Stellungnahme: 25-10


zur Abschaffung der Sächsischen Sonderregelung für „Gendersprache“ in Gesetzestexten

Stellungnahme vom

Das Sächsische Staatsministerium für Justiz veröffentlichte am 4. März 2025, damit vier Tage vor dem Internationalen Frauentag, eine Pressemitteilung, in der es die Abschaffung der „Gendersprache“ in Gesetzestexten ankündigte. In der Pressemitteilung heißt es:

„… Vor allem wurden – zur deutlichen Entlastung der Rechtssetzung – die sächsischen Sonderregeln für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache gestrichen. Diese zwangen bisher u.a. bei jeder Gesetzesänderung zur entsprechenden Umformulierung des gesamten Gesetzes, was dazu geführt hat, dass auf notwendige Gesetzesänderungen verzichtet wurde. Dieser enorme bürokratische Mehraufwand wird gestoppt. Der entstandene Normenstau kann nun abgebaut werden. Künftig sind in Sachsen nur noch die auch auf Bundesebene dafür geltenden Regeln anzuwenden, die insofern einen weiten Spielraum einräumen.  …“[1]

Die Ankündigung wurde in der Presse breit aufgegriffen. Gegner*innen einer geschlechtergerechten Sprache sahen sich bestätigt: Geschlechtergerechte Sprache führt zu Normenstau, enormer bürokratischer Mehraufwand wird zudem nun gestoppt.

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) hinterfragt im Folgenden diese Aussage. Im Ergebnis kritisiert der djb die Entscheidung des Freistaats Sachsen vehement, die Sonderregelung zur geschlechtergerechten Sprache in Gesetzestexten abzuschaffen.

1.

Dreh- und Angelpunkt ist die Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung über den Erlass von Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften (VwV Normerlass). In den derzeit noch bis zum 15. März 2025 geltenden Normerlassregelungen heißt es in der Anlage 2 I. Ziffer 2 f: „Die Rechtsnormen bringen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck, ohne jedoch die Verständlichkeit oder Klarheit des Rechtstextes zu beeinträchtigen.“[2]

In der nachfolgenden Regelung unter I. Ziffer 2 g steht: „Verlangen Formulare, die als Anlage einer Stammnorm angefügt sind, die Angabe des Geschlechts, ist die Auswahlmöglichkeit so vorzusehen, dass sämtliche nach dem Personenstandsgesetz zulässigen Möglichkeiten berücksichtigt werden.“[3]

Diese Regelungen werden durch den neuen Erlass aus dieser Anlage gestrichen.

Jedoch wird nun I. Ziffer 2 g der Anlage 2 geändert als II. Ziffer 12 f in den unmittelbaren Regelungstext gehoben wie folgt: „Verlangen Formularmuster, die einem Stammgesetz oder einer Stammverordnung als Anlage beigefügt sind, die Angabe des Geschlechts, ist die Auswahlmöglichkeit so vorzusehen, dass sämtliche nach dem Personenstandsgesetz zulässigen Möglichkeiten berücksichtigt werden.“[4]

2.

Damit ist in Bezug auf „Gendersprache“ festzustellen, dass die spezielle Regelung zu Geschlechtsidentitäten diesbezüglich weiterhin gilt.

Dies bedeutet, dass unter der Überschrift „Abschaffung Gendersprache“ allein die Formulierung zur sprachlichen Gleichstellung von Mann und Frau herausgenommen wurde.

Zwar verweist II. Ziffer 11 der neuen VwV auf das Handbuch der Rechtsförmlichkeit des Bundes. Dort wird in Rn. 318 die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern in Rechtsvorschriften benannt, aber gleichzeitig ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet. Eine Verpflichtung zur sprachlichen Gleichstellung durch Verwendung von Paarformulierungen (z.B. „Antragstellerinnen und Antragsteller“) fehlt hier. 

Dabei hat die Gleichstellung von Mann und Frau Verfassungsrang gemäß Art 3 GG und ist auch in der sächsischen Verfassung verankert wie folgt: „Artikel 8 Sächsische Verfassung: Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes.“[5]

3.

Staatsministerin Prof. Constanze Geiert, LL.M. führt in der erwähnten Pressemitteilung wörtlich aus:

„»Gesetzestexte müssen für die Menschen und die Wirtschaft vor allem verständlich sein. Die heute im Kabinett beschlossene Maßnahme leistet hierfür einen wichtigen Beitrag. Sie markiert den Beginn des notwendigen Bürokratieabbaus in Sachsen, den die Staatsregierung in dieser Legislaturperiode voranbringen wird. Komplizierte Vorschriften wie die sächsischen Sonderregeln für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache werden gestrichen und auf bundeseinheitliche Standards angepasst.“[6]

Betrachtet man die bald nicht mehr geltende Regelung („Die Rechtsnormen bringen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck, ohne jedoch die Verständlichkeit oder Klarheit des Rechtstextes zu beeinträchtigen.“)[7]  so wird deutlich, dass auch diese auf Rechtsklarheit abstellte, es also eben nicht – wie vom Sächsischen Justizministerium angekündigt – jetzt erst wieder zu mehr Verständlichkeit kommt.

4.

Ohne nähere Angaben wurde auf einen Normenstau und auf enormen Mehraufwand hingewiesen, die durch eine geschlechtergerechte Sprache entstehen würden. „Bürger“ beispielsweise durch „Bürgerinnen und Bürger“ zu ersetzen, kann so viel Aufwand nicht sein, vielmehr sollte dieser minimale Aufwand in Kauf genommen werden, da es der im Verfassungsrang stehenden Gleichstellung zwischen Männern und Frauen dient. Dass deswegen notwendige Gesetzesänderungen in Sachsen nicht durchgeführt wurden, ist nicht wirklich nachvollziehbar, sondern erscheint vorgeschoben.

Der insbesondere auch für die Unternehmen immer wieder geforderte Bürokratieabbau betrifft nicht Gleichstellungsregelungen, sondern ganz andere Bereiche wie Genehmigungsverfahren, Nachweispflichten etc. Es wird damit zu Unrecht der in einigen Bereichen tatsächlich notwendige Bürokratieabbau als Argument herangezogen, um Fortschritte im Bereich der Gleichstellung abzuschaffen.

Der djb kritisiert insbesondere, dass diese Vorgehensweise wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert, die wiederholt belegen, dass das generische Maskulinum nicht als geschlechtsneutrale Form wahrgenommen wird. Vielmehr zeigen Studien, dass Personen nicht automatisch mitgedacht werden, sondern geschlechtsspezifische Stereotype gefestigt und tradierte Ungleichheiten reproduziert werden.

 

 

 

Susanne Köhler
Landesverband Sachsen im djb

 

Dr. Stefanie Killinger
Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung

 

 


[1] Vgl. https://www.justiz.sachsen.de/smj/sonderregelung-fuer-gendersprache-in-gesetzestexten-wird-abgeschafft-9195.html

[2] Vgl.: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/14038.4#anl2

[3] Vgl.: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/14038.4#anl2

[4] Vgl.: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/21164#romII

[5] Vgl. : https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/3975-Verfassung#a8

[6] Vgl. https://www.justiz.sachsen.de/smj/sonderregelung-fuer-gendersprache-in-gesetzestexten-wird-abgeschafft-9195.html

[7] Vgl.: https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/14038.4#anl2