Stellungnahme: 00-11


für eine geschlechtergerechte Rentenreform

Stellungnahme vom

 

 

1. Ziele und Lösungen

 

 

 

 

Das vom djb vorgeschlagene Rentenmodell verfolgt die Ziele,

 

  • Kindererziehung stärker als bisher als rentenrechtliche Leistung anzuerkennen,
  • diskontinuierliche Erwerbsverläufe besser abzusichern,
  • die Umverteilung innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten von Frauen zu verstärken und damit
  • die eigenständige Alterssicherung von Frauen einführen zu können.

Eine private Zusatzversorgung wird vom djb abgelehnt, da diese

nicht tauglich ist, die demografischen und arbeitmarktbezogenen

Probleme der Rentenversicherung zu lösen und in der gegenwärtigen

Konzeption sich für Frauen negativ auswirkt.

 

Zur Umsetzung der vier genannten Ziele ist im Modell vorgesehen,

  • die Rente aus einem beitragsunabhängigen Grundbetrag und einem beitragsabhängigen Steigerungsbetrag zusammenzusetzen,
  • die rentenrechtliche Zuordnung und Bewertung beitragsfreier Zeiten nicht zu individualisieren,
  • die für den Fall des Todes bestehende abgeleitete Sicherung in das System der gesetzlichen Rentenversicherung als eigenständige Alterssicherung zu integrieren und
  • den versicherten Personenkreis hinsichtlich der Selbständigen zu erweitern.

 

2. Übersicht zum djb-Modell

 

 

Die Übersicht zum Modell orientiert sich am Aufbau des

Sozialgesetzbuchs (SGB) Sechstes Buch (VI) Gesetzliche

Rentenversicherung.

 

 

2.1 Versicherter Personenkreis

 

 

 

 

Alle bisher nicht versicherten Selbstständigen sind in den Kreis

der Versicherungspflichtigen einzubeziehen. Das Einkommen

(Arbeitsentgelt und Einkünfte aus selbstständiger Arbeit) wird

bis zur Beitragsbemessungsgrenze für die Beitragsfinanzierung

herangezogen. Die Beitragsbemessungsgrenze ist auch die

Leistungsbemessungsgrenze. Beim Beitragseinzug ist den

Besonderheiten der Erzielung der Einkünfte bei den

Selbstständigen Rechnung zu tragen.

 

Langfristig ist angesichts der Veränderung der Arbeitswelt und

der Sicherungsdefizite bei diskontinuierlichen Erwerbsverläufen

eine schrittweise Erweiterung des versicherten Personenkreises

auf nicht Erwerbstätige anzustreben. Ziel ist eine Versicherung

der Wohnbevölkerung.

 

 

2.2 Versicherungsfall Alter

 

 

 

 

Zum Versicherungsfall Alter wird - abgesehen von der Rente für

Schwerbehinderte - wie bisher zugrunde gelegt

 

  • eine Wartezeit von fünf Versicherungsjahren für die Regelaltersrente ab 65 und
  • eine Wartezeit von 35 Versicherungsjahren für die Altersrente langjährig Versicherter ab 62.

Neu wird zum Ausgleich der infolge der Aufhebung der

Frauenaltersrente bei der Rente für langjährig Versicherte vor 65

trotz Anrechnung der Kinderberücksichtigungszeiten unverändert

bestehenden mittelbaren Diskriminierung beim Rentenzugang vor 65

eine neue Form der vorgezogenen Altersrente mit 62 wegen

Kindererziehung eingeführt.

 

 

Altersrenten vor 65 sind wie bisher mit Rentenabschlägen

verbunden.

 

 

 

 

In die Wartezeit gehen Beitragszeiten ein. Dazu gehören auch

Kindererziehungszeiten, die wie bisher für jedes Kind

rentenbegründend wirken.

 

 

2.3 Versicherungsfall Erwerbsminderung

 

 

 

 

Erwerbsminderungsrenten sind so auszugestalten, dass bisher

bestehende Benachteiligungen von typischen Frauenberufen beim

Berufsschutz aufgehoben werden.

 

 

2.4 Versicherungsfall Tod

 

 

 

 

Witwen- und Witwerrente werden in der bisherigen Form von einem

rentenrechtlichen Beitragsausgleich abgelöst (siehe Punkt

2.6).

 

Für den Fall des Todes sind nur noch - wie bisher mit der

Erziehungsrente - für einen begrenzten Zeitraum Rentenzahlungen

vorgesehen, um die infolge des Todes des anderen Ehepartners

eintretende Sicherungslücke aufzufangen.

 

 

2.5 Höhe der Versichertenrente

 

 

 

 

Die Versichertenrente setzt sich aus einem beitragsunabhängigen

Grundbetrag und einem beitragsabhängigen Steigerungsbetrag

zusammen.

 

 

2.5.1 Beitragsunabhängiger Grundbetrag

 

 

 

 

Der volle beitragsunabhängige Grundbetrag setzt voraus, daß die

Versicherungszeit von 25 Jahren erreicht ist. Unterhalb dieser

Versicherungszeit wird der beitragsunabhängige Grundbetrag

anteilig entsprechend der Versichertenzeit erworben. Bei

Auslandsberührung erfolgt die Berechnung im pro-rata-temporis

Verfahren. Mindestbeitragszeit für den Grundbetrag sind 5 Jahre.

 

 

 

 

Der Grundbetrag ist nach Entgeltpunkten festgesetzt, also

dynamisiert. Ausgehend vom jetzigen Wert des Entgeltpunktes würde

der Grundbetrag 12 Entgeltpunkte betragen, also ca. 600,00 DM.

 

 

 

 

Für den Grundbetrag werden Beitragszeiten und je Kind die drei

Jahre Kindererziehungszeiten angerechnet. Dies gilt auch für die

vor dem 1.1.1992 geborenen Kinder (zur Finanzierung siehe Punkt

2.8).

 

 

 

 

Mit dem Grundbetrag werden - anders als bisher - alle

beitragslosen Zeiten aufgefangen. Sie werden - anders als bisher

- unabhängig von der individuellen Gesamtleistung bewertet. Die

bisher für viele Frauen besonders nachteilige und für

Hochverdiener mit langen beitragslosen Zeiten besonders

vorteilhafte Gesamtleistungsbewertung wird aufgehoben.

 

 

2.5.2 Beitragsabhängiger Steigerungsbetrag

 

 

 

 

Der Steigerungsbetrag ist abhängig von der Zahl und der Höhe der

Entgeltpunkte, die auch in den Grundbetrag einfließen. Sie

bestimmen nach dem Äquivalenzprinzip die Höhe des

Steigerungsbetrags. Wie im geltenden Recht für die Monatsrente

wird der Steigerungsbetrag aus der Multiplikation der

individuellen Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes

errechnet und - gegebenenfalls abhängig von der Art der

Neuregelung der Erwerbsminderungsrente - auch des

Steigerungssatzes. Die drei Jahre Kindererziehungszeiten für die

vor und nach dem 1.1.1992 geborenen Kinder werden als

Entgeltpunkte angerechnet. Der aktuelle Rentenwert wird deutlich

niedriger als bisher anzusetzen sein, da ein Teil der Rente aus

dem beitragsfinanzierten Grundbetrag besteht.

 

 

2.6 Rentenrechtlicher Beitragsausgleich

 

 

 

 

Innerhalb einer bestehenden Ehe werden die Einkommen den

Beitragskonten der beiden Ehepartner jeweils getrennt in Höhe der

Hälfte des Gesamteinkommens zugeschrieben.

 

 

 

 

Sofern ein Ehegatte vor dem Erreichen des Rentenalters stirbt,

wird die damit entstehende Sicherungslücke durch die in 2.4

genannte Rentenzahlung aufgefangen.

 

 

 

 

Der rentenrechtliche Beitragsausgleich findet nur innerhalb einer

bestehenden Ehe statt und ersetzt den jetzigen

Versorgungsausgleich. Der rentenrechtliche Beitragsausgleich

endet mit der Auflösung der Ehe.

 

 

2.7 Zusatzleistungen

 

 

 

 

Beim Zuschuss zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung

handelt es sich um rentenrechtliche Zusatzleistungen, die

ergänzend zum Erwerbsminderungsschutz als rentenrechtliche

Gegenleistung auch in dem Zeitraum zu berücksichtigen sind, wenn

der Grundbetrag bereits in vollem Umfang erreicht und der

Steigerungsbetrag entsprechend abgeflacht ist.

 

 

2.8 Finanzierung

 

 

 

 

Für die Erweiterung der Kindererziehungszeiten um die vor 1992

Geborenen sind - vorübergehend - vermutlich 20 - 25 Milliarden DM

erforderlich.

 

 

 

 

Im übrigen ist das Modell kostenneutral unter der Voraussetzung,

dass die bisher für die Hinterbliebenenrenten aufgewendeten

Mittel für die Rentenreform zur Verfügung stehen und nicht als

Sparmasse eingesetzt werden.

 

 

 

 

Mit der Erweiterung des versicherten Personenkreises werden alle

Selbstständigen zur Beitragsfinanzierung herangezogen.

Hinsichtlich der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit ist

ausgehend davon, dass das Modell nicht vorsieht, alle

Einkunftsarten heranzuziehen, eine Untergrenze zu definieren, ab

der die sonstigen Einkünfte nachzuweisen sind oder ansonsten ein

Mindestbeitrag zu zahlen ist. Dessen Höhe müsste dem Umstand

Rechnung tragen, dass der Mindestbetrag für den Grundbetrag

anspruchsbegründend wirkt.

 

 

2.9 Wirkungen für andere Systeme der Alterssicherung

 

 

 

 

Die dem djb-Modell zugrunde liegenden Grundsätze werden auf

andere bundesgesetzlich geregelte Alterssicherungssysteme

übertragen, sofern sie nicht in die gesetzliche

Rentenversicherung integriert werden.

 

 

2.10 Übergangsrecht

 

 

 

 

Der Übergangszeitraum hat den verfassungsrechtlichen

Anforderungen zu entsprechen.

 

 

24. September 2000

 

 

gez. Prof. Dr. Ursula Nelles

1. Vorsitzende

 

gez. Prof. Dr. Ursula Rust

Vorsitzende der Kommission

Familienlastenausgleich