Pressemitteilung: 06-04


"Scheidung light" wird zum Bumerang!

Pressemitteilung vom

Der Deutsche Juristinnenbund (djb) lehnt die Pläne der Justizministerin zum vereinfachten Scheidungsverfahren ab. „Scheidungen sind in aller Regel nicht einfach – weder emotional, noch hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen für die Beteiligten“, so die Juristinnen.

Die jetzt präsentierte „abgespeckte“ Version der Justizministerin solle zwar nur noch kinderlosen Paaren die „Scheidung light“ ermöglichen, doch sei sie weder für die scheidungswilligen sinnvoll noch für den Staatshaushalt, der entlastet werden soll. Nach den Plänen der Ministerin sollen demnächst kinderlose Ehen ohne anwaltliche Beteiligung geschieden werden können, wenn zuvor ein Notarvertrag über den Unterhalt und eine Einigung über Hausrat und Ehewohnung getroffen worden ist.

„Die von der Ministerin angegebene Quote von derzeit 71 Prozent einvernehmlichen Scheidungen erklärt sich daraus, dass die Scheidung selbst einvernehmlich ist, nachdem die in der Regel – vorher – hochstreitigen Scheidungsfolgen durch Anwältinnen und Anwälte in einem Vertrag geregelt werden. Die Fälle, in denen die Beteiligten mit einer fertigen Vertragsidee in die Anwaltspraxis kommen, sind heute schon verschwindend gering“ erklärte Dr. Angelika Nake, Vorsitzende der Kommission „Zivil-, Familien- und Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften“.

„Der Justiz werden mit der geplanten Regelung gerade die kostendeckenden Verfahren entzogen – das sind die Scheidungen, die den Richtern am wenigsten Aufwand bereiten und bei denen die Parteien in der Regel keine Prozesskostenhilfe bekommen, sondern die Gerichtskosten selbst zahlen müssen. Die Verfahren mit großem personellen Aufwand für den Justizapparat, in denen z.B. um Kindes- und Ehegattenunterhalt gestritten wird, bleiben bei den Gerichten ebenso wie die Prozesskostenhilfesachen".

Notarielle Eheverträge haben – wie Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zeigen – in der Vergangenheit die wirtschaftlich unterlegene Partei oft übervorteilt. Allein die Überprüfung durch Anwältinnen und Anwälte verhindere, dass es zu übereilten und unsachgemäßen Regelungen komme. Denn nur Anwältinnen und Anwälte hätten die interessengerechte Vertretung ihrer Parteien im Auge. Notare seien überdies in der Regel keine Fachanwälte für Familienrecht und verfügten meistens nicht über spezielle Kenntnisse im Bereich des Familienrechts. Die aktuellen Gebührensätze der Notare erlaubten in der Regel auch nicht die eingehende Beratung der Parteien.

Die von der Ministerin geplante „Dreiteilung“ der Scheidungsfolgen – Unterhalt wird notariell vereinbart, Hausrat und Ehewohnung können privatschriftlich, d.h. quasi „am Küchentisch“, geregelt werden und lediglich die eigentliche Scheidung sowie der Versorgungsausgleich werden dann vom Familiengericht verhandelt und entschieden – führten, so die Juristinnen, zu „Flick- und Stückwerk“. Laien überblickten oftmals schon die Abgrenzung der verschiedenen Scheidungsfolgen nicht. Daher fordert der djb Regelungen aus einem Guss.

Es sei letztlich auch ein Trugschluss, dass die „Scheidung light“ Folgestreitigkeiten vermeide, warnen die Rechtsexpertinnen. Unausgewogene Regelungen werden in Anfechtungs- und Abänderungsverfahren der Justiz mehr personellen und finanziellen Aufwand bereiten als ein von vorne herein durch Anwältinnen und Anwälte sachgerecht ausgehandelter Vertrag. Und wenn nicht hier, dann sei spätestens bei den Sozialämtern ein Anwachsen der Verfahren zu befürchten, in denen die unterlegene Parteien – in der Regel die Frauen – den ihnen fehlenden Unterhalt beantragen müssen.

Sollte es zu Einkommenseinbußen der Anwaltschaft durch die geplante Reform kommen, sind es wiederum überproportional Frauen, die benachteiligt werden. Vor allem Anwältinnen haben durch zeit- und kostenintensive Fachanwaltsausbildungen im Familienrecht zusätzliche Qualifikationen erworben. So waren 2005 von 7.554 Anwaltsnotaren nur 716 weiblich. Von 5.943 Fachanwälten für Familienrecht waren jedoch 3.137 weiblich.

Fazit: die geplante Reform bringt nach Auffassung des djb keinen Fortschritt in der Sache. Stattdessen ist zu befürchten, dass die einkommensschwächere Partei – in der Regel die Frau – durch unzulängliche Beratung ins finanzielle Abseits gestellt oder in belastende Dauerkonflikte gestürzt wird. Letztere bedeuten auch für die Behörden Mehrarbeit statt Entlastung.


Berlin, den 13. März 2006