Thesen zur Rentenstrukturreform
und
Kernforderungen des djb
Wirkungen des Ausgleichsfaktors:
- Es findet ein Wechsel von einem leistungsdefinierten hin zu einem beitragsdefinierten Sicherungssystem statt
- Der Ausgleichfaktor reduziert die solidarische Rentenversicherung auf eine Grundsicherung, ohne systemimmanente Mindestsicherungselemente aufzunehmen
- Richtig ist die Herausnahme u.a. von Zeiten der Kindererziehung und der nichterwerbsmäßigen Pflege aus dem Ausgleichsfaktor
- Der Ausgleichsfaktor wirkt erst für die Geburtsjahrgänge ab 1965 in voller Höhe - ein im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht zu rechtfertigendes Ergebnis
Deshalb fordert der djb
- Verzicht auf den Ausgleichsbetrag in der jetzigen Ausgestaltung
Reform der Hinterbliebenensicherung:
- Für vor 1992 und nach 1992 geborene Kinder werden nicht nur 1 bzw. 3 Entgeltpunkte berücksichtig; die rentenrechtliche Berücksichtigung hängt künftig auch davon ab, ob es Einzelkinder sind bzw. wie viele Geschwister sie haben - eine nicht zu rechtfertigende Differenzierung
- Es ist nicht zu schlüssig zu begründen, Kinderzuschläge an den Erhalt einer GRV-Rente zu koppeln
- Das Einfrieren der Freibetragsregelung für die Witwen-, Witwer- und Erziehungsrenten entwertet diese grundlegend
- Das Einfrieren der Freibetragsregelung auch für die Waisenrente ist ethisch nicht vertretbar
- Von den Ausgleichsmechanismen für die ersten zehn Jahre und bei den Witwenrenen profitieren in erster Linie Hausfrauen und damit Ehen mit tradierten Leitbildern.
- Das Splitting wird die gewählte Sicherungsform sein bei Ehepaaren mit hohen Einkünften, die damit die Einkommensanrechung bei der Hinterbliebenenrente vermeiden können
Deshalb fordert der djb
- Anrechnung von drei Jahren Kindererziehung für die vor und nach 1992 Geborenen
- additive Aufwertung der Entgeltpunkte vom 4. bis 10. Lebensjahr des Kindes bis zur Beitragsbemessungsgrenze
- Aussetzen der Neuordnung der Hinterbliebenenrente bis zum Jahr 2011
- Herausnahme der Waisenrente aus dem Einfrieren der Freibetragsregelung
- Herausnahme der Unfallversicherung aus der Neuordnung der Hinterbliebenenrenten
(1) Inhaltsverzeichnis
I. Kernelemente des Gesetzentwurfs | 4 | |
1. Alterssicherung von Frauen | 4 | |
2. Begrenzung des Beitragsanstiegs | 5 | |
3. Änderung der Anpassungsformel, Unterschiede zum demographischen Faktor | 5 | |
4. Altersarmut und Sozialhilfeänderungen | 6 | |
5. Auswirkungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die öffentlichen Haushalte | 6 | |
II. Änderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung | 6 | |
1. Einführung einer Ausgleichsfaktors | 6 | |
a. Langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus | 6 | |
b. Differenzierte Ausgestaltung des Ausgleichsfaktors | 7 | |
c. Verteilung der Lasten des demographischen Wandels zwischen den Generationen | 8 | |
2. Einführung einer neuen Anpassungsformel | 9 | |
3. Förderung der eigenständigen Sicherung von Frauen | 9 | |
a. Reform des Hinterbliebenenrechts | 10 | |
b. Kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten | 12 | |
c. Zusätzliche Begünstigung bei der Erziehung mehrerer Kinder gleichzeitig | 13 | |
d. Rentensplitting, Auswirkungen auf andere Versorgungssysteme (Versorgungsausgleich) | 14 | |
4. Verbesserung des Auskunftsservices durch die Rentenversicherungsträger | 15 | |
III. Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge | 15 | |
1. Begünstigter Personenkreis | 15 | |
2. Höhe und Ausgestaltung der Förderung, Anlagekriterien | 16 | |
3. Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge und Auswirkungen auf die Sicherung von Frauen | 16 | |
4. Praktikabilität der Vorschriften | 19 | |
5. Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und die wirtschaftliche Entwicklung | 20 | |
IV. Ausbau der betrieblichen Altersversorgung | 21 | |
V. Bekämpfung der verschämten Altersarmut | 21 | |
VI. Übertragung der Maßnahmen der Reform auf andere Alterssicherungssysteme | 21 |
I. Kernelemente des Gesetzentwurfs
1. Alterssicherung von Frauen
Eine grundlegende Reform der gesetzlichen RV mit dem Ziel einer
eigenständigen Alterssicherung für Frauen ist überfällig. Weder
die bisherige Ausgestaltung der Hinterbliebenenrenten noch die
konkrete Berechnung der Altersrenten nach einem strengen, durch
die Gesamtleistungsbewertung noch verstärkten Äquivalenzprinzip
wird der heutigen Arbeits- und Lebenswirklichkeit von Frauen
gerecht.
Frauenspezifischen Belangen kann durch eine Weiterentwicklung der
gesetzlichen Alterssicherung Rechnung getragen werden. Geschehen
kann dies innerhalb unseres generell bewährten Systems einer
öffentlichrechtlichen, solidarisch ausgestalteten gesetzlichen
Rentenversicherung. Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten
immer weiter abgeschafften Umverteilungselemente in der
gesetzlichen Rentenversicherung müssen - angepasst an veränderte
Erwerbs- und Familienformen - wieder gestärkt werden.
Der djb hat ein Modell für eine geschlechtergerechte Rentenreform
entwickelt und der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Ein im Ansatz
ähnliches Modell hat die BfA mit dem Konzept der "Flexiblen
Anwartschaften" entwickelt. In anderen Ländern - allen voran der
Schweiz - sind Modelle einer stärker ausgleichenden, breiter
angelegten beitragsfinanzierten Alterssicherung erfolgreich
umgesetzt worden.
Aus Frauensicht geht eine dem Assekuranzgedanken verpflichtete
private Zusatzversorgung genau in die entgegengesetzte Richtung.
Eine kapitalgedeckte Zusatzversorgung entzieht dem System der
gesetzlichen Rentenversicherung dringend benötigte Beiträge. Ihre
Einführung stellt einen langfristig angelegten, kaum mehr
korrigierbaren Systemwandel dar, der vom djb als frauen- und
rechtspolische Fehlentscheidung bewertet wird.
2. Begrenzung des Beitragsanstiegs
Das Ziel, die Rentenversicherungsbeiträge als Nebenkosten für
sozialversicherungspflichtige Arbeit nicht unbegrenzt ansteigen
zu lassen, ist richtig. Der Übergang von einer
"ausgabenorientierten Einnahmepolitik" zur "einnahmeorientierten
Ausgabepolitik" ist aber nicht der richtige Weg. Der im
Gesetzentwurf gewählte Weg einer Teilprivatisierung ist
falsch.
Die Alterssicherung steht nicht nur vor einem demographischen
Problem. Sie steht als beitragsfinanziertes System vor allem vor
einem Arbeitsmarktproblem, dem nur mit einer Verbreiterung der
Beitragsbasis begegnet werden kann. Die Einbeziehung der
geringfügig Beschäftigten war der erste richtige Schritt. Weitere
müssen folgen.
3. Änderung der Anpassungsformel, Unterschiede zum
demographischen Faktor
In einem umlagefinanzierten System kann nur so viel ausgegeben
werden, wie eingenommen wird (Stichwort: Rente nach Kassenlage).
Insofern ist eine Beteiligung aller Gruppen, also der Älteren und
Jüngeren an einem höheren Bedarf prinzipiell richtig.
Das jetzt vorgelegte Konzept zu einer Beteiligung der älteren
Generation ist nach Auffassung des djb noch nicht ausgereift,
höchst kompliziert und in den Verteilungswirkungen noch nicht
absehbar. Es ist auch nicht erkennbar, dass durch die
Veränderungen die jetzt bereits älteren und rentennahen Jahrgänge
an der Finanzierung der Alterssicherung mitbeteiligt werden.
Zunächst kumuliert die Kürzung des aktuellen Rentenwertes (der
durch die Veränderung von §68 Abs. 4 iVm § 255e SGB VI bewirkt
wird - Faktor 96 statt 100) mit dem Ausgleichsfaktor (§ 76 d iVm
264 d SGB VI). Der Ausgleichsfaktor wird schrittweise ab 2011 bis
2030 von 1,0 auf 0,94 eingeführt; die Kürzung des aktuellen
Rentenwerts greift ebenfalls in voller Höhe erst ab dem Jahr
2010. Die Maßnahmen wirken überhaupt erstmals - und dann
geringfügig - ab Rentenbeginn 2011. Wer heute 54 Jahre alt ist,
wird seine Rente sein Leben lang, also wahrscheinlich 25 Jahre
bis ins Jahr 2036 weitgehend ungeschmälert erhalten. Diese Rente
wird von den Beiträgen einer jüngeren Generation geleistet, die
nie und nimmer adäquate Leistungen erhalten wird.
4. Altersarmut und Sozialhilfeänderungen
Es entspricht einer langjährigen Forderung des djb, auf den
Unterhaltsrückgriff gegenüber den Kindern zu verzichten. Die
geplanten Veränderungen werden also begrüßt.
5. Auswirkungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und
die öffentlichen Haushalte
Die Einführung der privaten Zusatzversorgung, die für die
Sicherung des Lebensstandards im Alter notwendig vorausgesetzt
wird, verschleiert den Beitragsanstieg, indem er ihn allein auf
die abhängig Beschäftigten abwälzt. Schattenwirtschaft und
Schwarzarbeit werden damit nicht eingedämmt, sondern weiter
unterstützt, weil aus Sicht der Beschäftigten das Einkommen aus
legaler Beschäftigung weiter schrumpft - nämlich um das 4 %-ige
"Zwangssparen".
II. Änderungen im Bereich der gesetzlichen
Rentenversicherung
1. Einführung eines Ausgleichsfaktors
Der sogenannte Ausgleichsfaktor ist in seiner jetzigen
Ausgestaltung - auch aus Frauensicht - insgesamt abzulehnen.
Weder wird er den in dem Gesetzentwurf zum AVmG formulierten
Erwartungen gerecht noch kann er ernsthaft als positiver Beitrag
zu einer Verbesserung der Alterssicherung von Frauen bewertet
werden.
a. Langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus
Das postulierte Ziel einer Stabilisierung des Rentenniveaus
erreicht der sog. Ausgleichsfaktor gerade nicht. Als neues
Steuerungsinstrument macht er vielmehr die Abkehr von einem
leistungsdefinierten hin zu einem beitragsdefinierten
Sicherungssystem deutlich. Richtgröße in der gesetzlichen
Rentenversicherung wird zukünftig der als finanzier- und tragbar
bewertete Beitragssatz sein, während das Leistungsniveau
grundsätzlich offen bleibt. Damit wird das bisherige Ziel der GRV
einer Lebensstandardsicherung aufgegeben. Besonders für Frauen
ist damit das Sicherungsniveau in der gesetzlichen
Rentenversicherung nach unten offen. Zwar sieht der Gesetzentwurf
Mechanismen vor, die sicherstellen sollen, dass das Rentenniveau
auch langfristig nicht unter 64 Prozent sinkt, jedoch ist bei
diesen Zahlenangaben zu beachten, dass der angegebene Prozentsatz
auf der neuen Anpassungsformel des AVmG beruht und nach dem
geltenden Recht deutlich niedriger, nämlich nur bei gut 61
Prozent, läge. Aus Frauensicht sind derartige Berechnungen aber
ohnehin Fiktion, da diese auf einen Standardrentner abstellen,
der selten weiblich ist und der unter den sich ändernden
Bedingungen der Arbeitswelt zukünftig auch unter Männern zur
Ausnahmeerscheinung werden wird.
Fakt ist damit, dass der Ausgleichsfaktor die solidarische
Rentenversicherung auf eine Grundsicherung (ohne systemimmanente
Mindestsicherungselemente) reduzieren wird, ohne dass die
geförderte private Vorsorge für Frauen hierfür einen adäquaten
Ausgleich zu schaffen in der Lage ist. Die Sicherstellung der
Lebensstandards der Frauen wird damit entsolidarisiert und
privatisiert.
b. Differenzierte Ausgestaltung des
Ausgleichsfaktors
Der Ausgleichsfaktor ist so gestaltet, dass nicht alle
Versicherungszeiten von der Kürzung auf 94 Prozent betroffen
sind. Nach dem Gesetzentwurf ist eine soziale
Ausgleichskomponente insoweit enthalten, als Teile der Rente, die
auf Zeiten beruhen, die als sozialer Ausgleich innerhalb der
Rentenversicherung dienen, von der Kürzung ausgenommen
sind.
Dieser Mechanismus ist grundsätzlich positiv zu bewerten - wäre
es doch widersinnig, auf der einen Seite zusätzliche
Versicherungsleistungen zu gewähren, diese auf der anderen Seite
jedoch wieder in ihrem Wert zu reduzieren.
Der djb begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass in der
aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs auch Zeiten der
Kindererziehung und der nichterwerbsmäßigen Pflege von
Angehörigen von der Wirkung des Ausgleichsfaktors ausgenommen
sind. In früheren Fassungen war dies nicht der Fall und wurde
damit begründet, dass die Kindererziehungszeiten nach dem SGB VI
als vollwertige Pflichtbeitragszeiten gälten und deshalb genau
wie Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit behandelt werden müssen.
Ein solches - rein rechtsdogmatisches - Argument verstellt jedoch
den Blick darauf, dass Kindererziehung einerseits einen
generativen Beitrag zur Rentenversicherung darstellt und
andererseits auch als solidarischer Ausgleich innerhalb des
Systems zu bewerten ist. Es wäre schwer verständlich, diesen
Ausgleich nach der erst kürzlich verbesserten Anrechnung von 0,75
auf nunmehr einen vollen Entgeltpunkt pro Jahr wieder zu kürzen.
c. Verteilung der Lasten des demographischen Wandels zwischen
den Generationen
In der Gesetzesbegründung wird der Ausgleichsfaktor beschrieben
als "Brücke zwischen den Generationen", die eine erneute
einseitige Belastung der zukünftigen Generationen verhindert.
Dieses Ziel wird nicht erreicht.
Da der Ausgleichsfaktor ohnehin nur den Rentenzugang erfasst und
darüber hinaus erst bei Rentenzugängen ab dem Jahr 2011
stufenweise einsetzt, wird die jüngere Generation einseitig
belastet. Seine volle Wirkung, d.h. eine Minderung der Rentenhöhe
um sechs Prozent, entfaltet der Ausgleichsfaktor 2030 und trifft
damit die heute 35jährigen Versicherten in vollem Umfang. Der
Rentenbestand bis 2010 (d.h. die heute 54jährigen und Älteren)
wird hingegen überhaupt nicht tangiert. Neben der ungleichen
Belastung der Generationen in der Zeitschiene hat diese
großzügige stufenweise Einführung außerdem den Effekt, dass die
Rentenniveaus zukünftig je nach dem Jahr des Rentenbeginns
auseinanderfallen werden. 2030 werden die dann 85-jährigen
Altersrentner ein Rentenniveau von noch knapp 69 Prozent haben,
während die 65-jährigen nur etwa 64 Prozent erreichen.
Von der Wirkung des Ausgleichsfaktors betroffen sind damit in
ersten Linie die Geburtsjahrgänge ab 1965 - bezogen auf die
Frauen also die Generation, die am besten ausgebildet ist, für
die eine eigene Berufstätigkeit zur Selbstverständlichkeit wird
und die zumindest einigermaßen über die organisatorischen und
finanziellen Möglichkeiten verfügt, Erwerbstätigkeit und Familie
miteinander zu verbinden. Gerade diese Frauengeneration soll
durch den Ausgleichsfaktor ganz erheblich zum Erreichen des Ziels
der Beitragsstabilität beitragen, während der gesamte
Rentenbestand (und damit auch eine Generation, die noch anderen
frauenpolitischen Leitbildern verhaftetet war bzw. ist) verschont
wird. Dieses Ergebnis ist weder aus Frauensicht noch unter dem
Aspekt der Generationengerechtigkeit zu rechtfertigen. Die
Begründung, erst die jüngere Generation habe die Möglichkeit,
durch die Förderung der privaten Vorsorge die Absenkung des
Rentenniveaus zu kompensieren, gilt zumindest für
kindererziehende Frauen auch zukünftig nur sehr
eingeschränkt.
Der djb fordert daher, den Ausgleichsbetrag in seiner jetzigen
Ausgestaltung aufzugeben. Um wirklich Belastungsgleichheit zu
erreichen, muss jegliches Korrektiv in der Rentenformel sowohl
den Rentenzugang als auch den Rentenbestand erfassen.
Beizubehalten wäre hingegen der Ansatz, Elemente des sozialen
Ausgleichs nicht zum Objekt künftige Kürzungen zu machen.
2. Einführung einer neuen Anpassungsformel
In der Vergangenheit wurde vor allem nach den Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung des
Existenzminimums von Familien mit Kindern immer wieder
kritisiert, dass die angemahnten steuerlichen Entlastungen von
Familien über die Nettolohnanpassung auch Rentnern zugute kommen
würden. Dieser Personenkreis werde dadurch unbeabsichtigt
begünstigt und verursache zu Lasten der Steuerzahlenden Ausgaben,
die an anderer Stellen dringender benötigt würden. Die von der
Regierungskoalition vorgeschlagene modifizierte
Bruttolohnanpassung ist ein Weg, dieser mangelnden
Zielgenauigkeit bei steuerlichen Entlastungen für Familien
entgegenzuwirken.
3. Förderung der eigenständigen Sicherung von Frauen
Nach Auffassung des djb ist durch den Gesetzentwurf die Chance
einer konzeptionellen Änderung des Rentenversicherungssystems,
die Kindererziehung und Pflege, Teilzeitbeschäftigung und
Unterbrechungen nicht als vom Normalfall abweichenden und im
Detail ausgleichsbedürftigen Lebenssachverhalt aufnimmt, vertan.
Solche Modelle, die in einem veränderten Rentenberechnungssystem
die ersten Jahre höher bewerten, die Einkommensunterschiede
teilweise ausgleichen und in einer Ehe die Rentenanwartschaften
obligatorisch aufteilen, liegen vor und könnten umgesetzt
werden.
Die im Gesetzentwurf enthaltenen kindbezogenen Einzelmaßnahmen
sollen die drastischen Einschnitte zu Lasten der Frauen durch
Einschmelzen der Hinterbliebenenrenten teilweise ausgleichen. Ob
sie dies insgesamt erreichen können, ist zweifelhaft.
Bisher werden vor 1992 und nach 1992 geborene Kinder für die
Altersrente unterschiedlich berücksichtigt mit einem bzw. mit
drei Entgeltpunkten. Das vorgeschlagene Patchwork der
kindbezogenen Einzelmaßnahmen verstärkt dies. Jetzt soll die
rentenrechtliche Bewertung auch davon abhängen können, ob es
Einzelkinder sind bzw. wie viele Geschwister sie haben.
Gerecht ist dies nicht.
Der djb hält es für angebracht, die unterschiedliche
rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindern zu beenden. Dies
würde bedeuteten: Anrechnung von drei Entgeltpunkten für die vor
und nach 1992 geborenen Kinder. Es würden hierfür sofort
Mehraufwendungen anfallen. Sie wären vorübergehend, beschränkt
auf die Zeitspanne, in der sich Frauen mit vor 1992 geborenen
Kinder im Rentenbestand befinden würden.
Die Anerkennung von drei Jahren Kindererziehung auch für die vor
1992 geborenen Kinder wäre eine gerechte Lösung. Dies wäre eine
Verbesserung der eigenständigen Alterssicherung von Frauen, die
unmittelbar wirksam wird. Die Auswirkung für die Höhe der eigenen
Rente wäre klar durchschaubar - anders als bei allen
Patchwork-Einzelmaßnahmen.
Zu diesen ist nachfolgend - entsprechend der Reihenfolge des
Themenkatalogs - Stellung zu nehmen.
a. Reform des Hinterbliebenenrechts
Die Hinterbliebenenrenten sind bisher die Basis dafür, dass
Frauen trotz der geringen eigenen Renten im Alter nicht arm
werden. Sie sind auf entsprechende von der Ehe abgeleitete
Rentenleistungen angewiesen, solange sie keine eigenen
Rentenansprüche aufbauen können. Bei jeder Neuordnung der
Hinterbliebenenrenten sind deshalb mögliche Verarmungsrisiken von
Frauen sorgfältig zu prüfen. Dies geschieht mit dem Gesetzentwurf
nicht einmal ansatzweise.
Vorgesehen ist die Absenkung des Versorgungsniveaus von 60 % der
Rente des Verstorbenen auf 55 % bei gleichzeitiger Erweiterung
der Hinterbliebenenrente um eine Kinderkomponente. Die Neuordnung
wird für diejenigen Ehepaare gelten, bei denen beide jünger als
40 Jahres sind. Die Absenkung wäre diskutabel, wenn nicht
gleichzeitig das Sicherungsniveau radikal abgesenkt werden
würde.
Das Sicherungsniveau wird radikal heruntergesetzt, indem der
Freibetrag für die Einkommensanrechnung auf dem heutigen Stand
eingefroren wird. Der Betrag von 1.283 DM entspricht nach
heutigen Werten etwa 600 DM. Die Mehrzahl der Witwen dürfte im
Sozialhilfebereich verbleiben, wenn der neue Freibetrag bereits
heute angewendet werden würde.
Dem Einfrieren des Freibetrags müssen höchst optimistische
Erwerbsprognosen für Frauen zugrunde liegen. Im Gesetzentwurf
sind keine Angaben enthalten, woraus denn die Vermutung begründet
sein könnte, Frauen würden in 25 bis 30 Jahren über ausreichende
eigene Rentenansprüche verfügen, die eine Anrechnung vom
Einkommen oberhalb von 600 DM rechtfertigen könnten.
Das Einfrieren des Freibetrags ist das Problem erwerbstätiger
Ehefrauen. Bei weitgehender Nichterwerbstätigkeit dürfte das
bisherige Sicherungsniveau erhalten bleiben bzw. sogar verbessert
werden. Eine solche Lösung ist nicht zu rechtfertigen.
Die Neuordnung der Hinterbliebenenrente ist eine Armutsfalle für
erwerbstätige Ehefrauen. Die Absenkung der Höhe der
Hinterbliebenenrente kann sich zwar erst langfristig finanziell
entlastend für die Rentenversicherung auswirken. Die
Entscheidung, die finanzielle Basis der Rentenversicherung durch
die Kappung der Hinterbliebenenrente zu stabilisieren, würde mit
dem Einfrieren des Freibetrags aber schon heute getroffen.
Es wäre sinnvoll, zumindest die Fixierung des Freibetrag für 10
Jahre auszusetzen. Der Gesetzgeber würde sich damit der
Notwendigkeit aussetzen, mögliche dem Einfrieren zugrunde
liegenden Erwerbsprognosen zu prüfen und das Konzept der
Neuordnung der Hinterbliebenenrenten neu zu bewerten. Die jetzt
vorgeschlagene Art und Dauer des Übergangsrechts sind
verfassungsrechtlich so nicht erforderlich. Eine spätere
Entscheidung des Gesetzgebers wäre auf möglich.
Außerdem überzeugt es nicht,
den Kinderzuschlag an den Erhalt einer Witwenrente zu koppeln
und
den Freibetrag auch für die Waisenrente auf dem heutigen Niveau
einzufrieren.
Unverheiratete, Ehepartner von Selbständigen, Beamten und
Mitgliedern der berufsständischen Versorgungswerke erhalten
keinen Kinderzuschlag. Es kommt so zu einer ungleichen Förderung
der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die bei Inkrafttreten des AVmG geltenden Freibeträge für Witwen-
und Waisenrenten werden festgeschrieben. Es sind für Witwen,
Witwer- und Erziehungsrenten 660 Euro und für Waisenrenten 440
Euro.
Die Entdynamisierung bewirkt eine Senkung des Sicherungsniveaus
der Hinterbliebenen, die in ihrer Wirkung gerade bei Frauen mit
mehreren Kindern bei Tod des Vaters und Ehemannes kumuliert und
bei ihnen zu einer deutlichen Verschlechterung der Leistungen
führt. Dem Gesetzentwurf ist eine Begründung für diese der
Lebenssituation von Waisen unangemessene Regelung nicht zu
entnehmen.
Falls die Absenkung der Waisenrente mit dem rechtsdogmatischen
Argument begründet werden sollte, alle der in §97 SGB VI
genannten Renten wegen Todes seien bei der Einkommensanrechnung
gleich zu behandeln, könnte dies wegen der unterschiedlichen
Funktionen der Rentenarten nicht überzeugen. Außerdem ist aus der
Perspektive Versicherter der potentielle Waisenrentenanspruch die
Vorsorge des Rentenrechts, die bisher zugunsten eigener Kinder
ein wesentliches Merkmal der gRV gewesen ist. Eine private
Vorsorge zu diesem Risiko künftig aufzubauen zu müssen, würde
Eltern finanziell in unvertretbarer Weise zusätzlich
belasten.
Im Zuge einer möglichen Abschmelzung der Witwen- und Witwerrente
zugunsten einer stärkeren Familienkomponente wäre es ganz im
Gegenteil naheliegend, die Waisenrenten zu erhöhen und
keinesfalls verkappt mit dem Einfrieren des Freibetrags
gravierend zu senken.
b. Kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten
Vom 4. bis zum 10. Lebensjahr des Kindes ist eine Aufwertung von
der individuellen Entgeltpunkte vorgesehen (§70 Abs. 3a Buchst. a
SGB VI) Dies ist eine versteckte Subventionierung und stellt
damit auch eine Rechtfertigung niedrigerer Frauenlöhne dar. Es
wird ein Signal gegen die Erwerbstätigkeit von Müttern in gut
bezahlten Positionen geschaffen, vor allem dann, wenn sie in
Vollzeit arbeiten. Es ist zu befürchten, dass der auf solche
Frauen häufig ohnehin schon ausgeübte moralische Druck, die
Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Kinder doch wenigstens teilweise
aufzugeben, noch weiter verstärkt wird. Dies hat jedoch fatale
Folgen für die berufliche Entwicklung und die gleichberechtigte
Integration in das Erwerbsleben.
c. Zusätzliche Begünstigung bei der Erziehung mehrerer Kinder
gleichzeitig
Dies wird durch die geplante Regelung in § 70 Abs. 3a Buchst. b
SGB VI noch verstärkt. Eine Frau, die beispielsweise mit einem 4-
und einem 6-jährigen Kind arbeitet und
Sozialversicherungsbeiträge leistet, handelt sowohl als
Niedrigverdienerin als auch als Durchschnittsverdienerin in der
Regel rentenrechtlich unvernünftig. Verdient sie in den alten
Bundesländern in diesem Jahr beispielsweise in Teilzeit 800 DM
monatlich, so wird sie in ihrer Rentenanwartschaft so behandelt,
als hätte sie 1.200 DM (800 DM plus der Aufstockung um die Hälfte
- also um 400 DM - nach § 70 Abs. 3a Buchst. a SGB VI) monatlich
verdient. Arbeitet sie nicht, so spart sie nicht nur Geld und
organisatorische Mühen für die Kinderbetreuung; für die Rente
werden ihr fiktiv für jeden Monat, in dem sie nicht erwerbstätig
ist, 1.475 DM (33 % des Durchschnittseinkommens nach § 70 Abs. 3a
Buchst. b SGB VI) gutgeschrieben. Hat eine Frau von einem oder
zwei Kindern unter 10 Jahren ein Durchschnittseinkommen oder
mehr, so entfällt jeder Zuschlag für die Kindererziehung aufgrund
der gesetzlichen Begrenzungsregelungen.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur additiven
Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Beitragszeiten
aus Beschäftigung wäre eine solche Gesetzeskonzeption
verfassungswidrig. Wenn denn der Nachteilsausgleich für
Erziehungspersonen neben der kindbezogenen Höherbewertung
eingeführt werden soll, dürfte es gerade noch vertretbar sein,
als Begrenzung des § 70 Abs. 3a Satz 2 SGB VI die jeweilige
Beitragsbemessungsgrenze vorzusehen.
d. Rentensplitting, Auswirkungen auf andere Versorgungssysteme
(Versorgungsausgleich)
Zum Rentensplitting ist positiv anzumerken, dass erstmals der
Einstieg in die Teilung von Rentenanwartschaften innerhalb einer
bestehenden Ehe eröffnet wird. Der Einstieg in die Teilung hat
außerdem einen mittelbar positiven Effekt für den
Versorgungsausgleich. Geschiedenen wird künftig die Erfüllung der
Wartezeit schneller ermöglicht (§ 52 I SGB VI). Die Kritik des
djb, der Versorgungsausgleich sei ein Versicherungsschutz zweiter
Klasse, wird mit diesem Ansatz aufgegriffen.
Das Rentensplitting ist aber insgesamt nicht geeignet, ein
partnerschaftliches Alterssicherungskonzept zu sein, solange
parallel die Hinterbliebenenrente faktisch entwertet wird.
Das hälftige Splitting hat in aller Regel ein schlechteres
Ergebnis als eine 55 %-ige Witwenrente mit Kinderzuschlag. Das
hälftige Splitting dürfte für Versicherte attraktiv sein, die
neben der gesetzlichen Rente noch andere und zwar hohe Einkünfte
haben, da beim Rentensplitting anders als bei der
Hinterbliebenenrente solche Einkünfte nicht angerechnet
werden.
Eine finanzierbare und mit einer Übergangsfrist wie zum
Hinterbliebenenrentenrecht 1985 umsetzbare Alternative zum
Rentensplitting wäre der rentenrechtliche Beitragsausgleich. Im
Unterschied zum Rentensplitting würden nicht entstandene
Anwartschaften bei Verrentung beider Ehegatten - so der
Gesetzentwurf der Regierungsfraktion - oder laufend - so die über
lange Zeit von der Frauenverbänden geforderte Lösung -
aufgeteilt. Vielmehr würde innerhalb einer bestehenden Ehe die
Beiträge und damit die Altersvorsorgeaufwendungen beiden
Ehegatten gleichmäßig zugeschrieben. Der Beitragsausgleich
basiert auf der Verantwortungsgemeinschaft innerhalb einer
bestehenden Lebensgemeinschaft, für einander Vorsorge zu treffen.
Im Unterhaltsrecht wäre dies eine Ergänzung von § 1360 BGB. Hier
besteht zur Zeit eine Regelungslücke. Für Ehegatten ist bisher
der Anspruch auf Altersvorsorge ab Anfang des Monats der
Scheidungsrechtshängigkeit geregelt (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB)
bzw. für den Fall der Scheidung (§ 1578 Abs. 3 BGB). Die
Regelungslücke hinsichtlich der Ehe ist angesichts der mit dem
Gesetzentwurf vorgesehenen Änderung der Struktur der
Hinterbliebenenrente nicht mehr zu rechtfertigen. Sie geht zu
Lasten von Frauen.
Bei einer den veränderten Erwerbs- und Familienformen angepassten
Verstärkung der umverteilenden Elemente der Rentenversicherung
würde auch die Ablösung der Hinterbliebenenrente durch eigene
Rentenanwartschaften möglich. Bei Sonderbedarf entsprechend der
Erziehungsrente sind Ausgleichmechanismen notwendig und bekannt.
Im Unterschied zur der mit dem Gesetzentwurf der
Regierungsfraktionen vorgesehen Neuordnung der
Hinterbliebenenrente würde der Beitragsausgleich nicht von
unrealistischen Erwerbsprognosen für Frauen ausgehen.
Erforderlich ist auch, die bisher mit den Hinterbliebenrenten
praktizierte Umverteilung in veränderter Form im Rentenrecht
beizubehalten. Ansonsten käme der Einstieg in die
partnerschaftliche Teilung für Frauen einem Pyrrhussieg gleich.
4. Verbesserung des Auskunftsservices durch die
Rentenversicherungsträger
Die über das SGB I hinausgehende Informationspflicht ist zu
begrüßen.
III. Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge
1. Begünstigter Personenkreis
Der djb begrüßt, dass die staatliche Förderung von zusammen
veranlagten Ehepartnern an den Aufbau eigenständiger
kapitalgedeckter Alterssicherung beider Partner gebunden wird.
Doch bleibt diese Förderung unzureichend und diskriminiert
insbesondere Frauen.
Der djb kritisiert, dass die staatliche Förderung überwiegend an
die Zahlung von Eigenbeiträgen gebunden wird. Auch während der
Erziehung von Kindern und der nicht erwerbsmäßigen Pflege ist die
staatliche Förderung davon abhängig, dass ein Mindesteigenbeitrag
bemessen nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage entrichtet
wird. Kann dieser Mindesteigenbeitrag nicht geleistet werden,
entfällt i.d.R. die Förderung. Dies bedeutet vor allem für Frauen
eine deutliche Verschlechterung gegenüber den bisherigen
Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Höhe und Ausgestaltung der Förderung,
Anlagekriterien
Der djb hält die kapitalgedeckte Altersvorsorge als Ersatz für
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für insgesamt
unzureichend.
Die solidarischen Komponenten der gesetzlichen Rentenversicherung
fehlen in der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Dies wirkt sich
gerade bei Frauen nachteilig aus, deren Lebens- und
Erwerbsbiografien infolge Kindererziehung und Pflege kürzere
Erwerbsverläufe und Schwankungen in den Beitragszeiten aufweisen.
Daran ändert auch die vorgesehene Ruhens-Regelung nichts, denn
während der Zeit des Ruhens werden Anwartschaften gerade nicht
aufgebaut.
Die Anwartschaften der kapitalgedeckten Altersvorsorge sind
gegenüber den Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht dynamisiert. Während also der Abbau der Anwartschaften der
gesetzlichen Rentenversicherung sich dynamisierend vollzieht,
steht dem kein gleichwertiger Aufbau einer staatlich geförderten
Altervorsorge gegenüber.
Wenn dennoch die kapitalgedeckte Altersvorsorge staatlich
gefördert werden soll, sollte die Förderung nur Verträgen
zukommen, die geschlechtsneutrale Tarife und solidarische
Komponenten vorsehen. Diese Anforderungen erfüllt der
Kriterienkatalog des § 10 a Abs. 2 EstG nicht.
3. Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge
und Auswirkungen auf die Sicherung von Frauen
Der § 10 a ist um solche Regelungen zu ergänzen, die eine
ausreichende und gerechte Alterssicherung für Frauen
sicherstellen.
(1)
Im Kriterienkatalog des § 10 Abs. 1 Satz 2 fehlt eine Regelung,
dass ein förderungswürdiger Altersvorsorgevertrag nur vorliegt,
wenn gleiche Beiträge von Männern und Frauen gleiche
Anwartschaften auslösen.
§ 10 a in der bisherigen Entwurfsfassung bindet die staatliche
Förderung nicht an geschlechtsneutrale Tarife, wie sie die
gesetzliche Rentenversicherung vorsieht. Da die kapitalgedeckte
Altersvorsorge die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
teilweise ersetzen soll, verschlechtert sich das
Beitrags-Leistungs-Verhältnis und damit die
anwartschafts-rechtliche Position von Frauen im Verhältnis zu
derjenigen der Männer. Für diese Verschlechterung gibt es keine
sachlichen Gründe, insbesondere ist sie zur Erhaltung eines
funktionierenden Systems der Alterssicherung nicht
erforderlich.
Die steuerliche Förderung ungleicher Anwartschaften für gleiche
Beiträge verstieße deshalb nicht nur gegen das
Diskriminierungsverbot und das Förderungsgebot des Art. 3 Abs. 2
Satz 2 GG, sondern verletzte auch die Eigentumsgarantie
beitragszahlender Frauen aus Art. 14 GG.
(2)
§ 10 a ist so zu regeln, dass nicht erwerbstätige oder gering
verdienende Ehepartner eine dem anderen Partner gleichwertige
Förderung erhalten.
§ 10 a bindet die staatliche Förderung kapitalgedeckter
Altersvorsorge nicht an die Zusage von Hinterbliebenenrenten.
Zwar fordert auch der djb die schrittweise Reduktion der
abgeleiteten Witwen-/Witwerrente, doch verbindet er dies mit der
Forderung eines fairen Beitragsausgleichs zwischen Ehepartnern
und ausreichender und flexibler Berücksichtigung von Zeiten der
Kindererziehung und Pflege. Diese Anforderungen erfüllt der
Gesetzentwurf jedoch nicht.
Die bislang vorgesehene Förderung setzt keine gleichwertige
kapitalgedeckte Altervorsorge für beide Ehepartner voraus, welche
die Kürzung der Hinterbliebenenrente ersetzen könnte. Für die
nicht erwerbstätige Ehefrau bedeutet das, dass ihre
Anwartschaften aus der GRV kontinuierlich abgebaut werden, ohne
dass eine dem Mann gleichwertige kapitalgedeckte Altersvorsorge
gewährleistet wäre. Der djb fordert hier strengere
Förderungskriterien im Hinblick auf die Gleichbehandlung von
Männern und Frauen in der Ehe.
Der staatliche Förderungsanreiz für eine ausreichende
Alterssicherung von nicht erwerbstätigen Ehefrauen ist am größten
in den hoch verdienenden Einkommensgruppen, die die Beiträge als
Sonderausgaben proportional steigend mit dem Einkommen geltend
machen können. Im Bereich der Zulage nach § 10 a Abs. 4 besteht
dieser Anreiz dagegen nicht. Im Gegenteil reizt das
Förderungssystem sogar dazu an, für die Ehefrau eine geringere
private Altersvorsorge als für den Mann aufzubauen, solange der
Gesetzgeber nicht für geschlechtsneutrale Tarife sorgt.
(3)
Die staatliche Förderung kapitalgedeckter Altersvorsorge hat die
Kindererziehung angemessen und gerecht zu berücksichtigen.
Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten der gesetzlichen
Rentenversicherung kommt allen Erziehenden zu Gute mit der Folge,
dass sich auch die geplanten Kürzungen der Rentenleistung bei
allen Erziehenden auswirken. Die steuerliche Förderung muss daher
allen Erziehenden zu Gute kommen. Für eine Beschränkung auf
Erziehende, die selbst oder deren Ehepartner in der gesetzlichen
Rentenversicherung versichert sind, besteht kein sachlicher
Grund.
Nach dem Entwurf werden Ehepaare in hoch verdienenden
Einkommensgruppen dadurch begünstigt, dass für Zeiten der
Kindererziehung die Beiträge nach Abs. 1 von 100 % des
Durchschnittsentgelts nach SGB VI im Wege von Sonderausgaben
geltend gemacht werden können (Abs. 1 Satz 4). Diese Beiträge
sind in Einkommensgruppen höherer Progressionsstufen steuerlich
mehr wert als in niedrigeren Einkommensgruppen, die lediglich die
Zulage erhalten. Dadurch werden nicht allein niedriger
verdienende Ehepaare gegenüber höher verdienenden diskriminiert,
sondern auch unverheiratete Erziehende (überwiegend Frauen)
gegenüber verheirateten. Auch für diese ungleiche
Berücksichtigung der Kindererziehung ist ein sachlicher Grund
nicht ersichtlich.
(4)
In § 10 a fehlt eine Regelung, die eine besondere staatliche
Förderung von Pflegezeiten vorsieht. Die Pflegeversicherung zahlt
Beiträge zur gRV für nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen und nimmt
diese von der Wirkung des Ausgleichsfaktors aus. Eine
Kompensation im Rahmen der steuerlichen Förderung
kapitalgedeckter Altersvorsorge findet nicht einmal ansatzweise
statt.
4. Praktikabilität der Vorschriften
§ 10 a in der Entwurfsfassung ist in einem Ausmaß unpraktikabel
und intransparent, das die Grenze zur Verfassungswidrigkeit
überschreitet. Zu Beurteilung der Praktikabilität und
Durchschaubarkeit genügt schon ein Blick auf den Umfang der
Vorschrift, die mit acht Typoskript-Seiten (1 ½-zeilig) zu den
"Spitzenreitern" zählen dürfte.
Die Intransparenz der Regelung verstößt gegen das
Rechtstaatsprinzip und das Demokratiegebot. Der Vorbehalt des
Gesetzes erfordert, dass wesentliche Entscheidungen durch den
Gesetzgeber in Gestalt des Parlaments zu treffen sind. Zwar
erfordern auch andere Regelungen des Einkommensteuergesetzes
ergänzende Ausführungsvorschriften in Form von Richtlinien des
Bundesministers der Finanzen. Doch würde § 10 a Interpretations-
und Anwendungsvorgaben erfordern, die das übliche Maß weit
übersteigen. Die wesentlichen Entscheidungen trifft der
Gesetzgeber nämlich in einer Weise, die auch für Fachleute bei
genauer Analyse nicht mehr nachvollziehbar ist.
Die getroffenen Regelungen erscheinen auch deshalb wenig
praktikabel, weil sie einen hohen Prüfungs- und
Verwaltungsaufwand der Finanzämter begründen. Insbesondere sind
Voraussetzungen und Umfang der staatlichen Förderung so
kompliziert geregelt, dass der Prüfungsaufwand im Rahmen von
Einkommensteuererklärungen kaum noch zu bewältigen sein dürfte.
Dies lässt befürchten, dass gerade in komplizierteren
Konstellationen, wie sie bei vor allem außerhalb der klassischen
Familienstrukturen auftreten, über die Förderung nur mit
zeitlicher Verzögerung entschieden werden kann.
Erst Recht für die Steuerpflichtigen sind die Regelungen des § 10
a und die darauf beruhenden Entscheidungen der Finanzämter
schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar. Treffen so
komplizierte Materien wie das Einkommensteuer- und das
Rentenrecht zusammen, so bedarf es klarer und ausführlicher
Regelung und Erläuterung von Voraussetzungen und Höhe staatlicher
Förderung. Statt dessen kumulieren die Verständnisschwierigkeiten
vor allem für Ehepaare und Familien mit Kindern, etwa wenn die
Berücksichtigung von Kindererziehung mit Fragen der gemeinsamen
steuerlichen Veranlagung zusammen trifft. Gerade in diesem
grundrechtssensiblen Bereich aber gebietet Art. 6 GG besondere
Rechtsklarheit zur Schaffung von Planungssicherheit für Ehepaare
und Familien.
5. Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und die wirtschaftliche
Entwicklung
Der djb befürchtet, dass die Prognosen für die Rentabilität der
kapitalgedeckten Zusatzversorgung immer noch zu optimistisch und
damit auch bezogen auf das erwartete Versorgungsniveau im Alter
unrealistisch sind. Zwar ist die ursprüngliche, realitätsferne
Annahme des Bundesarbeitsministeriums, wonach im Jahr 2050 - also
wenn unsere jetzt 15jährigen Kinder in Rente gehen - ein Drittel
der Alterssicherung durch Kapitaldeckung erfolgen soll, nach
unten korrigiert worden. Jetzt soll im Jahr 2030 die private
Zusatzrente nur noch rund 550 DM von knapp 8000 DM ausmachen. Das
sind also nur noch rund 7 %. Dies hängt vor allem damit zusammen,
dass die erwartete und für die Reform zugrunde gelegte Verzinsung
des Kapitals nicht mehr 5,5 % sondern nur noch 4 % betragen soll.
Eine langfristige Verzinsung von 4 % dürfte jedoch angesichts des
bereits akkumulierten Kapitals auf dem internationalen
Finanzmarkt immer noch als zu hoch angesehen werden. In seriösen
Modellrechnungen zu den Belastungswirkungen bei einem Wechsel der
Finanzierungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung
werde reale Zinssätze von 2 - 4 % zugrunde gelegt. Außerdem
zeigen die Korrekturen zwischen dem Konzept vom Mai 2000 und dem
Entwurf aus November 2000 eindringlich, auf welch unsicheren und
undurchschaubaren Annahmen eine so grundlegende Reform
erfolgt.
Zu den Auswirkungen auf die Kapitalmärkte kann sich der djb
mangels eigener Sachkunde nur auf die Aussagen finanzpolitischer
Fachkreise beziehen. Das große Risiko einer kapitalgedeckten
Versorgung gerade für die problematischen Rentenzugangsjahre
zwischen 2020 und 2030 hängt damit zusammen, dass angesichts
einer überalterten Bevölkerung viele auch sehr große Länder schon
in der Vergangenheit große Summen an Kapital angesammelt haben,
welches genau in diesen Jahren aufgelöst werden soll. Die Gefahr
einer massiven Geldentwertung ist daher nicht von der Hand zu
weisen.
IV. Ausbau der betrieblichen Altersversorgung
Positiv ist die Verkürzung der Unverfallbarkeitszeiten. Die
betriebliche Altersversorgung kann mit der steuerlich geförderten
Altersvorsorge gekoppelt werden. Dieser Ansatz ist zu begrüßen.
Er verlangt geschlechtsneutrale Tarife. Die betriebliche
Altersversorgung ist Entgelt und hat das Gebot der Lohngleichheit
zu beachten.
V. Bekämpfung der verschämten Altersarmut
Die Änderung der Anrechnungsvorschriften ist ein Einstieg.
VI. Übertragung der Maßnahmen der Reform auf andere
Alterssicherungssysteme
Die Freibeträge der Hinterbliebenenrenten sollen auch für die
gesetzliche Unfallversicherung eingefroren werden. Dies ist
abzulehnen. Bereits zum Hinterbliebenenrenten- und
Erziehungszeitengesetz war mit guten Argumenten von den
Unfallversicherungsträgern bezweifelt worden, ob eine
Bedürftigkeitsprüfung mit den Grundlagen der UV überhaupt
vereinbar seien. Es wäre dem Betriebsfrieden nicht dienlich, wenn
bei einem Arbeitsunfall die Hinterbliebenen künftig meist keine
oder nur geringe Renten erhalten würden, obwohl der infolge des
Todes entfallene Unterhaltsanspruch ein viel höherer gewesen ist.
Auf jeden Fall besteht jetzt kein Anlass, die für die GRV
vorgesehene Neuordnung der Hinterbliebenenrente auf die
gesetzliche Unfallversicherung zu übertragen. Hierfür
unterschieden sich die Sicherungsziele beider Systeme zu
grundlegend.
7. Dezember 2000
gez. Prof. Dr. Ursula Nelles 1. Vorsitzende des djb | gez. Prof. Dr. Ursula Rust Vorsitzende der Kommission Familienlastenausgleich |