Pressemitteilung: 20-05


Kein Nachlassen im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Istanbul-Konvention in Deutschland vollständig umsetzen

Pressemitteilung vom

#istanbuldurchsetzen

Zum Jahrestag des innerstaatlichen Inkrafttretens am 1. Februar 2020 mahnt der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) die vollständige Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) an. In sieben ab heute erscheinenden Themenpapieren erläutert der djb exem­plarisch Umsetzungsdefizite und Handlungsbedarfe in folgenden Bereichen: Monitoring und Forschung, Berücksichtigung von Partnergewalt in Sorge- und Umgangsverfahren, medizinisch unnötige Operationen an intersexuellen Kleinkindern, Opferentschädigung bei psychischer Gewalt, Fragen der Haftung bei staatlicher Untätigkeit, Zugang zum Recht für Betroffene und die Rücknahme von Vorbehalten zu Lasten von geflüchteten Frauen.

„Freiheit von Gewalt ist die Voraussetzung für die Ausübung aller Menschen- und Bürger*innenrechte“, so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb. „Trotz etlicher erfreulicher Ansätze müssen Bund und Länder weiterhin entschlossen handeln, um die Vorgaben der Istanbul-Konvention zeitnah umzusetzen!“

Die Istanbul-Konvention gilt in Deutschland seit dem 1. Februar 2018. Sie verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, umfassende Maßnahmen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt jedweder Art, zu Unterstützung und Schutz der Betroffenen sowie zur Bestrafung der Täter zu ergreifen. Mit der Ratifikation hat die Bundesrepublik ausdrücklich anerkannt, dass Gewalt gegen Frauen Ausdruck historisch gewachsener ungleicher Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern ist, durch die Frauen beherrscht und diskriminiert und an einem selbstbestimmten und gleichberechtigten Leben gehindert werden. Trotz der bereits existierenden Regelungen und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt (Sexualstrafrechtsreform, Gewaltschutzgesetz) besteht in Deutschland noch erheblicher Handlungsbedarf. 

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Problem. Jede vierte Frau in Deutschland hat im Laufe ihres Lebens mindestens einmal körperliche und/oder sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlebt. Durchschnittlich jeden Tag wird eine Frau in Deutschland von ihrem (Ex-)Partner lebensgefährlich attackiert; jede Woche sterben dabei drei Frauen. Dennoch wird beispielsweise in Sorge- und Umgangsverfahren vorherige Partnergewalt oft nicht hinreichend berücksichtigt. Die Betroffenen von psychischen Gewalttaten (insbesondere digitale Gewalt oder nicht-körperliche Partnergewalt) haben auch bei erheblichen gesundheitlichen Folgen und chronischen Leiden keinen Anspruch auf soziale Entschädigung. Vielen Betroffenen ist der Zugang zum Recht versperrt. Die Bundesrepublik haftet nicht hinreichend bei Verletzung ihrer Pflichten zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt sowie Schutz und Unterstützung für Betroffene. Die unabhängige Monitoringstelle für die Überwachung der Umsetzung der Istanbul-Konvention muss erst noch eingerichtet und mit entsprechenden Befugnissen, Daten und Mitteln ausgestattet werden.

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Bereits ab dem 25. November 2019 hat der djb sieben Themenpapiere zu Umsetzungsdefiziten und Handlungsbedarfen veröffentlicht. Diese sind ebenso wie die ab Anfang Februar 2020 veröffentlichten weiteren sieben Themenpapiere auf der Webseite des djb unter https://www.djb.de/themen/thema/ik/ zu finden. Der Hashtag für die Aktion in den sozialen Medien lautet #istanbuldurchsetzen. Das achte Papier befasst sich mit Monitoring, Forschung und Datenerhebung zu geschlechtsspezifischer Gewalt (Artikel 10, 11 IK) und ist hier abrufbar: https://www.djb.de/themen/thema/ik/st20-05/