Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) begrüßt in einem aktuellen Policy Paper das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (Nr. 190), das auf wirksameren Rechtsschutz gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zielt. Das 2023 endlich auch von Deutschland ratifizierte und am 14. Juni 2024 nun auch für Deutschland in Kraft getretene Übereinkommen ist ein Meilenstein, da es erstmals internationale Mindeststandards zur Verhinderung und Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt festlegt.
„Wir begrüßen die Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt (Nr. 190) ausdrücklich, sehen jedoch gravierende Lücken bei der Umsetzung,“ so die Präsidentin Ursula Matthiessen-Kreuder.
Die Bundesregierung ging im Umsetzungsprozess davon aus, dass der bestehende Rechtsschutz im nationalen Recht bereits ausreiche und im Rahmen der Ratifizierung keine Ergänzungen der innerstaatlichen Schutzvorschriften nötig seien. Diese Einschätzung trifft nach Ansicht des djb jedoch nicht zu, wie im Policy Paper aufgezeigt wird. Bisher können sich Betroffene kaum zur Wehr setzen, zu groß sind die strukturellen Barrieren für Beschäftigte. Die gravierenden Rechtsschutzlücken in diesem Bereich weisen darauf hin, dass sowohl die Durchsetzung individueller Schutzansprüche als auch die arbeitgeberseitigen Schutzpflichten weiter ausgebaut werden müssen. Genau an diesem mangelnden Status quo setzt das völkerrechtliche Übereinkommen an und verlangt umfassende und konkretere Schutzmaßnahmen.
Das Übereinkommen legt ein besonderes Gewicht auf Prävention und verlangt die Einführung eines spezifischen Risikomanagements. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten, in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber*innen- und Arbeitnehmer*innenverbänden einen inklusiven, integrierten und geschlechterorientierten Ansatz zu ergreifen. Eine systematische Überprüfung der Wirksamkeit der bestehenden nationalen Rechtslage sowie deren Überarbeitung und Weiterentwicklung mit dem Ziel eines umfassenden Schutzes über nationale wie internationale Rechtsgebietsgrenzen hinweg ist bisher nicht erfolgt. „Mit der mangelhaften Umsetzung des Übereinkommens wurde eine wichtige Chance vertan, dem weltweiten Problem von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz mittels weltweiter Standards lückenlos Einhalt zu gebieten,“ so Prof. Dr. Isabell Hensel, Vorsitzende der Arbeits-, Gleichstellungs- und Wirtschaftskommission des djb. Dabei bieten das Antidiskriminierungsrecht oder das Arbeitsschutzrecht gute Anknüpfungspunkte.