1. Ziele und Lösungen
Das vom djb vorgeschlagene Rentenmodell verfolgt die Ziele,
- Kindererziehung stärker als bisher als rentenrechtliche Leistung anzuerkennen,
- diskontinuierliche Erwerbsverläufe besser abzusichern,
- die Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten von Frauen zu verstärken und damit
- die eigenständige Alterssicherung von Frauen einführen zu können.
Eine private Zusatzversorgung wird vom djb abgelehnt, da diese
nicht tauglich ist, die demografischen und arbeitmarktbezogenen
Probleme der Rentenversicherung zu lösen und in der gegenwärtigen
Konzeption sich für Frauen negativ auswirkt.
Zur Umsetzung der vier genannten Ziele ist im Modell vorgesehen,
- die Rente aus einem beitragsunabhängigen Grundbetrag und einem beitragsabhängigen Steigerungsbetrag zusammenzusetzen,
- die rentenrechtliche Zuordnung und Bewertung beitragsfreier Zeiten nicht zu individualisieren,
- die für den Fall des Todes bestehende abgeleitete Sicherung in das System der gesetzlichen Rentenversicherung als eigenständige Alterssicherung zu integrieren und
- den versicherten Personenkreis hinsichtlich der Selbständigen zu erweitern.
2. Übersicht zum djb-Modell
Die Übersicht zum Modell orientiert sich am Aufbau des
Sozialgesetzbuchs (SGB) Sechstes Buch (VI) Gesetzliche
Rentenversicherung.
2.1 Versicherter Personenkreis
Alle bisher nicht versicherten Selbstständigen sind in den Kreis
der Versicherungspflichtigen einzubeziehen. Das Einkommen
(Arbeitsentgelt und Einkünfte aus selbstständiger Arbeit) wird
bis zur Beitragsbemessungsgrenze für die Beitragsfinanzierung
herangezogen. Die Beitragsbemessungsgrenze ist auch die
Leistungsbemessungsgrenze. Beim Beitragseinzug ist den
Besonderheiten der Erzielung der Einkünfte bei den
Selbstständigen Rechnung zu tragen.
Langfristig ist angesichts der Veränderung der Arbeitswelt und
der Sicherungsdefizite bei diskontinuierlichen Erwerbsverläufen
eine schrittweise Erweiterung des versicherten Personenkreises
auf nicht Erwerbstätige anzustreben. Ziel ist eine Versicherung
der Wohnbevölkerung.
2.2 Versicherungsfall Alter
Zum Versicherungsfall Alter wird - abgesehen von der Rente für
Schwerbehinderte - wie bisher zugrunde gelegt
- eine Wartezeit von fünf Versicherungsjahren für die Regelaltersrente ab 65 und
- eine Wartezeit von 35 Versicherungsjahren für die Altersrente langjährig Versicherter ab 62.
Neu wird zum Ausgleich der infolge der Aufhebung der
Frauenaltersrente bei der Rente für langjährig Versicherte vor 65
trotz Anrechnung der Kinderberücksichtigungszeiten unverändert
bestehenden mittelbaren Diskriminierung beim Rentenzugang vor 65
eine neue Form der vorgezogenen Altersrente mit 62 wegen
Kindererziehung eingeführt.
Altersrenten vor 65 sind wie bisher mit Rentenabschlägen
verbunden.
In die Wartezeit gehen Beitragszeiten ein. Dazu gehören auch
Kindererziehungszeiten, die wie bisher für jedes Kind
rentenbegründend wirken.
2.3 Versicherungsfall Erwerbsminderung
Erwerbsminderungsrenten sind so auszugestalten, dass bisher
bestehende Benachteiligungen von typischen Frauenberufen beim
Berufsschutz aufgehoben werden.
2.4 Versicherungsfall Tod
Witwen- und Witwerrente werden in der bisherigen Form von einem
rentenrechtlichen Beitragsausgleich abgelöst (siehe Punkt
2.6).
Für den Fall des Todes sind nur noch - wie bisher mit der
Erziehungsrente - für einen begrenzten Zeitraum Rentenzahlungen
vorgesehen, um die infolge des Todes des anderen Ehepartners
eintretende Sicherungslücke aufzufangen.
2.5 Höhe der Versichertenrente
Die Versichertenrente setzt sich aus einem beitragsunabhängigen
Grundbetrag und einem beitragsabhängigen Steigerungsbetrag
zusammen.
2.5.1 Beitragsunabhängiger Grundbetrag
Der volle beitragsunabhängige Grundbetrag setzt voraus, daß die
Versicherungszeit von 25 Jahren erreicht ist. Unterhalb dieser
Versicherungszeit wird der beitragsunabhängige Grundbetrag
anteilig entsprechend der Versichertenzeit erworben. Bei
Auslandsberührung erfolgt die Berechnung im pro-rata-temporis
Verfahren. Mindestbeitragszeit für den Grundbetrag sind 5 Jahre.
Der Grundbetrag ist nach Entgeltpunkten festgesetzt, also
dynamisiert. Ausgehend vom jetzigen Wert des Entgeltpunktes würde
der Grundbetrag 12 Entgeltpunkte betragen, also ca. 600,00 DM.
Für den Grundbetrag werden Beitragszeiten und je Kind die drei
Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet. Dies gilt auch für die
vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder (zur Finanzierung siehe Punkt
2.8).
Mit dem Grundbetrag werden - anders als bisher - alle
beitragslosen Zeiten aufgefangen. Sie werden - anders als bisher
- unabhängig von der individuellen Gesamtleistung bewertet. Die
bisher für viele Frauen besonders nachteilige und für
Hochverdiener mit langen beitragslosen Zeiten besonders
vorteilhafte Gesamtleistungsbewertung wird aufgehoben.
2.5.2 Beitragsabhängiger Steigerungsbetrag
Der Steigerungsbetrag ist abhängig von der Zahl und der Höhe der
Entgeltpunkte, die auch in den Grundbetrag einfließen. Sie
bestimmen nach dem Äquivalenzprinzip die Höhe des
Steigerungsbetrags. Wie im geltenden Recht für die Monatsrente
wird der Steigerungsbetrag aus der Multiplikation der
individuellen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes
errechnet und - gegebenenfalls abhängig von der Art der
Neuregelung der Erwerbsminderungsrente - auch des
Steigerungssatzes. Die drei Jahre Kindererziehungszeiten für die
vor und nach dem 1.1.1992 geborenen Kinder werden als
Entgeltpunkte angerechnet. Der aktuelle Rentenwert wird deutlich
niedriger als bisher anzusetzen sein, da ein Teil der Rente aus
dem beitragsfinanzierten Grundbetrag besteht.
2.6 Rentenrechtlicher Beitragsausgleich
Innerhalb einer bestehenden Ehe werden die Einkommen den
Beitragskonten der beiden Ehepartner jeweils getrennt in Höhe der
Hälfte des Gesamteinkommens zugeschrieben.
Sofern ein Ehegatte vor dem Erreichen des Rentenalters stirbt,
wird die damit entstehende Sicherungslücke durch die in 2.4
genannte Rentenzahlung aufgefangen.
Der rentenrechtliche Beitragsausgleich findet nur innerhalb einer
bestehenden Ehe statt und ersetzt den jetzigen
Versorgungsausgleich. Der rentenrechtliche Beitragsausgleich
endet mit der Auflösung der Ehe.
2.7 Zusatzleistungen
Beim Zuschuss zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung
handelt es sich um rentenrechtliche Zusatzleistungen, die
ergänzend zum Erwerbsminderungsschutz als rentenrechtliche
Gegenleistung auch in dem Zeitraum zu berücksichtigen sind, wenn
der Grundbetrag bereits in vollem Umfang erreicht und der
Steigerungsbetrag entsprechend abgeflacht ist.
2.8 Finanzierung
Für die Erweiterung der Kindererziehungszeiten um die vor 1992
Geborenen sind - vorübergehend - vermutlich 20 - 25 Milliarden DM
erforderlich.
Im übrigen ist das Modell kostenneutral unter der Voraussetzung,
dass die bisher für die Hinterbliebenenrenten aufgewendeten
Mittel für die Rentenreform zur Verfügung stehen und nicht als
Sparmasse eingesetzt werden.
Mit der Erweiterung des versicherten Personenkreises werden alle
Selbstständigen zur Beitragsfinanzierung herangezogen.
Hinsichtlich der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ist
ausgehend davon, dass das Modell nicht vorsieht, alle
Einkunftsarten heranzuziehen, eine Untergrenze zu definieren, ab
der die sonstigen Einkünfte nachzuweisen sind oder ansonsten ein
Mindestbeitrag zu zahlen ist. Dessen Höhe müsste dem Umstand
Rechnung tragen, dass der Mindestbetrag für den Grundbetrag
anspruchsbegründend wirkt.
2.9 Wirkungen für andere Systeme der Alterssicherung
Die dem djb-Modell zugrunde liegenden Grundsätze werden auf
andere bundesgesetzlich geregelte Alterssicherungssysteme
übertragen, sofern sie nicht in die gesetzliche
Rentenversicherung integriert werden.
2.10 Übergangsrecht
Der Übergangszeitraum hat den verfassungsrechtlichen
Anforderungen zu entsprechen.
24. September 2000
gez. Prof. Dr. Ursula Nelles
1. Vorsitzende
gez. Prof. Dr. Ursula Rust
Vorsitzende der Kommission
Familienlastenausgleich