Stellungnahme: 22-23


zum Referentenentwurf des BMFSFJ und des BMI „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung (Demokratiefördergesetz – DFördG)“

Stellungnahme vom

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme und begrüßt das Gesetzesvorhaben. Der djb begrüßt insbesondere, dass der Referentenentwurf in der Problembeschreibung unter A. ausdrücklich Ideologien gegen Geschlechtergerechtigkeit sowie Sexismus als Bedrohungen für das friedliche Zusammenleben beschreibt und die politische Bedeutung ihrer Bekämpfung hervorhebt.

Frauenpolitisch begrüßenswertes Anliegen

Mit dem Gesetzentwurf wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich Demokratiegefährdungen in besonderem Maße zu Lasten von Frauen und ihrer demokratischen Teilhabe auswirken. Neben Sexismus als offensichtliche Demokratiegefährdung zu Lasten von Frauen betrifft dies auch rechtsradikale Einstellungen und Aktivitäten von bzw. für Frauen, die sich z.B. in Ideen wie dem „nationalen Feminismus“ manifestieren. Insoweit besteht eine Verbindung von Sexismus und Rechtsextremismus, die es im Blick zu haben gilt.

Zudem sind die Öffentlichkeit und insbesondere das Internet mit seiner Anonymität kein sicherer Raum für Frauen und ihre außerparlamentarische demokratische Teilhabe. Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich äußern, sind in besonderem Maße Diffamierungen und Beleidigungen ausgesetzt, gerade im Internet, das insoweit als „Radikalisierungsmaschine“ fungiert.

Diesen Demokratiegefährdungen effektiv entgegenzuwirken ist eine wesentliche Aufgabe des Staates, die in der Zivilgesellschaft ihre Ergänzung findet. Mit dem Gesetzentwurf stärkt der Staat das Engagement der Zivilgesellschaft und kommt damit zugleich seiner eigenen Aufgabe nach. 

Aus frauenpolitischer Sicht gibt der Gesetzentwurf aus Sicht des djb bei alldem vereinzelt Anlass für Anpassungen:

Zu § 1 Absatz 1 – Explizite Einbeziehung von Geschlecht und Geschlechteridentität

Der djb bedauert, dass die Belange von Frauen keine ausdrückliche Aufnahme in den Gesetzestext gefunden haben. Aus gesetzestechnischer Sicht ist es verständlich, möglichst umfassende Oberbegriffe zu nutzen; die gewählten Oberbegriffe erfüllen diesen Zweck.

Der Aspekt der geschlechtsbezogenen Diskriminierung sowie die Ebene des Geschlechts und der Geschlechteridentität gehen nach unserem Verständnis in den Begriffen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sowie Vielfalt auf (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2 Nr. 3 bis 6, 3 Abs. 3 DFördG-E). Dass aber frauenpolitischen Belangen durch eine explizite Nennung besser Rechnung getragen wird, zeigen die Reformdiskussionen um § 46 StGB, der über die bereist genannte „menschenverachtende“ Gesinnung hinaus entsprechend ergänzt werden soll.

Zudem werden der Begriff der Vielfalt und insbesondere das Begriffspaar „Vielfalt und Teilhabe“ (§ 1 Abs. 2 DFördG-E) im allgemeinen Sprachgebrauch häufig mit Herkunft und Nationalität und nicht (auch) mit Geschlecht assoziiert. Der djb regt deshalb an, in der Gesetzesbegründung unter B. Zu § 1 Absatz 1 den Begriff der Vielfalt zu definieren. Die Ebene des Geschlechts und der Geschlechteridentität sollte dabei ausdrücklich aufgenommen werden.

Bei dieser Gelegenheit könnte an gleicher Stelle auch der Begriff des Extremismus definiert werden.

Zu § 4 Absatz 1 – Neudefinition des Begriffs des Bundesinteresses

Aus unserer Sicht muss sichergestellt sein, dass Maßnahmen Dritter, die der Bekämpfung von geschlechtsbezogener Diskriminierung und der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit dienen, förderfähig sind. Dies ist bei der derzeitigen Definition des Begriffs des Bundesinteresses in § 4 Abs. 1 Satz 1 DFördG-E nicht der Fall.

Nach dieser Regelung steht die Förderung unter dem Vorbehalt, dass u.a. ein erhebliches Bundesinteresse besteht. Der Begriff des Bundesinteresses wird in der Gesetzesbegründung unter B. Zu § 4 Absatz 1 wie folgt definiert: „Ein erhebliches Interesse des Bundes liegt vor, wenn die Umsetzung der Maßnahme der Aufgabenstellung und Zielsetzung des Bundes in besonderem Maße dienlich und dabei zu erwarten ist, dass mit möglichst geringen Mitteln ein optimaler Erfolg erzielt wird. Dies ist jedoch nur dann gegeben, wenn der angestrebte Zweck nicht durch eigene Verwaltungsbehörden, sondern gerade von Stellen außerhalb der Bundesverwaltung erfüllt werden kann.“

Die Formulierung im ersten Satz, nach der ein optimaler Erfolg erzielt werden solle, legt eine in der Praxis kaum gegebene Messbarkeit der Wirksamkeit einer Maßnahme bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nahe und stellt damit überhöhte, letztlich nicht zu erfüllende Anforderungen. Gemeint dürfte nach unserem Verständnis der haushälterische Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 Abs. 1 BHO) sein; die Definition sollte entsprechend gefasst werden.

Aus dem zweiten Satz ergibt sich ein problematischer Vorranggrundsatz zugunsten der Bundesverwaltung. Dieser wird durch die Formulierung „erfüllt werden kann“ noch verstärkt, ohne dass berücksichtigt wird, dass für weitere Maßnahmen im Einzelfall insbesondere Personal zur Verfügung gestellt werden müsste, das bei Dritten möglicherweise bereits vorhanden ist. Auch wird nicht auf die Ausführung einer konkreten Maßnahme durch eine Bundesbehörde, sondern auf die Erfüllung ihres Zwecks abgestellt. Damit entsteht ein umfassender Vorbehalt zugunsten der Bundesverwaltung.

Daran gemessen ist fraglich, ob Maßnahmen zur Förderung von Belangen von Frauen überhaupt förderfähig sein können, weil für diese das BMFSFJ zuständig ist und der Zweck demnach durch eine Bundesbehörde erfüllt werden kann.

Der djb regt an, die Definition des Begriffs des Bundesinteresses zu überprüfen, und schlägt folgende Fassung vor:

„Ein erhebliches Interesse des Bundes liegt vor, wenn die Umsetzung der Maßnahme der Aufgabenstellung und Zielsetzung des Bundes in besonderem Maße dienlich ist und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Maßnahme oder eine vergleichbare Maßnahme mit gleicher Wirkung bereits durch Bundesbehörden umgesetzt wird.“

 

Prof. Dr. Maria Wersig

PD Dr. Sina Fontana, MLE.

Präsidentin

Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht, Öffentliches Recht, Gleichstellung