Policy Paper: 23-20


Reform des § 31 AufenthG

Policy Paper vom

I.    Anlass

§ 31 AufenthG regelt die Verlängerung der eigenständigen Aufenthaltserlaubnis von Ehepartner*innen nach einer Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Um nach einem Familiennachzug – beispielsweise der Ehefrau – nach Auflösung der Ehe eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, muss die eheliche Lebensgemeinschaft gem. § 31 Abs. 1 Nr.1 AufenthG drei Jahre im Bundesgebiet Bestand gehabt haben.

Eine solche Regelbestandszeit hat für Opfer von partnerschaftlicher Gewalt, deren Aufenthaltserlaubnis damit von dem anderen, gewaltausübenden Teil des Ehepaares abhängt, weitreichende Konsequenzen. Insbesondere gewaltbetroffene Frauen sind so über mehrere Jahre in einer Ehe mit ihrem gewalttätigen Ehepartner gefangen und stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm, ohne die Möglichkeit zu erhalten, sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben in Deutschland aufbauen zu können. Dies kann zu einer immensen psychischen und körperlichen Belastung bei der gewaltbetroffenen Frau führen. Die Frist und der durch sie erzwungene Verbleib in der gewaltvollen Ehe werden von ihr als ein „Opfer“ wahrgenommen, welches erbracht werden muss, um den eigenen Aufenthalt in der Bundesrepublik zu sichern. Auch eine räumliche Trennung ist nicht ohne weiteres möglich, ohne den Aufenthalt zu gefährden.

Nachdem die Vorbehalte gegen Art. 59 Abs. 2 und 3 Istanbul-Konvention (IK) weggefallen sind und die Bundesregierung an ihrer Aussage einer vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention festhält,[1]  braucht es eine Reform des § 31 AufenthG, um den internationalen Vorgaben gerecht zu werden.

Die jetzige Härtefallklausel in § 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 AufenthG, die eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf der dreijährigen Regelbestandszeit zur Vermeidung einer besonderen Härte gerade auch für Betroffene häuslicher Gewalt vorsieht, genügt Art. 59 Abs. 1 IK nicht. Sie weist zu viele Schutzlücken auf, weil sie eine strenge Kausalität zwischen Gewalteinwirkung und Trennung verlangt,[2] die Schwelle für das Maß der Gewalt zu hoch gelegt wird,[3] sie Frauen ausschließt, denen noch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war oder deren Ehepartner*in nur über eine Aufenthaltserlaubnis für einen zeitlich begrenzten Zweck verfügt (§ 31 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) und weil sie den Frauen die volle Beweislast für das Geschehen aufbürdet.[4] Auch verlangen Behörden und Gerichte eine Kausalität zwischen einem konkreten Vorfall häuslicher Gewalt und der Trennung; die Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft sei dann zumutbar, wenn die Trennung nicht von der Gewaltbetroffenen ausging oder das Zusammenleben nach einem Gewaltvorfall fortgesetzt würde. Diese Beispiele verdeutlichen, dass es bei den Rechtsanwender*innen an einem Gespür für die realen Abhängigkeitsverhältnisse mangelt und sie die Bedürfnisse der betroffenen Frauen aus dem Blick verlieren. Die Komponente der psychischen Gewalt bleibt völkerrechtswidrig in der Praxis bisher weitestgehend unberücksichtigt.

Auch der 2022 erschienene GREVIO-Bericht fordert Deutschland dazu auf, allen Frauen in Deutschland die Möglichkeit zu geben, eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis zu beantragen.[5] Die Problematik der Härtefallklausel stellt sich auch, weil die Praxis der Ausländerbehörden – entgegen der bereits jetzt bestehenden rechtlichen Vorgaben – überhöhte Ansprüche an den Nachweis der Gewaltbetroffenheit stellt. So werden meist schriftliche Beweisdokumente verlangt, insbesondere ärztliche Atteste zum Nachweis einer Körperverletzung oder der Nachweis einer Strafanzeige gegen den Ehemann. Zurückliegende Verletzungen können jedoch oft nicht mehr dem Gewaltgeschehen zugeordnet werden, psychische Gewalt, Freiheitsberaubung und sonstige Gewaltformen bleiben unberücksichtigt.[6] Die Einleitung eines Strafverfahrens kann in manchen Situationen die Bedrohungslage für die Frau erheblich verschärfen oder zu familiärer und gesellschaftlicher Ächtung führen und kann der Gewaltbetroffenen deshalb nicht immer zugemutet werden. Bereits innerhalb einer Ausländerbehörde werden teilweise unterschiedliche „Beweismittel“ je nach Sachbearbeiter*innen oder nach Staatsangehörigkeit einer Person verlangt.[7] 

 

II.   Lösungsvorschläge

Um die aufgezeigten Probleme zu lösen, bedarf es einer eigenständigen Aufenthaltserlaubnis für die nachgezogene gewaltbetroffene Person für zunächst zwei Jahre unabhängig vom Bestand oder der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft.

Darüber hinaus muss eine Anpassung der Regelbestandszeit und eine Konkretisierung der Härtefallklausel erfolgen.

 

  1. Dauer der Verlängerung und eigenständige Aufenthaltserlaubnis

Die Akzessorietät zwischen der Aufenthaltserlaubnis des einen Teils des Ehepaares und dem nachgezogenen Teil ist das Kernproblem des § 31 AufenthG. Es lässt ein Machtgefälle – zumeist zuungunsten der Ehefrau – entstehen, was in Beziehungen ein enormes Missbrauchspotential zur Folge hat und Frauen in solchen Beziehungen dem*der Partner*in ausliefert. Die Stärkung einer autonomen Aufenthaltsposition und damit das Selbstbestimmungsrecht der Frau muss hier als Mittel der Prävention gegen häusliche Gewalt gesehen werden.

Um diese Problematik zu entschärfen, ist dem zugezogenen Teil des Ehepaares nach Ablauf einer Ehebestandszeit von einem Jahr im Bundesgebiet ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen.

Zu streichen ist auch die aktuell in § 31 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enthaltene Ausschlussklausel für Partner*innen von Personen mit einem zweckgebundenen befristeten Aufenthaltsrecht. Die Art des Aufenthaltsrechts des*der Partner*in darf die Verselbständigung des Aufenthaltsrechts nicht blockieren. Die Ablösung aus der aufenthaltsrechtlichen Abhängigkeit ist Teil der Umsetzung des in der Istanbul-Konvention verankerten staatlichen Schutzauftrags. Gewaltbetroffene Frauen sind auf den sicheren Verbleib, den Schutz und die Unterstützung in Deutschland angewiesen, selbst wenn sie ursprünglich eine gemeinsame Rückkehr mit ihrer*m Ehepartner*in geplant hatten.

Grundsätzlich muss die gewaltbetroffene Person gem. § 31 Abs. 4 AufenthG ein Jahr nach der Trennung die Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes vornehmen können, um eine weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Ein solcher Verzicht auf die Sicherung des Lebensunterhalts von aktuell nur einem Jahr ist deutlich zu kurz. Im Rahmen von partnerschaftlicher Gewalt sind die gewaltbetroffenen Personen häufig traumatisiert und müssen ihr Leben, das in vielen Fällen Kinder miteinschließt, neu sortieren. Aus diesem Grund ist eine Erteilung der ersten eigenständigen Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre festzulegen.

Auch über diese zwei Jahre hinaus muss für Alleinerziehende mit Kindern und für von häuslicher Gewalt besonders stark betroffene Personen die Möglichkeit der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in Form eines Anspruchs eröffnet werden, auch wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern können. Bisher findet sich hier nur eine weite Ermessensregelung.[8]

 

  1. Regelbestandszeit

Ergänzend sollte die Regelbestandszeit der Ehe und der ehelichen Lebensgemeinschaft heruntergesetzt werden. So kann verhindert werden, dass von partnerschaftlicher Gewalt betroffene Personen in ihrer Beziehung gefangen sind, weil bis zum Ablauf der Bestandszeit jede Trennung zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen kann, wenn die Beweggründe in einer nachträglichen behördlichen Bewertung nicht als ausreichend anerkannt werden. Die Anknüpfung an die eheliche Lebensgemeinschaft im Unterschied zu der im EU-Recht üblichen Ehebestandszeit (§ 3 Nr. 4 FreizügG/EU) führt auch zur Ungleichbehandlung von Drittstaatler*innen, je nachdem, mit wem sie verheiratet sind, und damit zu Unklarheiten und Verunsicherungen bei vorübergehenden Trennungen, Frauenhausaufenthalten und sogar bei doppelter Haushaltsführung aus beruflichen Gründen.

Darüber hinaus sollte für den Bestand der Ehe nicht allein die Bestandszeit im Raum der Bundesrepublik, sondern in der gesamten Europäischen Union berücksichtigt werden. Auf die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung hat der djb bereits in seiner Stellungnahme zum Referent*innenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“ hingewiesen.[9] 

Die erforderliche Mindestdauer der Ehe im Bundesgebiet – unabhängig von ihrem Bestand im Ausland – hat erhebliche Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit der gewaltbetroffenen Personen. Diese Konsequenz der Regelbestandszeit steht in keinerlei Verhältnis zu ihrem Sinn und Zweck, denn zur Vermeidung von „Scheinehen“ genügt ein kurzer Bestand der Ehe im Bundesgebiet. Dieses Argument kann auch zu keinem Zeitpunkt die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG aushebeln. Mit einer Regelbestandszeit von drei Jahren Lebensgemeinschaft und einer in der Praxis nicht funktionierenden Härtefallklausel duldet der Staat Gewalt – in Form von partnerschaftlicher Gewalt – im eigenen Bundesgebiet, da durch staatliche Regelungen gewaltbetroffene Frauen von einer Trennung abgehalten werden. Darüber hinaus greift er in das selbstbestimmte Recht einer jeden Person ein, frei über das Festhalten an der eigenen Ehe zu entscheiden. Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen und ihr Aufenthaltsrecht von einem*einer Ehepartner*in ableiten, können sich, wenn sie im Bundesgebiet bleiben wollen, trotz Trennungswunsch kein eigenes selbstbestimmtes Leben in Deutschland aufbauen.

 

  1. Härtefallregelung

Die Härtefallklausel in § 31 Abs. 2 AufenthG bedarf der Klarstellung, dass die Merkmale des § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG eine konsequente Anwendung verlangen, ohne eine abschließende Aufzählung zu enthalten.

Insbesondere die Auslegung des Begriffs der „Unzumutbarkeit“ bereitet in der Praxis Schwierigkeiten, sodass der Gesetzgeber aufgefordert ist, insoweit nachzujustieren.

Dies kann durch eine Klärung des Begriffs der „häuslichen Gewalt“ gelingen, welcher in der Praxis uneinheitlich ausgelegt wird. Um den Vorgaben der Istanbul-Konvention – als im Range eines Bundesgesetzes geltendes Völkerrecht, zu deren Umsetzung auch die Bundesländer verpflichtet sind[10] – gerecht zu werden, ist die Definition aus Artikel 3 lit. b der Istanbul-Konvention[11] als Legaldefinition in § 2 des AufenthG zu übernehmen. So kann einer willkürlichen Auslegung entgegengewirkt werden.

Neben einem einheitlichen Gewaltbegriff wird dem Untersuchungsgrundsatz in der Praxis nicht hinreichend Rechnung getragen. Es kann hier nicht an der gewaltbetroffenen Person liegen, in aller Ausführlichkeit den Behörden die Gewalttat zu beweisen, welche dann die Zumutbarkeit am Festhalten der Ehe beurteilen. Partnerschaftliche Gewalt findet im Näheverhältnis einer Zwei-Personen-Konstellation statt, in der sich die Täter*innen nur allzu bewusst über die Schwierigkeit der Nachweisbarkeit und ihrer daraus resultierenden Machtstellung sind. Auch eine Abhängigkeit zu einer Strafantragsstellung, einer Strafanzeige oder gar eines abgeschlossenen Strafverfahrens darf nicht bestehen. Aus diesem Grund braucht es durch den Gesetzgeber die Klarstellung, dass die häusliche Gewalt lediglich dargelegt werden muss. Die betroffene Person muss also gegenüber der Behörde angeben, dass sie Opfer häuslicher Gewalt geworden ist und diese plausibel darlegen. Dass eine besondere Härte lediglich plausibel dargelegt werden muss, findet sich auch in der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz in 31.2.4. wieder.[12] Da eine konsequente und einheitliche Anwendung nicht stattfindet, bedarf es einer formell gesetzlichen Klarstellung. Sollte die Behörde Zweifel an der Darlegung der gewaltbetroffenen Person haben, so kann sie von ihr niedrigschwellige Nachweise der partnerschaftlichen Gewalt, wie ärztliche Atteste oder Krankenhausberichte über psychische oder psychische Verletzungen, Aufnahmebestätigungen eines Frauenhauses und Stellungnahmen von Frauen- und Opferberatungsstellen, verlangen.[13] Dabei ist die Aufzählung der möglichen Nachweise nicht abschließend. Ein solcher Nachweis darf von der Behörde hingegen nicht gefordert werden, wenn eine dringende Schutzbedürftigkeit der von der Gewalt betroffenen Person besteht. Sie trifft hingegen zu keinem Zeitpunkt eine Beweispflicht. Nur so kann Personen in einer gewaltvollen Beziehung geholfen werden, ohne sie einem gegebenenfalls retraumatisierenden Verwaltungsprozess auszusetzen. Das Aufenthaltsrecht sollte nicht von strafrechtlichen Entscheidungen abhängig sein, da diese dem „in dubio pro reo“ Grundsatz Rechnung tragen müssen. Hier sind das Aufenthaltsrecht und das Strafrecht klar voneinander abzugrenzen. Die Entscheidung, ob und wie mögliche Täter*innen zu bestrafen sind, liegt bei den Strafgerichten und ist in einem Strafverfahren zu klären. Bei der Entscheidung über das eheunabhängige Aufenthaltsrecht geht es hingegen um eine effektive Hilfe bei der Ermöglichung des Verlassens der Beziehung ohne eine vom Staat geschaffene zusätzliche Abhängigkeit zum anderen Teil des Ehepaares als Hindernis.

In den aufenthaltsrechtlichen Schutz müssen auch Personen einbezogen werden, bei denen es nach der Einreise, aber bereits vor der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis zu einer Trennung von ihrer*m Parter*in kommt. Denn die gesetzgeberische Pflicht zum Schutz gewaltbetroffener Personen kann und darf nicht in Abhängigkeit zu verwaltungsrechtlichen Vorgängen stehen, auf die sie selbst keinen Einfluss haben. Ziel muss es sein, dem gewaltbetroffenen Teil des Ehepaares schnellstmöglich die Möglichkeit einer Abwendung von der Beziehung zu ermöglichen.

 

  1. Darüberhinausgehende Forderungen

Für einen effektiven Schutz von Frauen vor partnerschaftlicher Gewalt muss die IK als Auslegungsgrundlage konsequent berücksichtigt werden. Das bedeutet auch, dass Schulungen zu geschlechtsspezifischer Gewalt für Entscheidungsträger*innen bei Behörden durchgeführt und eine einheitliche Anwendung des § 31 AufenthG sichergestellt, werden. Bei diesen Schulungen dürfen Diversitätsaspekte nicht unberücksichtigt bleiben, sodass eine Sensibilität für kulturelle und gesellschaftspolitische Bedürfnisse der Frauen geschaffen wird. Auch die frühzeitige Einbeziehung von Organisationen, die gewaltbetroffene Personen unterstützen und psychosoziale Beratung durchführen, ist wünschenswert. Darüber hinaus müssen Personen, die Gewalterfahrungen innerhalb der Beziehung machen, umfassend über ihre Rechte und damit auch jenem aus § 31 AufenthG informiert werden. Hier könnte, wie bei der Anerkennung im Asylverfahren, bereits bei Erteilung des Visums ein Merkblatt über die Rechte und Pflichten in Deutschland verteilt werden.

Zur konsequenten Auslegung der IK gehört auch die Anerkennung von psychischer und ökonomischer Gewalt als Formen der häuslichen Gewalt.[14] Wie bereits dargestellt, fehlt es in der Praxis an einem Verständnis von diesen Arten der Gewalt. So werden soziologische Komponenten von häuslicher Gewalt, wie das grundsätzliche Gewaltverhältnis mit seinen Kontroll- und die freiheitbeschränkenden Ausprägungen nicht berücksichtigt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass auch psychische Komponenten in der behördlichen Einschätzung von häuslicher Gewalt konsequent berücksichtigt werden müssen.

Des Weiteren wird angeregt den Terminus „Ausländer“ durch den Begriff „Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit“ grundsätzlich zu ersetzen.[15]

 

III.  Forderungen

Der djb fordert:

  • die Herabsetzung der Ehebestandszeit auf ein Jahr; maßgebend hierfür ist der Bestand in der Europäischen Union und nicht allein in der Bundesrepublik.
  • nach Ablauf einer Ehebestandszeit der gewaltbetroffenen Person ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen.
  • die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis um zwei Jahre anstatt um ein Jahr.
  • Übernahme der Definition der häuslichen Gewalt aus Artikel 3 lit. b der Istanbul-Konvention[16] als Legaldefinition in § 2 des AufenthG.
  • Konsequente Berücksichtigung der Istanbul-Konvention als Auslegungsgrundlage.
  • Klarstellung im Gesetzestext, dass es lediglich einer „Darlegung“ der häuslichen Gewalt bedarf.

 

 









Impressum
Herausgeber: Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)

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Verantwortlich: Prof. Dr. Leonie Steinl, LL.M. (Vorsitzende der Kommission für Strafrecht)

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AG Dortmund, Vereinsreg.-Nr.: 1444

 

Berlin, 2023

 


[1]BMFSFJ - Ministerin Paus: „Ich stehe zur vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul-Konvention, zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[2] BT-Drs. 14/2368, S.4; VG München v. 21.2.2013 – M 12 K 12.4701, Rn. 33: „Sie berichtet zwar von Situationen gegen Ende 2010, im Frühjahr 2011 und im Frühjahr 2012, in denen es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit dem Ehemann und Beschimpfungen kam… Aus einer Rückkehr in die gemeinsame Wohnung und dem Verzicht auf Stellung eines Strafantrags ergibt sich, dass die Voraussetzung der Unzumutbarkeit des Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erfüllt war…“.

[3] VG München v. 26.2.2019 - M 4 K 17.5983, Rn. 34: Dies setzt voraus, dass der Ehepartner Opfer von Übergriffen geworden ist, die zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen seiner Gesundheit, seiner körperlichen oder psychischen Integrität oder seiner Bewegungsfreiheit geführt haben… Lediglich gelegentliche Ehestreitigkeiten, Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten, grundlose Kritik und Kränkungen, die in einer Vielzahl von Fällen trennungsbegründend wirken, können für sich genommen noch nicht dazu führen, dass das Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist.“, so auch: OVG Bautzen v. 12.1.2018 – 3 B 325/17, Rn. 22; OVG Niedersachsen-Bremen v. 29.11.2011 – 8 ME 120/11; BayVGH v. 6.3.2006 – 24 C 06.371.

[4] Schattenbericht 2021, DaMigra S. 27, mit Fallbeispielen: abrufbar unter: https://www.damigra.de/wp-content/uploads/DaMigra_GREVIO-Schattenbericht_2021.pdf;  Bündnis Istanbul-Konvention, Alternativbericht zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Februar 2021, S. 176, 177.

[5] GREVIO’s (Basis) Evaluierungsbericht über gesetzliche und weitere Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) DEUTSCHLAND; Rn.351. Abrufbar unter: Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (bmfsfj.de), zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[6] „Gerade bei (behaupteten) psychischen Misshandlungen durch den Ehepartner müsse bezüglich deren Intensität und Dauer ein Ausmaß erreicht worden sein, welches von einem unvoreingenommenen Betrachter als Misshandlung bezeichnet werden könne. Dies sei im Fall „bloßer Gemeinheiten“ etwa nicht der Fall. Die Antragstellerin habe zwar geltend gemacht, psychische Gewalt seitens ihres Ehemannes erfahren zu haben. Sie habe gegen diesen allerdings kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Aus den von ihr vorgelegten ärztlichen Berichten gehe hervor, dass sie eine schwere depressive Episode durchlebt habe oder noch durchlebe, zu der ihr Ehemann beigetragen habe, weil er wegen ihrer aufenthaltsrechtlichen Abhängigkeit Druck auf sie ausgeübt habe. …Insgesamt erwecke der Ehemann nicht den Eindruck, dass ausschließlich er der Grund zur Beendigung der Beziehung gewesen sei. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die psychische Erkrankung der Antragstellerin andere Ursachen habe. Es werde insgesamt eingeschätzt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wegen unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten aufgehoben worden sei. Atteste oder ärztliche Gutachten, die eine physische oder psychische Misshandlung der Antragstellerin durch ihren Ehemann dokumentierten, lägen nicht vor.“ (Argumentation der Ausländerbehörde, zitiert nach VG Dresden, Beschluss v. 12.7.2021 - 3 L 202/21).

[7]  Schattenbericht 2021, DaMigra S. 27, mit Fallbeispielen: abrufbar unter: https://www.damigra.de/wp-content/uploads/DaMigra_GREVIO-Schattenbericht_2021.pdf; Bündnis Istanbul-Konvention, Alternativbericht zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, Februar 2021, S. 177.

[8] Zur Auslegung dieser vgl.: Nr. 31.4.2. der Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (Abrufbar unter: https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf, zuletzt aufgerufen am 05.07.2023).

[9] Abrufbar unter: https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/presse/stellungnahmen/st23-08_GE_Fachkraefteeinwanderung.pdf, zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[10] Djb, Stn 18/15 vom 3. September 2018.

[11] Hiernach bezeichnet der Begriff „häusliche Gewalt“ alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.

[12] abrufbar unter.: https://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf, zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[13] Ähnliche Anforderungen finden sich in dem gemeinsamen Rundschreiben des BMI und des BMFSFJ zur Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes in Gewaltschutzfällen. Abrufbar unter: BMI_BMFSFJ_Wohnsitzrglng_Gewaltschutz_14-02-2020.pdf (nds-fluerat.org), zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[14] Näheres zur psychischen Gewalt u. a. im Kontext häuslicher Gewalt:  Dilken Çelebi in: Gender & Crime Geschlechteraspekte in Kriminologie und Strafrechtswissenschaft 2022, S. 55.

[15] Vgl auch: Stellungnahme des djb zum Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“; abrufbar unter: https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/presse/stellungnahmen/st23-08_GE_Fachkraefteeinwanderung.pdf, zuletzt aufgerufen am 05.07.2023.

[16] Hiernach bezeichnet der Begriff „häusliche Gewalt“ alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen beziehungsweise Partnern vorkommen, unabhängig davon, ob der Täter beziehungsweise die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte.