Pressemitteilung: 26-29


Reproduktive Rechte sind Rechte für alle – auch für Menschen mit Behinderung

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hat anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung ein Policy Paper zum Thema „Reproduktive Rechte im Kontext von Behinderung“ veröffentlicht. Der djb fordert darin die uneingeschränkte Anerkennung und Umsetzung reproduktiver Rechte für Menschen mit Behinderung und kritisiert, dass gesetzliche Regelungen und gesellschaftliche Vorstellungen die Selbstbestimmung in diesem Bereich bis heute erheblich beschneiden. „Reproduktive Gerechtigkeit bedeutet, dass jeder Mensch sexuell selbstbestimmt leben können muss und niemand aufgrund von Behinderung von selbstbestimmter Elternschaft und Verhütung ausgeschlossen werden darf“, betont Ursula Matthiessen-Kreuder, Präsidentin des djb.

Zentrale Kritikpunkte des djb sind die immer noch bestehende Möglichkeit von Zwangssterilisationen nach § 1830 BGB sowie das Spannungsverhältnis zwischen reproduktiver Selbstbestimmung und gesellschaftlichem Ableismus im Kontext der Pränataldiagnostik.

Auch nach der Betreuungsrechtsreform ist es in Deutschland rechtlich zulässig, Menschen mit Behinderung unter bestimmten Voraussetzungen zu sterilisieren, ohne dass sie selbst in diese Entscheidung eingewilligt haben. Der djb fordert die ersatzlose Streichung dieser Norm sowie die Einführung eines Systems unterstützter Entscheidungsfindung – etwa durch barrierefreie Beratung, Peer Support oder Kommunikationshilfen.

„Eine feministische Gleichstellungspolitik muss auch ableistische Strukturen benennen und bekämpfen – auf nationaler wie europäischer Ebene“, erklärt Valentina Chiofalo, Vorsitzende der Kommission Europa- und Völkerrecht im djb.

Darüber hinaus sieht der djb einen Reformbedarf im Bereich der gesetzlichen Regelungen zur Pränataldiagnostik und zum Schwangerschaftsabbruch. Die derzeitige Praxis fördert implizit die Vorstellung, dass ein Leben mit Behinderung weniger lebenswert sei, und setzt Schwangere unter erheblichen gesellschaftlichen Druck. Gleichzeitig fehlt es an inklusiven Beratungsangeboten und an struktureller Unterstützung für Eltern von Kindern mit Behinderung. Der djb plädiert für eine menschenrechtlich fundierte Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs, die die Selbstbestimmung der schwangeren Person respektiert, ohne diskriminierende gesellschaftliche Narrative zu reproduzieren.

Erarbeitet wurde das Policy Paper im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit der Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte. Die Autorinnen Frieda Therese Busch und Teresa Otten Dionísio betonen: „Reproduktive Rechte dürfen nicht durch strukturelle Barrieren oder gesellschaftliche Vorurteile relativiert werden – sie gelten für alle Menschen.“

Im djb können sich Mitglieder im Netzwerk für Frauen mit Behinderung engagieren.