Stellungnahme: 01-05


zum Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 789/96 (zur Problematik der Geschiedenenwitwenrenten in den neuen Bundesländern)

Stellungnahme vom

www.bundesverfassungsgericht.de

Der Deutsche Juristinnenbund(djb) bedankt sich für die Möglichkeit, zur Problematik der Geschiedenen­witwenrenten in den neuen Bundesländern Stellung zu nehmen:

I. Zum Ausgangsverfahren:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung des BSG und die zugrunde liegende Rechtsnorm, nämlich § 243 a SGB VI.

Die in den neuen Bundesländern lebende Beschwerdeführerin hat nach ihrem 1985 verstorbenen Ehe­mann, von dem sie 1970 geschieden worden ist, beim zuständigen Rentenversicherungsträger die Gewährung einer Geschiedenenwitwenrente beantragt. Diese ist ihr unter Hinweis auf § 243 a SGB VI versagt, weil sowohl sie wie auch ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Scheidung ihren Aufenthalt im Bei­trittsgebiet hatten.

Die Beschwerdeführerin sieht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG durch die angegriffene Entscheidung und – mittelbar – die zugrunde liegende Rechtsnorm, weil sie dadurch als Geschiedene des Beitritts­gebietes im Vergleich zu Geschiedenen des früheren Bundesgebietes wie auch im Vergleich zu nicht geschiedenen Witwen im Beitrittsgebiet ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werde.

II. Zur Zulässigkeit

Problematisch erscheint zunächst die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bezogen auf die Entschei­dungserheblichkeit. Zumindest nach den übersandten Unterlagen ist nicht ohne weiteres erkennbar, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente hätte, wenn § 243 a SGB VI verfas­sungswidrig wäre und auf ihre Situation § 243 SGB VI – also die für die alten Bundesländer geltende Regelung – anzuwenden wäre. Es erscheint sogar zweifelhaft, ob die Beschwerdeführerin die Vorausset­zungen des § 243 Abs. 1, 2 oder 3 SGB VI erfüllt (s. hierzu auch: Wunderlich, Deutsch-deutsche Rechts­einheit und Geschiedenenwitwenrentenansprüche nach §§ 1265, RVO, 42 AVG, 65 RKG und 243 SGB VI, Die Sozialversicherung 1991, S. 253ff.).

1. Ein Anspruch nach § 243 SGB VI setzt voraus, dass die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden wurde, der verstorbene geschiedene Ehemann selbst Rente bezog oder rentenberechtigt war und seine geschiedene Frau vor dem Tode des Versicherten nicht wieder geheiratet hat. Alle diese Voraussetzungen dürften für die Beschwerdeführerin zu bejahen sein. Problematisch ist jedoch, dass Anspruch auf kleine Witwenrente weiter nur besteht, wenn im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten die geschiedene Frau tatsächlich Unterhalt von ihm erhielt oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod ihres geschiedenen Mannes einen Anspruch auf Unterhalt hatte. Dabei reicht nicht jeder tatsächlich gewährte bzw. zu beanspruchende Unterhalt aus. Das BSG hat zu § 243 SGB VI und den entsprechenden Vorläuferregelun­gen (§§ 1265 Abs. 1 RVO, 42 Abs. 1 AVG, 65 RKG) entschieden, dass Unterhalt im Sinne dieser Vorschrif­ten nur ein nominell ins Gewicht fallender Betrag sein kann. Regelmäßige Zahlungen könnten nur dann als Unterhalt qualifiziert werden, wenn die Geldleistungen geeignet seien, den Mindestbedarf eines Unterhaltsempfängers- bzw. -berechtigten merklich zu beeinflussen. Davon sei erst dann auszugehen, wenn der vom Versicherten zu zahlende oder tatsächlich gezahlte Betrag mindestens 25 v.H. des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe entspreche (BSGE 53, 256; weitere Nachweise in BVerfGE 72, 141ff. und BVerfGE 66, 66ff., 84). Nur wenn diese vorgenannten Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind, besteht auch für geschiedene Witwen in den alten Bundesländern ein Anspruch auf eine kleine Witwenrente nach § 243 Abs. 1 SGB VI.

Nach den Gründen der angegriffenen Entscheidung hat die Beschwerdeführerin nicht tatsächlich Unter­halt von ihm geschiedenen Mann im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tode erhalten, weshalb § 243 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. SGB VI ausscheidet. Ein Anspruch auf Unterhalt wurde auch nicht durch die Gerichtsentscheidung begründet, hier wurde der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin nur zu Unterhaltsleistungen an die Kinder verurteilt. Allein aus rentenversicherungsrechtlicher Sicht würde also auch kein Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente bestehen, selbst wenn § 243 Abs. 1 SGB VI auf die Beschwerdeführerin anzuwenden wäre. Auf die Verfassungsmäßigkeit von § 243a SGB VI dürfte es daher im konkreten Fall nicht ankommen.

2. Nur dann, wenn mittelbar auch noch die Verfassungsmäßigkeit der Bezugnahme auf das jeweils geltende Unterhaltsrecht einerseits in den alten, andererseits in den neuen Ländern als verfassungswidrig abgegriffen sein sollte, könnte – fiktiv!– ein Anspruch begründet sein. Dann würde die Beschwerde­führerin jedoch nicht nur die Verfassungswidrigkeit von § 243 a SGB VI geltend machen, sie würde eine Ausnahmeregelung zu Gunsten der im Beitrittsgebiet lebenden Frauen in Form einer hypothetischen Prüfung des Unterhaltsanspruchs nach einem anderen Statut – dem früheren Recht in den alten Bundesländern – fordern. Aber selbst für diesen Fall erscheint jedoch die Entscheidungserheblichkeit zweifelhaft, denn es ist völlig unbekannt, ob nach Maßstäben des bundesdeutschen Scheidungsfolgen­rechts aus den Jahren vor 1977 die Beschwerdeführerin einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschie­denen Mann gehabt hätte. Auch westdeutsche Frauen haben nur in wenigen Fällen Geschiedenen­witwenrenten erhalten (siehe dazu auch unter 3.).

3. Aus den gleichen Gründen ist auch die Anwendung von § 243 Abs. 2 SGB VI problematisch. Vorausge­setzt wird, dass zusätzlich noch wenigstens eine der in § 243 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI genannten Vorausset­zungen (Erziehung eines eigenen Kindes oder eines Kindes des Versicherten; Vollendung des 45. Lebens­jahres, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit) vorliegt. Nur dann besteht Anspruch nicht nur auf eine kleine, sondern auf eine große Witwenrente.

4. Hinsichtlich der problematischen Entscheidungserheblichkeit dürfte sich auch nichts anderes aus § 243 Abs. 3 SGB VI ergeben. Zunächst findet diese Regelung nur dann Anwendung, wenn der Versicherte nicht wieder geheiratet hat, bei seinem Tode also eine Witwe nicht zu versorgen ist. Ob der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin wieder verheiratet war, ist nicht bekannt.

Wichtiger erscheint jedoch noch Folgendes: Nach Abs. 3 ist zwar vorgesehen, dass auch ohne Unterhalts­anspruch ein Geschiedenenwitwenrentenanspruch begründet sein kann. Dies greift jedoch nur dann, wenn ein Unterhaltsanspruch vor dem Tode des Versicherten nur deshalb nicht bestand, weil der Versi­cherte nicht leistungsfähig oder die geschiedene Ehefrau aufgrund eigenen Einkommens selbst nicht bedürftig war. Dies setzt also eine Art Stammrecht auf Unterhalt voraus, resultierend letztlich aus dem Scheidungsverschulden. Vielleicht könnte diese Rechtslage mit der Arbeitslosenhilfe verglichen werden: wenn zwar alle übrigen Voraussetzungen für die Arbeitslosenhilfe vorliegen, es jedoch an der Bedürftig­keit des Leistungsempfängers fehlt, besteht auch hier ein Stammrecht, ohne dass jedoch ein Leistungs­anspruch vorliegt.

In der Praxis haben § 243 Abs. 3 SGB VI und die entsprechenden Vorläuferregelungen einen geringen Anwendungsbereich. Problematisch sind vor allem die Fälle des freiwilligen Unterhaltsverzichts, die häufig wegen der ohnehin wirtschaftlich problematischen Situation und fehlender Leistungsfähigkeit des geschiedenen Mannes vereinbart wurden. Auch diese führen in der Regel dazu, dass im Todesfall keine Geschiedenenwitwenrenten geleistet werden. Auf die komplexe Rechtsprechung des BSG dazu kann hier nur verwiesen werden (vgl. einerseits BSG, 4. Senat, SozR 2200 § 1265 Nr. 92 und 94, andererseits BSG, 5. Senat, SozR 2200 § 1265 Nr. 74 und 90 sowie BSG, 13. Senat, BSGE 72, 39).

Bezogen auf die Beschwerdeführerin ist nicht erkennbar, dass sie die Voraussetzungen für eine solche Rente erfüllen könnte. Denn sie müßte zum Scheidungszeitpunkt unterhaltsberechtigt gewesen sein und nur wegen ihrer – bedarfsdeckenden – eigenen Einkünfte bzw. fehlender Leistungsfähigkeit des geschie­denen Mannes keinen Unterhalt erhalten haben. Selbst wenn wiederum fiktiv bundesdeutsches Eherecht angewendet würde, müsste bei einer sachgerechten Vergleichbarkeit zu Frauen in den alten Bundeslän­dern weiter fiktiv nach dem Unterhaltsverzicht gefragt werden. Es wäre dann zu klären, ob nach Einkommensverhältnissen und Ausgangslage nicht ohnehin eine Konventionalscheidung durchgeführt worden wäre, in der Absprachen über den Sachvortrag zur Schuldfeststellung getroffen worden wären.

III. Zur Begründetheit

Unabhängig von dieser Problematik im Ausgangsverfahren sind jedoch durchaus Fälle denkbar, in denen § 243 a SGB VI einen sachlichen Anwendungsbereich hat. Nachfolgend ist daher auf die Fragen der verfassungsrechtlichen Würdigung der Norm aus Sicht des Deutschen Juristinnenbundes einzugehen. Hintergrund für eine solche Beurteilung ist die unterschiedliche Entwicklung des Ehe- und Sozialrechts in den alten und neuen Ländern.

Die Vorschrift des § 243 a SGB VI kann u.E. nicht isoliert betrachtet werden, sie ist vielmehr ein Teil derjenigen Regelungen, die die Versorgungssituation von Frauen betreffen, deren Ehe im Beitrittsgebiet vor dem 03.10.1990 bzw. vor dem 01.01.1992 geschieden worden ist und die im Ergebnis dazu führen, dass geschiedene und nicht erneut verheiratete Frauen, die ihren Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, außer ihren eigenen Rentenansprüchen keine aus der Ehe abgeleiteten Versorgungsansprüche haben. Soweit sie – durch Kindererziehung und Haushaltsführung in der Ehe, noch dazu unter den erschwerten Bedingungen einer Mangelwirtschaft – familienbedingte Nachteile in ihrer Versorgungsbiografie haben hinnehmen müssen, findet keinerlei Ausgleich statt (zu auch geschlechts(rollen)bedingten Benachteili­gungen in der früheren DDR und ihren Auswirkungen auf die Versorgungssituation von Frauen: Haupt/Schmidtke/Wille, Materielle Alterssicherung, Ansprüche auf künftige Alterssicherung und deren subjektive Bewertung von Frauen der Jahrgänge 1923 – 1948 im Land Berlin, DRV 1996, 209ff.; auch Lauterbach, Zum Ausschluß des Anspruchs auf Witwen- bzw. Witwerrente für nach DDR-Recht geschie­dene Eheleute, NJ 1997, 518ff.).

1. Für die geschiedenen Frauen im früheren Bundesgebiet sind solche von der Ehe abgeleiteten Ansprü­che – in unterschiedlicher Ausprägung – vorgesehen:

a) Die Versorgungssituation geschiedener Frauen in der (früheren) Bundesrepublik war bis zum Inkraft­treten des 1. EheRG am 01.07.1977 dadurch gekennzeichnet, dass die Frauen keine eigenen Versorgungs­anrechte aus der Ehe oder infolge der Scheidung erwerben konnten und die Gewährung einer Hinterblie­benenversorgung ausschließlich an den Bestand einer Unterhaltsforderung anknüpfte. In der geschiede­nen wie in der intakten Ehe sollte der Ausfall der Versorgers kompensiert werden.

Ungeachtet dessen war aber wegen der Besonderheiten des Scheidungsfolgenrechts nicht allein eine konkrete ehebezogene oder aus nachehelicher Solidarität zu behebende Bedarfslage der geschiedenen Frau Voraussetzung für das Entstehen des Geschiedenenwitwenrentenanspruchs. Der Unterhaltsanspruch und, ihm folgend, der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung der geschiedenen Ehefrau resultierte vielmehr aus dem Scheidungsverschulden: der an der Scheidung allein oder überwiegend schuldige Ehemann hatte zur Kompensation der Ehefrau lebenslang Unterhalt zu leisten (§ 58 Abs. 1 EheG), wenn ihre eigenen Einkünfte zum eheangemessenen Unterhalt nicht ausreichten.

Starb der geschiedene Ehemann, verlor die frühere Ehefrau ihren Unterhaltsanspruch. An seine Stelle trat dann – wie generell bei den Hinterbliebenenrenten – die gesetzliche Rentenversicherung. Erfüllte der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes die Voraussetzungen für eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und zahlte er Unterhalt bzw. hätte er solchen zahlen müssen, wurde eine Geschiede­nenwitwenrente geleistet. Gegebenenfalls musste diese Rente zwischen der geschiedenen Witwe und der Witwe des Versicherten ehedauerbezogen verteilt werden.

b) Die an den Unterhaltsanspruch anknüpfende Versorgung der geschiedenen Ehefrau wurde schon lange Zeit vor der Reform des Eherechts für unzureichend gehalten (BVerfGE 66, 66ff. 69f.;  53, 257ff., 269). Tatsächlich hat die Regelung, die vor dem Inkrafttreten des 1. EheRG galt, auch nur in seltenen Fällen dazu geführt, dass eine geschiedene Frau nach dem Tode des früheren Ehemannes eine Geschiedenen­witwenrente erhielt . Nach früher erteilten Auskünften des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung hätten nur noch 4 v. H. aller geschiedenen Frauen überhaupt eine solche Rente erhalten, s. hierzu BVerfGE 66, 66ff., 74: BVerfGE 72, 141ff.).

c) Die unzureichende Sicherung der geschiedenen Frau im Alter war letztlich Anlaß für die Einführung des Versorgungsausgleichs durch das 1. EheRG mit Wirkung vom 01.07.1977. Die rechtliche Grundstruk­tur geht – ungeachtet aller systematischen Unzulänglichkeiten – dahin, der geschiedenen Ehefrau eine gleichberechtigte Teilhabe an den während der Ehe durch die gemeinsame Leistung der Eheleute erwirt­schafteten Versorgungsanrechten zu verschaffen und ihr eine eigenständige Versorgung zu sichern, damit sie nicht noch Jahre nach der Ehescheidung an das wirtschaftliche Schicksal des geschiedenen Ehemannes gebunden bleibt (s.a. BVerfGE 53, 257ff., 296f.).

Der Anspruch auf Teilhabe an den gemeinsam geschaffenen Versorgungsanrechten ist nun völlig unabhängig vom (Fort)bestehen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs und beruht auch nicht mehr auf einer spezifischen Bedarfssituation der geschiedenen Ehefrau beim Tod ihres früheren Mannes. Vielmehr begründet oder erhöht die aufgrund der Ehe übertragene Anwartschaft die eigenen Rentenver­sicherungsansprüche der geschiedenen Frau, jedenfalls jene zur Alterssicherung.

Neu geschaffen wurde die Erziehungsrente, die aber nicht aus dem Anrecht des verstorbenen Ex-Ehe­mannes gezahlt wird, sondern aus dem eigenen (und durch Versorgungsausgleich ggf. erhöhten) Anrecht der geschiedenen Frau, wenn und solange sie beim Tod des geschiedenen Mannes ein waisenrenten­berechtigtes Kind erzieht (§§ 1265a RVO; 42 a AVG; 65a RKG, heute § 47 SGB VI; entsprechende Rege­lungen gelten im Beamtenrecht: § 22 Abs. 2 BeamtVG).

d) Für die vor dem 01.07.1977 geschiedenen Ehen blieb es bei der Fortgeltung der unterhaltsersetzenden Geschiedenenwitwenrente durch entsprechende Änderungen von §§ 1265 RVO, 42 AVG und 65 RKG, seit RRG 1992: § 243 SGB VI. Die beiden Formen der nachehelichen Versorgung geschiedener Frauen existie­ren wegen der noch zu regelnden „Altfälle“ nebeneinander. Die beiden Formen der nachehelichen Versorgung geschiedener Frauen existieren wegen der noch zu regelnden „Altfälle“ nebeneinander; ihre Anwendung unterliegt jedoch einer klaren Zeitschranke: für nach dem 01.07.1977 auftretende Fälle, in denen geschiedene Frauen keinen Versorgungsausgleich erhalten, häufig jene Fälle, in denen in der Ehe keine oder keine Versorgungsanrechte mehr erworben wurden, weil etwa ein Ehegatte bei Eheschließung bereits Rente bezog (insoweit unzutreffende Beispielsfälle bei Bürgel/Klattenhoff, FuR 1993, 127ff., 135 liSp.), nach Scheidung aber noch Unterhalt gezahlt wird, tritt beim Tode des geschiedenen Unterhalts­pflichtigen keine der Geschiedenenwitwenrente vergleichbare Regelung ein. Diese Auswirkung des 1977 eingeführten Versorgungsausgleichsrechts und der mit vormals § 42 AVG, heute § 243 SGB VI getroffe­nen Übergangsregelung hat das Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz vereinbar gehalten (BVerfGE 72, 141ff.).

2. Die Versorgungssituation der Frauen in der früheren DDR bei Ehescheidung unterscheidet sich grund­legend von dieser auf eheabgeleitete Ansprüche zunächst stark fixierten Rechtslage in den alten Bundesländern.

a) Anders als in der früheren Bundesrepublik war das Eherecht der DDR schon früh vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip übergegangen, nämlich spätestens mit der Verordnung über Eheschließung und Ehescheidung vom 24.11.1955. Das 1965 verabschiedete Familiengesetzbuch (FGB) übernahm die Schei­dungsvoraussetzungen der genannten Verordnung ohne wesentliche Änderung. Das Scheidungsfolgen­recht stand unter der Prämisse, dass mit der Scheidung die aus der Ehe resultierenden Verpflichtungen beendet waren und nachwirkende Solidarität zwischen den Partnern nicht geschuldet war. Mit der Ehescheidung sollte die Ehe grundsätzlich jede Wirkung verlieren. Der Umstand, dass Frauen bei allge­meinem Arbeitskräftemangel dringend im Wirtschaftsprozess gebraucht wurden und auch ideologisch die Frauenerwerbstätigkeit als Grundlage der tatsächlichen Gleichberechtigung gefordert wurde, führte zu der Vorstellung, dass nachehelich beide Partner erwerbstätig zu sein hatten (hierzu und zum Folgenden ausführlich: Bosch, Familien- und Erbrecht als Themen der Rechtsangleichung nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, FamRZ 1991, 1370ff.; Adlerstein/Wagenitz, Nachehelicher Unterhalt und Versorgungsausgleich in den neuen Bundesländern, FamRZ 1990, 1300ff.; Bürgel/Klattenhoff, a.a.O.; auch Klattenhoff, Versorgungsausgleich und Einigungsvertrag, DAV 1990, 435ff.).

b) Versorgungsanrechte wurden folglich weder geteilt noch übertragen, es existierte eine rudimentäre Hinterbliebenenversorgung, Unterhaltsansprüche nach der Ehe waren nur unter eingeschränkten Voraussetzungen gegeben. Sie sollen tatsächlich auch ungeachtet der hohen Scheidungsquote nur in geringem Umfang (2 – 5 % der Scheidungsfälle) zugesprochen worden sein.

Es bestand ein grundsätzlicher Unterhaltsausschluss bei Ehen von kurzer Dauer (unter einem Jahr), § 30 Abs. 1 FGB a.F. Die Vorschrift des § 29 Abs. 1 FGB (zit. nach Schwab/Reichel, Familienrecht und deutsche Einigung; Dokumente und Erläuterungen, S. 24 FN 21) sah Unterhaltsansprüche vor, wenn „ein geschie­dener Ehegatte wegen Krankheit, wegen der Erziehung der Kinder oder aus anderen Gründen nicht in der Lage (ist), sich durch Arbeit oder aus sonstigen Mitteln zu unterhalten“. In solchen Fällen „hat das Gericht den anderen geschiedenen Ehegatten für eine Übergangszeit, jedoch nicht für länger als 2 Jahre nach Rechtskraft der Scheidung zur Zahlung eines nach den beiderseitigen Verhältnissen angemessenen Unterhalts zu verpflichten...“ „Der Antrag auf Unterhaltszahlung kann nur im Scheidungsverfahren gestellt werden. Auf Unterhalt kann ausnahmsweise noch danach, jedoch nicht später als zwei Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsurteils geklagt werden, wenn die ihn rechtfertigenden Gründe in ihrem vollen Ausmaß erst nach Beendigung des Scheidungsverfahrens erkennbar wurden“ (§ 29 Abs. 3 FGB 1965). Zwischen den Eheleuten getroffene Vereinbarungen mussten vom Gericht mit dem Scheidungs­urteil bestätigt werden (§ 29 Abs. 3 FGB 1965). Ausnahmsweise allerdings konnte auch über zwei Jahre nach Scheidung hinaus Unterhalt geschuldet sein: „Stellt sich heraus, dass die Fortdauer der Unterhalts­zahlung erforderlich ist, weil der Unterhaltsberechtigte sich keinen eigenen Erwerb schaffen konnte, und ist dem Unterhaltsverpflichteten eine weitere Unterhaltszahlung zuzumuten, hat das Gericht auf Klage unter Berücksichtigung aller Umstände die Fortdauer der Unterhaltszahlung auszusprechen ... Die Fort­dauer der Unterhaltszahlung kann entweder für eine bestimmte Zeit oder zeitlich unbegrenzt ausgespro­chen werden“ (§ 31 FGB 1965).

Nach den genannten Tatbestandsvoraussetzungen muß davon ausgegangen werden, dass in Fällen, in denen überhaupt Unterhalt zugesprochen wurde oder sogar zeitlich unbegrenzt zugesprochen wurde, ernsthafte Bedarfssituationen und Bedürftigkeit vorgelegen haben (so auch Lauterbach, a.a.O., S. 522). Es muss sich also letztlich um echte Härtefälle gehandelt haben.

c) Das Rentenversicherungssystem der DDR sah vor, dass Rentenansprüche grundsätzlich nur durch versi­cherungspflichtige Berufstätigkeit erzielt werden konnten. Die Rente aus der Einheitsversicherung war relativ niedrig, umlagefinanziert und nicht dynamisch. Es bestand umfassende Versicherungspflicht. Die Beitragsbemessungsgrenze für die Pflichtversicherung lag jahrelang bei 7.200,00 Mark monatlich. Nicht sozialversicherungspflichtig waren Personen, die unter 900 Mark jährlich verdienten.

Es bestanden ergänzende Versorgungssysteme, insbesondere die freiwillige Zusatzrentenversicherung. Betriebsrentensysteme waren nicht vorgesehen, dafür aber eine Reihe von Sonderleistungen für bestimmte Berufsgruppen.

Das Rentenalter lag bei 65 Jahren für Männer und 60 Jahren für Frauen. Anspruch auf eine Altersrente bestand, wenn mindestens 15 Jahre versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt wurden. Für Frauen, die drei und mehr Kinder geboren hatten, verringerte sich die Mindestversicherungsdauer pro Kind um ein Jahr. Grundlage für die Berechnung der Altersrente war der in den letzten 20 Jahren vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielte beitragspflichtige monatliche Durchschnittsverdienst, die Anzahl der Jahre der versicherungspflichtigen Tätigkeit, Zurechnungszeiten sowie die freiwillig gezahlten Beiträge zur Sozialversicherung.

Als Zeiten versicherungspflichtiger Tätigkeit galten Zeiten, in denen Frauen Schwangerschafts- und Wochengeld gezahlt worden war (wenn sie also vor und nach der Schwangerschaft/Geburt erwerbstätig gewesen waren), und wenn die Betreuung eines ständig pflegebedürftigen Familienangehörigen eine Berufstätigkeit nicht erlaubt hatte. Zurechnungszeiten, d.h. Berücksichtigung beitragsloser Zeiten konn­ten Frauen beanspruchen, wenn sie ein Kind geboren hatten (bis zum zweiten Kind jeweils ein Jahr). Hatte eine Frau drei oder mehr Kinder geboren, erhielt sie in der Alterssicherung drei Jahre für jedes Kind, sowie zusätzlich für Erwerbszeiten je nach Lebensalter eine Gutschrift von bis zu 5 Jahren, wohl als Aus­gleich für die Doppelbelastung (s. i.E. Polster, Grundzüge des Rentenversicherungssystems der Deutschen Demokratischen Republik, DRV 1990, 154ff.; Meurer, Rentnerinnen in Ostdeutschland, DAngVers 1995, 121ff.).

Der monatliche Rentenfestbetrag betrug Ende November 1989 zwischen 140 und 210 Mark. Für Männer und Frauen, die Anspruch auf eine Altersrente hatten, war in Abhängigkeit von der Anzahl der Arbeits­jahre ein Mindesteinkommen in Höhe von monatlich 330 bis 470 Mark garantiert (gestaffelt nach Arbeitsjahren von unter 15 Jahren bis 45 und mehr Arbeitsjahre).

Für Frauen, die fünf oder mehr Kinder geboren und einen Anspruch auf eine Altersrente aus versiche­rungspflichtiger Tätigkeit hatten, betrug der Mindestbetrag der Altersrente 470,00 Mark; hatten sie keinen Anspruch auf Altersrente aufgrund eigener Erwerbstätigkeit, erhielten sie aus den Zurechnungs­zeiten 330,00 Mark.

Zur Rente konnte beliebig hinzuverdient werden. Der Lebensunterhalt wurde – was die Basisbedürfnisse anbelangt – durch staatliche Subventionen niedrig gehalten.

d) Es bestand ein Anspruch auf Witwenrente für die Witwe ab Vollendung des 60. Lebensjahres, sowie für Frauen, die ein Kind unter 3 Jahren oder zwei Kinder unter 8 Jahren bei Eintritt des Versorgungsfalles betreuten, der Anspruch war dann unabhängig vom Alter der Frau. Voraussetzung für den Rentenbezug war, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes die finanziellen Aufwendungen für die Familie überwiegend erbracht hatte und die Voraussetzungen für die Alters- oder Invalidenrente in seiner Person erfüllt waren. Die Witwenrente betrug 60 % der Rente des Verstorbenen, mindestens 330 Mark.

e) Geschiedene Ehefrauen hatten Anspruch auf Unterhaltsrente, wenn sie selbst keine Sozialversiche­rungsrente bezogen, die für Witwen geltenden Voraussetzungen (Alter, Versorgung kleiner Kinder) eben­falls erfüllten und wenn der verstorbene geschiedene Ehemann von einem Gericht zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verurteilt worden war. Höhe und Dauer der Geschiedenenwitwenrente richteten sich nach den gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlungen, d.h. die Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehemannes wurde, ungeachtet der Höhe seiner eigenen Versorgung, nach seinem Tode von dem Versor­gungsträger fortgeführt. Es galt also im Grunde eine Regelung, wie sie in der früheren Bundesrepublik bis 1956 gegolten hatte (vgl. hierzu BVerfGE 66, 66ff.), wonach der Geschiedenenwitwenrentenanspruch der Höhe nach auf den Unterhaltsanspruch begrenzt war, während er anschließend in vollem Umfang oder ehezeitanteilig zugebilligt wurde, wenn der Ehemann erneut geheiratet hatte. Die Unterhaltsersatzfunk­tion war aber erhalten geblieben.

3. Nach der Rechtsangleichung stellt sich die Situation der in der DDR geschiedenen Frauen wie folgt dar: soweit sie am 03.10.1990 eine Unterhaltsrente erhielten, wurde und wird diese als Bestandsrente – ohne Anpassung – fortgeführt. Daneben erhalten sie, soweit sie diese erworben haben und die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, Rentenversicherungsleistungen aufgrund eigener Anwart­schaften.

Frauen, die aufgrund einer von einem DDR-Gericht getroffenen Unterhaltsregelung über den 03.10.1990 hinaus von ihrem geschiedenen Ehemann noch Unterhaltszahlungen erhielten, bekommen keine Geschie­denenwitwenrente, weil die Anwendung von § 243 SGB VI durch die hier gegenständliche Regelung des § 243 a SGB VI für jene Fälle ausgeschlossen wird, in denen sich der Unterhaltsanspruch nach dem Recht des Beitrittsgebietes bestimmte (s.a. Wunderlich, a.a.O.).

Eine nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil durch die Vorschriften des Einigungsvertrages, hier: Art. 234 § 6 EGBGB bestimmt wird, dass für Ehegat­ten, die vor dem grundsätzlichen Inkrafttreten der versicherungs- und rentenrechtlichen Vorschriften des (SGB VI im Beitrittsgebiet) geschieden worden sind oder geschieden werden, ... das Recht des Versor­gungsausgleichs (nicht gilt).

Die Gründe, welche die Verfasser des Einigungsvertrages zu dieser Regelung veranlasst haben, spielen im vorliegenden Zusammenhang keine entscheidende Rolle, ebenso wenig wie die verschiedenen Varianten des innerstaatlichen Kollisionsrechts, die durchaus dazu führten, dass DDR-Geschiedene bei Übersiedlung in den Westen nach Feststellung des Scheidungsverschuldens noch Unterhalt und in dessen Folge Geschiedenenwitwenrente (vgl. BSG, SozR 2200 § 1265 Nr. 43; aufgegeben durch BSG SozR 3-2200 § 1265 Nr. 6) bzw. nach dem 01.07.1977 auch den Versorgungsausgleich, zunächst nach der Recht­sprechung des BGH, dann nach Art. 17 EGBGB, erhalten konnten (vgl. hierzu i.E. Bosch, a.a.O.). Diese Entscheidungen gelten auch nach dem Beitritt fort.

Beachtlich ist vor allem, dass bei der Umsetzung des Einigungsvertrages noch davon ausgegangen wurde, dass der Gesetzgeber zwar Ehen, die vor dem 03.10.1990 geschieden wurden, auch künftig nicht rückwir­kend dem Recht des Versorgungsausgleichs unterstellen wollte, jedoch „wird in solchen Fällen auch weiterhin nach dem Tod des unterhaltspflichtigen früherenEhegatten (Hervorhebung d.U.) – nach Maßgabe der spezialgesetzlichen Versorgungsregelungen – dem unterhaltsberechtigten früheren Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu erbringen sein (BT-Drs 11/7817 vom 10.09.1990, S. 44 zu Artikel 234 § 6). Ungeachtet dieses Plans (hierzu auch Klattenhoff, Versorgungsausgleich und Einigungs­vertrag, DAV 1990, 435ff., 439 liSp.; auch Soergel/Siebert – Rauscher, BGB-Kommentar, Rz. 24ff. zu Art. 234 § 6 EGBGB) bestimmt nun jedoch § 243 a SGB VI, dass eine erstmalige Gewährung von Hinterbliebe­nenrenten an jene Geschiedene, die nach DDR Unterhalt bis zum Tode ihres Mannes Unterhalt erhielten, nicht in Betracht kommt.

4. Der Deutsche Juristinnenbund geht davon aus, dass diese Regelung gleichheitswidrig ist, sofern eine nennenswerte Zahl von Frauen in den neuen Bundesländern von dem gesetzlichen Ausschluss betroffen sind.

a) Keine sachgerechte Vergleichsgruppe sind allerdings alle vor 1977 oder gar Oktober 1990 in den neuen Bundesländern geschiedenen Frauen, die unabhängig vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gegen den verstorbenen Mann eine Geschwiedenenwitwenrente erhalten sollen resp. wollen im Verhältnis zu den vor 1977 geschiedenen Frauen in den alten Ländern mit Unterhaltsanspruch. Die Beschwerdeführerin vertritt wohl die Auffassung, dass die Geschiedenenwitwenrente für vor dem 03.10.1990 in der DDR geschiedene Frauen unabhängig vom Bestehen eines Unterhaltsanspruchs gewährt werden sollte. Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil es dann nicht mehr auf den Anwendungsbereich des gesetzlichen Ausschlusstatbestandes nach § 243 a SGB VI ankommt und letztlich eine Besserstellung gegenüber den geschiedenen Witwen in den altern Ländern begehrt wird, die weiterhin den Restriktionen des § 243 SGB VI unterfallen.

b) Soweit eine Ungerechtigkeit darin gesehen wird, dass die zwischen 1977 und 1990 in der DDR geschiedenen Frauen keinen Versorgungsausgleich erhalten, ist dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens, und zwar weder des Ausgangsverfahrens noch des Verfassungsbeschwerdeverfahrens.

c) Ausgangspunkt ist vielmehr nur die wirklich von dem gesetzlichen Ausschluss betroffene Personen­gruppe. Es handelt sich um die Gruppe von Frauen, die Unterhaltsleistungen auch nach den in der DDR geltenden Vorschriften im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des geschiedenen Mannes beanspruchen konnten oder erhalten haben, alle übrigen Voraussetzungen nach § 243 SGB VI erfüllen und allein wegen der Regelung des § 243 a SGB VI keine Leistung aus der Rentenversicherung des verstorbenen Mannes erhalten. Um die Zahl der von dem gesetzlichen Ausschluss auch faktisch betroffe­nen Frauen errechnen zu können, müsste dabei die Zahl der Frauen festgestellt werden, die auch im Ergebnis – nach der Anrechnung des eigenen Einkommens bzw. eigener Rentenleistungen – eine Geschiedenenwitwenrente erhielte, gäbe es § 243 a SGB VI nicht.

d) Genauere Zahlen konnte der Deutsche Juristinnenbund dazu nicht ermitteln. Es ist nur generell davon auszugehen, dass wegen der ganz anderen Erwerbstätigkeit von Frauen die abgeleiteten Hinterbliebe­nenrenten in den neuen Bundesländern nur eine geringe Rolle spielen, während eigene Ansprüche auf eine Altersrente sowohl von der Anzahl als auch der Höhe nach deutlich gewichtiger sind. Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus einer Gegenüberstellung der Hinterbliebenenrenten und (eigenen) Altersrenten, die in den alten und neuen Bundesländern an Frauen geleistet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Zahlen nur eingeschränkt vergleichbar sind, weil die Sonderversorgungssysteme der früheren DDR durch die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen wurden, während in den alten Ländern Beamtenpensionen und Leistungen der sonstigen Alterssicherungssysteme (z.B. für die freien Berufe) nicht durch die gesetzliche Rentenversicherung abgebildet werden. Die folgenden Daten basieren auf dem Rentenversicherungsbericht 1999 (BT-Drs. 14/2116, S. 42, 45): Danach erhielten im Jahr 1998 in den alten Bundesländern knapp 4 Millionen Frauen ausschließlich eine eigene Altersrente, 1,75 Mio. Frauen erhielten allein eine Hinterbliebenenrente und 2,3 Mio. Frauen erhielten mehrere Renten (i.d.R. wohl eine Hinterbliebenenrente und eine Altersrente). Von allen Rentnerinnen in den alten Bundeslän­dern waren damit 20,36 % – also ein Fünftel aller Frauen – allein auf die Witwenrente angewiesen. In den neuen Bundesländern erhielten 1,1 Mio Frauen ausschließlich eine eigene Altersrente, 0,18 Mio. Frauen erhielten allein eine Hinterbliebenenrente und 0,8 Mio Frauen erhielten mehrere Renten. Von allen Rentnerinnen in den neuen Bundesländern waren damit nur 7,5 % allein auf die Witwenrente angewiesen. Gleichzeitig waren die Hinterbliebenenrenten in den neuen Ländern statistisch niedriger als in den alten Ländern, sie betrugen 970 DM) monatlich, in den alten Ländern waren es 1030 DM/monatlich. Demgegenüber waren die eigenen Altersrenten der Frauen deutlich höher in den neuen Ländern, sie betrugen im Durchschnitt im Jahr 1998 1140 DM gegenüber 825 DM/monatlich in den alten Ländern.

e) Unterstellt man vor diesem Hintergrund, dass eine nennenswerte Zahl von Frauen in den neuen Bundesländern in dem oben gekennzeichneten Sinne von der Ausschlussklausel betroffen sind, es sich also nicht nur um ganz wenige atypische Fälle handelt, ist von einer nicht gerechtfertigten Ungleichbe­handlung auszugehen.

Der Gesetzgeber hat als Grund für die Einführung des § 243 a SGB VI, dass es zu Zufallsergebnissen führen würde, in den wenigen Fällen, in denen nach dem spezifischen Recht des Beitrittsgebietes Unter­haltsansprüche bestanden hätten, eine Rente an geschiedene Ehegatten vorzusehen. Dagegen spreche auch, dass bei mehreren Ehen die Witwenrente entsprechend der Ehedauer gekürzt werden müsste, obwohl die Witwe hiermit nicht rechnen musste (BT-Drucks. 12/405, S. 124).

Diese Gründe indes können für die Ungleichbehandlung von Geschiedenen im Beitrittsgebiet gegenüber Geschiedenen im früheren Bundesgebiet nicht als ausreichende sachliche Rechtfertigung angesehen werden. „Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung kann nicht allein die Tatsache sein, dass die von § 243 a SGB VI betroffene Gruppe den größten Teil ihres Lebens als Bürger der ehemaligen DDR und unter den dortigen rechtlichen und sozialen Gegebenheiten verbracht hat. Die Regelungen des geltenden Rentenrechts müssen vielmehr eine Differenzierung unter Beachtung der konkreten Lebensverhältnisse nach der Wiedervereinigung rechtfertigen“ (Lauterbach, a.a.O., S. 522).

Zumindest ältere geschiedene Frauen, die in der DDR während der Ehezeit keine oder nur in einge­schränktem Rahmen Rentenanwartschaften aufgebaut haben, stehen nunmehr schlechter als Frauen in den alten Bundesländern. Einerseits sind die spezifischen Nivellierungselemente des Rentenrechts der DDR weggefallen (Mindestrente), andererseits wird kein Versorgungsausgleich durchgeführt, und auch der mögliche Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente für Geschiedene ist ausgeschlossen. Es kann der Gruppe der nach dem DDR-Recht Unterhaltsberechtigten nicht zum Nachteil gereichen, dass der nach­eheliche Unterhalt allgemein nur unter engen Voraussetzungen gewährt wurde und dass der unbefristete Unterhaltsanspruch auf Härtefälle beschränkt war. In den Fällen in denen selbst unter den spezifischen Bedingungen der DDR der Lebensunterhalt vom Unterhaltsberechtigten nicht aus eigener Erwerbstätig­keit bestritten werden konnte, würde auch eine daran anknüpfende Gewährung einer Hinterbliebenen­versorgung nicht zu Zufallsergebnissen führen, sondern vielmehr eine Gruppe besonders bedürftiger Personen begünstigen. Damit wäre zwar noch  keine befriedigende Lösung für diejenigen Personen gefunden, die zwar keinen Unterhaltsanspruch nach dem Recht des Beitrittsgebiets haben, jetzt aber aufgrund veränderter ökonomischer Bedingungen nach dem Beitritt unterhaltsbedürftig geworden sind (Lauterbach, a.a.O., S. 522). Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine verfassungsrechtliche Fragestel­lung bezogen auf § 243 a SGB VI.

Soweit die Zufallsergebnisse darin gesehen werden, dass Frauen, die zwischen 1977 und 1990 in den neuen Ländern geschieden wurden, schließlich auch keine eheabgeleitete Versicherung durch den Versorgungsausgleich erhalten, ist dies ein Aspekt, der nicht mit der Regelung des § 243 a SGB VI zu tun haben dürfte. Die eine unzureichende Regelung ist nicht damit zu rechtfertigen, dass es auch noch eine weitere unzureichende Regelung gibt. Es könnte ja durchaus sein, ist hier aber nicht weiter zu vertiefen, dass auch der völlige Ausschluss des Versorgungsausgleichs für Scheidungen in der DDR zwischen 1977 und 1990 im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und 2, aber auch im Hinblick auf die Gleichbewertung der Leistungen der Frauen in und infolge der Ehe (Art. 6 Abs. 1) problematisch ist.

Soweit der Gesetzgeber nun besonders darauf hinweist, dass Anspruch auf eine Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch dann besteht, wenn die Ehe vor 1977 geschieden wurde (vgl. BR-Drs. 197/91, S. 124) kann dies schwerlich als ausreichende Kompensation des völligen Ausschlusses der Hinterbliebenenrenten angesehen werden. Die Regelung erfasst schon durch Zeitablauf nur ältere Frauen, die keine minderjährigen Kinder mehr erziehen und nicht daher an Erwerbstätigkeit gehindert sind. Die Kinder, die bei einer Scheidung in den neuen Bundesländern bis Juli 1977 nur drei Jahre alt gewesen sind, sind bei Einführung der hier streitigen Regelung im Jahr 1992 volljährig gewor­den, womit bereit des tatsächliche Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen wird. Für diese einge­grenzte Gruppe von Frauen – die also typischerweise nicht mehr in den Genuss einer Erziehungsrente kommt – bietet das SGB VI keine ausreichende Sicherung.

Richtig ist zwar, dass für die Frauen in den neuen Bundesländern die im § 243 SGB VI enthaltene zeitli­che Abgrenzung nach dem Datum der Scheidung vor oder nach dem 01.07.1977 keinen Sinn ergibt. Allerdings vermag dies nicht zu rechtfertigen, im Ergebnis alle nach dem Recht der DDR geschiedenen Personen von der Hinterbliebenenrente für Geschiedene auszuschließen. Der Gesetzgeber hat im SGB VI für die geschiedenen Hinterbliebenen aus den alten Bundesländern danach differenziert, ob die Regelun­gen über Versorgungsausgleich gelten oder nicht. Es sind keine überzeugenden Gründe dafür erkennbar, dass die Altgeschiedenen aus dem Beitrittsgebiet sowohl vom Versorgungsausgleich als auch von der Hinterbliebenenversorgung generell ausgeschlossen werden, obwohl für eine abgrenzbare Gruppe ehe­bedingte Nachteile im Aufbau eigener Versorgungsanwartschaften auch unter den spezifischen Bedin­gungen der DDR erkennbar vorhanden waren, die sich nun im Rentenrecht des SGB VI infolge nur unzu­reichender eigener Anwartschaften bzw. Ansprüche auswirken. Dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, für das Beitrittsgebiet eine sachgerechte, vom Datum der Einführung des Versorgungsausgleichs unab­hängige Regelung zu treffen, rechtfertigt nicht, selbst diejenigen von Ansprüchen auszuschließen, die die Tatbestandsvoraussetzungen des § 243 SGB VI in seiner jetzigen Form erfüllen. Gerade auch die in der Bundesrepublik geltenden Grundsätze des Eherechts – nacheheliche Solidarität – sprechen eher für als gegen eine Übernahme von § 243 SGB VI auch für Unterhaltsfälle nach DDR-Recht.

f) Soweit die Beschwerdeführerin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen den nicht geschiedenen Witwen und den geschiedenen Witwen in den neuen Ländern sieht, weil Witwen generell besser gestellt seien, dürfte es sich in dieser generellen Form nicht um eine sachgerechte Vergleichsgrup­penbildung im Hinblick auf die mittelbar angegriffene Norm des § 243 a GB WI handeln. Auch dass Witwen im bundesdeutschen Recht bis 1977 deutlich besser als geschiedene Witwen behandelt wurden, ist Fakt. Hatte die geschiedene Frau Anspruch auf Unterhalt, wurde dieser jedoch beispielsweise mangels Leistungsfähigkeit des früheren Mannes nicht befriedigt, so erhielt diese Frau auch keine Geschiedenen­witwenrente, wenn es noch eine Witwe gab (§ 243 Abs. 3 letzter HS SGB VI). Dieses Problem hängt jedoch nicht mit den neuen Ländern und schon gar nicht mit dem Anwendungsbereich des § 243 a SGB VI zusammen. Es ist durch den nicht nur rechtspolitisch sondern auch verfassungsrechtlich sachgerech­teren Versorgungsausgleich aufgehoben worden.

Problematisch sind jedoch die Fälle, in denen aus einer Rente des Verstorbenen nach DDR-Recht sowohl die Witwe eine Witwenrente wie auch die geschiedene Witwe eine Unterhaltsrente erhielten. Wie oben ausgeführt, gab es im Recht der DDR eine solche Möglichkeit. Diese Personengruppe der geschiedenen Frauen, zu denen die Beschwerdeführerin ersichtlich nicht gehört, ist durch die gesetzliche Ausschluss­klausel tatsächlich gegenüber den Witwen schlechter gestellt. Ob es auch Fälle dieser Art gibt, ist unbe­kannt. Sofern sie in nennenswerter Zahl vorliegen, dürfte allerdings eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Nachbesserung der Regelung bestehen.

Wie diese Nachbesserung erfolgt, ist Sache des Gesetzgebers. Die Rechte der Witwe stehen dem nicht entgegen, vielmehr sind sachgerechte Übergangsbestimmungen denkbar. Wenn eine Witwe bislang die gesamte Witwenrente erhalten hat, ist es nicht erforderlich, einen ggf. großen Teil der ihr bereits zuer­kannten Bezüge ehedauerbezogen wieder zu kürzen. Die Witwenrente könnte vielmehr als Bestandsrente fortgeführt werden; schließlich hat der Gesetzgeber selbst den Vertrauenstatbestand geschaffen, indem er die Geschiedenenwitwenrenten nicht von vornherein berücksichtigt hat. Für die Geschiedenenwit­wenrente könnte eine Pauschalierung anknüpfend an den früheren Unterhalt vorgenommen werden oder eine ehezeitdauerbezogene Berechnung erfolgen. Jedenfalls sind auch unkomplizierte und verwaltungs­technisch leicht zu bewältigende Lösungen denkbar. Die Fälle, in denen der auch der geschiedenen Frau unterhaltspflichtige und tatsächlich Unterhalt leistende Ehemann erst jetzt stirbt, erscheinen dagegen noch unproblematischer. Hier kann die Regelung des § 243 SGB VI ohne weiteres angewendet werden. Dies bedeutet allerdings nach den Vorgaben zur Geschiedenenwitwenrente auch, dass bei Existenz einer anspruchsbrechtigten Witwe keine Geschiedenenwitwenrente geleistet wird, wenn der Anspruch der geschiedenen Frau auf Unterhalt nur dem Grunde nach bestand, dieser jedoch nicht im wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten erfüllt wurde.

Ergebnis

Nach Auffassung des Deutschen Juristinnenbundes bestehen Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungs­beschwerde, da nach den übersandten Unterlagen die Beschwerdeführerin gar nicht von der gesetzlichen Ausschlussklausel des § 243 a SGB VI betroffen ist, weil sie auch die Voraussetzungen für eine Geschie­denenwitwenrente nach dem in den alten Bundesländern geltenden Recht nicht erfüllen dürfte.

Stellt man dies zurück, so sind zwei Gleichheitsverstöße näher zu untersuchen. Die in der ehemaligen DDR vor 1977 geschiedenen Frauen mit nachehelichem Unterhaltsanspruch, der auch im letzten Jahr vor dem Tode des früheren Mannes bestand bzw. erfüllt wurde, werden gegenüber den bis zu diesem Zeit­punkt Geschiedenen in den alten Bundesländern ungleich behandelt. Dafür sind die vom Gesetzgeber genannten Rechtfertigungsgründe nicht ausreichend, da für beide Gruppen vergleichbare Sicherungs­bedürfnisse bestehen.

Sofern bei dieser Gruppe von vor 1977 geschiedenen Frauen Unterhalt tatsächlich im wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Mannes geleistet wurde und eine Wiederverheiratung erfolgt, also neben der geschiedenen eine Witwe existiert, liegt ein weiterer Gleichheitsverstoß in der Schlechterstellung gegenüber den Witwen. Auch insoweit sind sachliche Rechtfertigungsgründe für eine gesetzliche Aus­schlussklausel nur zu Lasten einer Gruppe nicht erkennbar.

Ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Ergebnis zu bejahen ist, hängt entscheidend davon ab, ob es überhaupt in nennenswerter Zahl von der gesetzlichen Regelung Betroffene in dem oben skizzierten Sinne gibt. Dazu liegen dem Deutschen Juristinnenbund keine zugänglichen Unterlagen vor. Aus den allgemeinen Rentenstatistiken kann nur abgeleitet werden, dass die Hinterbliebenenversorgung bei Frauen in den neuen Ländern einen quantitativ und qualitativ niedrigeren Stellenwert als in den alten Ländern besitzt; die eigenständigen Anwartschaften der Frauen sind demgegenüber deutlich besser aus­gebaut. Allerdings lagen die Frauenerwerbsquoten nun auch nicht durchgängig hoch und auch niemals bei 100 %, so dass es in der Tat noch eine Reihe von betroffenen Frauen geben dürfte, die auf eine Geschiedenenwitwenrente angewiesen sind.

 

Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende    

 

Sabine Heinke
Vorsitzende der Kommission Familienrecht

 

Dr. Christine Fuchsloch
Kommission Familienlastenausgleich