Stellungnahme: 00-13


zum Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens - Drucksache 14/4595 - und zum Antrag der Fraktion

Stellungnahme vom

 

Thesen zur Rentenstrukturreform

und

Kernforderungen des djb

Wirkungen des Ausgleichsfaktors:

  1. Es findet ein Wechsel von einem leistungsdefinierten hin zu einem beitragsdefinierten Sicherungssystem statt
  2. Der Ausgleichfaktor reduziert die solidarische Rentenversicherung auf eine Grundsicherung, ohne systemimmanente Mindestsicherungselemente aufzunehmen
  3. Richtig ist die Herausnahme u.a. von Zeiten der Kindererziehung und der nichterwerbsmäßigen Pflege aus dem Ausgleichsfaktor
  4. Der Ausgleichsfaktor wirkt erst für die Geburtsjahrgänge ab 1965 in voller Höhe - ein im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht zu rechtfertigendes Ergebnis

 

 

Deshalb fordert der djb

 

  • Verzicht auf den Ausgleichsbetrag in der jetzigen Ausgestaltung

 

 

Reform der Hinterbliebenensicherung:

 

  1. Für vor 1992 und nach 1992 geborene Kinder werden nicht nur 1 bzw. 3 Entgeltpunkte berücksichtig; die rentenrechtliche Berücksichtigung hängt künftig auch davon ab, ob es Einzelkinder sind bzw. wie viele Geschwister sie haben - eine nicht zu rechtfertigende Differenzierung
  2. Es ist nicht zu schlüssig zu begründen, Kinderzuschläge an den Erhalt einer GRV-Rente zu koppeln
  3. Das Einfrieren der Freibetragsregelung für die Witwen-, Witwer- und Erziehungsrenten entwertet diese grundlegend
  4. Das Einfrieren der Freibetragsregelung auch für die Waisenrente ist ethisch nicht vertretbar
  5. Von den Ausgleichsmechanismen für die ersten zehn Jahre und bei den Witwenrenen profitieren in erster Linie Hausfrauen und damit Ehen mit tradierten Leitbildern.
  6. Das Splitting wird die gewählte Sicherungsform sein bei Ehepaaren mit hohen Einkünften, die damit die Einkommensanrechung bei der Hinterbliebenenrente vermeiden können

 

 

Deshalb fordert der djb

 

  • Anrechnung von drei Jahren Kindererziehung für die vor und nach 1992 Geborenen
  • additive Aufwertung der Entgeltpunkte vom 4. bis 10. Lebensjahr des Kindes bis zur Beitragsbemessungsgrenze
  • Aussetzen der Neuordnung der Hinterbliebenenrente bis zum Jahr 2011
  • Herausnahme der Waisenrente aus dem Einfrieren der Freibetragsregelung
  • Herausnahme der Unfallversicherung aus der Neuordnung der Hinterbliebenenrenten

 

 

 

 

(1) Inhaltsverzeichnis

I. Kernelemente des Gesetzentwurfs 4
  1. Alterssicherung von Frauen 4
  2. Begrenzung des Beitragsanstiegs 5
  3. Änderung der Anpassungsformel, Unterschiede zum demographischen Faktor 5
  4. Altersarmut und Sozialhilfeänderungen 6
  5. Auswirkungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und die öffentlichen Haushalte 6
II. Änderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung 6
  1. Einführung einer Ausgleichsfaktors 6
     a. Langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus 6
     b. Differenzierte Ausgestaltung des Ausgleichsfaktors 7
     c. Verteilung der Lasten des demographischen Wandels zwischen den Generationen 8
  2. Einführung einer neuen Anpassungsformel 9
  3. Förderung der eigenständigen Sicherung von Frauen 9
     a. Reform des Hinterbliebenenrechts 10
     b. Kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten 12
     c. Zusätzliche Begünstigung bei der Erziehung mehrerer Kinder gleichzeitig 13
     d. Rentensplitting, Auswirkungen auf andere Versorgungssysteme (Versorgungsausgleich) 14
  4. Verbesserung des Auskunftsservices durch die Rentenversicherungsträger 15
III. Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge 15
  1. Begünstigter Personenkreis 15
  2. Höhe und Ausgestaltung der Förderung, Anlagekriterien 16
  3. Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge und Auswirkungen auf die Sicherung von Frauen 16
  4. Praktikabilität der Vorschriften 19
  5. Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und die wirtschaftliche Entwicklung 20
IV. Ausbau der betrieblichen Altersversorgung 21
V. Bekämpfung der verschämten Altersarmut 21
VI. Übertragung der Maßnahmen der Reform auf andere Alterssicherungssysteme 21

 

 

 

 

 

I. Kernelemente des Gesetzentwurfs

 

 

1. Alterssicherung von Frauen

Eine grundlegende Reform der gesetzlichen RV mit dem Ziel einer

eigenständigen Alterssicherung für Frauen ist überfällig. Weder

die bisherige Ausgestaltung der Hinterbliebenenrenten noch die

konkrete Berechnung der Altersrenten nach einem strengen, durch

die Gesamtleistungsbewertung noch verstärkten Äquivalenzprinzip

wird der heutigen Arbeits- und Lebenswirklichkeit von Frauen

gerecht.

Frauenspezifischen Belangen kann durch eine Weiterentwicklung der

gesetzlichen Alterssicherung Rechnung getragen werden. Geschehen

kann dies innerhalb unseres generell bewährten Systems einer

öffentlichrechtlichen, solidarisch ausgestalteten gesetzlichen

Rentenversicherung. Die in den letzten Jahren und Jahrzehnten

immer weiter abgeschafften Umverteilungselemente in der

gesetzlichen Rentenversicherung müssen - angepasst an veränderte

Erwerbs- und Familienformen - wieder gestärkt werden.

Der djb hat ein Modell für eine geschlechtergerechte Rentenreform

entwickelt und der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Ein im Ansatz

ähnliches Modell hat die BfA mit dem Konzept der "Flexiblen

Anwartschaften" entwickelt. In anderen Ländern - allen voran der

Schweiz - sind Modelle einer stärker ausgleichenden, breiter

angelegten beitragsfinanzierten Alterssicherung erfolgreich

umgesetzt worden.

Aus Frauensicht geht eine dem Assekuranzgedanken verpflichtete

private Zusatzversorgung genau in die entgegengesetzte Richtung.

Eine kapitalgedeckte Zusatzversorgung entzieht dem System der

gesetzlichen Rentenversicherung dringend benötigte Beiträge. Ihre

Einführung stellt einen langfristig angelegten, kaum mehr

korrigierbaren Systemwandel dar, der vom djb als frauen- und

rechtspolische Fehlentscheidung bewertet wird.

 

 

 

 

2. Begrenzung des Beitragsanstiegs

Das Ziel, die Rentenversicherungsbeiträge als Nebenkosten für

sozialversicherungspflichtige Arbeit nicht unbegrenzt ansteigen

zu lassen, ist richtig. Der Übergang von einer

"ausgabenorientierten Einnahmepolitik" zur "einnahmeorientierten

Ausgabepolitik" ist aber nicht der richtige Weg. Der im

Gesetzentwurf gewählte Weg einer Teilprivatisierung ist

falsch.

Die Alterssicherung steht nicht nur vor einem demographischen

Problem. Sie steht als beitragsfinanziertes System vor allem vor

einem Arbeitsmarktproblem, dem nur mit einer Verbreiterung der

Beitragsbasis begegnet werden kann. Die Einbeziehung der

geringfügig Beschäftigten war der erste richtige Schritt. Weitere

müssen folgen.

 

 

 

 

3. Änderung der Anpassungsformel, Unterschiede zum

demographischen Faktor

In einem umlagefinanzierten System kann nur so viel ausgegeben

werden, wie eingenommen wird (Stichwort: Rente nach Kassenlage).

Insofern ist eine Beteiligung aller Gruppen, also der Älteren und

Jüngeren an einem höheren Bedarf prinzipiell richtig.

Das jetzt vorgelegte Konzept zu einer Beteiligung der älteren

Generation ist nach Auffassung des djb noch nicht ausgereift,

höchst kompliziert und in den Verteilungswirkungen noch nicht

absehbar. Es ist auch nicht erkennbar, dass durch die

Veränderungen die jetzt bereits älteren und rentennahen Jahrgänge

an der Finanzierung der Alterssicherung mitbeteiligt werden.

Zunächst kumuliert die Kürzung des aktuellen Rentenwertes (der

durch die Veränderung von §68 Abs. 4 iVm § 255e SGB VI bewirkt

wird - Faktor 96 statt 100) mit dem Ausgleichsfaktor (§ 76 d iVm

264 d SGB VI). Der Ausgleichsfaktor wird schrittweise ab 2011 bis

2030 von 1,0 auf 0,94 eingeführt; die Kürzung des aktuellen

Rentenwerts greift ebenfalls in voller Höhe erst ab dem Jahr

2010. Die Maßnahmen wirken überhaupt erstmals - und dann

geringfügig - ab Rentenbeginn 2011. Wer heute 54 Jahre alt ist,

wird seine Rente sein Leben lang, also wahrscheinlich 25 Jahre

bis ins Jahr 2036 weitgehend ungeschmälert erhalten. Diese Rente

wird von den Beiträgen einer jüngeren Generation geleistet, die

nie und nimmer adäquate Leistungen erhalten wird.

 

 

 

 

4. Altersarmut und Sozialhilfeänderungen

Es entspricht einer langjährigen Forderung des djb, auf den

Unterhaltsrückgriff gegenüber den Kindern zu verzichten. Die

geplanten Veränderungen werden also begrüßt.

 

 

 

 

5. Auswirkungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag und

die öffentlichen Haushalte

Die Einführung der privaten Zusatzversorgung, die für die

Sicherung des Lebensstandards im Alter notwendig vorausgesetzt

wird, verschleiert den Beitragsanstieg, indem er ihn allein auf

die abhängig Beschäftigten abwälzt. Schattenwirtschaft und

Schwarzarbeit werden damit nicht eingedämmt, sondern weiter

unterstützt, weil aus Sicht der Beschäftigten das Einkommen aus

legaler Beschäftigung weiter schrumpft - nämlich um das 4 %-ige

"Zwangssparen".

 

 

II. Änderungen im Bereich der gesetzlichen

Rentenversicherung

 

 

 

 

1. Einführung eines Ausgleichsfaktors

Der sogenannte Ausgleichsfaktor ist in seiner jetzigen

Ausgestaltung - auch aus Frauensicht - insgesamt abzulehnen.

Weder wird er den in dem Gesetzentwurf zum AVmG formulierten

Erwartungen gerecht noch kann er ernsthaft als positiver Beitrag

zu einer Verbesserung der Alterssicherung von Frauen bewertet

werden.

 

 

 

 

a. Langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus

Das postulierte Ziel einer Stabilisierung des Rentenniveaus

erreicht der sog. Ausgleichsfaktor gerade nicht. Als neues

Steuerungsinstrument macht er vielmehr die Abkehr von einem

leistungsdefinierten hin zu einem beitragsdefinierten

Sicherungssystem deutlich. Richtgröße in der gesetzlichen

Rentenversicherung wird zukünftig der als finanzier- und tragbar

bewertete Beitragssatz sein, während das Leistungsniveau

grundsätzlich offen bleibt. Damit wird das bisherige Ziel der GRV

einer Lebensstandardsicherung aufgegeben. Besonders für Frauen

ist damit das Sicherungsniveau in der gesetzlichen

Rentenversicherung nach unten offen. Zwar sieht der Gesetzentwurf

Mechanismen vor, die sicherstellen sollen, dass das Rentenniveau

auch langfristig nicht unter 64 Prozent sinkt, jedoch ist bei

diesen Zahlenangaben zu beachten, dass der angegebene Prozentsatz

auf der neuen Anpassungsformel des AVmG beruht und nach dem

geltenden Recht deutlich niedriger, nämlich nur bei gut 61

Prozent, läge. Aus Frauensicht sind derartige Berechnungen aber

ohnehin Fiktion, da diese auf einen Standardrentner abstellen,

der selten weiblich ist und der unter den sich ändernden

Bedingungen der Arbeitswelt zukünftig auch unter Männern zur

Ausnahmeerscheinung werden wird.

Fakt ist damit, dass der Ausgleichsfaktor die solidarische

Rentenversicherung auf eine Grundsicherung (ohne systemimmanente

Mindestsicherungselemente) reduzieren wird, ohne dass die

geförderte private Vorsorge für Frauen hierfür einen adäquaten

Ausgleich zu schaffen in der Lage ist. Die Sicherstellung der

Lebensstandards der Frauen wird damit entsolidarisiert und

privatisiert.

 

 

 

 

b. Differenzierte Ausgestaltung des

Ausgleichsfaktors

Der Ausgleichsfaktor ist so gestaltet, dass nicht alle

Versicherungszeiten von der Kürzung auf 94 Prozent betroffen

sind. Nach dem Gesetzentwurf ist eine soziale

Ausgleichskomponente insoweit enthalten, als Teile der Rente, die

auf Zeiten beruhen, die als sozialer Ausgleich innerhalb der

Rentenversicherung dienen, von der Kürzung ausgenommen

sind.

Dieser Mechanismus ist grundsätzlich positiv zu bewerten - wäre

es doch widersinnig, auf der einen Seite zusätzliche

Versicherungsleistungen zu gewähren, diese auf der anderen Seite

jedoch wieder in ihrem Wert zu reduzieren.

Der djb begrüßt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass in der

aktuellen Fassung des Gesetzentwurfs auch Zeiten der

Kindererziehung und der nichterwerbsmäßigen Pflege von

Angehörigen von der Wirkung des Ausgleichsfaktors ausgenommen

sind. In früheren Fassungen war dies nicht der Fall und wurde

damit begründet, dass die Kindererziehungszeiten nach dem SGB VI

als vollwertige Pflichtbeitragszeiten gälten und deshalb genau

wie Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit behandelt werden müssen.

Ein solches - rein rechtsdogmatisches - Argument verstellt jedoch

den Blick darauf, dass Kindererziehung einerseits einen

generativen Beitrag zur Rentenversicherung darstellt und

andererseits auch als solidarischer Ausgleich innerhalb des

Systems zu bewerten ist. Es wäre schwer verständlich, diesen

Ausgleich nach der erst kürzlich verbesserten Anrechnung von 0,75

auf nunmehr einen vollen Entgeltpunkt pro Jahr wieder zu kürzen.

 

 

 

 

c. Verteilung der Lasten des demographischen Wandels zwischen

den Generationen

In der Gesetzesbegründung wird der Ausgleichsfaktor beschrieben

als "Brücke zwischen den Generationen", die eine erneute

einseitige Belastung der zukünftigen Generationen verhindert.

Dieses Ziel wird nicht erreicht.

Da der Ausgleichsfaktor ohnehin nur den Rentenzugang erfasst und

darüber hinaus erst bei Rentenzugängen ab dem Jahr 2011

stufenweise einsetzt, wird die jüngere Generation einseitig

belastet. Seine volle Wirkung, d.h. eine Minderung der Rentenhöhe

um sechs Prozent, entfaltet der Ausgleichsfaktor 2030 und trifft

damit die heute 35jährigen Versicherten in vollem Umfang. Der

Rentenbestand bis 2010 (d.h. die heute 54jährigen und Älteren)

wird hingegen überhaupt nicht tangiert. Neben der ungleichen

Belastung der Generationen in der Zeitschiene hat diese

großzügige stufenweise Einführung außerdem den Effekt, dass die

Rentenniveaus zukünftig je nach dem Jahr des Rentenbeginns

auseinanderfallen werden. 2030 werden die dann 85-jährigen

Altersrentner ein Rentenniveau von noch knapp 69 Prozent haben,

während die 65-jährigen nur etwa 64 Prozent erreichen.

Von der Wirkung des Ausgleichsfaktors betroffen sind damit in

ersten Linie die Geburtsjahrgänge ab 1965 - bezogen auf die

Frauen also die Generation, die am besten ausgebildet ist, für

die eine eigene Berufstätigkeit zur Selbstverständlichkeit wird

und die zumindest einigermaßen über die organisatorischen und

finanziellen Möglichkeiten verfügt, Erwerbstätigkeit und Familie

miteinander zu verbinden. Gerade diese Frauengeneration soll

durch den Ausgleichsfaktor ganz erheblich zum Erreichen des Ziels

der Beitragsstabilität beitragen, während der gesamte

Rentenbestand (und damit auch eine Generation, die noch anderen

frauenpolitischen Leitbildern verhaftetet war bzw. ist) verschont

wird. Dieses Ergebnis ist weder aus Frauensicht noch unter dem

Aspekt der Generationengerechtigkeit zu rechtfertigen. Die

Begründung, erst die jüngere Generation habe die Möglichkeit,

durch die Förderung der privaten Vorsorge die Absenkung des

Rentenniveaus zu kompensieren, gilt zumindest für

kindererziehende Frauen auch zukünftig nur sehr

eingeschränkt.

Der djb fordert daher, den Ausgleichsbetrag in seiner jetzigen

Ausgestaltung aufzugeben. Um wirklich Belastungsgleichheit zu

erreichen, muss jegliches Korrektiv in der Rentenformel sowohl

den Rentenzugang als auch den Rentenbestand erfassen.

Beizubehalten wäre hingegen der Ansatz, Elemente des sozialen

Ausgleichs nicht zum Objekt künftige Kürzungen zu machen.

 

 

 

 

2. Einführung einer neuen Anpassungsformel

In der Vergangenheit wurde vor allem nach den Entscheidungen des

Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Freistellung des

Existenzminimums von Familien mit Kindern immer wieder

kritisiert, dass die angemahnten steuerlichen Entlastungen von

Familien über die Nettolohnanpassung auch Rentnern zugute kommen

würden. Dieser Personenkreis werde dadurch unbeabsichtigt

begünstigt und verursache zu Lasten der Steuerzahlenden Ausgaben,

die an anderer Stellen dringender benötigt würden. Die von der

Regierungskoalition vorgeschlagene modifizierte

Bruttolohnanpassung ist ein Weg, dieser mangelnden

Zielgenauigkeit bei steuerlichen Entlastungen für Familien

entgegenzuwirken.

 

 

 

 

3. Förderung der eigenständigen Sicherung von Frauen

Nach Auffassung des djb ist durch den Gesetzentwurf die Chance

einer konzeptionellen Änderung des Rentenversicherungssystems,

die Kindererziehung und Pflege, Teilzeitbeschäftigung und

Unterbrechungen nicht als vom Normalfall abweichenden und im

Detail ausgleichsbedürftigen Lebenssachverhalt aufnimmt, vertan.

Solche Modelle, die in einem veränderten Rentenberechnungssystem

die ersten Jahre höher bewerten, die Einkommensunterschiede

teilweise ausgleichen und in einer Ehe die Rentenanwartschaften

obligatorisch aufteilen, liegen vor und könnten umgesetzt

werden.

Die im Gesetzentwurf enthaltenen kindbezogenen Einzelmaßnahmen

sollen die drastischen Einschnitte zu Lasten der Frauen durch

Einschmelzen der Hinterbliebenenrenten teilweise ausgleichen. Ob

sie dies insgesamt erreichen können, ist zweifelhaft.

Bisher werden vor 1992 und nach 1992 geborene Kinder für die

Altersrente unterschiedlich berücksichtigt mit einem bzw. mit

drei Entgeltpunkten. Das vorgeschlagene Patchwork der

kindbezogenen Einzelmaßnahmen verstärkt dies. Jetzt soll die

rentenrechtliche Bewertung auch davon abhängen können, ob es

Einzelkinder sind bzw. wie viele Geschwister sie haben.

Gerecht ist dies nicht.

Der djb hält es für angebracht, die unterschiedliche

rentenrechtliche Berücksichtigung von Kindern zu beenden. Dies

würde bedeuteten: Anrechnung von drei Entgeltpunkten für die vor

und nach 1992 geborenen Kinder. Es würden hierfür sofort

Mehraufwendungen anfallen. Sie wären vorübergehend, beschränkt

auf die Zeitspanne, in der sich Frauen mit vor 1992 geborenen

Kinder im Rentenbestand befinden würden.

Die Anerkennung von drei Jahren Kindererziehung auch für die vor

1992 geborenen Kinder wäre eine gerechte Lösung. Dies wäre eine

Verbesserung der eigenständigen Alterssicherung von Frauen, die

unmittelbar wirksam wird. Die Auswirkung für die Höhe der eigenen

Rente wäre klar durchschaubar - anders als bei allen

Patchwork-Einzelmaßnahmen.

Zu diesen ist nachfolgend - entsprechend der Reihenfolge des

Themenkatalogs - Stellung zu nehmen.

 

 

 

 

a. Reform des Hinterbliebenenrechts

Die Hinterbliebenenrenten sind bisher die Basis dafür, dass

Frauen trotz der geringen eigenen Renten im Alter nicht arm

werden. Sie sind auf entsprechende von der Ehe abgeleitete

Rentenleistungen angewiesen, solange sie keine eigenen

Rentenansprüche aufbauen können. Bei jeder Neuordnung der

Hinterbliebenenrenten sind deshalb mögliche Verarmungsrisiken von

Frauen sorgfältig zu prüfen. Dies geschieht mit dem Gesetzentwurf

nicht einmal ansatzweise.

Vorgesehen ist die Absenkung des Versorgungsniveaus von 60 % der

Rente des Verstorbenen auf 55 % bei gleichzeitiger Erweiterung

der Hinterbliebenenrente um eine Kinderkomponente. Die Neuordnung

wird für diejenigen Ehepaare gelten, bei denen beide jünger als

40 Jahres sind. Die Absenkung wäre diskutabel, wenn nicht

gleichzeitig das Sicherungsniveau radikal abgesenkt werden

würde.

Das Sicherungsniveau wird radikal heruntergesetzt, indem der

Freibetrag für die Einkommensanrechnung auf dem heutigen Stand

eingefroren wird. Der Betrag von 1.283 DM entspricht nach

heutigen Werten etwa 600 DM. Die Mehrzahl der Witwen dürfte im

Sozialhilfebereich verbleiben, wenn der neue Freibetrag bereits

heute angewendet werden würde.

Dem Einfrieren des Freibetrags müssen höchst optimistische

Erwerbsprognosen für Frauen zugrunde liegen. Im Gesetzentwurf

sind keine Angaben enthalten, woraus denn die Vermutung begründet

sein könnte, Frauen würden in 25 bis 30 Jahren über ausreichende

eigene Rentenansprüche verfügen, die eine Anrechnung vom

Einkommen oberhalb von 600 DM rechtfertigen könnten.

Das Einfrieren des Freibetrags ist das Problem erwerbstätiger

Ehefrauen. Bei weitgehender Nichterwerbstätigkeit dürfte das

bisherige Sicherungsniveau erhalten bleiben bzw. sogar verbessert

werden. Eine solche Lösung ist nicht zu rechtfertigen.

Die Neuordnung der Hinterbliebenenrente ist eine Armutsfalle für

erwerbstätige Ehefrauen. Die Absenkung der Höhe der

Hinterbliebenenrente kann sich zwar erst langfristig finanziell

entlastend für die Rentenversicherung auswirken. Die

Entscheidung, die finanzielle Basis der Rentenversicherung durch

die Kappung der Hinterbliebenenrente zu stabilisieren, würde mit

dem Einfrieren des Freibetrags aber schon heute getroffen.

Es wäre sinnvoll, zumindest die Fixierung des Freibetrag für 10

Jahre auszusetzen. Der Gesetzgeber würde sich damit der

Notwendigkeit aussetzen, mögliche dem Einfrieren zugrunde

liegenden Erwerbsprognosen zu prüfen und das Konzept der

Neuordnung der Hinterbliebenenrenten neu zu bewerten. Die jetzt

vorgeschlagene Art und Dauer des Übergangsrechts sind

verfassungsrechtlich so nicht erforderlich. Eine spätere

Entscheidung des Gesetzgebers wäre auf möglich.

Außerdem überzeugt es nicht,

den Kinderzuschlag an den Erhalt einer Witwenrente zu koppeln

und

den Freibetrag auch für die Waisenrente auf dem heutigen Niveau

einzufrieren.

Unverheiratete, Ehepartner von Selbständigen, Beamten und

Mitgliedern der berufsständischen Versorgungswerke erhalten

keinen Kinderzuschlag. Es kommt so zu einer ungleichen Förderung

der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die bei Inkrafttreten des AVmG geltenden Freibeträge für Witwen-

und Waisenrenten werden festgeschrieben. Es sind für Witwen,

Witwer- und Erziehungsrenten 660 Euro und für Waisenrenten 440

Euro.

Die Entdynamisierung bewirkt eine Senkung des Sicherungsniveaus

der Hinterbliebenen, die in ihrer Wirkung gerade bei Frauen mit

mehreren Kindern bei Tod des Vaters und Ehemannes kumuliert und

bei ihnen zu einer deutlichen Verschlechterung der Leistungen

führt. Dem Gesetzentwurf ist eine Begründung für diese der

Lebenssituation von Waisen unangemessene Regelung nicht zu

entnehmen.

Falls die Absenkung der Waisenrente mit dem rechtsdogmatischen

Argument begründet werden sollte, alle der in §97 SGB VI

genannten Renten wegen Todes seien bei der Einkommensanrechnung

gleich zu behandeln, könnte dies wegen der unterschiedlichen

Funktionen der Rentenarten nicht überzeugen. Außerdem ist aus der

Perspektive Versicherter der potentielle Waisenrentenanspruch die

Vorsorge des Rentenrechts, die bisher zugunsten eigener Kinder

ein wesentliches Merkmal der gRV gewesen ist. Eine private

Vorsorge zu diesem Risiko künftig aufzubauen zu müssen, würde

Eltern finanziell in unvertretbarer Weise zusätzlich

belasten.

Im Zuge einer möglichen Abschmelzung der Witwen- und Witwerrente

zugunsten einer stärkeren Familienkomponente wäre es ganz im

Gegenteil naheliegend, die Waisenrenten zu erhöhen und

keinesfalls verkappt mit dem Einfrieren des Freibetrags

gravierend zu senken.

 

 

 

 

b. Kindbezogene Höherbewertung von Beitragszeiten

Vom 4. bis zum 10. Lebensjahr des Kindes ist eine Aufwertung von

der individuellen Entgeltpunkte vorgesehen (§70 Abs. 3a Buchst. a

SGB VI) Dies ist eine versteckte Subventionierung und stellt

damit auch eine Rechtfertigung niedrigerer Frauenlöhne dar. Es

wird ein Signal gegen die Erwerbstätigkeit von Müttern in gut

bezahlten Positionen geschaffen, vor allem dann, wenn sie in

Vollzeit arbeiten. Es ist zu befürchten, dass der auf solche

Frauen häufig ohnehin schon ausgeübte moralische Druck, die

Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Kinder doch wenigstens teilweise

aufzugeben, noch weiter verstärkt wird. Dies hat jedoch fatale

Folgen für die berufliche Entwicklung und die gleichberechtigte

Integration in das Erwerbsleben.

 

 

 

 

c. Zusätzliche Begünstigung bei der Erziehung mehrerer Kinder

gleichzeitig

Dies wird durch die geplante Regelung in § 70 Abs. 3a Buchst. b

SGB VI noch verstärkt. Eine Frau, die beispielsweise mit einem 4-

und einem 6-jährigen Kind arbeitet und

Sozialversicherungsbeiträge leistet, handelt sowohl als

Niedrigverdienerin als auch als Durchschnittsverdienerin in der

Regel rentenrechtlich unvernünftig. Verdient sie in den alten

Bundesländern in diesem Jahr beispielsweise in Teilzeit 800 DM

monatlich, so wird sie in ihrer Rentenanwartschaft so behandelt,

als hätte sie 1.200 DM (800 DM plus der Aufstockung um die Hälfte

- also um 400 DM - nach § 70 Abs. 3a Buchst. a SGB VI) monatlich

verdient. Arbeitet sie nicht, so spart sie nicht nur Geld und

organisatorische Mühen für die Kinderbetreuung; für die Rente

werden ihr fiktiv für jeden Monat, in dem sie nicht erwerbstätig

ist, 1.475 DM (33 % des Durchschnittseinkommens nach § 70 Abs. 3a

Buchst. b SGB VI) gutgeschrieben. Hat eine Frau von einem oder

zwei Kindern unter 10 Jahren ein Durchschnittseinkommen oder

mehr, so entfällt jeder Zuschlag für die Kindererziehung aufgrund

der gesetzlichen Begrenzungsregelungen.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur additiven

Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Beitragszeiten

aus Beschäftigung wäre eine solche Gesetzeskonzeption

verfassungswidrig. Wenn denn der Nachteilsausgleich für

Erziehungspersonen neben der kindbezogenen Höherbewertung

eingeführt werden soll, dürfte es gerade noch vertretbar sein,

als Begrenzung des § 70 Abs. 3a Satz 2 SGB VI die jeweilige

Beitragsbemessungsgrenze vorzusehen.

 

 

 

 

d. Rentensplitting, Auswirkungen auf andere Versorgungssysteme

(Versorgungsausgleich)

Zum Rentensplitting ist positiv anzumerken, dass erstmals der

Einstieg in die Teilung von Rentenanwartschaften innerhalb einer

bestehenden Ehe eröffnet wird. Der Einstieg in die Teilung hat

außerdem einen mittelbar positiven Effekt für den

Versorgungsausgleich. Geschiedenen wird künftig die Erfüllung der

Wartezeit schneller ermöglicht (§ 52 I SGB VI). Die Kritik des

djb, der Versorgungsausgleich sei ein Versicherungsschutz zweiter

Klasse, wird mit diesem Ansatz aufgegriffen.

Das Rentensplitting ist aber insgesamt nicht geeignet, ein

partnerschaftliches Alterssicherungskonzept zu sein, solange

parallel die Hinterbliebenenrente faktisch entwertet wird.

Das hälftige Splitting hat in aller Regel ein schlechteres

Ergebnis als eine 55 %-ige Witwenrente mit Kinderzuschlag. Das

hälftige Splitting dürfte für Versicherte attraktiv sein, die

neben der gesetzlichen Rente noch andere und zwar hohe Einkünfte

haben, da beim Rentensplitting anders als bei der

Hinterbliebenenrente solche Einkünfte nicht angerechnet

werden.

Eine finanzierbare und mit einer Übergangsfrist wie zum

Hinterbliebenenrentenrecht 1985 umsetzbare Alternative zum

Rentensplitting wäre der rentenrechtliche Beitragsausgleich. Im

Unterschied zum Rentensplitting würden nicht entstandene

Anwartschaften bei Verrentung beider Ehegatten - so der

Gesetzentwurf der Regierungsfraktion - oder laufend - so die über

lange Zeit von der Frauenverbänden geforderte Lösung -

aufgeteilt. Vielmehr würde innerhalb einer bestehenden Ehe die

Beiträge und damit die Altersvorsorgeaufwendungen beiden

Ehegatten gleichmäßig zugeschrieben. Der Beitragsausgleich

basiert auf der Verantwortungsgemeinschaft innerhalb einer

bestehenden Lebensgemeinschaft, für einander Vorsorge zu treffen.

Im Unterhaltsrecht wäre dies eine Ergänzung von § 1360 BGB. Hier

besteht zur Zeit eine Regelungslücke. Für Ehegatten ist bisher

der Anspruch auf Altersvorsorge ab Anfang des Monats der

Scheidungsrechtshängigkeit geregelt (§ 1361 Abs. 1 Satz 2 BGB)

bzw. für den Fall der Scheidung (§ 1578 Abs. 3 BGB). Die

Regelungslücke hinsichtlich der Ehe ist angesichts der mit dem

Gesetzentwurf vorgesehenen Änderung der Struktur der

Hinterbliebenenrente nicht mehr zu rechtfertigen. Sie geht zu

Lasten von Frauen.

Bei einer den veränderten Erwerbs- und Familienformen angepassten

Verstärkung der umverteilenden Elemente der Rentenversicherung

würde auch die Ablösung der Hinterbliebenenrente durch eigene

Rentenanwartschaften möglich. Bei Sonderbedarf entsprechend der

Erziehungsrente sind Ausgleichmechanismen notwendig und bekannt.

Im Unterschied zur der mit dem Gesetzentwurf der

Regierungsfraktionen vorgesehen Neuordnung der

Hinterbliebenenrente würde der Beitragsausgleich nicht von

unrealistischen Erwerbsprognosen für Frauen ausgehen.

Erforderlich ist auch, die bisher mit den Hinterbliebenrenten

praktizierte Umverteilung in veränderter Form im Rentenrecht

beizubehalten. Ansonsten käme der Einstieg in die

partnerschaftliche Teilung für Frauen einem Pyrrhussieg gleich.

 

 

 

 

4. Verbesserung des Auskunftsservices durch die

Rentenversicherungsträger

Die über das SGB I hinausgehende Informationspflicht ist zu

begrüßen.

 

 

III. Förderung der kapitalgedeckten Altersvorsorge

 

 

 

 

1. Begünstigter Personenkreis

Der djb begrüßt, dass die staatliche Förderung von zusammen

veranlagten Ehepartnern an den Aufbau eigenständiger

kapitalgedeckter Alterssicherung beider Partner gebunden wird.

Doch bleibt diese Förderung unzureichend und diskriminiert

insbesondere Frauen.

Der djb kritisiert, dass die staatliche Förderung überwiegend an

die Zahlung von Eigenbeiträgen gebunden wird. Auch während der

Erziehung von Kindern und der nicht erwerbsmäßigen Pflege ist die

staatliche Förderung davon abhängig, dass ein Mindesteigenbeitrag

bemessen nach der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage entrichtet

wird. Kann dieser Mindesteigenbeitrag nicht geleistet werden,

entfällt i.d.R. die Förderung. Dies bedeutet vor allem für Frauen

eine deutliche Verschlechterung gegenüber den bisherigen

Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung.

 

 

 

 

2. Höhe und Ausgestaltung der Förderung,

Anlagekriterien

Der djb hält die kapitalgedeckte Altersvorsorge als Ersatz für

Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für insgesamt

unzureichend.

Die solidarischen Komponenten der gesetzlichen Rentenversicherung

fehlen in der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Dies wirkt sich

gerade bei Frauen nachteilig aus, deren Lebens- und

Erwerbsbiografien infolge Kindererziehung und Pflege kürzere

Erwerbsverläufe und Schwankungen in den Beitragszeiten aufweisen.

Daran ändert auch die vorgesehene Ruhens-Regelung nichts, denn

während der Zeit des Ruhens werden Anwartschaften gerade nicht

aufgebaut.

Die Anwartschaften der kapitalgedeckten Altersvorsorge sind

gegenüber den Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung

nicht dynamisiert. Während also der Abbau der Anwartschaften der

gesetzlichen Rentenversicherung sich dynamisierend vollzieht,

steht dem kein gleichwertiger Aufbau einer staatlich geförderten

Altervorsorge gegenüber.

Wenn dennoch die kapitalgedeckte Altersvorsorge staatlich

gefördert werden soll, sollte die Förderung nur Verträgen

zukommen, die geschlechtsneutrale Tarife und solidarische

Komponenten vorsehen. Diese Anforderungen erfüllt der

Kriterienkatalog des § 10 a Abs. 2 EstG nicht.

 

 

 

 

3. Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge

und Auswirkungen auf die Sicherung von Frauen

Der § 10 a ist um solche Regelungen zu ergänzen, die eine

ausreichende und gerechte Alterssicherung für Frauen

sicherstellen.

 

 

 

 

(1)

Im Kriterienkatalog des § 10 Abs. 1 Satz 2 fehlt eine Regelung,

dass ein förderungswürdiger Altersvorsorgevertrag nur vorliegt,

wenn gleiche Beiträge von Männern und Frauen gleiche

Anwartschaften auslösen.

§ 10 a in der bisherigen Entwurfsfassung bindet die staatliche

Förderung nicht an geschlechtsneutrale Tarife, wie sie die

gesetzliche Rentenversicherung vorsieht. Da die kapitalgedeckte

Altersvorsorge die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung

teilweise ersetzen soll, verschlechtert sich das

Beitrags-Leistungs-Verhältnis und damit die

anwartschafts-rechtliche Position von Frauen im Verhältnis zu

derjenigen der Männer. Für diese Verschlechterung gibt es keine

sachlichen Gründe, insbesondere ist sie zur Erhaltung eines

funktionierenden Systems der Alterssicherung nicht

erforderlich.

Die steuerliche Förderung ungleicher Anwartschaften für gleiche

Beiträge verstieße deshalb nicht nur gegen das

Diskriminierungsverbot und das Förderungsgebot des Art. 3 Abs. 2

Satz 2 GG, sondern verletzte auch die Eigentumsgarantie

beitragszahlender Frauen aus Art. 14 GG.

 

 

 

 

(2)

§ 10 a ist so zu regeln, dass nicht erwerbstätige oder gering

verdienende Ehepartner eine dem anderen Partner gleichwertige

Förderung erhalten.

§ 10 a bindet die staatliche Förderung kapitalgedeckter

Altersvorsorge nicht an die Zusage von Hinterbliebenenrenten.

Zwar fordert auch der djb die schrittweise Reduktion der

abgeleiteten Witwen-/Witwerrente, doch verbindet er dies mit der

Forderung eines fairen Beitragsausgleichs zwischen Ehepartnern

und ausreichender und flexibler Berücksichtigung von Zeiten der

Kindererziehung und Pflege. Diese Anforderungen erfüllt der

Gesetzentwurf jedoch nicht.

Die bislang vorgesehene Förderung setzt keine gleichwertige

kapitalgedeckte Altervorsorge für beide Ehepartner voraus, welche

die Kürzung der Hinterbliebenenrente ersetzen könnte. Für die

nicht erwerbstätige Ehefrau bedeutet das, dass ihre

Anwartschaften aus der GRV kontinuierlich abgebaut werden, ohne

dass eine dem Mann gleichwertige kapitalgedeckte Altersvorsorge

gewährleistet wäre. Der djb fordert hier strengere

Förderungskriterien im Hinblick auf die Gleichbehandlung von

Männern und Frauen in der Ehe.

Der staatliche Förderungsanreiz für eine ausreichende

Alterssicherung von nicht erwerbstätigen Ehefrauen ist am größten

in den hoch verdienenden Einkommensgruppen, die die Beiträge als

Sonderausgaben proportional steigend mit dem Einkommen geltend

machen können. Im Bereich der Zulage nach § 10 a Abs. 4 besteht

dieser Anreiz dagegen nicht. Im Gegenteil reizt das

Förderungssystem sogar dazu an, für die Ehefrau eine geringere

private Altersvorsorge als für den Mann aufzubauen, solange der

Gesetzgeber nicht für geschlechtsneutrale Tarife sorgt.

 

 

 

 

(3)

Die staatliche Förderung kapitalgedeckter Altersvorsorge hat die

Kindererziehung angemessen und gerecht zu berücksichtigen.

Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten der gesetzlichen

Rentenversicherung kommt allen Erziehenden zu Gute mit der Folge,

dass sich auch die geplanten Kürzungen der Rentenleistung bei

allen Erziehenden auswirken. Die steuerliche Förderung muss daher

allen Erziehenden zu Gute kommen. Für eine Beschränkung auf

Erziehende, die selbst oder deren Ehepartner in der gesetzlichen

Rentenversicherung versichert sind, besteht kein sachlicher

Grund.

Nach dem Entwurf werden Ehepaare in hoch verdienenden

Einkommensgruppen dadurch begünstigt, dass für Zeiten der

Kindererziehung die Beiträge nach Abs. 1 von 100 % des

Durchschnittsentgelts nach SGB VI im Wege von Sonderausgaben

geltend gemacht werden können (Abs. 1 Satz 4). Diese Beiträge

sind in Einkommensgruppen höherer Progressionsstufen steuerlich

mehr wert als in niedrigeren Einkommensgruppen, die lediglich die

Zulage erhalten. Dadurch werden nicht allein niedriger

verdienende Ehepaare gegenüber höher verdienenden diskriminiert,

sondern auch unverheiratete Erziehende (überwiegend Frauen)

gegenüber verheirateten. Auch für diese ungleiche

Berücksichtigung der Kindererziehung ist ein sachlicher Grund

nicht ersichtlich.

 

 

 

 

(4)

In § 10 a fehlt eine Regelung, die eine besondere staatliche

Förderung von Pflegezeiten vorsieht. Die Pflegeversicherung zahlt

Beiträge zur gRV für nicht erwerbsmäßige Pflegepersonen und nimmt

diese von der Wirkung des Ausgleichsfaktors aus. Eine

Kompensation im Rahmen der steuerlichen Förderung

kapitalgedeckter Altersvorsorge findet nicht einmal ansatzweise

statt.

 

 

 

 

4. Praktikabilität der Vorschriften

§ 10 a in der Entwurfsfassung ist in einem Ausmaß unpraktikabel

und intransparent, das die Grenze zur Verfassungswidrigkeit

überschreitet. Zu Beurteilung der Praktikabilität und

Durchschaubarkeit genügt schon ein Blick auf den Umfang der

Vorschrift, die mit acht Typoskript-Seiten (1 ½-zeilig) zu den

"Spitzenreitern" zählen dürfte.

Die Intransparenz der Regelung verstößt gegen das

Rechtstaatsprinzip und das Demokratiegebot. Der Vorbehalt des

Gesetzes erfordert, dass wesentliche Entscheidungen durch den

Gesetzgeber in Gestalt des Parlaments zu treffen sind. Zwar

erfordern auch andere Regelungen des Einkommensteuergesetzes

ergänzende Ausführungsvorschriften in Form von Richtlinien des

Bundesministers der Finanzen. Doch würde § 10 a Interpretations-

und Anwendungsvorgaben erfordern, die das übliche Maß weit

übersteigen. Die wesentlichen Entscheidungen trifft der

Gesetzgeber nämlich in einer Weise, die auch für Fachleute bei

genauer Analyse nicht mehr nachvollziehbar ist.

Die getroffenen Regelungen erscheinen auch deshalb wenig

praktikabel, weil sie einen hohen Prüfungs- und

Verwaltungsaufwand der Finanzämter begründen. Insbesondere sind

Voraussetzungen und Umfang der staatlichen Förderung so

kompliziert geregelt, dass der Prüfungsaufwand im Rahmen von

Einkommensteuererklärungen kaum noch zu bewältigen sein dürfte.

Dies lässt befürchten, dass gerade in komplizierteren

Konstellationen, wie sie bei vor allem außerhalb der klassischen

Familienstrukturen auftreten, über die Förderung nur mit

zeitlicher Verzögerung entschieden werden kann.

Erst Recht für die Steuerpflichtigen sind die Regelungen des § 10

a und die darauf beruhenden Entscheidungen der Finanzämter

schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar. Treffen so

komplizierte Materien wie das Einkommensteuer- und das

Rentenrecht zusammen, so bedarf es klarer und ausführlicher

Regelung und Erläuterung von Voraussetzungen und Höhe staatlicher

Förderung. Statt dessen kumulieren die Verständnisschwierigkeiten

vor allem für Ehepaare und Familien mit Kindern, etwa wenn die

Berücksichtigung von Kindererziehung mit Fragen der gemeinsamen

steuerlichen Veranlagung zusammen trifft. Gerade in diesem

grundrechtssensiblen Bereich aber gebietet Art. 6 GG besondere

Rechtsklarheit zur Schaffung von Planungssicherheit für Ehepaare

und Familien.

 

 

 

 

5. Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und die wirtschaftliche

Entwicklung

Der djb befürchtet, dass die Prognosen für die Rentabilität der

kapitalgedeckten Zusatzversorgung immer noch zu optimistisch und

damit auch bezogen auf das erwartete Versorgungsniveau im Alter

unrealistisch sind. Zwar ist die ursprüngliche, realitätsferne

Annahme des Bundesarbeitsministeriums, wonach im Jahr 2050 - also

wenn unsere jetzt 15jährigen Kinder in Rente gehen - ein Drittel

der Alterssicherung durch Kapitaldeckung erfolgen soll, nach

unten korrigiert worden. Jetzt soll im Jahr 2030 die private

Zusatzrente nur noch rund 550 DM von knapp 8000 DM ausmachen. Das

sind also nur noch rund 7 %. Dies hängt vor allem damit zusammen,

dass die erwartete und für die Reform zugrunde gelegte Verzinsung

des Kapitals nicht mehr 5,5 % sondern nur noch 4 % betragen soll.

Eine langfristige Verzinsung von 4 % dürfte jedoch angesichts des

bereits akkumulierten Kapitals auf dem internationalen

Finanzmarkt immer noch als zu hoch angesehen werden. In seriösen

Modellrechnungen zu den Belastungswirkungen bei einem Wechsel der

Finanzierungsverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung

werde reale Zinssätze von 2 - 4 % zugrunde gelegt. Außerdem

zeigen die Korrekturen zwischen dem Konzept vom Mai 2000 und dem

Entwurf aus November 2000 eindringlich, auf welch unsicheren und

undurchschaubaren Annahmen eine so grundlegende Reform

erfolgt.

Zu den Auswirkungen auf die Kapitalmärkte kann sich der djb

mangels eigener Sachkunde nur auf die Aussagen finanzpolitischer

Fachkreise beziehen. Das große Risiko einer kapitalgedeckten

Versorgung gerade für die problematischen Rentenzugangsjahre

zwischen 2020 und 2030 hängt damit zusammen, dass angesichts

einer überalterten Bevölkerung viele auch sehr große Länder schon

in der Vergangenheit große Summen an Kapital angesammelt haben,

welches genau in diesen Jahren aufgelöst werden soll. Die Gefahr

einer massiven Geldentwertung ist daher nicht von der Hand zu

weisen.

 

 

IV. Ausbau der betrieblichen Altersversorgung

Positiv ist die Verkürzung der Unverfallbarkeitszeiten. Die

betriebliche Altersversorgung kann mit der steuerlich geförderten

Altersvorsorge gekoppelt werden. Dieser Ansatz ist zu begrüßen.

Er verlangt geschlechtsneutrale Tarife. Die betriebliche

Altersversorgung ist Entgelt und hat das Gebot der Lohngleichheit

zu beachten.

 

 

V. Bekämpfung der verschämten Altersarmut

Die Änderung der Anrechnungsvorschriften ist ein Einstieg.

 

 

VI. Übertragung der Maßnahmen der Reform auf andere

Alterssicherungssysteme

Die Freibeträge der Hinterbliebenenrenten sollen auch für die

gesetzliche Unfallversicherung eingefroren werden. Dies ist

abzulehnen. Bereits zum Hinterbliebenenrenten- und

Erziehungszeitengesetz war mit guten Argumenten von den

Unfallversicherungsträgern bezweifelt worden, ob eine

Bedürftigkeitsprüfung mit den Grundlagen der UV überhaupt

vereinbar seien. Es wäre dem Betriebsfrieden nicht dienlich, wenn

bei einem Arbeitsunfall die Hinterbliebenen künftig meist keine

oder nur geringe Renten erhalten würden, obwohl der infolge des

Todes entfallene Unterhaltsanspruch ein viel höherer gewesen ist.

Auf jeden Fall besteht jetzt kein Anlass, die für die GRV

vorgesehene Neuordnung der Hinterbliebenenrente auf die

gesetzliche Unfallversicherung zu übertragen. Hierfür

unterschieden sich die Sicherungsziele beider Systeme zu

grundlegend.

 

 

 

7. Dezember 2000

 

 

 

gez. Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende des djb
 gez. Prof. Dr. Ursula Rust
Vorsitzende der
Kommission Familienlastenausgleich