Stellungnahme: 21-22


zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Schwangerschaftskonfliktgesetz (durch Kabinettsbeschluss vom 30. August 2021 gebilligter und festgestellter Gesetzentwurf, Drs. 20/6334)

Stellungnahme vom

Der Landesverband Hessen des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem vorgelegten Gesetzentwurf.

Die Rahmenbedingungen für das Gesetz sind durch die fortbestehende Problematik rund um die Schwangerschaftskonfliktberatung geprägt. Der djb hat bereits am 26. Juli 2019 in seiner Stellungnahme[1] zum Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE zum Hessischen Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch (Drs. 20/384 vom 22. März 2019) verdeutlicht, dass es zum besseren Schutz der betroffenen Frauen unabdingbar sein dürfte, Gehsteigbelästigungen und andere Beeinträchtigungen der ungewollt Schwangeren durch Gesetze (auch) auf Bundesebene zu unterbinden. Hier bleibt – wie auch bei der nach wie vor unzulänglichen Fassung des § 219a StGB[2]– noch Handlungsbedarf.

Der vorliegende Gesetzentwurf befasst sich mit den in Hessen vorgehaltenen Beratungsmöglichkeiten. Die Stellungnahme konzentriert sich daher auf einige darin vorgeschlagenen Änderungen des Gesetzes, das in jedem Fall einer Fortschreibung bedarf.

§ 1 Sicherstellung der Beratung

Der djb begrüßt den Plan, ein Verzeichnis mit den Kontaktdaten der nach dem vorliegenden Gesetz geförderten Beratungsstellen öffentlich zugänglich zu machen. So lange der Gesetzgeber die Beratung von Schwangeren in § 218a Abs. 1 Nr. 1 StGB nach wie vor als zwingende Voraussetzung für die Straflosigkeit eines Abbruchs vorsieht, muss ungewollt Schwangeren ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Verfügung stehen. Da Beratungsstellen wie Ärzt:innen nach wie vor durch Einzelpersonen belästigt werden, die Anzeigen wegen (vermeintlicher) Verstöße gem. § 219a StGB erstatten, haben diese im Prinzip kein Interesse daran, selbständig auf Websites oder in anderer geeigneter Form darauf hinzuweisen, dass sie Beratungen anbieten. Hier kann ein öffentlich zugängliches Register daher abhelfen und es Frauen erleichtern / ermöglichen, eine wohnortnahe, geeignete Beratungsstelle zu finden und auf diese Weise auch den Zugang zu Informationen zu gewährleisten.

Mit der Veröffentlichung eines derartigen Verzeichnisses geht zwar auch für die benannten Anzeigeerstatter eine erleichterte Auffindbarkeit von Beratungseinrichtungen einher, die dann ggf. mit unberechtigten Strafanzeigen rechnen müssen. Dieser Aspekt tritt nach Auffassung des djb allerdings hinter den Vorteilen für die unter Zeitdruck recherchierenden schwangeren Frauen zurück. Es muss vor dem Hintergrund der gerade auch vor Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen fortbestehenden Gehsteigbelästigungen nach Auffassung des djb dringend auf Bundesebene für eine geeignete Schutzregelung für die Beratungsstellen gesorgt werden.[3]

§ 2 Versorgungsschlüssel und Versorgungsgebiet

Die geplante Änderung des § 2 Abs. 2 ist nach Auffassung des djb kontraproduktiv. Danach soll der Anteil von staatlich anerkannten Ärzt:innen nach § 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes an geförderten Beratungsstellen nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes zukünftig 15 Prozent nicht mehr überschreiten, während es bislang bis zu 20 Prozent sein durften.

Nach der Gesetzesbegründung gewährleistet (auch) diese reduzierte Quote die gesetzlich vorgeschriebene Pluralität des Beratungsangebots. Wenn es auch nicht zu beanstanden sein dürfte, dass der Gesetzgeber eine Pluralität des Beratungsangebotes sicherstellen möchte, so fragt sich, wie eine Einschränkung des Angebots durch Ärztinnen und Ärzte hier hilfreich sein sollte. Es steht zu befürchten, dass die dergestalt freiwerdenden 5 Prozent von neuen/alten Beratungs(personal)stellen übernommen werden, die nicht vorbehaltlos ergebnisoffen beraten oder es durch diese Reduzierung zu einer weiteren regionalen Verknappung der Beratungsangebote kommt.

Der djb lehnt die in § 218, 219 StGB verankerte Pflicht zur Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch in der gegenwärtigen Fassung im Grundsatz ab.[4] § 219 StGB schreibt hier ohnehin vor, wie eine Beratung ausgestaltet sein soll. Die Beratung dient nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift „dem Schutz des ungeborenen Lebens“. Sie hat sich – so der weitere Wortlaut – vornehmlich an der Ermutigung zur Fortführung der Schwangerschaft zu orientieren und gleichzeitig soll sie Grundlage einer verantwortlichen und gewissenhaften Entscheidung sein. Betont wird dabei insbesondere das in jedem Stadium bestehende Recht des Ungeborenen auf Leben, was auch gegenüber der Schwangeren bestehe. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen.

Nach § 5 Schwangerschaftskonfliktgesetz ist die Beratung zwar ergebnisoffen zu gestalten und setzt voraus, dass Schwangere als verantwortungsvolle Personen handeln. Dennoch genießt der Schutz ungeborenen Lebens Priorität im Rahmen der Beratung gem. § 5 Schwangerschaftskonfliktgesetz. An diese gesetzgeberischen Vorgaben sind alle Beratungsstellen gebunden, also auch die Ärzt:innen, die nach §§ 8 – 10 Schwangerschaftskonfliktgesetz als Beratungsstellen anerkannt und berichtspflichtig sind.

Von einer freien Beratung, deren Inhalte die Beratungsstelle nach eigenem Gutdünken wählt, ist die Gesetzeslage daher weit entfernt. Da beratende Ärzt:innen ohnehin als Personen ausscheiden, die den Abbruch vornehmen (§ 219 Abs. 2 S. 3 StGB), sind sie als Beratungspersonen in jeder Hinsicht nach Durchlauf des Zertifizierungsverfahrens nach §§ 8, 9 Schwangerschaftskonfliktgesetz geeignet. Anders als nicht ärztliche Beratungsstellen können Ärzt:innen jedoch im Rahmen ihrer Beratung zusätzlich nach Eindruck der Schwangeren kompetent über die medizinische Seite eines Abbruchs beraten; eine Beratung auch dazu steht nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz der Schwangeren zu. Eine Schwangere wird in der vertrauensvollen Atmosphäre einer Arztpraxis die Beratung zu diesen Themen als besonders hilfreich empfinden. Die Zurückdrängung des Anteils von Ärzt:innen an der Schwangerenberatung würde daher diese aus Sicht der betroffenen Frauen vorteilhafte Ergänzung des Beratungsangebots bei weniger Beratungsstellen als bisher ermöglichen. Auch vor dem Hintergrund der regionalen Erreichbarkeit ist eine hohe Quote von Ärzt:innen eher als positiv als negativ anzusehen.

§ 5 Höhe der Erstattung für die Beratung durch kommunale Träger und ärztliche Beratungsstellen

Die geplante Erhöhung der Vergütung für eine Konfliktberatung geht in die richtige Richtung, dürfte aber für die zulässig wirtschaftlich arbeitenden Stellen nach wie vor nicht auskömmlich sein. Wie in § 5 Abs. 1 des Entwurfs ausgeführt, soll die Pauschale sämtliche Kosten – also Personalkosten, Raumkosten, Fortbildungskosten und Dokumentationskosten – abdecken. Mit einer Pauschale in Höhe von 70 Euro je Beratung ist der Aufwand nur dann kostendeckend zu betreiben, wenn die eigentliche Beratung der Schwangeren mit geringem zeitlichen Aufwand erfolgt. Das ist mit der Zielrichtung der Beratung nicht zu vereinbaren, denn die Schwangere soll ja gerade nicht nur eine für die Straflosigkeit eines Abbruchs erforderliche Bescheinigung ausgestellt erhalten, sondern nach § 5 Schwangerschaftskonfliktgesetz umfassend zu Hilfen, rechtlichen Vorgaben und medizinischen Aspekten beraten werden. Will der Gesetzgeber seiner Verpflichtung zur adäquaten Finanzierung ausreichender Beratungsstellen entsprechen, muss er einen die Kosten abdeckenden Satz zur Verfügung stellen. Mit 70 Euro ist das – gerade in Ballungsgebieten mit hohen Raumkosten – nicht gewährleistet.

§ 6 Zentralstelle Hessen für die Vergabe der Bundesmittel aus der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“

Im Sinne der Transparenz, sicherer Finanzierung und Rechtssicherheit begrüßt der djb, dass mit dem neuen § 6 die bisherige Praxis nun auch in gesetzliche Form gebracht wird.

Gleiches gilt für die Änderung der Begrifflichkeit Beratungsstelle zu Beratungspersonalstelle. Klar ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass solange die Pflichtberatung im Rahmen der bisherigen Regelung der §§ 218, 219 StGB fortbesteht, ausreichend vertrauensvolle, niedrigschwellige und ergebnisoffene Beratungsangebote in ganz Hessen für alle Frauen zur Verfügung stehen müssen.

 

Ursula Matthiessen-Kreuder

Vorsitzende des Landesverbandes Hessen

 


[1] Stellungnahme 19-17 des Deutschen Juristinnenbundes e.V. (djb) zum Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE Hessisches Gesetz zum Schutz der Rechte von schwangeren Frauen bei Schwangerschaftsberatung und -abbruch (Drs 20/384 vom 22.03.2019), abrufbar unter www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st19-17 (Zugriff: 12.11.2021)

[2] Siehe die Stellungnahme 19-03 des djb zum Referentenentwurf des BMJV „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ vom 28. Januar 2019 und zum Eckpunktepapier zur „Verbesserung der Information und Versorgung in Schwangerschaftskonfliktlage, abrufbar unter www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/st19-03/ (Zugriff: 12.11.2021).

[3] Pressemitteilung 21-18 des djb, Schwangerschaftskonfliktberatung: Ungehinderten Zugang rechtlich absichern, abrufbar unter www.djb.de/presse/stellungnahmen/detail/pm21-18 (Zugriff: 12.11.2021); es wird an dieser Stelle ergänzend auf das neue Rechtsgutachten zur Prüfung möglicher gesetzlicher Neuregelungen im Konfliktfeld "Gehsteigbelästigung" von Dr. Sina Fontana verwiesen, abrufbar unter www.gwi-boell.de/de/rechtsgutachten-zur-verbesserung-des-zugangs-zur-schwangerschaftskonfliktberatung (Zugriff: 12.11.2021).

[4] Forderungen des djb zu sexueller Selbstbestimmung, abrufbar unter www.djb.de/themen/reproduktive-selbstbestimmung (Zugriff: 12.11.2021).