Pressemitteilung: 03-09


35. Kongress des Deutschen Juristinnenbundes (djb) am 25. 9. 2003 eröffnet

Pressemitteilung vom

 

 

Am Donnerstagabend eröffnete Margret Diwell, Präsidentin des djb,

im Plenarsaal des Kammergerichts im Beisein zahlreicher

Ehrengäste aus Politik, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft und

Verbänden den 35. Kongress des djb, der zusammenfällt mit dem 55.

Geburtstag der Vereinigung.

 

In ihrer Begrüßung hob sie hervor, dass die seit 1953 vom djb

geforderte Beseitigung des Ehegattensplittings noch immer nicht

eingelöst ist. Es sei noch immer ein wesentliches Hindernis für

Frauen nach der Familienphase in den Beruf zurückzukehren. Auch

aus der Arbeitslosigkeit führe der Weg über die Lohnsteuerkarte 5

nur dazu, dass das sichtbare Nettoeinkommen der Frauen häufig

noch unter dem Arbeitslosengeld liegt. Außerdem brandmarkte sie

die neuen Instrumente zur Beschönigung der Arbeitslosenstatistik,

Minijobs und Ich-AG, als Mittel, Frauen dauerhaft - bis hin zur

reduzierten Rente - von einer gesicherten wirtschaftlichen

Existenz auszuschließen.

 

Die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, bedankte sich

beim djb für dessen stets engagierte Einmischung in die

Rechtspolitik, die zwar nicht immer zum gewünschten Erfolg, aber

stets dazu führe, dass sich die Perspektive von Frauen in den

Ergebnissen der Gesetzgebungsverfahren zumindest niederschlage.

Als besonderen Erfolg hob sie hervor, dass es der djb war, der

mit seiner entsprechenden Forderung im Jahre 1998 dazu

beigetragen hat, dass im Statut über die Errichtung des

Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) Vergewaltigung als

Kriegsverbrechen anerkannt wurde. Außerdem erinnerte sie daran,

dass es Dank gemeinsamer Anstrengungen gelungen sei, in den

Entwurf für eine Verfassung der EU den Satz einzufügen: Frauen

und Männer sind gleichberechtigt.

 

Für das Land Berlin sprach Bürgermeisterin und Justizsenatorin

Karin Schubert, die sich - wie im übrigen alle Rednerinnen des

Abends - auch als Mitglied des djb an die Gäste wandte. In der

Sache ging sie vor allem auf Handlungsbedarf - auch für den djb -

im Bereich des Betreuungsrechts ein. Angesichts längerer

Lebenszeit sei es insbesondere für Frauen notwendig, dass sie für

den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit besser abgesichert

würden.

 

Die Präsidentin des Kammergerichts, Monika Nöhre, führte die

Gäste als Hausherrin durch die Geschichte des Plenarsaals mit

seinen dunklen (Schauprozesse des Volksgerichtshofs unter

Freisler), aber auch seinen heiteren Seiten (Tanztees und Bälle

der Alliierten).

 

Den Festvortrag hielt die Richterin des

Bundesverfassungsgerichts, Renate Jaeger, zum Thema

"Solidarausgleich zwischen Wohl und Wehe - Haben Frauen teil am

Gemeinwohl?". Sie analysierte den Stellenwert des Begriffs

Gemeinwohl in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

mit dem (nicht) überraschenden Ergebnis, dass zwar zum Beispiel

der Abbau von Überkapazität bei Kornmühlen, nicht aber der

Beitrag, den Frauen zum Fortbestand der Gesellschaft insbesondere

durch Übernahme der Erziehungsarbeit leisten, dem gemeinen Wohl

diene. Frauen hätten, so forderte Jaeger insbesondere den djb

auf, ihre Stimme nicht nur in der aktuellen Diskussion zu

erheben, sondern mit langem Atem und ohne Angst vor Wiederholung

ihren Anteil an den sozialen Sicherungssystemen laut und

beharrlich einzufordern. So wie für die Entstehung eines Kindes

ganz unzweifelhaft die Mitwirkung beider Geschlechter notwendig

sei, so unzweifelhaft sei auch die Verantwortung beider, also

aller, für die damit verbundenen Kosten und Lasten, die eben

deshalb nach dem Prinzip der Solidarität auch von allen zu tragen

seien.

 

Auf der Tagesordnung des Kongresses, der bis Sonntag, den 28.

September fortgesetzt wird, stehen unter anderem die Folgen, die

sich für Frauen aus der neuen EU-Verfassung ergeben. Der Kongress

wird sich außerdem intensiv mit Fragen der Gesundheitsreform

befassen. Dazu gehört auch die leidige Tatsache, auf die auch

Jaeger in ihrem Festvortrag eingegangen ist, dass Arzneimittel

nach wie vor ganz überwiegend an Männern getestet werden, obwohl

selbst das Bundesverfassungsgericht die biologische

Verschiedenheit von Männern und Frauen als gegeben voraussetzt.

Auch mit so heiklen Fragen wie der Pränatal- und

Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigen sich die

Expertinnen, die nicht nur Embryonen, sondern notwendig immer

auch Frauen betrifft.

 

Dem djb gehören rund 2.700 Juristinnen und Betriebs- und

Volkswirtinnen aus allen Bereichen der Politik, Justiz,

Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft an. Der Verband versteht

sich als Nachfolgeorganisation des 1914 gegründeten Deutschen

Juristinnenvereins, der die Zulassung von Frauen zu den

juristischen Berufen erkämpft hat.

 

26. September 2003