Stellungnahme: 00-15


der Kommission Europa und des Arbeitsstabs Arbeits- und Wirtschaftsrecht des djb zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG

Stellungnahme vom

Die Europäische Kommission hat am 7. Juni 2000 einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vorgelegt. Ziel dieses Vorschlags ist es, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aufzunehmen sowie die Richtlinie an die Bestimmungen des Vertrages von Amsterdam und die geplanten Antidiskriminierungsmaßnahmen anzupassen.

Dieser Änderungsvorschlag steht im Zusammenhang mit dem Antidiskriminierungs-Paket, das die Europäische Kommission im November 1999 vorgelegt hat. Ausgangspunkt für die Bewertung der Vorschläge der Kommission zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG sind die bereits beschlossene Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft sowie der Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichberechtigung in Beschäftigung und Beruf , an denen sich die nachfolgenden Änderungsvorschläge des djb hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Regelungen einschließlich des Rechtsschutzes orientieren.

Der djb begrüßt, dass die Europäische Kommission sich entschlossen hat, einen Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG vorzulegen. Bei der Richtlinie 76/207/EWG handelt es sich um eine zentrale Regelung des Gemeinschaftsrechts auf dem Gebiet der Gleichbehandlung von Frauen und Männern, auf deren Grundlage noch vor kurzem wichtige Urteile des Europäischen Gerichtshofs ergingen. Nach nunmehr fast 25jähriger Geltung ist jedoch unverkennbar, dass die Richtlinie in einigen Punkten einer Aktualisierung und Anpassung bedarf. Dies ergibt sich nicht in erster Linie aus den materiellen Bestimmungen - diese haben nach wie vor uneingeschränkte Gültigkeit und Aktualität für die Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern. Es erscheint jedoch notwendig, die langjährige und umfassende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (über 40 Entscheidungen) seit Inkrafttreten der Richtlinie 76/207/EWG durch entsprechende Bestimmungen in der Richtlinie zu berücksichtigen. Dies betrifft insbesondere den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Verbots der mittelbaren Diskriminierung sowie die Zulässigkeit von sogenannten positiven Diskriminierungen, d. h. Maßnahmen zur Beseitigung der tatsächlichen Ungleichheit. Nach Ansicht des djb dient es der gemeinschaftsweiten Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, wenn die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in dieser Form umgesetzt wird.

Die Weiterentwicklung des Ansatzes der Richtlinie über den Beschäftigungsbereich hinaus auf der Grundlage des Art. 13 EG-Vertrag erscheint sinnvoll. Der djb begrüßt deshalb die Ankündigung der Kommission in der sozialpolitischen Agenda, einen entsprechenden Vorschlag im Jahre 2002 vorzulegen, um die erforderliche Kohärenz im Bereich der Antidiskriminierungsvorschriften zu sichern.

Der djb nimmt die Vorschläge der Europäischen Kommission insgesamt zustimmend zur Kenntnis und begrüßt die vorgeschlagenen Änderungen, bei denen es sich zum größten Teil um richtige und sinnvolle Konkretisierungen oder Weiterentwicklungen handelt. Der djb hält darüber hinaus folgende Ergänzungen bzw. Änderungen für erforderlich:

1. Sexuelle Belästigung (Punkt 2 des Änderungsvorschlags)
Der djb begrüßt, dass nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission sexuelle Belästigung eine Form der Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts darstellt und entsprechend in die Richtlinie aufgenommen werden soll. Dies war längst überfällig. Ebenfalls zu begrüßen ist, dass die Aufnahme sexueller Belästigung als Diskriminierung mit einer umfassenden Definition verbunden wird, die derjenigen in den anderen Antidiskriminierungsvorschriften auf der Basis von Art. 13 EG-Vertrag entspricht.

2. Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung (Punkt 3 lit a)
Das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Verbot der mittelbaren Diskriminierung wird bereits jetzt in Art. 2 Abs. 2 der Beweislast-Richtlinie ausdrücklich geregelt und definiert. Damit sollte Rechtsklarheit geschaffen und deutlich gemacht werden, dass dieses Verbot ebenso grundlegend für die gemeinschaftliche Rechtsordnung ist wie das Verbot unmittelbarer Diskriminierung. Die Kommission übernimmt diese Definition in ihrem Änderungsvorschlag. Der djb hält diese Vorgehensweise nicht für sinnvoll. Denn es gibt keinen Grund, unterschiedliche Definitionen der mittelbaren Diskriminierung zu haben. Da die Definition der mittelbaren Diskriminierung, wie sie in der Richtlinie 2000/43/EG in Art. 2 Abs. 2 lit. b) enthalten ist, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze umsetzt und inhaltlich nicht hinter der in der Beweislast-Richtlinie formulierten Definition zurückbleibt, schlägt der djb vor, die Formulierung der Richtlinie 2000/43/EG entsprechend zu übernehmen. Punkt 3 a) des Änderungsvorschlags der Kommission sollte daher wie folgt neu formuliert werden:

"Im Sinne von Unterabsatz 1 liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen ihres Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich."

3. Beweislast
Der djb bedauert, dass sich die Europäische Kommission nicht entschlossen hat, mit dem Änderungsvorschlag auch die Aufnahme klarer Beweislastregeln in die Richtlinie anzuregen. Die Regelungen der Beweislast haben eine zentrale Bedeutung bei Diskriminierungen, so dass eine ausdrückliche Bestimmung in die Richtlinie 76/207/EWG aufgenommen werden sollte. Da die sprachliche Fassung in der Beweislast-Richtlinie (Art. 4) nicht derjenigen in der Richtlinie 2000/43/EG entspricht, beide Formulierungen sich im Inhalt aber nicht unterscheiden, schlägt der djb aus Gründen der Einheitlichkeit im Rahmen der Antidiskriminierungsvorschriften vor, die Regelung des Art. 8 der Richtlinie 2000/43/EG in den Änderungsvorschlag aufzunehmen. Darüber hinaus enthält Art. 4 der Beweislast-Richtlinie keine Regelung über die Nichtanwendung der Beweislast im Strafverfahren, die aber zur Wahrung der Unschuldsvermutung im Strafverfahren als europaweitem allgemeinen Rechtsgrundsatz erforderlich ist. Folgende Formulierung wird daher unter Punkt 6 des Änderungsvorschlags als Art. 8 d vorgeschlagen:

"(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichheitsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1,2, und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 8 a Absatz 3.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt."

4. Viktimisierung
Der djb ist der Auffassung, dass Art. 7 der Richtlinie 76/207/EWG angepasst werden sollte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass jetzt auch sexuelle Belästigung als Diskriminierung gilt. Aus Gründen der Einheitlichkeit sollte hier wiederum eine Formulierung gewählt werden, wie sie bereits in einer Regelung des Antidiskriminierungs-Pakets enthalten oder vorgesehen ist. Da die Richtlinie 2000/43/EG nicht für den Beschäftigungsbereich gilt, die Regelungen aber identisch sind, bezieht sich der djb an dieser Stelle auf Art. 11 des Entwurfs einer allgemeinen Rahmenrichtlinie und schlägt vor, Art. 7 der Richtlinie 76/2077EWG wie folgt zu ändern:

"Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung die erforderlichen Maßnahmen, um die Arbeitnehmer vor Entlassung oder anderen Benachteiligungen durch den Arbeitgeber zu schützen, die als Reaktion auf eine Beschwerde innerhalb des betreffenden Unternehmens oder auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgen."

5. Ausmaß unterschiedlicher Behandlung (Punkt 3 lit b)
Der djb begrüßt, dass die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag die vom Europäischen Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen verlangte enge Auslegung der Ausnahmeregelungen von dem Gleichbehandlungsgebot nachvollzieht. Damit wird auch der ansonsten anerkannte Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten eingeschränkt, da der Ausschluss von Frauen von bestimmten beruflichen Tätigkeiten nunmehr nur dann gerechtfertigt ist, wenn das biologische Geschlecht eine unabdingbare Voraussetzung und damit eine echte berufliche Qualifikation ist.

6. Mutterschutz (Punkt 3 lit c)
Die Formulierung des Anspruchs von Frauen auf Rückkehr an den alten Arbeitsplatz nach der Entbindung stellt eine konsequente und sinnvolle Konkretisierung und Ergänzung der gemeinschaftlichen Regelungen zum Mutterschutz dar. Allerdings gibt der djb zu bedenken, dass die vorgeschlagene Regelung, mit der die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof nachvollzogen wird, in der Richtlinie 76/207/EWG an der falschen Stelle kodifiziert wird und statt dessen in die Mutterschutz-Richtlinie 92/85/EWG aufgenommen werden sollte. Darüber hinaus sollte nach Ansicht des djb Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG um den Schutz der Eltern bei Elternurlaub ergänzt werden.
Grundsätzlich sollte der Mutterschutz nicht als Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz geregelt werden. Vielmehr sind Mutterschutz- und Elternurlaubsregelungen Voraussetzung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern. Diese Aspekte sind deshalb als eigener Punkt darzustellen. Darüber hinaus bedürfen insbesondere die Mutterschutzregelungen einer Überarbeitung mit dem Ziel, dass deren Ausgestaltung in einer Weise erfolgt, dass die Beschäftigung von Frauen für den individuellen Arbeitgeber nicht zu ökonomischen Risiken führt.

7. Sozialer und ziviler Dialog (Punkt 4, Punkt 6 - Art. 8b)
Der djb ist wie die Kommission der Auffassung, dass den Sozialpartnern bei der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung eine wesentliche Rolle zukommt und begrüßt daher die Betonung dieser Bedeutung der Sozialpartner in der Richtlinie. In diesem Sinn ist es folgerichtig, dass eine Diskriminierung im Zusammenhang mit der Tätigkeit in einer solchen Organisation von der Richtlinie erfasst werden soll. Allerdings sollte auch hier im Sinne der Einheitlichkeit die Formulierung eingefügt werden, wie sie in Art. 11 der Richtlinie 2000/43/EG und dem Entwurf für eine Rahmenrichtlinie Beschäftigung in Art. 13 enthalten ist:

"(1) Die Mitgliedstaaten treffen im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren geeignete Maßnahmen zur Förderung des sozialen Dialogs zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit dem Ziel, die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch Überwachung der betrieblichen Praxis, durch Tarifverträge, Verhaltenskodizes, Forschungsarbeiten oder durch einen Austausch von Erfahrungen und bewährten Lösungen voranzubringen.
(2) Soweit vereinbar mit den nationalen Gepflogenheiten und Verfahren, fordern die Mitgliedstaaten Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Eingriff in deren Autonomie auf, auf geeigneter Ebene Antidiskriminierungsvereinbarungen zu schließen, die die in Artikel 3 genannten Bereiche betreffen, soweit diese in den Verantwortungsbereich der Tarifparteien fallen. Die Vereinbarungen müssen den in der Richtlinie festgelegten Mindestanforderungen sowie den einschlägigen nationalen Durchführungsbestimmungen entsprechen."

Darüber hinaus fordert der djb, dass gemäß Art. 12 der Richtlinie 2000/43/EG und Art. 14 des Entwurfs für eine Rahmenrichtlinie eine Bestimmung zur Förderung des Dialogs mit Nichtregierungsorganisationen in Anschluss an Art. 8b aufgenommen wird:

"Die Mitgliedstaaten fördern den Dialog mit geeigneten Nichtregierungsorganisationen, die gemäß ihren nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ein rechtmäßiges Interesse daran haben, sich an der Bekämpfung von Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts zu beteiligen, um den Grundsatz der Gleichbehandlung zu fördern."

8. Positive Maßnahmen (Punkt 3 lit d)
Die Zulässigkeit sogenannter positiver Maßnahmen, um tatsächliche Ungleichheiten zu verringern oder zu beseitigen, ist von Beginn an Bestandteil der Richtlinie. Mittlerweile ist dies nicht nur durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs konkretisiert, sondern seit dem Vertrag von Amsterdam auch primärrechtlich verankert in Art. 141 Abs. 4 EG-Vertrag. Aufgrund der großen Bedeutung, die positive Maßnahmen für die Gleichberechtigung von Frauen im Berufsleben haben, schlägt der djb vor, eine ausdrückliche Formulierung in die Richtlinie 76/207/EWG aufzunehmen.
Der djb begrüßt, dass die Kommission in ihrem Vorschlag regelmäßige Berichte der Mitgliedstaaten über die Anwendung dieser Vorschrift und eine Bewertung im Sinne des "best practice" vorsieht. Damit wird verdeutlicht, dass die Mitgliedstaaten nicht nur die Erlaubnis zur Gewährung spezifischer Vergünstigungen zur Verbesserung der Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben, sondern sogar dazu verpflichtet sind. Darüber hinaus wird mit dem eingefügten Art. 1 Abs. 1a deutlich, dass die Mitgliedstaaten nicht nur verpflichtet sind, Diskriminierungen zu vermeiden, sondern aufgefordert sind, zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern aktiv beizutragen. Hier wird in die Richtlinie der aktuelle gender mainstreaming-Ansatz aufgenommen. Der djb weist darauf hin, dass der Bezug auf Art. 9 klärungsbedürftig ist und spricht sich für eine Streichung dieses Bezugs aus. Aus Art. 2 Abs. 3 der Änderungsrichtlinie selbst ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, alle drei Jahre Informationen über positive Maßnahmen vorzulegen.

9. Rechtsschutz und Sanktionen (Punkt 5, Punkt 6 - Art. 8c)
Dass Rechtsschutz und der Anspruch auf Schadensersatz nach erlittener Diskriminierung unabdingbare Voraussetzungen für die Durchsetzung des Rechts auf Gleichbehandlung sind, hat der Europäische Gerichtshof mehrfach bestätigt. Dies in der Richtlinie zu verdeutlichen, ist konsequent. Diesen Rechtsschutz auch auf die Zeit nach Beendigung der Beschäftigung auszudehnen, ist eine sinnvolle Ergänzung und Klarstellung. Allerdings regt der djb an, den Art. 8c zu Art. 6 als Abs. 1 zu nehmen, da es sich bei der Vorschrift des Art. 8c um die allgemeine Regelung zu diesem Thema handelt und in Art. 6 der Zusammenhang hergestellt wäre.

10. "Verbandsklage" (Prozessstandschaft oder Prozessvertretung)
(Punkt 6 - Art. 8a Abs. 3)
Der djb sieht in der vorgesehen Schaffung eines Verbandsklagerechts als Prozessstandschaft die Möglichkeit, dem Grundsatz der Gleichbehandlung - auch durch gerichtliche Verfahren und Entscheidungen - stärker zur Durchsetzung zu verhelfen und begrüßt nachdrücklich den Vorschlag der Kommission. Häufig genug scheuen die Opfer von Diskriminierungen die unmittelbare Konfrontation mit dem Arbeitgeber oder denjenigen Personen, die sie diskriminiert haben. Dies erschwert oder verhindert in vielen Fällen, dass die Opfer zu ihrem Recht kommen. Ein Verbandsklagerecht als Prozessstandschaft ist daher nach Ansicht des djb eine konsequente Ergänzung der Regelungen des Rechtsschutzes in der Richtlinie. Aber der djb befürchtet, dass bei der Umsetzung der Vorschrift über die Verbandsklage in nationales Recht lediglich die Möglichkeit der Unterstützung (Prozessvertretung) von Betroffenen vorgesehen wird. Deshalb setzt sich der djb dafür ein, dass eine Verbandsklage im Sinne einer Prozessstandschaft auch in Deutschland geschaffen wird. Er hält es für sinnvoll, dass sich fachkompetente Verbände auch im Verfahren für Betroffene einsetzen und für diese handeln können. Aus Gründen der Einheitlichkeit sollte trotzdem in dem Änderungsvorschlag die Formulierung des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG gewählt werden:

"Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Verbände, Organisationen oder andere juristische Personen, die gemäß den in ihrem einzelstaatlichen Recht festgelegten Kriterien ein rechtmäßiges Interesse daran haben, für die Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie zu sorgen, sich entweder im Namen der beschwerten Person oder zu deren Unterstützung und mit deren Einwilligung an den in dieser Richtlinie zur Durchsetzung der Ansprüche vorgesehenen Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren beteiligen können."

11. Unabhängige Stelle (Punkt 6 - Art. 8a Abs. 2 und 3)
Der djb begrüßt ausdrücklich die Regelung zur Schaffung unabhängiger Stellen. Die Einrichtung von unabhängigen Stellen zur Förderung der Gleichbehandlung wurde erstmals im Rahmen der Antidiskriminierungsvorschriften auf Grundlage des Art. 13 EG-Vertrag von der Europäischen Kommission vorgeschlagen. In Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG ist nunmehr die Qualifizierung dieser Stellen als "unabhängig" weggefallen, wenn auch gemäß Abs. 2 sicherzustellen ist, dass u.a. Opfer von Diskriminierungen auf unabhängige Weise zu unterstützen sind. Der djb würde es sehr bedauern, wenn mit einer solchen Formulierung auch die Unabhängigkeit der Stelle entfallen würde. Jedenfalls für den Anwendungsbereich der Richtlinie 76/207/EWG wäre dies keinesfalls problemadäquat. Auch nach dem Wortlaut der Richtlinie 2000/43/EG ist das unabhängige Handeln der Stellen sicher zu stellen. Selbst wenn das Streben nach Einheitlichkeit der Diskriminierungsregelungen dazu führt, dass der Wortlaut des Art. 8 a der Änderungsrichtlinie an den Art. 13 der Richtlinie 2000/43/EG angeglichen wird, müssen auch die Stellen zur Förderung der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern nicht nur unabhängig handeln können, sondern auch so strukturiert sein, dass sie tatsächlich in der Lage sind, Beschwerden aus allen Bereichen des arbeitsrechtlichen Diskriminierungsrechts entgegen nehmen zu können und Betroffene bei der Rechtsverfolgung wirksam zu unterstützen, zu allen Fragen des Diskriminierungsrechts unabhängig Stellung zu nehmen, Untersuchungen in Auftrag zu geben und zu allen damit zusammenhängenden Fragen unabhängige Empfehlungen zu geben.
Der djb ist der Auffassung, dass solche Stellen grundsätzlich dazu beitragen können, jenseits von staatlichem Handeln die Durchsetzung der Gleichbehandlung zu überwachen und zu befördern. Dies hängt jedoch maßgeblich von den Kompetenzen und der organisatorischen Einrichtung solcher Stellen ab. Da nach den Vorstellungen der Kommission die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten sollen, entsprechende Stellen auf regionaler oder lokaler Ebene einzurichten, ist in Deutschland denkbar, dass die kommunalen Frauenbeauftragten bzw. Gleichstellungsbeauftragten einen Teil dieser Funktion übernehmen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass viele kommunale Frauenbeauftragte organisatorisch eng in die jeweiligen Verwaltungsstrukturen (Ausgangspunkt: Verwaltungskonzept) eingebunden sind und zwar formal unabhängig (fachliche Weisungsfreiheit), so aber doch tatsächlich starken Bindungen und Verpflichtungen unterliegen (Überprüfung ihres Handelns auf Rechtmäßigkeit). Oder das Amt wird ehrenamtlich (Ausgangspunkt: Personalratskonzept) und mit geringen Kompetenzen und Spielräumen ausgeübt. Dies ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet. Darüber hinaus haben nicht alle Bundesländer kommunale Frauenbeauftragte gesetzlich festgeschrieben, auch wenn es deutschlandweit ein flächendeckendes Netz gibt. Zudem ist ein Netzwerk kommunaler Frauenbeauftragter selbst dann, wenn es sich dabei um Stellen handeln würde, die zu unabhängiger Tätigkeit in der Lage sind, nicht ausreichend, um Aufgaben im Zusammenhang mit der Richtlinie 76/207/EWG zu erfüllen. Diese zielt ab auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben und wird überwiegend durch bundesgesetzliche Regelungen des privaten Arbeitsrechts umgesetzt. Eine sinnvolle Arbeit der unabhängigen Stellen erfordert damit eine zentrale Koordination, die auch bei föderaler Struktur eines Mitgliedsstaates die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern voraussetzt.
Der djb sieht in dem derzeit vorliegenden Vorschlag der Kommission zu Art. 8 a der Änderungsrichtlinie eine gute Möglichkeit, die Verpflichtung, auf die Einhaltung des Gebots der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu achten, zu verdeutlichen und gleichzeitig den Blick auf die europäische Politik der Geschlechtergleichstellung zu öffnen. Wenn der Mitgliedsstaat Deutschland bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen daran denkt, einen Teil dieser Aufgaben den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten zu übertragen, so ist nach Ansicht des djb unbedingt dafür zu sorgen, dass die kommunalen Gleichstellungsstellen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, gemäß dieser neuen Aufgabe eine unabhängige Position erhalten und sachlich und personell angemessen ausgestattet sein müssen, um ihre wirkliche Bedeutung und Durchsetzungskraft zu stärken.

12. Sprachliche Fassung
Schließlich möchte der djb darauf hinweisen, dass es erforderlich ist, die Richtlinie sprachlich zu überarbeiten und durchgängig geschlechtsneutrale bzw. geschlechtsdifferenzierte Formulierungen zu wählen.


Bonn, den 13. Dezember 2000

gez. Sabine Overkämping
Vorsitzende der Kommission Europa des djb