Stellungnahme: 13-10


zu den Ausführungsvorschriften zum Landesgleichstellungsgesetz Berlin (AVLGG)

Stellungnahme vom

Der Landesverband Berlin des Deutschen Juristinnenbunds e.V. (djb) begrüßt den Erlass von Ausführungsbestimmungen zum LGG an und regt folgende Änderungen an:

Zu § 1

Nach dem Entwurf zu § 1 AVLGG sollen Praktikantinnen und Praktikanten nicht als Beschäftigte im Sinne des LGG gelten. Aufgrund der Tatsache, dass Praktikantinnen und Praktikanten abhängig beschäftigt sind und sowohl in den jeweiligen Betrieben eingegliedert als auch nach Ort und Zeit weisungsgebunden sind, ist die Ausgrenzung von Praktikantinnen und Praktikanten aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht gerechtfertigt. Ebenso verhält es sich mit den Volontärinnen und Volontären, die im AVLGG nicht genannt werden. Mit der Ausgrenzung ist der umfassend gedachte Anwendungsbereich des LGG eingegrenzt, ohne hierfür eine sachliche Rechtfertigung zu haben.

Zu § 1 a AVLGG ist die Formulierung, dass die Vorschriften des LGG und dessen Ausführungsvorschriften grundsätzlich keine direkte Bindungswirkung für die Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin entfalten, missverständlich. Denn nach dem Gesetzeswortlaut von § 1 a LGG hat das Land Berlin gerade sicherzustellen, dass die Regelungen des LGG auch in den Unternehmen – entsprechend – angewendet werden, bei denen das Land Berlin unmittelbar oder mittelbar Mehrheitsbeteiligungen hält.

Das LGG geht in § 1 a Abs. 1 S. 2 weiter als die beabsichtigte Ausführungsbestimmung, indem das Gesetz auf die Geltung der Verpflichtung zur Erstellung eines Frauenförderplans, zur Einhaltung des Stellenbesetzungsverfahrens und zur Wahl von Frauenvertreterinnen abstellt. Der Gesetzeswortlaut des LGG geht davon aus, dass die entsprechende Anwendung des LGG bei mittelbaren Mehrheitsbeteiligungen des Landes Berlin sichergestellt werden muss. Dies findet sich in den Ausführungsbestimmungen nicht wieder. Es bedarf daher der Klarstellung, dass unter Mehrheitsbeteiligungen sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren zu verstehen sind. Es bedarf des unmissverständlichen Hinweises, dass das LGG insgesamt entsprechend anzuwenden ist, um die Erstellung von Frauenförderplänen und ein ordnungsgemäßes Stellenbesetzungsverfahren im Sinne der Gleichstellung zu Gunsten von Frauen zu realisieren. Wünschenswert ist eine Konkretisierung, wie das Land Berlin die analoge Anwendung des LGG sicherstellt.

Denn in der Ausführungsbestimmung zu § 1 a Abs. 3 fehlt eine Konkretisierung des Begriffes des „darauf Hinwirkens“, der rechtlich wenig verbindlich erscheint. Nach dem Wortlaut des LGG sind zwar Versuche zu unternehmen, diese Versuche müssen aber eben nicht zum gewünschten Erfolg führen. Der djb fordert, dass verbindliche Regeln aufgestellt werden, die das Land Berlin verpflichten, soweit dies in seinem Einflussbereich liegt, die entsprechende Anwendung des LGG tatsächlich zu forcieren und hierfür alles Mögliche zu veranlassen.

Zu § 2 Abs. 1

Ein Verweis auf § 5 AGG ist schlicht zu kurz. Denn in § 2 Abs. 1 LGG wird der verfassungsrechtliche Gleichberechtigungsanspruch aus Artikel 3 Abs. 2 GG und das Diskriminierungsverbot aus Artikel 3 Abs. 3 GG sowie der Gleichbehandlungsrichtlinie 1976 (76/207/EWG) geändert durch Richtlinie 2002/73/EWG, neu gefasst durch die Richtlinie 2006/54/EG, einfach gesetzlich verankert. Das LGG ist stets vor diesem Hintergrund auszulegen. Da es Aufgabe des Staates ist, auf die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit hinzuwirken (BVerfG, 85, 191 (Seite 207)) und die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und die Beseitigung bestehender Nachteile eindeutig als Staatsziel ausgestaltet worden sind, ist das LGG mit Verfassungsrang ausgestattet und von entsprechend großer Bedeutung. Dies sollte in jedem Fall in den Ausführungsbestimmungen verdeutlicht werden. Es ist hervorzuheben, dass die Gleichstellung eine Realisierung der Chancengleichheit unter den Geschlechter darstellt. Die Chancengleichheit beinhaltet, die Wahlfreiheit über den einzuschlagenden Lebensweg zu besitzen.

Zu § 3 Abs. 1

Wünschenswert ist aus Sicht des djb eine Konkretisierung dergestalt, dass aktiv auf die Gleichstellung hinzuwirken ist, indem bereits im Vorfeld Maßnahmen geprüft werden, wie sich eine Maßnahme auf Frauen und Männer auswirkt und gegebenenfalls auch kompensatorische Tätigkeiten zu entwickeln. Der djb regt an, an dieser Stelle Gender-Mainstreaming als Konzept für die Realisierung der Gleichstellungsverpflichtung in die AVLGG aufzunehmen.

Zu § 3 Abs. 2

Es fehlt eine Ausführungsbestimmung zum bestehenden Gesetzestext des § 3 Abs. 2 LGG.

Wünschenswert ist ein klarstellender Hinweis zu § 3 Abs. 5 LGG, der die Gleichstellungsverpflichtung auch auf den Fall bezieht, in dem so genannte Teilverfahren in den jeweiligen Dienststellen anhängig sind. Dies bedeutet, dass in jeder Dienststelle, die im Rahmen eines Teilverfahrens einbezogen wird, die Gleichstellungsverpflichtung beachtet werden muss. Eine übergeordnete Dienststelle hat die Repräsentanzverhältnisse in der nachgeordneten Dienststelle zu beachten (vgl. Gesetzesbegründung). Im Hinblick auf die Bedeutung von § 3 LGG für die Frauenvertreterin mit der Verpflichtung der Verwaltung, aktiv etwas für die Gleichstellung zu tun, besteht Nachbesserungsbedarf.

Denn § 3 Abs. 2 LGG ist die maßgebliche Regelung, die zur Bestimmung der Unterrepräsentanz heranzuziehen ist. Diese Unterrepräsentanz hat die Verwaltung festzustellen und zwar im Rahmen der statistischen Erhebungen und dies stets aktuell. Die Frauenvertreterin braucht diese Zahlen jeweils, wenn sie prüft, inwieweit z.B. eine Quotenregelung anzuwenden ist oder aber auch in jedem Fall von Stellenabbaumaßnahmen. Mit dieser besonderen Bedeutung für die Frauenvertreterin sollte sich die Ausführungsbestimmung an dieser Stelle befassen.

Zu § 4

Zu § 4 Abs. 1 S. 1: Der djb fordert eine Verdeutlichung: Jede Einrichtung muss einen Frauenförderplan erstellen.

Zu § 4 Abs. 1 S. 2

Eine Anpassung des Frauenförderplans ist auch vor Ablauf des 6-Jahres-Zeitraums möglich und angezeigt, wenn die jeweils konkrete Entwicklung es erfordert. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass ein Bestandsaufnahme und eine Analyse der Beschäftigtenstruktur sowie eine Analyse der zu erwartenden Fluktuation oder eventueller Einsparungsmaßnahmen vorzunehmen ist.

Zu § 4 Abs. 4

Es bedarf einer Ausführungsbestimmung mit dem Inhalt, dass die Beteiligung nach § 4 Abs. 4 LGG als aktive Mitgestaltung von Anfang an verstanden werden muss.

Zu § 4 Abs. 9

Es bedarf einer Klarstellung, dass die Frauenvertreterinnen sich sowohl nach § 18 LGG an die Dienststellenleitung mit einer Beanstandung wenden als auch direkt die Beanstandung bei dem für Frauenpolitik zuständigen Mitglied des Senats vortragen können.

Zu § 5 Abs. 1

Zu kritisieren ist die Formulierung unter b, nach der die Verpflichtung zur Stellenausschreibung grundsätzlich bestehen soll. Denn die Verwendung des Begriffes grundsätzlich erweckt den Eindruck, es gebe Ausnahmen hierzu. Eine solche Ausnahme sieht § 5 Abs. 1 LGG nicht vor. Nach dem Gesetzeswortlaut sind alle Stellen auszuschreiben. Der djb begrüßt ausdrücklich die klarstellenden Bestimmungen zur Ausschreibungspflicht von Informationen.

Zu § 5 Abs. 6

Das LGG lässt eine Ausnahme von der Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung bzw. Ausschreibung insbesondere bei der Wiederbestellung von Vorständen zu. Der djb regt an, eine Konkretisierung dergestalt vorzunehmen, dass diese Regel nur dann Anwendung findet, wenn die erste Bestellung des Vorstands bzw. Geschäftsleitungsmitgliedes rechtmäßig im Sinne des LGG erfolgt ist.

Zu § 6 Abs. 1

Zu kritisieren ist der Versuch der Einschränkung der gesetzlichen Regelung im Rahmen der Ausführungsbestimmung, dass bei einer Vielzahl von Bewerbungen gerade nicht alle Bewerberinnen eingeladen werden. Denn in den Bereichen, in den Frauen unterrepräsentiert sind, sind alle Bewerberinnen tatsächlich zum persönlichen Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einschränkung auf die lediglich besten Bewerberinnen in Relation zu den besten männlichen Bewerbern erscheint im Hinblick auf den Gesetzeszweck, die Unterrepräsentanz von Frauen abzubauen, keinesfalls gerechtfertigt.

Zu § 8 Abs. 1 und 2

Der djb kritisiert die im Rahmen der Ausführungsbestimmungen neu eingeführte Ausnahmeregelung gegen die Bevorzugung von Frauen, wenn eine Bevorzugung im Einzelfall ausnahmsweise nicht zuzulassen sei (sog Einzelfallgerechtigkeit). § 8 Abs. 1 und 2 LGG haben klare Regeln für die Bevorzugung von Bewerberinnen aufgestellt. Dies darf nicht im Rahmen von Ausführungsbestimmungen aufgeweicht werden. Ansonsten wäre einer individuellen und damit streitanfälligen Begründung zu einer angeblich unzumutbaren sozialen Härte für den männlichen Bewerber Tür und Tor geöffnet. Wenn der Fall der gleichen Qualifikation im Sinne der Gleichwertigkeit zwischen männlichen und weiblichen Bewerbern vorliegt und eine Unterrepräsentanz des weiblichen Geschlechts gegeben ist, ist nach Intention des Gesetzes der Bewerberin schlicht der Vorrang einzuräumen.

Zu § 8 Abs. 5

Zu kritisieren ist die Ausführungsbestimmung, als § 8 Abs. 2 LGG für Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen nicht gelten soll. Dadurch wird der Zweck des LGG, Frauen in Vorstands- und Geschäftsleitungspositionen zu bringen, bis eine 50-prozentige Quote erreicht ist, konterkariert. Dies kann nicht hingenommen werden.

Zu § 10 Abs. 1

Wünschenswert ist eine Klarstellung in den Ausführungsbestimmungen zu § 10 Abs. 1 S. 2 dergestalt, dass die familienfreundlichen Rahmenbedingungen in Satz 2 das Vorliegen tatsächlicher Familienpflichten voraussetzt. Der Begriff der Familienpflichten ist im Detail zu regeln. Hierunter fallen insbesondere die Betreuung von Kindern unter 18 Jahren und die Pflege pflegebedürftiger Angehöriger.

Zu § 11 Abs. 1 und 2

Hier wird eine Ausführungsbestimmung angeregt, als Frauenvertreterinnen verstärkt darauf achten sollen, dass die familiär Beurlaubten tatsächlich das Fortbildungsangebot erhalten und ihnen gegebenenfalls Urlaubs- und Krankheitsvertretungen angeboten werden.

Zu § 15

Zu kritisieren ist die Herausnahme von Projekt- und Arbeitsgruppen aus dem Begriff der Gremien. Denn Gremien sind gerade auch Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften, die zu bestimmten Sachproblemen gegründet werden und sich unter Umständen zu dauernden Einrichtungen entwickeln. Es kommt nicht darauf an, ob sie gewählt oder eingesetzt werden. Unmotiviert erscheint die Herausnahme von Vorständen und Geschäftsleitungsmitgliedern aus den Gremien. Gremienarbeit beinhaltet jegliche Art einer Mitwirkungsmöglichkeit, die als Qualifikationsmerkmal angesehen werden kann und damit für die berufliche Weiterentwicklung wichtig sein kann.

Zu § 15 Abs. 1

Nach dem Wortlaut des § 15 LGG sind Gremien geschlechtsparitätisch zu besetzen, soweit für deren Zusammensetzung nicht andere gesetzliche Vorgaben gelten.

In den AVLGG wird nun der –rechtswidrige – Versuch unternommen, diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand aufgrund bestehender gesetzlicher Vorgaben auf anderweitige Regelungen, Senatsbeschlüsse, sonstige Vereinbarungen oder sogar auf eine schlichte Verwaltungspraxis auszudehnen. Dies wird abgelehnt. Denn die Ausdehnung auf weitere Ausnahmetatbestände führt die gesetzliche Vorgabe der Geschlechterparität in den Gremien ad absurdum.

Zu § 16 Abs. 3

Der djb begrüßt ausdrücklich die Konkretisierungen der maßgeblichen Grundsätze zum erforderlichen Umfang der Freistellung der Frauenvertreterin.

Zu 18 Abs. 2

Keinesfalls darf im 11. Absatz eine Ausführungsbestimmung mit dem Inhalt: „Bereits umgesetzte Maßnahmen können auch bei Vorliegen eines eindeutigen Verstoßes gegen das LGG nicht mehr erfolgreich beanstandet werden.“

Denn eine solche Aussage stiftet eine Dienststelle, die unter Verstoß gegen das LGG handelt – z.B. unbedingt einen männlichen Bewerber trotz besserer weiblicher Kandidatinnen bevorzugen will – dazu an, die Stellenbesetzung sofort umzusetzen, sodass dann eine berechtigte Beanstandung stets ins Leere ginge. Im Übrigen steht diese Ausführungsbestimmung im Widerspruch zum nachfolgenden Satz der Rechtswidrigkeit und der gerichtliche Angreifbarkeit durch Dritte.

Zu 18 Abs. 3

Eine Ausführungsbestimmung, wonach der Suspensiveffekt des § 18 Abs. 3 LGG im Ausnahmefall eines offensichtlich fehlenden Beanstandungsrechts aufgehoben werden soll, ist abzulehnen. Die Beanstandung der Frauenvertreterin hat nach dem LGG schlicht und ergreifend den Suspensiveffekt, den es ausdrücklich im Sinne des LGG beizubehalten gilt. Eine solche Ausführungsbestimmung wäre daher rechtswidrig.

Zu 18a Abs. 3

Der djb begrüßt die Klarstellung der Beteiligungsrechte der Gesamtfrauenvertreterin. Wünschenswert ist hier die Aufnahme einer konkreten Ausführungsbestimmung mit dem Inhalt eines Teilnahmerechts an den Sitzungen des Gesamtpersonalrats, das sich aus § 18 a Absatz 4 LGG entnehmen lässt. Der erste Absatz der AVLGG sollte daher lauten:

„Die Beteiligungsrechte der Gesamtfrauenvertreterin beziehen sich auf die Zuständigkeiten des Gesamtpersonalrats. Überall dort, wo dieser beteiligt wird, erwachsen auch die Beteiligungsrechte der Gesamtfrauenvertreterin. Aus dem Beteiligungsrecht leitet sich das Recht ab, an den Sitzungen des Gesamtpersonalrats teilzunehmen.“

Der djb bedankt sich für die Beteiligung im Rahmen des Erlasses der wichtigen Ausführungsbestimmungen und regt eine entsprechende Überarbeitung hiermit ausdrücklich an.

 

Prof. (Asoc.) Dr. Jutta Glock

Vorsitzende des Landesverbands Berlin
im Deutschen Juristinnenbund