Pressemitteilung: 16-15


Belange von Frauen bei geplanten Neuregelungen zu Integration und zum Sozialleistungsbezug von Migrant_innen berücksichtigen

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) fordert, bei den geplanten Neuregelungen zur Integration und zum Sozialleistungsbezug von Migrant_innen die besonderen Auswirkungen auf Frauen nicht zu übersehen, sowie durch ungeprüfte und nicht ausdiskutierte gesetzliche Neuregelungen zu übergehen. Die derzeit vorliegenden Entwürfe für ein Integrationsgesetz und für das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen im SGB II und SGB XII betreffen soziale Belange von Migrantinnen in besonderer Weise.

„Beide Gesetze werden mit hohem Zeitdruck vorangetrieben, wodurch ein demokratischer Meinungsbildungsprozess verhindert wird, obwohl die Gesetzesänderungen von erheblicher gesellschaftlicher und auch frauenpolitischer Relevanz sind“, kritisiert die Präsidentin des djb, Ramona Pisal, die extrem verkürzten Fristen bei der Anhörung der Fachverbände für beide Referentenentwürfe.

Beide Entwürfe enthalten die Feststellung, dass keine erkennbaren Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern bestünden. Diese Einschätzung teilt der djb nicht. Die gleichstellungspolitische Relevanz ergibt sich aus den Auswirkungen auf die Lebenssituation und die Rechtsstellung von Migrantinnen. Abzustellen ist bei einer gendersensiblen Gesetzesfolgenabschätzung nicht allein auf die geschlechtsneutrale Formulierung des Gesetzestextes, sondern auf ihre tatsächliche Wirkung (Art. 3 Abs. 2 GG).

Der geplante Leistungsausschluss für Unionsbürger_innen im SGB XII trifft vor allem Menschen in Notlagen. Überproportional werden Schwangere, Mütter mit kleinen Kindern, Alleinerziehende und Frauen mit Pflegeaufgaben betroffen sein, weil der Zugang zum Arbeitsmarkt für sie deutlich erschwert ist. Der Leistungsausschluss für ehemalige Arbeitnehmerinnen mit Kindern in Ausbildung ist zudem europarechtswidrig. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Nothilfeleistungen werden so restriktiv gestaltet, dass sie die faktischen Benachteiligungen von EU-Migrantinnen nicht ausgleichen können.

In dem Integrationsgesetz sind Wohnsitzauflagen vorgesehen, die der besseren Integration dienen sollen. Diese Auffassung teilt der djb nicht. Vielmehr bergen sie die Gefahr der Desintegration, weil die spezifischen Integrationsbedarfe von Frauen mit und ohne Kinder nicht an allen Orten gleichermaßen berücksichtigt werden können. Die Probleme im Gewaltschutz für anerkannte Flüchtlingsfrauen durch die geplanten Wohnsitzauflagen sind vorprogrammiert.

Die geplanten Arbeitsgelegenheiten als generalisierte Programme der Bundesagentur für Arbeit beinhalten ein erhebliches Risiko, die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes weiter zu verfestigen. Hier werden Chancen einer individuellen Förderung von Flüchtlingsfrauen unter Berücksichtigung der lokalen Bedingungen vertan.

Durch die geplanten Zugangshürden zur Niederlassungserlaubnis (Wartezeit und Sicherung des Lebensunterhalts) werden Frauen mit Sorge- und Pflegepflichten öfter und länger in einer prekären Aufenthaltssituation verbleiben.