Am Donnerstagabend eröffnete Margret Diwell, Präsidentin des djb,
im Plenarsaal des Kammergerichts im Beisein zahlreicher
Ehrengäste aus Politik, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft und
Verbänden den 35. Kongress des djb, der zusammenfällt mit dem 55.
Geburtstag der Vereinigung.
In ihrer Begrüßung hob sie hervor, dass die seit 1953 vom djb
geforderte Beseitigung des Ehegattensplittings noch immer nicht
eingelöst ist. Es sei noch immer ein wesentliches Hindernis für
Frauen nach der Familienphase in den Beruf zurückzukehren. Auch
aus der Arbeitslosigkeit führe der Weg über die Lohnsteuerkarte 5
nur dazu, dass das sichtbare Nettoeinkommen der Frauen häufig
noch unter dem Arbeitslosengeld liegt. Außerdem brandmarkte sie
die neuen Instrumente zur Beschönigung der Arbeitslosenstatistik,
Minijobs und Ich-AG, als Mittel, Frauen dauerhaft - bis hin zur
reduzierten Rente - von einer gesicherten wirtschaftlichen
Existenz auszuschließen.
Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, bedankte sich
beim djb für dessen stets engagierte Einmischung in die
Rechtspolitik, die zwar nicht immer zum gewünschten Erfolg, aber
stets dazu führe, dass sich die Perspektive von Frauen in den
Ergebnissen der Gesetzgebungsverfahren zumindest niederschlage.
Als besonderen Erfolg hob sie hervor, dass es der djb war, der
mit seiner entsprechenden Forderung im Jahre 1998 dazu
beigetragen hat, dass im Statut über die Errichtung des
Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) Vergewaltigung als
Kriegsverbrechen anerkannt wurde. Außerdem erinnerte sie daran,
dass es Dank gemeinsamer Anstrengungen gelungen sei, in den
Entwurf für eine Verfassung der EU den Satz einzufügen: Frauen
und Männer sind gleichberechtigt.
Für das Land Berlin sprach Bürgermeisterin und Justizsenatorin
Karin Schubert, die sich - wie im übrigen alle Rednerinnen des
Abends - auch als Mitglied des djb an die Gäste wandte. In der
Sache ging sie vor allem auf Handlungsbedarf - auch für den djb -
im Bereich des Betreuungsrechts ein. Angesichts längerer
Lebenszeit sei es insbesondere für Frauen notwendig, dass sie für
den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit besser abgesichert
würden.
Die Präsidentin des Kammergerichts, Monika Nöhre, führte die
Gäste als Hausherrin durch die Geschichte des Plenarsaals mit
seinen dunklen (Schauprozesse des Volksgerichtshofs unter
Freisler), aber auch seinen heiteren Seiten (Tanztees und Bälle
der Alliierten).
Den Festvortrag hielt die Richterin des
Bundesverfassungsgerichts, Renate Jaeger, zum Thema
"Solidarausgleich zwischen Wohl und Wehe - Haben Frauen teil am
Gemeinwohl?". Sie analysierte den Stellenwert des Begriffs
Gemeinwohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
mit dem (nicht) überraschenden Ergebnis, dass zwar zum Beispiel
der Abbau von Überkapazität bei Kornmühlen, nicht aber der
Beitrag, den Frauen zum Fortbestand der Gesellschaft insbesondere
durch Übernahme der Erziehungsarbeit leisten, dem gemeinen Wohl
diene. Frauen hätten, so forderte Jaeger insbesondere den djb
auf, ihre Stimme nicht nur in der aktuellen Diskussion zu
erheben, sondern mit langem Atem und ohne Angst vor Wiederholung
ihren Anteil an den sozialen Sicherungssystemen laut und
beharrlich einzufordern. So wie für die Entstehung eines Kindes
ganz unzweifelhaft die Mitwirkung beider Geschlechter notwendig
sei, so unzweifelhaft sei auch die Verantwortung beider, also
aller, für die damit verbundenen Kosten und Lasten, die eben
deshalb nach dem Prinzip der Solidarität auch von allen zu tragen
seien.
Auf der Tagesordnung des Kongresses, der bis Sonntag, den 28.
September fortgesetzt wird, stehen unter anderem die Folgen, die
sich für Frauen aus der neuen EU-Verfassung ergeben. Der Kongress
wird sich außerdem intensiv mit Fragen der Gesundheitsreform
befassen. Dazu gehört auch die leidige Tatsache, auf die auch
Jaeger in ihrem Festvortrag eingegangen ist, dass Arzneimittel
nach wie vor ganz überwiegend an Männern getestet werden, obwohl
selbst das Bundesverfassungsgericht die biologische
Verschiedenheit von Männern und Frauen als gegeben voraussetzt.
Auch mit so heiklen Fragen wie der Pränatal- und
Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigen sich die
Expertinnen, die nicht nur Embryonen, sondern notwendig immer
auch Frauen betrifft.
Dem djb gehören rund 2.700 Juristinnen und Betriebs- und
Volkswirtinnen aus allen Bereichen der Politik, Justiz,
Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft an. Der Verband versteht
sich als Nachfolgeorganisation des 1914 gegründeten Deutschen
Juristinnenvereins, der die Zulassung von Frauen zu den
juristischen Berufen erkämpft hat.
26. September 2003