition der ehelichen Lebensverhältnisse abhängt.

Fraglich ist allerdings, ob in Fällen, wo die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen in Bezug auf den Geschiedenenunterhalt nicht greift, weil die Berechtigte eigenes Einkommen erzielt und der Ersatz von (steuerlichen) Nachteilen, die der Verpflichtete ihr schuldet, wenn sie den empfangenen Unterhalt zusammen mit ihrem eigenen Einkommen versteuern muss (§ 22 EStG) dessen Steuerersparnis durch den Sonderausgabenabzug „auffrisst“ [40], der Splittingvorteil aus der 2. Ehe dieser nicht doch allein verbleiben sollte. Aber auch hier stellt sich das Problem der Bedarfsbemessung: denn gerade in den Fällen, wo die geschiedene Ehefrau durch eigenes Einkommen in nicht unerheblichem Maße zur Entlastung des Pflichtigen beiträgt, würde wiederum ihr Bedarf lediglich nach einem um jeden Anteil staatlicher Familienförderung bereinigten Einkommen des Verpflichteten bemessen und damit ihre familiäre Leistung vollständig negiert werden. Umgekehrt kommt dem Unterhaltspflichtigen allerdings die Steuererleichterung zugute kommt, die der Berechtigten dafür gewährt wird, dass sie in ihrem Haushalt ein gemeinsames Kind versorgt (Haushaltsfreibetrag bzw. Steuerklasse II) und folglich, ebenfalls wegen staatlicher Familienförderung ein höheres Einkommen erzielt und so die Unterhaltslast des Verpflichteten für sie selbst durch ihre (steuerlich ihr Erwerbseinkommen entlastende) „Arbeit am Kind“ vermindert.

Letztlich führen alle diese Überlegungen auf Aussonderung des Splittingvorteils dazu, dass entgegen bisheriger Praxis der Pflichtige nicht mehr an den einmal eingegangenen Verpflichtungen sich festhalten lassen müsste. Damit würde aber die bisherige Sichtweise, die die Erstehe und die daraus resultierenden Verpflichtungen als verfassungsgemäß auch in der zweiten Ehe zu beachtende Belastungen ansieht, aufgegeben. Die je temporäre Förderung ausschließlich der je aktuellen Familienkonstellation würde, wie gezeigt, die Leistungen, die der unterhaltsberechtigte Partner in der Ehe erbracht hat, vom Ende dieser Ehe an vollends neutralisieren. Die bisherige faktische sog. Bevorzugung der ersten Ehe, die keine Bevorzugung, sondern lediglich eine Verbindlicherhaltung eingegangener Verpflichtungen ist, müsste aufgegeben werden. Dann wäre in der Tat durch Art. 6 Abs. 1 GG die serielle Monogamie und nicht die lebenslange Ehe geschützt.

Uns scheint in Anbetracht der Unzulänglichkeiten des Splittingverfahrens nicht angezeigt, ausgerechnet die unterhaltsrechtliche Behandlung des Splittingvorteils aus der 2. Ehe zum Anlass zu nehmen, das bisher für die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 GG maßgebliche Eheverständnis aufzugeben und der Veränderung der sozialen Lebensverhältnisse anzupassen.

b) Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG

Jede Ehe hat vor der Rechtsordnung gleichen Rang. Verfassungsrechtlich folgt dies daraus, dass Art. 6 Abs. 1 GG unterschiedslos eine jede Ehe unter den Schutz der staatlichen Gemeinschaft stellt, sei sie von den Partnern als Erstehe oder nach einer Ehescheidung geschlossen [41].

Ob eine verfassungswidrige Benachteiligung der Zweitehe des Beschwerdeführers im Verhältnis zur Erstehe vorliegt, muss also nach dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) beurteilt werden.

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz könnte darin liegen, dass der Erstehe des Beschwerdeführers der steuerliche Vorteil des Splittingverfahrens ungekürzt zugute gekommen ist, während der Zweitehe nur noch 4/7 dieses Steuervorteils verbleiben und die Zweitehe dadurch im Verhältnis zur Erstehe des Beschwerdeführers, aber auch zu allen anderen Ehen, denen das Steuerrecht den Splittingvorteil gewährt, benachteiligt wird, wenn hierfür kein ausreichender Grund vorläge.

Dabei ist zu beachten, dass der Splittingvorteil zwar um der bestehenden Ehe willen gewährt wird, steuerlich aber nicht der „Ehe“ zufällt, sondern allein dem Beschwerdeführer zu 1. wegen seiner in dieser Ehe bestehenden Unterhaltsverpflichtung.

Nun hat allerdings das BVerfG schon mehrfach entschieden, dass der Umstand, dass jemand schon einmal verheiratet war und damit durch im Interesse des vormaligen Ehepartners aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitete Verpflichtungen belastet ist, einen notwendigen und ausreichender Differenzierungsgrund in Bezug auf die zweite (und jede weitere) Ehe des Betroffenen darstellt [42].

Eine Gleichbehandlung mit allen Ehen, insbesondere also Erstehen, kann der Beschwerdeführer für seine Zweitehe damit nicht reklamieren, weil er aus seiner geschiedenen Ehe Verpflichtungen behalten hat, die die Zweitehe notwendig belasten. Seine persönliche Rechtsposition ist durch diese Belastung gekennzeichnet und von vornherein eingeschränkt. Dies ist mit den durch § 1582 BGB vorgesehenen Abstufungen für verfassungsgemäß gehalten worden [43]. In dieser Entscheidung hat das BVerfG ausgeführt, der Unterhaltsschuldner müsse notfalls hinnehmen, dass er seine Einkünfte zu Erfüllung der Verpflichtungen aus der ersten Ehe in einem Umfang einsetzen müsse, dass ihm für die zweite Ehe nicht mehr ausreichende Mittel zur Verfügung ständen und der zweite Ehegatte sogar auf Sozialhilfe verwiesen sein könnte. Wenn der Unterhaltsschuldner schon eine so weitgehende Belastung seines gesamten Einkommens hinnehmen und dies auch seinem zweiten Ehepartner zumuten muss, ist erst recht nicht erkennbar, weshalb einzelne Bestandteile vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen ausgenommen werden und einem Förderzweck vorbehalten bleiben sollen, der zwar auch unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG steht, aber mit einem anderen gleichermaßen geschützten Zweck konkurriert.

Im konkreten Fall des Beschwerdeführers führt der Einsatz seines ungekürzten Einkommens für den Unterhalt der ersten Ehefrau auch nicht zu einer existentiellen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers zu 1. und auch nicht dazu, dass er seine zweite Ehe nicht in der Form führen könnte, wie er die Erstehe geführt hat. Wie die Kontrollrechnung des Oberlandesgerichts zeigt, stehen dem Beschwerdeführer und seiner jetzigen Ehefrau aus dem Einkommen des Beschwerdeführers zu 1. jeweils in etwa die gleichen Mittel zur Verfügung, wie der ersten Ehefrau aus ihrem Einkommen und dem zu zahlenden Unterhalt, wobei das Oberlandesgericht beidieser Berechnung unterstellt hat, dass der Unterhalt für die beiden Kinder des Beschwerdeführers bereits vorab bedient worden ist.

Es ist also nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer in seiner zweiten Ehe ohne hinreichenden Differenzierungsgrund schlechter behandelt wird als in seiner ersten Ehe.

2. Beschwerdeführerin zu 2.: zweite Ehefrau des Unterhaltspflichtigen

Keine Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin zu 2. erhobenen Verfassungsbeschwerde. Es ist anerkannt, dass nicht am Ausgangsverfahren beteiligte Dritte durch die gerichtlichen Entscheidung in ihren Grundrechten betroffen sein können und daher ein eigenes Verfassungsbeschwerderechts haben können [44]. Da der Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin zu 2. in der bestehenden Ehe tangiert wird, könnte hierin die Verletzung einer Grundrechtsposition, vornehmlich aus Art. 6 GG, gesehen werden.

a) Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 6 Abs. 1 GG

Wie bereits ausgeführt, steht der Beschwerdeführerin zu 2. als nicht erwerbstätiger Ehefrau und Mutter, die auch keine sonstigen Einkünfte erzielt, der steuerliche Splittingvorteil, der aufgrund der Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann anfällt, persönlich nicht zu. Insbesondere ein steuerrechtlicher Anspruch besteht nicht.

Der Splittingvorteil kommt der Beschwerdeführerin zu 2. nur in der Form zugute, dass sie über ihren Unterhaltsanspruch (§ 1360 BGB) an dem insoweit entlasteten Einkommen ihres Ehemannes, des Beschwerdeführers zu 1. partizipiert.

Nun ist bereits entschieden, dass die zweite Ehefrau eines geschiedenen Mannes dessen Unterhaltslasten aus den vorherigen Beziehungen hinzunehmen hat, wie sie auch Unterhaltsverpflichtungen, die er gegenüber Kindern hat, die vor oder außerhalb der Ehe geboren wurden, als die Leistungsfähigkeit beeinträchtigend akzeptieren muss. Ihre Eheschließungsfreiheit wird dadurch jedenfalls nicht in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt [45].

Der letztlich aus dem Schutz von Ehe und Familie abgeleitete Unterhaltsanspruch wird durch Art. 6 Abs. 1 GG auch nicht in absoluter Höhe garantiert, sondern nur in der relativen, aus der konkreten persönlichen und ehelichen Situation der Partner sich ergebenden wirtschaftlichen Bandbreite, die nun einmal davon geprägt ist, dass gemeinhin der Splittingvorteil aus der neu geschlossenen Ehe keinen Schutz vor dem Zugriff gleichfalls Berechtigter genießt, denen die Anerkennung ihrer familiären Leistung in gleichem Umfange zusteht wie der Beschwerdeführerin.

Daher ist ein Eingriff in die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition der Beschwerdeführerin zu 2. nicht erkennbar.

b) Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin zu 2. aus Art. 6 Abs. 4 GG

Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr werde infolge der verfassungswidrigen Beschränkung des in der Ehe zur Verfügung stehenden Einkommens nicht der ihr als Mutter zustehende Schutz zuteil.

Obwohl Art. 6 Abs. 4 GG primär ein soziales Grundrecht ist, kann es auch Rechtsfolgen eines Abwehrrechts begründen und der Mutter einen Unterlassungsanspruch gegen sachwidrige oder unverhältnismäßige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in ihr Recht auf Sorge für das Kind geben [46]. Ein solcher Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG könnte vorliegen, wenn der Splittingvorteil eine staatliche Leistung an die Mutter wäre, die ihr zugunsten der ersten Ehefrau ihres Mannes entzogen wird mit der Folge, dass die Beschwerdeführerin zu 2. sich aus diesem Grunde nicht mehr persönlich der Erziehung ihrer Kinder widmen könnte.

Wie oben gezeigt, soll der Splittingvorteil zwar auch die Leistungen der Hausfrau und Mutter in der Familie würdigen. Ungeachtet dessen steht er ihr persönlich aber nicht zu. Weder vom Finanzamt noch vom Ehemann kann die Haushalt führende Ehefrau und Mutter Auskehr dieses Förderungsbetrages an sie selbst verlangen. Allein die Beeinträchtigung eines Erinnerungspostens kann aber schon keinen Verfassungsverstoß beinhalten.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die materielle Situation der Familie der Beschwerdeführer durch die angegriffenen Entscheidungen dermaßen eingeschränkt würde, dass die Beschwerdeführerin zu 2. nicht mehr die Wahl hätte, ihr Kind selbst zu versorgen.

Dem Beschwerdeführer zu 1. verblieben von seinem Splittingvorteils von in Höhe 415,80DM [47] noch 237,60 DM (4/7), die er dem Familienunterhalt zur Verfügung stellen könnte. Von der ihm gewährten Steuerersparnis soll er nach dem Inhalt der angegriffenen Entscheidungen 178,20 DM (3/7) für den Unterhalt der ersten Ehefrau mit aufwenden. Dieser Betrag steht für den Unterhalt der Familie der beiden Beschwerdeführer nicht zur Verfügung. Wenn man vom Grundsatz gleicher Teilhabe an den während der und für die Ehe vorhandenen Mittel ausgeht, besteht der Nachteil der Beschwerdeführerin zu 2. darin, dass für ihren persönlichen Unterhalt maximal 89,10 DM weniger zur Verfügung stehen, wobei allerdings noch mehr als 2.000,00 DM für ihren Unterhalt verbleiben. Es ist nicht erkennbar, dass und warum ein derartiger Unterhaltsanspruch der Beschwerdeführerin zu 2. nicht ausreichen sollte, dass sie selbst ihr Kind zu betreuen kann bzw. dass die Einbuße von 89,10 DM an Unterhaltsanspruch allein sie zwingen könnte, entgegen ihrem Wunsch neben der Kinderbetreuung einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen.

Dies gilt letztlich nicht nur im Falle der Beschwerdeführerin, sondern grundsätzlich für das Argument, dass durch die Inanspruchnahme des Splittingvorteils aus der zweiten Ehe für Unterhaltsansprüche der ersten Ehefrau die zweite Ehefrau in ihrer Entscheidung, ihr Kind persönlich zu erziehen und zu betreuen beeinträchtigt sein könnte: die maximale Belastung entsteht naturgemäß wegen der Struktur des Steuertarifs bei den Einkommen, die einer Steuerbelastung von 51 % unterworfen sind, also (zu versteuerndes) Einkommen des Alleinverdieners von 229.392,00 DM und mehr. In diesen Fällen erreicht die Steuerersparnis durch den Splittingtarif ihre maximale Höhe, nämlich 20.577,00 DM. Wenn hiervon 3/7 einer ersten Ehefrau durch den Unterhalt zufallen, sind das 734,90 DM monatlich (20.577,00 DM : 7 x 3) : 12. Der Nachteil der zweiten Ehefrau (Halbteilungsgrundsatz) beliefe sich auf 367,45 DM bei einem Familieneinkommen nach Steuer in Höhe von 12.796,00 DM.

Da die Belastung umso höher wird, je höher die Einkünfte und die Unterhaltsansprüche aller Beteiligten sind, ist schon nicht erkennbar, dass der Verlust von 3/7 des Splittingvorteils und des daraus abgeleiteten Unterhaltsanspruchs allein zu einer Beeinträchtigung des Rechtes der Mutter aus Art. 6 Abs. 4 GG führen kann. Diese finanzielle Belastung allein dürfte generell nicht Zwang für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit neben Kinderversorgung sein und sie ist es auch vorliegend nicht.

c) Verletzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin zu 2. aus Art. 3 Abs. 1 GG

Hier kann auf die Ausführungen zu III A 1 b) Bezug genommen werden. Beide Frauen, sowohl die geschiedene, wie die mit ihm verheiratete versorgen je ein Kind des Beschwerdeführers zu 1. Es ist kein Grund ersichtlich, die im Splittingvorteil liegende Wertschätzung dieser Versorgungsleistung allein einer Mutter zukommen zu lassen und den Bedarf der anderen Mutter auf ein Ledigenniveau zu reduzieren.

B. Verfassungsverstoß, weil das Oberlandesgericht den Unterhalt für das Kind aus der 2. Ehe bei der Bemessung des Unterhalts der geschiedenen Ehefrau nicht berücksichtigt (vorweg abgezogen) hat?

1. Das Maß des nach rechtskräftiger Scheidung geschuldeten Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Regelung trägt den während der geschiedenen Ehe getroffenen Vereinbarungen Rechnung und verhindert, „dass der bedürftige Ehegatte - in der Regel die Ehefrau - zu einem sozialen Abstieg gezwungen wird, obwohl des erreichte eheliche Lebensniveau als das Ergebnis der Leistung beider Ehegatten anzusehen ist“ [48].

Abgesehen davon, dass die Definition der eheliche Lebensverhältnisse durch die Rechtsprechung des BGH erheblicher Kritik seitens der Gegner der auch hierauf gestützten Anrechnungsmethode ausgesetzt ist, die vor allem darauf zielt, dass der BGH den Begriff zeitpunktbezogen definiert, anstatt davon auszugehen, dass die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Leistung beider Eheleute während des Gesamtverlaufs der Ehe geprägt werden, ist jedenfalls bislang völlig außer Streit, dass die ehelichen Lebensverhältnisse durch Ereignisse, die sichnach Rechtskraft der Scheidung zutragen, in keiner Weise mehr beeinflusst werden können [49].

Wenn dem Unterhaltsschuldner nach der rechtskräftigen Scheidung weitere Kinder geboren werden, beruht dies auf einer Entscheidung, die der Unterhaltsschuldner in Kenntnis seiner vorher bestehenden Unterhaltsverpflichtungen getroffen hat. Der geschiedene Ehegatte hat regelmäßig überhaupt keine Möglichkeit, derartige Entscheidungen zu beeinflussen, wie er überhaupt die weitere Lebensplanung des Unterhaltsschuldners nicht mehr mitbestimmen kann. Auch entscheidet sich nicht die Unterhaltsberechtigte dafür, weitere Kinder zu bekommen, sondern der Unterhaltspflichtige.

Wenn, wie die Beschwerdeführer dies vertreten, der Unterhalt für sämtliche, insbesondere nachehelich geborene Kinder bei der Bemessung des Ehegattenunterhaltes für die geschiedene Ehefrau vorweg abgezogen würde, würde dies - je nach Quote - bedeuten, dass die geschiedene Ehefrau zu 3/7 oder 1/2 den Unterhalt für Kinder bezahlen müsste, die ihrem geschiedenen Ehemann nach Ende der Ehe geboren werden. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund ein geschiedener Ehegatte verpflichtet sein sollte, nach dem Scheitern der eigenen Ehe auch noch für fremde Kinder aufkommen zu müssen. Ein solches Maß an Altruismus dürfte auch die nacheheliche Solidarität von der geschiedenen Ehefrau nicht fordern.

Dementsprechend sieht § 1609 BGB auch vor, dass die Unterhaltsansprüche von minderjährigen Kindern gleichrangig mit denen eines Ehegatten zu behandeln sind. Ein Vorrang dieser Ansprüche ist im Gesetz nicht vorgesehen. Diese Regelung dient der Verwirklichung der Unterhaltsansprüche beider Bedürftiger, sowohl der Kinder wie der kinderversorgenden Person, meist der Ehefrau, und zwar zunächst im Verhältnis zum Unterhaltsschuldner. Die Vorschrift gewinnt vor allem im Mangelfall Bedeutung, wenn nämlich die Mittel des Unterhaltsschuldners nicht ausreichen, um alle Unterhaltsansprüche zu befriedigen. In diesem Fall müssen minderjährige Kinder und die Ehefrau(en) sich die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel teilen. Ein Mangelfall ist aber vorliegend nicht gegeben, der Beschwerdeführer zu 1. kann aus seinem Einkommen sowohl den Unterhalt des in der neuen Ehe geborenen Kindes vollen Umfangs sicherstellen wie auch den Unterhalt der Beklagten des Ausgangsverfahrens.

Eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers zu 1. über die aus der Unterhaltsverpflichtung überhaupt sich ergebende Beeinträchtigung seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) hinaus ist nicht erkennbar. Diese Beschränkung ist aber verfassungsgemäß, ein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsätze ist nicht erkennbar.

2. Der Beschwerdeführerin zu 2. ist zuzugeben, dass die gleichrangige Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen ihres Kindes und der geschiedenen Ehefrau gegenüber dem Beschwerdeführer zu 1. in der Tat zu einer Reduktion der für ihren persönlichen Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel führt. Die Reduktion dieser Mittel beruht zwar mittelbar darauf, dass die geschiedene Ehefrau nicht an den Unterhaltskosten für das aus der 2. Ehe hervorgegangene Kind beteiligt wird, vorrangig aber darauf, dass die Eheleute sich entschieden haben, auch in der 2. Ehe des Unterhaltspflichtigen Kinder zu haben.

Der Schutz der 2. Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG fordert, wie ausgeführt, nicht, dass die 2. Ehefrau des Unterhaltspflichtigen dadurch einen höheren Unterhaltsanspruch erhält, dass die geschiedene Ehefrau sich über Verzicht auf eigenen Unterhalt an dem Unterhalt der Kinder aus der 2. Ehe beteiligt.

Dagegen spricht schon das Rangverhältnis des § 1582 BGB. Die 2. Ehefrau kann sich bei Eheschließung darauf einstellen, dass die geschiedene Ehefrau Unterhaltsansprüche hat. Damit sind die ehelichen Lebensverhältnisse der 2. Ehe zunächst festgelegt. Wenn die Unterhaltspflichten für Kinder aus der 2. Ehe hinzutreten, werden die gesamt zur Verfügung stehenden Mittel des Unterhaltspflichtigen jedoch nicht geringer, auch wenn der wirtschaftliche Spielraum, wie in jeder Ehe mit Kindern, kleiner wird. Es erscheint in keiner Weise als verfassungswidrige Benachteiligung der 2. Ehe, wenn ihr wirtschaftlicher Rahmen nicht zulasten der unterhaltsberechtigten 1. Ehefrau des Unterhaltspflichtigen erweitert wird.

Das Rangverhältnis zwischen 1. und 2. Ehefrau ist, jedenfalls dann, wenn beide Frauen Kinder versorgen, in § 1582 BGB in verfassungsmäßig nicht zu beanstandender Weise geregelt [50].

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts liegt also insoweit keine verfassungswidrige Benachteiligung der beiden Beschwerdeführer. Einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der - insoweit fehlerhaften - amtsgerichtlichen Entscheidung haben die Beschwerdeführer n