Stellungnahme: 00-12


zu mehreren Verfahren vor dem BVerfG (Ausschluss eines Doppelnamens für das Kind und Ausschluss eines echten Doppelnamens als gemeinsamer Ehename)

Stellungnahme vom

Verfahren vor dem BVerfG 1 BvL 23/96, 1 BvR 152/95 u.a. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit von § 1616 Abs. 2 BGB a.F. / § 1617 Abs. 1 BGB n.F. und von § 1355 Abs. 2 BGB.

Rechtslage

Gegenstand der Verfassungsbeschwerden und des Vorlagebeschlusses ist das Familiennamensrecht, und zwar die gesetzlichen Vorgaben bei der Wahl des Ehenamens wie bei der Bestimmung des Namens der aus einer Ehe hervorgegangenen Kinder und die zwischen den einzelnen Regelungen (§§ 1355, 1616 Abs. 2 und 3 BGB a.F. sowie § 1617 Abs. 1 und 2 BGB n.F.) sich ergebenden Wechselwirkungen.
Das Ehenamensrecht sieht vor, dass die Eheleute regelmäßig einen ihrer beiden Geburtsnamen zum Ehenamen bestimmen sollen. Beide führen anschließend den gemeinsam bestimmten Ehenamen als ihren Namen.
Die Bestimmung eines gemeinsamen Ehenamens führt dazu, dass der Ehegatte, dessen Namen nicht zum gemeinsamen gewählt worden ist, seinen Geburtsnamen aufgeben muss.
Ihr/ihm ist lediglich die Möglichkeit eröffnet, den eigenen Geburtsnamen oder den bis zur Eheschließung geführten Namen dem Ehenamen voranzustellen oder ihn dem Ehenamen anzufügen (§ 1355 Abs. 4 Satz 1 BGB).
Die Eheleute sind allerdings nicht mehr gezwungen, einen gemeinsamen Ehenamen zu wählen.
Bestimmen sie keinen gemeinsamen Familiennamen, führen beide ihren jeweiligen (Geburts)Namen auch (§ 1355 Abs. 1 Satz 3 BGB) nach der Eheschließung weiter.
Die Bestimmung des gemeinsamen Ehenamens, im Gesetz bereits für die Eheleute als „Familiennamen“ (§ 1355 Abs. 1 Satz 1 BGB) gekennzeichnet, hat jedoch auch eine über die eheliche Gemeinschaft hinausgehende Funktion, denn der Familienname wird, wenn es denn ein von den Eheleuten einheitlich bestimmter ist, auch der Geburtsname ihrer Kinder werden (§ 1616 BGB). Das Kind trägt dann den gleichen Namen wie seine beiden Eltern oder den Namen eines Elternteils und einen Teil des Namens des anderen Elternteils, wenn dieser seinen Namen dem Ehenamen zugefügt hat.
Eheleute, die keinen gemeinsamen Ehenamen gewählt haben, müssen spätestens mit der Geburt eines Kindes (bzw. in angemessener Frist danach) die ihnen zuvor erspart gebliebene Entscheidung treffen, die Ausschließlichkeitscharakter hat. Sie müssen den Namen eines von ihnen zum Geburtsnamen des Kindes bestimmen (§ 1616 Abs. 2 BGB a.F.; 1617 Abs. 1 BGB n.F1.). Tun sie dies nicht oder können sie sich nicht einigen, nimmt das Familiengericht (bis 30.06.1998: das Vormundschaftsgericht) ihnen die Wahl ab, überträgt das elterliche Bestimmungsrecht auf einen der Eltern, in letzter Konsequenz den Namen eines Elternteils auf das Kind (§ 1616 BGB Abs. 3 S. 4 a.F.; § 1617 Abs. 2 S. 4 BGB n.F.)2. Die Bestimmung des Namens für das erste Kind wirkt auch für alle weiteren in der Ehe geborenen Kinder (§ 1616 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.; § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB n.F.).
Nach den Entwürfen zum Familiennamensrechtsgesetz3 war zunächst vorgesehen, dass das Kind einen aus den Geburts- oder erworbenen Namen seiner Eltern zusammengesetzten Doppelnamen erhalten sollte, wenn die Eltern sich nicht auf einen Namen einigen konnten. Die Reihenfolge der Namen sollte der Standesbeamte durch Los bestimmen, wenn auch darüber die Eltern keine Einigkeit herbeiführen sollten 4.
Nachdem diese Möglichkeit nicht Gesetz geworden ist, ist das Kind von Eltern, die keinen gemeinsamen Ehenamen führen, immer nur als das Kind eines seiner Eltern identifizierbar. Mit dem anderen Elternteil verbindet es namensmäßig nichts.

Verfassungsrechtliche Prüfung

A. § 1616 Abs. 2 und 3 BGB a.F. (§ 1617 Abs. 1 und 2 BGB n.F.)

I. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. 1 Abs. 1 GG

1. Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes

Soweit hier die betroffenen Kinder selbst (auch) Beschwerdeführer sind, ist zunächst zu prüfen, ob eigene grundrechtliche Positionen der Kinder durch die in § 1616 Abs. 2 BGB vorgeschriebene Regelung betroffenen sein könnten. Der Geburtsname ist Zeichen der familiären Verbundenheit und soll die Abstammung des Namensträgers deutlich machen. Er ist auch für das Kind Ausdruck von Identität und Individualität5. Doch lässt sich hieraus ein Grundrecht auf freie Namenswahl für das Kind schon deshalb nicht herleiten, weil der Grundrechtsträger dieses Recht nicht ausüben kann, jedoch nach seiner Geburt eines Namens bedarf. Geburtsname wie Vorname sind üblicherweise und notwendigerweise gegeben und nicht selbst gewählt.
Soweit der Geburtsname bislang dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterstellt wurde, handelte es sich daher jeweils um den Schutz des Grundrechtsträgers vor Änderungen des ihm gegebenen und von ihm geführten Namens. In der zu beurteilenden Fallkonstellation hat jedoch das Kind noch gar keinen Geburtsnamen, eine Beeinträchtigung in der Namensführung ist daher nicht erkennbar. Die Vergabe eines Namens durch Dritte - seien es die Eltern oder der Vormundschafts-(Familien-)richter - an das Kind unterliegt nicht dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes.6

2. Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eltern

Allerdings könnte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Eltern verletzt sein, da ihnen verwehrt ist, den Namen ihres Kindes frei zu wählen und jedenfalls ein Elternteil somit seine Identität und Individualität nicht durch Weitergabe seines Namens an die Kinder nach außen darstellen und wahren kann.
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erstreckt sich aber nur auf die engere persönliche Lebenssphäre, die Selbstdarstellung des einzelnen in der Öffentlichkeit und den sozialen Geltungsanspruch sowie die soziale Identität.7Davon ist per se nur das Individuum selbst erfasst. Ein Grundrecht, das sich auf die Menschenwürde stützt, kann dem Grundrechtsträger nicht auch ein Bestimmungsrecht über andere verleihen.8
Ein anderer Aspekt ist die Selbstverwirklichung im Innenverhältnis durch Namensvergabe gerade an das eigene Kind. Insofern enthält jedoch Art. 6 Abs. 2 GG ein spezielleres Grundrecht. Daher sind die Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG nicht berührt.9

II. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 GG

Durch § 1616 Abs. 2 (§ 1617 Abs. 1) BGB könnten die Rechte der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt sein.

1. Eingriff in den Schutzbereich

Pflege und Erziehung sind das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Recht der Eltern, wobei zunächst zu klären ist, ob die Namenserteilung für ihr neugeborenes Kind dem Schutzbereich des so beschriebenen Elterngrundrechts unterfällt. Der Begriff „Pflege“ bezeichnet die Sorge für das leibliche Wohl und die gesunde äußere Entwicklung des Kindes, während der Begriff „Erziehung“ die Förderung der geistigen und seelischen Entwicklung des Kindes zu einer selbstständigen, sozialfähigen und wirtschaftlich eigenständigen Persönlichkeit umfasst.10 Direkt lässt sich die Namenswahl hierunter nicht subsumieren. Allerdings wäre bei einem derart wörtlichen Verständnis des Art. 6 Abs. 2 GG der Schutzbereich zu stark eingeschränkt. Der Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG wird daher auf die freie Entscheidung der Eltern darüber ausgedehnt, wie sie ihrer „natürlichen Elternverantwortung“ genügen wollen.11 Die elterliche Sorge ist nur Teil dieser „natürlichen Elternverantwortung“, welche auch Umgang, Unterhalt und eine „Restverantwortung“ umfasst.12Daher müssen vom Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG alle Handlungen umfasst sein, die auf die seelische und körperliche Entwicklung des Kindes Einfluss haben. Die Namenswahl zählt zu solchen wichtigen Entscheidungen13, da sie für die Identitätsfindung des Kindes und seine Identifikation im Rechtsverkehr von erheblicher Bedeutung ist.
Vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG dürfte nicht nur die zweifellos in der Autonomie der Eltern liegende Auswahl des Vornamens erfasst sein, auch wenn die Wahl des Nachnamens traditionell stärker staatlichen Schranken unterworfen ist als die des Vornamens. Es erscheint unbillig, den Eltern gänzlich das Bestimmungsrecht über den Kindesnamen zu entziehen; das hätte in den Fällen, in denen die Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen führen, zur Folge, dass der Nachname des Kindes von Gesetzes wegen festgelegt werden könnte, - was in letzter Zuspitzung bei einer Beschränkung des Schutzumfangs auf ein elterliches Wahlrecht allein beim Vornamen des Kindes möglich wäre.14Dagegen spricht des weiteren, dass der vollständige Name vom Persönlichkeitsrecht geschützt ist15 und der einzelne im Rechtsverkehr regelmäßig über eine Kombination von Vor- und Nachnamen identifiziert zu werden pflegt. Beide Namensbestandteile gehören daher untrennbar zusammen. Der Name muss daher vollständig durch die Eltern bestimmt werden können.
Dass das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG durch die Namenserteilung an das Kind betroffen ist, wird auch dadurch offenbar, dass der Gesetzgeber die Pflichtgebundenheit dieses Rechts auch im Interesse der Kinder einfordert: die Eltern haben nicht nur das Recht, ihren Kindern einen Namen zu erteilen, sondern sie sind auch verpflichtet, dies überhaupt und innerhalb bestimmter Fristen zu erledigen (§ 1616 Abs. 3 BGB a.F.). Bei Nichteinigung oder Untätigkeit büßen sie ihr Recht ein, wenn und weil sie ihrer Verpflichtung gegenüber ihren Kindern nicht nachkommen.
Das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht ist durch Vorschriften tangiert, die die Namensfindung für das Kind betreffen, und in die elterliche Entscheidungsfreiheit wird eingegriffen, wenn den Eltern nur eine Wahlmöglichkeit mit Ausschließlichkeitscharakter vorgegeben wird. Es handelt sich bei § 1616 Abs. 2 BGB nicht lediglich um eine Ausgestaltung des Elternrechts16.

2. Rechtfertigung des Eingriffs

Fraglich ist, ob der in § 1616 Abs. 2 BGB a.F. normierte Eingriff in das Elternrecht gerechtfertigt ist. Regelungen, die dem Schutz der Familie bzw. dem Kindeswohl dienen, können im Einzelfall zu einer Beschränkung der Freiheit des Elternrechts führen (Art. 6 Abs. 2 GG) und staatlichen Eingriff nicht nur legitimieren, sondern sogar fordern (Wächteramt). Neben dem Kindeswohl als Rechtfertigungsgrund sind vom BVerfG auch verfassungsimmanente Schranken wie andere Verfassungsnormen als Grundlage für einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen anerkannt. Darunter fällt z. B. der Schutz von Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG.17
Es fragt sich, ob der Ausschluss des Doppelnamens als Geburtsname für ein Kind verheirateter Eltern ohne Ehename danach gerechtfertigt erscheinen könnte.

a) Gefährdung des Kindeswohls

Staatliche Überwachung elterlichen Handelns soll das Kind vor Gefährdung seiner körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung schützen18, es ist also zu prüfen, ob § 1616 Abs. 2 BGB a.F. in diesem Sinne zur Wahrung des Kindeswohls erforderliche Beschränkungen enthält. Das Kindeswohl könnte beeinträchtigt sein, wenn durch die Bildung von Doppelnamen die Identifikation des Kindes mit seiner Familie oder seine Identifikation überhaupt erschwert würde19. Dem steht aber entgegen, dass in Fällen, in denen die Eltern schon keinen gemeinsamen Ehenamen gewählt haben, gerade keine völlige Namensgleichheit der Familienmitglieder zu erreichen ist und dass gerade durch die Verbindung der Namen von Vater und Mutter beim Namen des Kindes erst eine Einheit nach außen hin hergestellt wird und eine Demonstration der Zusammengehörigkeit erfolgt20. Die für das Ehenamensrecht gezwungenermaßen21 erfolgte Aufgabe der Namensidentität verändert hier die Situation der Kinder: sie können ihre Eltern schließlich nicht veranlassen, einen einheitlichen Familiennamen anzunehmen. Wenn sie als Kinder von Frau A und Herrn B erkennbar sein sollen, bleibt nur der Doppelname, wenn man nicht hinnehmen will, dass durch den Zwang zur Wahl des Kindesnamens die Wahlfreiheit beim Ehenamen letztlich aufgehoben wird. Die Namenseinheit ohne Zwang zu ausschließlicher Zuordnung zu einem Elternteil würde dem Kind im übrigen in Zeiten häufig scheiternder Ehen der Eltern eine Chance auf erhöhte Namenskontinuität eröffnen, weil es mit einem seiner Eltern namensmäßig verbunden bleiben könnte, auch wenn dieser wieder heiratet, weil der Elternteil den gemeinsamen Namensteil in neuer Ehe weiterführen kann und so die Namenseinheit auch mit dem Kind aus der Vorehe gewahrt bliebe, wenn dieses ebenfalls einen Doppelnamen trägt.
Dass es dem Wohl des Kindes zuwider laufen könnte, seine Abstammung „auf den ersten Blick“ darlegen zu können, ist nicht anzunehmen. In Stiefkindfällen soll dies ausdrücklich möglich sein (§ 1618 S. 2 BGB). Dass ein Kind miteinander verheirateter leiblicher Eltern ein minderes Interesse haben könnte oder gar Schaden dadurch leiden würde, dass es seine Abstammung von beiden Eltern durch den Namen demonstrieren kann, ist nicht ersichtlich.

Auch die Maßstäbe, die zum Schutz der Kindesinteressen vor elterlicher Willkür bei der Auswahl des Vornamens bzw. der Vornamen des Kindes entwickelt worden sind, lassen den Ausschluss des Doppelnamens nicht als notwendig erscheinen.
Ästhetische Gründe können nicht als Argument gegen die Doppelnamen angeführt werden. Denn zum einen steht es den Eltern, welche das Erziehungsprimat innehaben, zu, ästhetische Entscheidungen für ihr Kind zu treffen. Zum anderen tragen viele Menschen in Deutschland einen Doppelnamen und empfinden dies nicht als unästhetisch. Nur in Missbrauchsfällen, in denen das Kind der Lächerlichkeit preisgegeben würde, kann und muss der Staat aufgrund seines Wächteramtes einschreiten.22 Dies wird aber in aller Regel allein durch die Bildung eines Doppelnamens nicht zu befürchten sein.

Die dem Staat im Interesse der Kinder aufgegebene Überwachung elterlicher Sorgerechtsausübung fordert kein Verbot der Doppelnamensbildung.

b) Wahrung eines traditionsgemäßen, einheitlichen Namensgefüges

Die in § 1616 Abs. 2 BGB vorgeschriebene Entweder-Oder-Alternative könnte dazu beitragen, ein traditionsgemäßes, einheitliches Namensgefüge in Deutschland zu wahren, um das Namensgefüge in Deutschland nicht innerhalb weniger Generationen zu ändern23, und so dem Schutz von Ehe und Familie dienen.

In der Bundesrepublik Deutschland hat sich jedoch nie ein einheitliches Namensgefüge bilden können; Gleichberechtigungsgesetz und Familienrechtsreformgesetz haben jeweils erhebliche Veränderungen bewirkt. Die Bestimmung des Nachnamens ist auch noch gar nicht so lange überhaupt rechtlich geregelt. Bis ins ausgehende 18. Jahrhundert war die Namenswahl im deutschen Rechtsraum frei, da sie nur durch Sitten und Gebräuche bestimmt war; bis ins 19. Jahrhundert hinein war es durchaus üblich, dass die Ehegatten unterschiedliche Namen führten24. Der einheitliche Familienname wurde u.a. erst im preußischen Allgemeinen Landrecht aufgenommen. Die Väter des BGB gingen dann allerdings ohne weitere Diskussion davon aus, dass es einen einheitlichen Ehenamen zu geben habe, nämlich jenen des Ehemannes, was auch dessen bevorrechtigter Stellung in der Familie entsprach, und dass dieser Ehename zugleich auch der Familienname und mithin der Geburtsname aller Kinder zu sein hatte.
Mit der Einführung des § 1355 Abs. 1 S. 3 BGB wich der Gesetzgeber vom Grundsatz des einheitlichen Familiennamens ab.
Unechte Doppelnamen gab es seit dem Gleichberechtigungsgesetz, die Zusammensetzungsmöglichkeiten haben sich mehrfach geändert. Auch außerhalb des Ehenamensrechts bestanden Möglichkeiten, einen Doppelnamen zu führen, wie z. B. im Falle der Adoption.

Im übrigen ist das Argument, dass die Namenstradition sich im Falle der Einräumung der Möglichkeit eines Doppelnamens für das Kind in wenigen Generationen ändern könne, dann unschlüssig, wenn man andererseits gleichzeitig davon ausgeht, dass die Mehrheit der Bevölkerung einer solchen Entwicklung ablehnend gegenüberstehen werde25. Denn in dem Fall wird mangels häufigen Gebrauchmachens von der Möglichkeit, einen Doppelnamen zu wählen, das Namensgefüge auch nicht in wenigen Generationen vollständig geändert werden.26 Die Befürchtung, Doppelnamen könnten sich explosionsartig vermehren, wenn sie erst einmal gesetzlich zugelassen sind27, bleibt reine Spekulation.28

Schließlich taugt die Tradition auch nicht als verfassungsrechtliches Argument. Denn Art. 6 Abs. 1 GG schützt nur den Kern des herkömmlichen Ehebildes, d. h. eine grundsätzlich auf Lebenszeit angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau29. Wie ein Vergleich mit anderen Ländern unseres Rechtskreises, welche Doppelnamensregelungen kennen (z. B. Spanien), bestätigt, ist dieser Kern von der Namensregelung nicht betroffen. Außerdem ist Art. 6 Abs. 1 GG vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 2 GG zu sehen, der gerade mit einigen der Gleichberechtigung der Geschlechter zuwiderlaufenden Traditionen bricht.30 Gerade auf dem Gebiet des Namensrechts war die Frau in der Vergangenheit diskriminiert.

c) Ordnungs- und Identifizierungsfunktion

Das „Entweder-Oder-Prinzip“ des § 1616 Abs. 2 BGB kann auch nicht durch die Ordnungs- und Identifizierungsfunktion des Namens gerechtfertig werden. Das öffentliche Bedürfnis nach Erkennbarkeit der Abstammung eines Kindes spricht auch eher gegen die gesetzliche Regelung.
Die Zuordnung zu Familienstämmen ist durch § 1616 BGB erheblich erschwert. Sowohl im Falle eines einheitlichen Familiennamens wie auch in den Fällen, in denen die Eheleute/Eltern keinen gemeinsamen Familiennamen gewählt haben, unterbleibt eine Identifikation des Kindes mit seinen aus zwei Familienstämmen hervorgegangenen Eltern. Auch dem Inhaber eines Doppelnamens ist die Weitergabe des eigenen Namens an das Kind ebenso wenig möglich.
Die Bildung eines aus den Namen seiner Eltern zusammengesetzten Doppelnamens als Geburtsname für das Kind würde also im Gegenteil ermöglichen, die Kinder ihren beiden Eltern zweifelsfrei zuordnen zu können31.

In der mit der Entscheidung vom 05.03.1991 getroffenen Übergangsregelung hat das BVerfG die Bildung eines Doppelnamens zumindest als Möglichkeit gesehen, die der Bildung der Familienidentität nicht abträglich ist.32 Schon vorher haben Gerichte Doppelnamen als taugliches Mittel angesehen, um die Herkunft aus einer Pflege- oder Ursprungsfamilie anzuzeigen33 und sie ist heute vor allem möglich, um dem Stiefkind die Verbundenheit mit seiner Herkunftsfamilie zu erhalten (§ 1618 BGB n.F.).

Die Ordnungsfunktion des Namens, der auch öffentlichen und Drittinteressen dient, wie etwa der Strafrechtspflege und dem Gläubigerschutz, wird durch einen Doppelnamen aufgrund erleichterter Identifikationsmöglichkeit des Namensträgers verbessert. Aus dem gleichen Grund lassen sich praktische Schwierigkeiten durch die Möglichkeit eines Doppelnamens im Verhältnis zur „Entweder-Oder-Lösung“ zumindest vermindern: Da ein Kind, das den Namen des Vaters als Geburtsnamen trägt, nach der Regelung des § 1616 BGB in keiner Weise vom Namen her der Mutter zuordenbar ist, muss diese sich gegebenenfalls z. B. bei einer Schulanmeldung oder in ganz alltäglichen Situationen wie einer Busfahrt mit Familienfahrkarte, per Geburtsurkunde als Mutter und sorgeberechtigt ausweisen. Zwar könnte man argumentieren, dass sich ähnliche Unsicherheiten auch dann nicht vermeiden ließen, wenn das Kind als einen Teil seines Namens den der Mutter führte, zumal die Mehrheit der Bevölkerung über die Feinheiten und sämtliche Möglichkeiten des Namensrechtes nicht informiert sein dürfte. Denn das Kind heißt bei einem Doppelnamen nicht genau wie die Mutter, was allein schon bei vielen zur Verwirrung beitragen dürfte. Dennoch ist die Mutter über den Doppelnamen des Kindes leichter identifizierbar, so dass zumindest von einer Minimierung der o. g. Fälle auszugehen sein dürfte.

Eine Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs und der Effizienz der Verwaltung lässt sich durch die Verhinderung endloser Namensketten beheben, indem man in der nächsten Generation beim Zusammentreffen beispielsweise zweier Doppelnamen die Wahlmöglichkeiten wiederum auf einen Doppelnamen beschränkt34 und die Möglichkeit eröffnet, einen Namensteil abzulegen. Eine Regelung, die wie § 1616 Abs. 2 BGB Doppelnamen ausschließt, um Endlosketten von Namen zu vermeiden, ist demnach nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig.35
Das Bedürfnis nach einer Namensänderung wird sich voraussichtlich nicht erhöhen und damit eine zusätzliche Belastung der Verwaltung und Unsicherheiten im Rechtsverkehr schaffen, sondern im Gegenteil vermindern. Gerade die Namenskontinuität ist wesentliches Drittinteresse. Die vielfachen Änderungen des Namens bei Änderung der familiären Konstellation (Heirat der nichtehelichen Mutter, Scheidung, erneute Heirat), die unter der Geltung des NÄG und heute nach § 1618 BGB noch immer die Gerichte beschäftigen, dürften eher abnehmen. Wie ausgeführt, besteht bei einem Doppelnamen des Kindes nicht mehr das Problem, dass die Kinder keine namentliche Verbundenheit mehr mit der Mutter, bei der sie meistens leben, aufweisen36, wenn diese ihren Familienstand erneut verändert.

Da die Beschränkung des Wahlrechts der Eltern und der Ausschluss von Doppelnamen als Geburtsnamen für ihre Kinder weder im Interesse des Kindeswohls noch zum Schutz von Ehe und Familie oder im überwiegenden Allgemeininteresse erforderlich sind, ist ein entsprechender Eingriff in das Elternrecht unverhältnismäßig. § 1616 Abs. 2 BGB a.F. stellt daher einen Verstoß gegen das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG dar.


III. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG

Möglicherweise verstößt § 1616 Abs. 2 BGB auch gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Der Doppelname für das Kind kann unter der Geltung des § 1616 Abs. 2 BGB nur erreicht werden, wenn die potentiellen Eltern zunächst heiraten und einer den Namen des anderen annimmt. Lässt sich das Paar dann scheiden, kann einer den Namen des anderen seinem Geburtsnamen anfügen, so dass ein echter Doppelname entsteht. Heiraten dann die Ehegatten erneut, kann einem nunmehr geborenen gemeinsamen Kind der Doppelname gegeben werden, da es nach § 1616 II BGB den Namen erhalten kann, den Vater oder Mutter tragen.37 Der Doppelname für ein eheliches Kind ist also grundsätzlich auch im Rahmen der Geltung des § 1616 BGB möglich. Es ist jedoch paradox, dass die Eltern sich dafür zunächst einmal scheiden lassen müssen. Dieser mittelbare Zwang zur Scheidung könnte ein ähnlicher ebenso schwerwiegender Eingriff in Art. 6 Abs. 1 GG wie ein direkter Eingriff in dieses Grundrecht sein. Es handelt sich jedoch nicht in erster Linie um eine Entscheidung für oder gegen die Ehe, sondern um eine Entscheidung im Eltern-Kind-Verhältnis, nämlich die Namenswahl. Art. 6 Abs. 2 GG ist in dem Fall die speziellere Norm.38

Ganz abgesehen davon ist es recht unwahrscheinlich, dass ein solcher Fall zwangsläufiger Scheidung jemals praxisrelevant werden wird.

Art. 6 Abs. 1 GG fordert nicht, dass die Zusammengehörigkeit des Kindes mit der Familie nach außen hin sichtbar gemacht wird.39 Fraglich ist zum einen schon der Familienbegriff als solcher. Mittlerweile gibt es Tendenzen, auch die Gemeinschaft nichtehelicher Eltern mit ihren Kindern in den Familienbegriff einzubeziehen.40 In diesen Fällen gibt es keinen einheitlichen Familiennamen. Er kann daher schon nicht zu den konstitutiven Elementen der Familie gehören. Selbst wenn man dies noch unterstellt, so ist zu bedenken, dass nur der Ordnungskern des Instituts der Familie geschützt ist. Um selbigen zu ermitteln, kann Art. 6 Abs. 1 GG nicht ausschließlich als solcher betrachtet werden. Zu seiner Interpretation sind auch andere Verfassungsnormen heranzuziehen. So zwingen Art. 2 I i. V. m. 1 I GG und Art. 3 Abs. 2 GG beispielsweise zu Einschränkungen auch hinsichtlich der Namenseinheit. Daher kann sie nicht zum Ordnungskern des Instituts Familie gehören.

Es liegt daher kein Eingriff in durch Art. 6 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Positionen vor.


IV. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG

Unter das Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau gem. Art. 3 Abs. 2 GG fallen auch alle Regelungen, die sich rechtlich unterschiedlich auf Männer und Frauen auswirken, d. h. auch indirekte Ungleichbehandlungen41. Bei der Alternative, dem Kind den Frauen- oder den Mannesnamen zu geben, stehen die Ehegatten nicht wirklich vor der Wahl. Wie bereits angeführt, verlagert sich hier das Problem der Bestimmung eines einheitlichen Familiennamens vom Zeitpunkt der Eheschließung hin zum Zeitpunkt der Geburt eines Kindes. Aus der Tatsache, dass noch immer ganz überwiegend in Fällen des gemeinsamen Ehenamens der Mannesname gewählt wird, wird deutlich, dass nach wie vor gesellschaftliche Vorgaben und Mechanismen wirksam sind, die einer gleichen Rechtswahrnehmung durch Frauen entgegen stehen42. In weiten Bevölkerungskreisen wird es immer noch als Schwäche des Mannes interpretiert, wenn der Frauenname zum Ehenamen wird. Auch die Frage, wer seinen Namen an die Kinder weitergeben darf, wird nicht selten von derartigen Erwägungen getragen sein. Die Festlegung des Geburtsnamens der Kinder wird daher auf die Wahl überhaupt eines gemeinsamen Ehenamens nicht ohne Auswirkung sein. In Fällen des fehlenden Familiennamens und der Entscheidungsnotwendigkeit bei Geburt eines Kindes können diese überkommenen Vorstellungen wiederum von Bedeutung sein, weswegen der Zwang zur Wahl des einen oder des anderen Namens mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung haben kann. Allerdings ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht entschieden, dass auch die mittelbare Diskriminierung dem Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG unterfällt43 und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt, während nach der Rechtsprechung des EuGH Regelungen, die sich vor dem Hintergrund tatsächlicher sozialer Verhältnisse als Benachteiligung eines Geschlechts darstellen, als Verstoß gegen Gleichheitsgebot und Diskriminierungsverbot gewertet werden.


V. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

Schließlich könnte ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen, weil es den Eltern verwehrt ist, ihren (Geburts)namen gleichermaßen an ihr Kind bzw. ihre Kinder weiterzugeben und das Kind in Fällen eines nicht gemeinsamen Familiennamens nicht als das Kind des Elternteils zu identifizieren ist, dessen Namen es nicht erhalten hat.
Eine solche Ungleichbehandlung der Eltern ist nicht durch sachliche Erfordernisse gerechtfertigt, da, wie ausgeführt, weder ordnungspolitische oder traditionelle Gründe, noch das Kindeswohl es erfordern, das Recht eines Elternteils, seinen Namen weitergeben zu können, auszuschließen und diese Möglichkeit in allen Fällen allein einem von ihnen vorzubehalten.

VI. Verstoß gegen Art. 19 IV GG

De facto liegt in der Zuweisung des Namensbestimmungsrechts im Streitfalle an einen Elternteil gem. § 1616 III BGB eine Namensbestimmung durch den Richter.44 Das Gericht nimmt gewissermaßen exekutive Befugnisse wahr und handelt damit als öffentliche Gewalt i. S. des Art. 19 IV GG. Die Entscheidung des Vormundschaftsrichters wird zumeist nicht auf rechtlichen, sondern höchstens auf ästhetischen Kriterien gründen und daher letztlich eher den Charakter eines Schiedsspruchs haben45. Die Entscheidung bedarf gem. § 46 a S. 2 FGG keiner Begründung und ist unanfechtbar. Den Eltern steht tatsächlich kein Rechtsmittel dagegen offen. Darin könnte ein Verstoß gegen Art. 19 IV GG liegen. Allerdings wird vor der Entscheidung gem. § 46 S. 1 FGG eine Anhörung durchgeführt, so dass das Gericht alle Möglichkeiten der Konfliktvermeidung schon im Verfahren ausschöpft. Außerdem gereicht die Unanfechtbarkeit der Entscheidung auch zum Kindeswohl, da auf diese Weise ein Schwebezustand hinsichtlich des Namens vermieden wird. Somit kann nicht von einem Verstoß gegen Art. 19 IV GG ausgegangen werden.


VII. Abschließende Wertung

Die Beschränkung der Wahlmöglichkeit der Eltern und der Ausschluss eines Doppelnamens für das Kind durch § 1616 Abs. 2 BGB a.F. bzw. nun § 1617 Abs. 1 BGB n.F. verstößt, wie oben dargelegt, gegen Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG und dürfte auch eine mittelbare Diskriminierung von Frauen darstellen. Die Regelung erscheint daher als verfassungswidrig. Das BVerfG hat den Doppelnamen für das Kind ausdrücklich als Problemlösung vorgeschlagen, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Namen führen oder wenn sie sich nicht einigen können; es handelt sich bei diesem Lösungsvorschlag um eine naheliegende und logische Alternative46. Dies gilt um so mehr, als den Eltern streitvermeidende Autonomie hinsichtlich der Wahl ihres Ehenamens zugebilligt wird. Es erscheint inkonsequent, sie dann im Zweifel auf dem Umweg über § 1616 Abs. 2 BGB zu einem Streit über den Namen des Kindes zu zwingen. Die Möglichkeit, einem Kind einen Doppelnamen zu geben, dürfte die Zahl der Fälle, in denen die Eltern sich nicht einigen können, erheblich vermindern47. Vor allem würde sie die persönliche Freiheit, den eigenen Namen nicht aufgeben zu müssen, um Familieneinheit herstellen und darstellen zu können, endlich ernst nehmen. Im übrigen gilt zu bedenken, dass im Wege der europäischen Rechtsangleichung auch eine Angleichung des Namensrechts erfolgen muss. Es sind nicht nur weithin gemeinsame Ehenamen unüblich, sondern auch Doppelnamen für Kinder zulässig und üblich48.


B. § 1355 Abs. 2 BGB

In dem Verfahren 1 BvR 745/99 wird die Regelung des § 1355 Abs. 2 BGB als verfassungswidrig angegriffen, weil im Ergebnis die Bildung eines echten Doppelnamens als gemeinsamer Ehename ausgeschlossen ist.
Die Ehegatten können, wenn sie denn einen gemeinsamen Ehenamen wählen wollen, nur den Geburtsnamen des Mannes oder den der Frau zum Ehenamen bestimmen. Es wird höchstens durch § 1355 Abs. 4 BGB die Möglichkeit eröffnet, den eigenen (Geburts)namen als Begleitnamen dem Ehenamen anzuschließen. Das bedeutet: zwischen den Eheleuten ist völlige Namensgleichheit nur möglich, wenn sie sich auf die Führung eines Ehenamens einigen. Die Namensgleichheit fordert also einem von ihnen die Aufgabe seines Namens. Wer dies nicht akzeptiert, muss Unterschiedlichkeit hinnehmen durch Herstellung eines Doppelnamens, den der andere Ehepartner nicht führen kann oder muss, oder er muss vollends auf die Erkennbarkeit der ehelichen Verbundenheit auch nach außen verzichten. Eine für beide Ehegatten gleichartige Möglichkeit, den angestammten Namen zu behalten und gleichzeitig die eheliche Verbundenheit zeigen zu können, sieht das Gesetz nicht vor.

I. Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG

1. Eingriff in den Schutzbereich

Vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ist, wie bereits ausgeführt, auch der Geburtsname umfasst49, da er Ausdruck von Identität und Individualität seines Trägers ist. Der Einzelne kann daher verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt50.
§ 1355 Abs. 2 BGB trägt diesem Erfordernis nun insoweit Rechnung, als die Eheschließung nicht notwendig dazu führt, dass die Ehegatten ihren (Geburts)Namen zugunsten eines gemeinsamen Familiennamens aufgeben müssen. Grundsätzlich steht es den Eheleuten frei, ob sie einen Ehenamen wählen.
Der Status als verheiratete Person muss nicht mehr offenbart werden, er kann andererseits jedoch im Recht der Namensführung nur dadurch seinen Niederschlag finden, dass ein Ehegatte seinen Namen aufgibt oder ändert, indem er ihn dem Ehenamen beifügt. Die Offenbarung des Status ist ohne Änderung des Namens für einen von beiden nicht möglich.
Es ist also zu prüfen, ob das Recht, den Status durch Namensgestaltung erkennbar zu machen, vom Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat den vormals bestehenden gesetzlichen Zwang, einen einheitlichen Familiennamen tragen zu müssen und die damit notwendig einhergehende Folge, den Familienstand offenbaren zu müssen, nicht als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht gewertet. Das Interesse am Verschweigen des Familienstandes gehöre nicht zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, da die Eheschließung durch ihre Registrierung ohnehin öffentlich sei51.
Vorliegend geht es aber nicht um den Anspruch des Einzelnen auf Schutz seiner Privatsphäre vor Verletzung und Ausforschung, sondern um die vom Rechtsträger selbst gewünschte Offenbarung seines Status und die Demonstration ehelicher oder familialer Verbundenheit.
Durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG ist nicht nur der Geburtsname vor unverhältnismäßigen Eingriffen und mithin vor überflüssiger Änderung geschützt. Die Vorschrift gewährleistet auch und vor allem die allgemeine Handlungsfreiheit. Zu deren Verwirklichung gehört jedenfalls auch das Recht, die Veränderungen des eigenen Familienstatus offenbaren zu können, wenn einem daran gelegen ist, und dies mit geeigneten Mitteln zu tun. Das Verbot, einen Doppelnamen als Ehenamen zu führen, könnte für denjenigen Ehegatten, dessen Geburtsname Ehename wird, daher ein Eingriff in seine Handlungsfreiheit darstellen, weil er die Tatsache seiner Verehelichung und die Zusammengehörigkeit mit dem anderen Partner nicht bereits durch den Namen demonstrieren kann. Derjenige, dessen Name nicht Ehename wird, kann seinen eigenen Namen zwar zufügen, völlige Namensgleichheit mit dem anderen Partner aber nur um den Preis der Aufgabe des eigenen Namens erreichen. Das beiderseitige Beharren auf dem eigenen Namen schließlich führt notwendig zu völliger namensmäßiger Verschiedenheit. D.h. derjenige Ehegatte, dessen Namen Beiname wird, muss Eingriffe in sein geschütztes Namensrecht hinnehmen, beide schließlich sind in ihrer Handlungsfreiheit beschränkt, wenn sie ihre Geburtsnamen behalten wollen: namensmäßige Gemeinsamkeit können sie dann unter keinen Umständen herstellen und demonstrieren.


2. Rechtfertigung des Eingriffs

Eingriffe in das geschützte Persönlichkeitsrecht wie in die allgemeine Handlungsfreiheit der Person bedürfen der Rechtfertigung durch andere verfassungsmäßige Rechte oder überwiegende Interessen Dritter oder der Allgemeinheit. Das Namensrecht ist nicht nur eine Privatangelegenheit. Vielmehr sind aufgrund der Ordnungsfunktion des Namensrechts, der Bedeutung des Namens als Unterscheidungsmerkmal in der Gesellschaft und als Kennzeichen für familiäre Zusammengehörigkeit auch das Persönlichkeitsrecht übergreifende Interessen zu berücksichtigen. Auch das Recht am eigenen Namen ist daher nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Eingriffe dürfen aber nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgen.52

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch § 1355 Abs. 2 BGB nicht verletzt sei, da die Interessen desjenigen Ehegatten, dessen Name nicht Ehename werde, durch die Möglichkeit, dem Ehenamen den eigenen Geburtsnamen als Begleitnamen anzufügen (§ 1355 Abs. 4BGB) hinreichend gewahrt würden. In der praktischen Auswirkung komme der Begleitname einem Doppelnamen gleich.
Diese Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch unter der Prämisse eines Ehenamensrechts getroffen, das einen gemeinsamen Ehenamen zwingend vorsah. Die vorgeschriebene Wahl eines einheitlichen Familiennamens hat das Gericht zwar als durch Art. 6 Abs. 1 GG nicht für geboten erachtet. Der Gesetzgeber habe bei der Regelung des Ehenamensrechts an der verfassungsrechtlichen Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG jedoch anknüpfen können, der das Prinzip der Einheit der Familie gewährleiste. Das Gericht hat also hier ein verfassungsrechtlich abgeleitetes Ordnungssystem als ausreichenden Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in die Namensfreiheit angesehen, das es erlaube, die Familiengemeinschaft vorrangig vor der Individualität des einzelnen Familienangehörigen zu schützen53.
Nun hat der Gesetzgeber mit dem Familiennamensrechtsgesetz diese Prämissen geändert: er hat den ausnahmslosen Grundsatz des einheitlichen Familiennamens aufgegeben zugunsten einer die Individualität der Ehegatten berücksichtigenden Regelung, die zudem unter dem Gesichtspunkt der Geschlechtsneutralität geboten war. Damit hat nach unserer Auffassung das Gebot der Namensgleichheit die Wertigkeit Eingriffsgrundlage von Verfassungsrang eingebüßt und kann folglich weder Eingriffe in das Namensrecht als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch in die Handlungsfreiheit der Ehegatten begründen.
Als allgemeines Ordnungsprinzip hat es nunmehr gleichen Rang wie die Ordnungs- und Identifizierungsfunktion des Namens und das öffentliche Interesse an der Wahrung eines traditionsgemäßen einheitlichen Namensgefüges. Es ist bereits oben dargelegt worden, dass die letztgenannten Funktionen des Namensrechts der Führung originärer Doppelnamen nicht entgegen stehen. Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob es sich dabei um den Geburts- oder Ehenamen handelt. Das Prinzip der Namenseinheit erfordert, dass die Zusammengehörigkeit der Eheleute erkennbar wird. Dies kann nicht nur dadurch erreicht werden, dass einer von beiden seinen Namen vollends aufgibt oder ihn anhängt. Hier ist die Führung eines einheitlichen Doppelnamens durch beide Eheleute eindeutig das mildere Mittel, weil keiner der Ehegatten etwas verliert oder in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt wird. Gleichzeitig ist diese Lösung mindestens genauso effektiv zur Wahrung der Einheit der Familie wie die bisherige Regelung, wenn nicht gar effektiver, da dann alle Familienmitglieder im Rechtsverkehr unter demselben Namen auftreten können. Von gleichen praktischen Auswirkungen kann insofern nicht ausgegangen werden, als der Begleitname nicht auf das Kind übertragen werden kann und sich hier der Rechtsverlust bemerkbar macht. Außerdem hat sich der Rechtsverkehr bereits seit längerem an das Bestehen von Doppelnamen gewöhnt (s. z. B. § 1355 Abs. 4 BGB). Die Bildung von Namensketten kann man durch eine Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf zwei Namen verhindern.

Das Verbot, einen aus beiden (Geburts)namen zusammengesetzten gemeinsamen Ehenamen für beide Ehegattenbilden zu können, ist daher nicht erforderlich und folglich unverhältnismäßig. Daher ist auch die gegenwärtige Ausprägung des Ehenamensrechts in § 1355 Abs. 2 BGB mit Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar. Es gibt keinen rechtfertigenden Grund mehr, die Namenseinheit nur dergestalt herzustellen, dass in jeder der vom Gesetz erlaubten Gestaltungsmöglichkeiten eine Grundrechtsbeeinträchtigung gegeben ist, sei es des Persönlichkeitsrechts desjenigen Ehegatten, der als einziger seinen Namen abgeben oder durch Zusätze verändern muss, sei es durch Eingriff in die Handlungsfreiheit desjenigen, der seinen Namen als Ehenamen zwar fortführen, seinen Status aber namensrechtlich nicht offenbaren kann.


II. Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG

Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG scheidet auch in Bezug auf das Ehenamensrecht aus, weil die Na-mensgestaltung schon nicht, wie dargelegt, zum Schutzzweck der Norm gehört.

III. Verstoß gegen Art. 3 Abs. II GG

Da das Ehenamensrecht als solches geschlechtsbezogene Zuordnungskriterien mittlerweile nicht mehr ausdrücklich verwendet und den Eheleuten die Möglichkeit lässt, den jeweiligen (Geburts)namen nach Eheschließung weiter zu führen, dürfte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG nicht gegeben sein. Mittelbar diskriminierende Auswirkungen für Frauen dürfte eher, wie ausgeführt, der durch das Kindesnamensrecht gegebene Entscheidungszwang für die Fortführung entweder des Mannes- oder des Frauennamens haben.
§ 1355 Abs. 2 BGB verstößt, für sich gesehen, nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 GG.


IV. Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG

§ 1355 Abs. 4 BGB schafft die Möglichkeit, einen Doppelnamen zu bilden, wobei aber der Ehegatte benachteiligt wird, dessen Geburtsname nur Begleitname und nicht Ehename wird. Dies stellt eine Ungleichbehandlung dar, für die es, wie bereits zu § 1616 BGB ausgeführt, keine Rechtfertigung gibt.


V. Abschließende Wertung

§ 1355 Abs. 2 BGB verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. 1 Abs. 1 GG und gegen Art. 3 Abs. 1 GG und wird daher als verfassungswidrige Regelung anzusehen sein.

Bonn, den 30.11.2000

gez. Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende
gez. Sabine Heinke
Vorsitzende der Kommission
Familienrecht


1 jeweils in der Fassung des KindRG vom 16.12.1997, BGBl. I 284
2 Wagenitz, Grundlinien des neuen Familiennamensrechts, FamRZ 1994, S. 409ff., 414
3 Gesetz zur Neuordnung des Familiennamensrechts (Familiennamensrechtsgesetz - FamNamRG) vom 16.12.1993, BGBl. I S. 2054
4 BT-Drucks. 12/3163 S. 11; vgl. auch Wagenitz, a.a.O., S. 409ff. m.w.N.
5 BVerfGE 78, 38, 49
6 Sacksofsky, Das eheliche Namensrecht - der unendlichen Geschichte dritter Akt, KritV 1995, S. 94ff., 98f.; auch bereits Dethloff/Walther, Abschied vom Zwang zum gemeinsamen Familiennamen, NJW 1991, S. 1575ff. 1575
7 Sachs/Murswiek, GG-Kommentar, Art. 2 Rn. 69-74
8 Sacksofsky, a.a.O., S. 99
9 Sacksofsky, a. a. O.
10 Schwab, Familienrecht, 9. Aufl. 1999, S. 207, Rn. 438
11 BVerfGE 24, 119, 143
12 Schwab, a.a.O., S. 207, Rn. 437
13 Sacksofsky,a.a.O., S. 100 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, S. 827 f.; auch Wagenitz, a.a.O., S. 414
14 Sacksofsky, a.a.O., S. 101
15 Sacksofsky, a.a.O.
16 Sacksofsky, a.a.O.
17 BVerfGE 84, 168, 183 f.
18 vgl. auch § 1666 BGB
19 BTDrucks. 12/5982, S. 17
20 Sacksofsky, a.a.O., S. 106
21 Wagenitz, a.a.O., S. 409
22 Sacksofsky, a. a. O.
23 BT-Drucks. 12/5982, S. 18
24 Schwenzer, Namensrecht im Überblick. Entwicklung - Rechtsvergleich - Analyse, FamRZ 1991, S. 390ff., 391; Hermann, Über das Recht der Namensführung und der Namensänderung, AcP 45 (1862), 153, 161
25 so Goppel, Brat, 643. Sitzung am 5.6.1992, S. 282
26 Sacksofsky, a.a.O., S. 104
27 s. Plenarprotokoll BT, 12. Wp., 185. Sitzung, S. 15998
28 Wagenitz, a.a.O., S. 411
29 BGH, FamRZ 1993, 533, 534
30 Sacksofsky, a.a.O., S. 103 f.
31 Sacksofsky, a.a.O., S. 104 f.
32 BVerfG, FamRZ 1991, 535, 538
33 VGH Baden-Württemberg, FamRZ 1986, S. 585
34 vgl. hierzu etwa Wagenitz, a.a.O., S. 411
35 Schwenzer, a.a.O., S. 395
36 vgl. Schwenzer, a.a.O., S. 394; Sacksofsky, a.a.O., S. 105
37 Wagenitz, a.a.O., S. 413
38 vgl. BVerfGE 31, 194, 204
39 vgl. BVerfGE 78, 38, 49
40 Schwab, a.a.O., S. 9 Rn. 15; vgl. BVerfGE 8, S. 210ff., 215; BVerfG NJW 1994, S. 3155
41 v. Münch/Kunig-Gubelt, GG-Kommentar, Bd. 1, Art. 3 Rn. 86
42 so auch: Dethloff, Walther, a.a.O., S. 1578
43 Sacksofsky, Steuerung der Familie durch Steuern, NJW 2000, S. 1896ff., 1900
44 Diederichsen, Die Neuordnung des Familiennamensrechts, NJW 1994, S. 1089ff., 1093
45 s. Wagenitz, a.a.O., S. 414
46 Wagenitz, a.a.O., S. 411
47 BVerfG, FamRZ 1991, S. 535ff., 538
48 vgl. hierzu die Ausführungen von Schwenzer, a.a.O., S. 392f.
49 BVerfGE 78, 38ff., 49
50 a.a.O.
51 BVerfGE 78, 38ff., 51
52 BVerfGE 78, 38ff., 49
43 a.a.O.
bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/ls20020130_1bvl002396