Stellungnahme: 20-35


zum Zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II)

Stellungnahme vom

(Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst)

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die folgenden Ausführungen beschränken sich aufgrund der kurzen Frist zur Stellungnahme auf einige wenige Punkte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ziel des Gesetzes

Der djb begrüßt die Zielsetzung des Entwurfs, die Wirksamkeit von Maßnahmen der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst weiter zu steigern. Das gilt insbesondere für die Beteiligung von Frauen in den Organen von Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist, für Führungspositionen der Dienststellen des Bundes und den Beginn einer verbindlichen Regulierung für die Vorstände von Unternehmen.

Zu Artikel 1 - Bundesgremienbesetzungsgesetz

Zu Nummer 1 (§ 2)

Die Verengung des Anwendungsbereichs des BGremBG (§ 2) auf Aufsichtsgremien und „wesentliche Gremien“, wie sie erst durch das FüPoG erfolgte, wird bedauerlicherweise fortgeführt. Das Vorgängergesetz, das Gesetz über die Berufung und Entsendung von Männern und Frauen in Gremien im Einflussbereich des Bundes vom 24.06.1994 (BGBl. I S. 1406), galt für alle Vorstände, Beiräte, Kommissionen, Ausschüsse, Verwaltungs- und Aufsichtsräte, kollegiale Organe und vergleichbare Gruppierungen, soweit der Bund für deren Mitglieder Berufungs- oder Entsendungsrechte hatte (§ 2 Abs. 1 BGremBG 1994). Es sollte zum umfassenden Anwendungsbereich der Vorfassung zurückgekehrt werden.

Zu Nummer 2 (§ 3)

Die redaktionelle Änderung der Definition von „wesentliche Gremien“ ist weiterhin unbestimmt. Bei der Auslegung hilft auch die Begründung nicht weiter, in der es heißt, „insbesondere“ Gremien mit Überwachungs-, Koordinierungs- oder Beratungsfunktion seien gemeint, „grundsätzlich“ aber nicht Vertretungs- oder Geschäftsführungsgremien. Die Begründung lässt offen, ob und in welchen Fällen ausnahmsweise auch letztgenannte Gremien erfasst sein sollen.

Sofern der enge Anwendungsbereich (§ 1) fortgeschrieben wird, sollte der Kreis der wesentlichen Gremien durch solche mit besonderer wirtschaftlicher Bedeutung erweitert werden. Zu denken ist vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie beispielsweise an beratende Gremien im Zusammenhang mit der Vergabe staatlicher Förderungen für Unternehmen und Branchen. Die Evaluierung der Konjunkturprogramme der Bundesregierung anlässlich der Finanzkrise 2008/2009 kam zu dem Ergebnis, dass diese nicht geschlechtergerecht konzeptioniert waren und wirkten. Frauen, sei es als Unternehmerin, Arbeitnehmerin oder Verbraucherin, profitierten weitaus weniger von den Förder- und Hilfsmaßnahmen. Als ein wesentlicher Grund hierfür wurde die fast ausschließlich männliche Besetzung von Lenkungs- und Entscheidungsgremien ermittelt, in denen weibliche Erfahrungen und Sichtweisen fehlten und spezifische Problemstellungen schlicht nicht betrachtet wurden. Dem kann mit einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen auch an Gremien mit besonderer wirtschaftlicher Bedeutung entgegengewirkt werden.

Zu Nummer 3 (§ 4)

Zu begrüßen ist, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Aufsichtsgremien und wesentliche Gremien erweitert werden soll, in denen der Bund zwei oder mehr Sitze hat und darüber hinaus Parität anstelle einer 30 %-Quote als Ziel festgeschrieben wird. Die Ausweitung bleibt allerdings hinter dem gleichstellungsrechtlich Gebotenen deutlich zurück. Denn mit diesem Änderungsvorschlag ist auch verbunden, dass aus der klaren Pflicht zur Berücksichtigung der angemessenen Beteiligung von Frauen ("müssen … sein") eine Soll-Bestimmung ("sollen…zu gleichen Teilen vertreten sein") wird. Im Ergebnis kommt es also zu einer Aufweichung der Verbindlichkeit der erhöhten Anforderungen, auch dadurch, dass eine Regelung zur Sanktionierung des Nichteinhaltens des Paritätsziels fehlt. Es erscheint sehr fraglich, ob diese Konstellation einen spürbaren Effekt auf die geschlechtergerechte Besetzung von Aufsichtsräten haben wird. Stattdessen wird die Formulierung „müssen … zu gleichen Teilen vertreten sein“ angeregt.

Zu Artikel 2 – Bundesgleichstellungsgesetz

Zu Nummer 1 (Gesetzestitel)

Vor dem Hintergrund der unter Nummer 4 geplanten Änderung des § 2 und der begrüßenswerten Ersetzung des ungenauen Begriffs „Unternehmen“ durch „Juristische Personen“ ist es konsequent, den Begriff „Unternehmen“ aus dem Gesetzestitel zu streichen. Jedoch sollte der Bezug auf die privatwirtschaftliche Betätigung der Bundesverwaltung nicht einfach aus dem Gesetzestitel entfernt werden, weil dies den falschen Eindruck erweckt, dass Betätigungen der Bundesverwaltung in Privatrechtsformen nicht die Vorgaben des Bundesgleichstellungsgesetzes zu beachten haben. Dies ist ausweislich der folgenden Änderungen, insbesondere unter Nummer 4, unzutreffend. Es wird angeregt, dies bei der Neufassung des Gesetzestitels zu berücksichtigen. 

Zu Nummer 3 Buchstabe b (§ 1 Absatz 2)

Die Einführung eines zeitlichen Paritätsziels wird grundsätzlich begrüßt. Es fehlt aber an einer Sanktionierung bei Nichteinhaltung. Der Wert dieser gesetzlichen Festschreibung erscheint fraglich, wenn sie nicht mit Konsequenzen oder Rechtsfolgen verbunden ist.

Zu Nummer 4 (§ 2)

Gemäß § 2 Satz 2 BGleiG sollen Unternehmen des Bundes, also Einrichtungen und Institutionen der mittelbaren Bundesverwaltung und Unternehmen, die aus bundeseigener Verwaltung in ein Unternehmen des privaten Rechts umgewandelt werden, auf die entsprechende Anwendung des Bundesgleichstellungsgesetzes hinwirken. Für den Begriff „Unternehmen“ gibt es allerdings keine einheitliche Legaldefinition. Deshalb wird begrüßt, dass § 2 Absatz 2 RefE nunmehr den Begriff der "juristische Personen" verwendet. Allerdings ist mit dieser Änderung des § 2 auch verbunden, dass die Gesetzesanwendung in der Satzung für verbindlich erklärt werden „kann“. Es sollte am Wortlaut der derzeitigen Fassung von § 2 Satz 2 BGleiG festgehalten und eine Soll-Vorschrift vorgesehen werden. Auch das Erfordernis der Einstimmigkeit bei einer Satzungsänderung in Satz 2 sollte ersatzlos entfallen. Der Schutz von anderen Anteilseignern, auf den die Begründung abzielt, ist nur bei einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes erforderlich. In einer solchen Konstellation auf die Durchsetzung des Gleichstellungsrechts zu verzichten, erscheint allerdings nicht angemessen.

Zu Nummer 5 Buchstabe b (§ 3)

Die Annahme, dass bei einer numerischen Unterrepräsentation nur Frauen strukturell benachteiligt sind, Männer hingegen nicht (Nummer 9) wird ausdrücklich begrüßt. Die Begründung des Entwurfs ist zu diesem Punkt unter Nummer 9 erfreulich deutlich. (Jedoch scheint in der Begründung noch eine falsche Nummerierung, nämlich 10 und 11 statt 9 und 10, verwendet zu werden.)

Die weite Definition von Führungspositionen (Nummer 10) wird begrüßt. Es ist im öffentlichen Dienst sachgerecht, den Begriff von der Vorgesetztenfunktion im Sinne einer Beurteilungskompetenz abzukoppeln und auf die inhaltliche Weisungsbefugnis zu erweitern.

Zu Nummer 6 Buchstabe b (§ 4 Absatz 3)

Im geänderten § 4 Absatz 3 werden die Vorgaben für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache erweitert und präzisiert, wobei hier ebenfalls eine stärkere Verbindlichkeit wünschenswert wäre. Vor dem Hintergrund der seit 2017 durch das Bundesverfassungsgericht bestätigten Tatsache, dass es neben den Geschlechtern weiblich und männlich weitere anzuerkennende Geschlechtsoptionen gibt, sollte in der Sprache zudem dazu übergegangen werden, die Gleichstellung „der Geschlechter“ (anstatt der Gleichstellung „von Frauen und Männern“) sprachlich zum Ausdruck zu bringen.

Zu Nummer 7 (§ 5)

Die Überschrift von § 5 BGleiG soll von „Grundsatz; Anwendungshinweis“ in „Ausnahmen von der Anwendung“ geändert werden, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung der Vorschrift einhergeht. Die Begründung hierzu führt lediglich „redaktionelle Gründe“ an.

Von der Änderung des Titels des § 5 sollte abgesehen werden. Denn den Gesetzabschnitt zu „Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern“ mit einem Paragraphen mit dem Titel „Ausnahmen von der Anwendung“ zu beginnen signalisiert ein verschobenes Regel-Ausnahme-Verhältnis. Es wird suggeriert, dass Gleichstellungsmaßnahmen grundsätzlich vorgesehen sind, es aber so viele Ausnahmen gibt, dass die oder der Rechtsanwendende zunächst prüfen sollte, ob sich eine nähere Befassung mit den Maßnahmen zur Gleichstellung überhaupt lohnt. Allerdings gibt der konkrete Inhalt der Regelung nur sehr geringen Raum für die Nichtanwendung des Gesetzes. Denn es ist nach heutigem Rechtsverständnis eigentlich keine berufliche Tätigkeit mehr denkbar, für die ein bestimmtes Geschlecht so unverzichtbare Voraussetzung ist, dass für die entsprechende Stelle pauschal auf alle Maßnahmen zur Gleichstellung verzichtet werden könnte. Auch die Regelung in Absatz 2 führt zu keinem umfassenden Ausschluss der Anwendung des BGleiG. Vielmehr wird hier nur das grundsätzliche Verhältnis der Normen des BGleiG zu denen des Bundespersonalvertretungsgesetzes und des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch klargestellt.

Zu Nummer 8 Buchstabe a (§ 6 Absatz 1)

Es wird vorgeschlagen, die Unterrepräsentanz von Frauen in bestimmten Bereichen im Ausschreibungstext deutlicher herauszustellen. § 6 Absatz 1 Satz 4 sollte wie folgt gefasst werden: „Sind Frauen in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentiert, so ist in der Ausschreibung in geeigneter Weise darauf hinzuweisen und Frauen sind verstärkt zur Bewerbung aufzufordern.“

Darüber hinaus sollte die geänderte Fassung von § 6 Absatz 1 eine Klarstellung enthalten, was unter dem Begriff der geschlechtsneutralen Formulierung verstanden wird. Jedenfalls sollte die Begründung entsprechend ergänzt werden. Die in Stellenausschreibungen aktuell gängige Verwendung der männlichen Form der Berufsbezeichnung und des Anhangs (m/w/d) stellt keine geschlechtsneutrale Formulierung dar, da hier letztlich das generische Maskulinum verwendet wird. Empfohlen wird die Vorgabe, dass zumindest die weibliche und männliche Berufsbezeichnung und der Zusatz (m/w/d) oder eine tatsächlich geschlechtsneutrale Formulierung, wie „Lehrkräfte“, „Fachkräfte“ etc. zu verwenden ist.

Der neu vorgesehene Satz 6 könnte wegen der Bezugnahme auf Satz 5 so verstanden werden, dass eine Teilzeitbeschäftigung im Regelfall mit einer Führungsposition unvereinbar ist. Sofern das gemeint ist, sollte der Satz entfallen. Sofern das nicht gemeint ist, sollte der Wortlaut, jedenfalls aber die Begründung entsprechend gefasst werden.

Zu Nummer 10 (§ 8)

§ 8 ist die Kernregelung, die das Gleichstellungsrecht mit dem Beamtenrecht verzahnt. Die vorgeschlagene Neufassung von Absatz 1 vergibt (erneut) die Chance, die leistungsabhängige Vorzugsregel in der Praxis wirksam auszugestalten, indem nur noch eine „im Wesentlichen gleiche“ Qualifikation verlangt wird. Es wird auf die nach wie vor rechtlich zutreffenden Überlegungen von Papier/Heidebach in ihrem Beitrag „Mehr Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes durch Fördermaßnahmen – verfassungs- und europarechtliche Bewertung“ (DVBl. 2015, 125) verwiesen, die bereits im Gesetzgebungsverfahren des FüPoG diskutiert worden sind. Die Autoren bezogen sich hierbei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-407/98 „Abrahamsson und Anderson“ (dort Rn. 62). Der EuGH lässt für Auswahlentscheidungen eine fast gleichwertige Qualifikation (in der englischen Fassung „equivalent or substantially equivalent merits“, in der französischen Fassung „sensiblement équivalent“) genügen. Der Entwurf sollte unbedingt durch eine Klarstellung entsprechend ergänzt und die leistungsabhängige Vorzugsregel endlich auch im Beamtenrecht wirksam gemacht werden.

Der djb begrüßt, dass die verfassungswidrige „Männerquote“ in § 8 Abs. 1 Satz 5 BGleiG aufgegeben werden soll.

Zu Nummer 14 Buchstabe b (§ 13 Absatz 2)

Die konkretere Formulierung der Inhalte und Festlegungen des Gleichstellungsplans in § 13 Absatz 2 Satz 1 wird begrüßt. Insbesondere die Möglichkeit der Dienststellen, den Zeitpunkt der Zielerreichung selbst festzulegen ist eine interessante Maßnahme individueller Personal-planung. Allerdings besteht durch diese Flexibilität auch die Gefahr, dass Zeitpunkte für die Zielerreichung festgelegt werden, die über den Geltungsbereich des Gleichstellungsplans hinaus und in ferner Zukunft liegen. Es könnte hier zu ähnlichen Vereitelungseffekten kommen, wie sie infolge des ersten Führungspositionen-Gesetzes mit Blick auf die Verpflichtung zur Erreichung einer selbst benannten Frauenquote in Vorständen (Zielgröße "Null") eintraten.

Zu Nummer 30 (§ 33)

Die Einspruchsrechte der Gleichstellungsbeauftragten sollten erweitert werden um ein fremdnütziges Klagerecht zugunsten weiblicher Beschäftigter der Dienststellen in Diskriminierungsfällen sowie auf den Fall, in dem ohne sachliche Rechtfertigung vom Gleichstellungsplan abgewichen wird. Die bisherige Auffangklausel in § 33 Abs. 1 Nr. 6 BGleiG erfasst diese Fallkonstellationen nicht.

Zu Nummer 31 (§ 34 Absatz 1)

Es wird begrüßt, dass das außergerichtliche Einigungsverfahren als Voraussetzung für die Anrufung des Verwaltungsgerichts unter bestimmten Voraussetzungen wegfallen soll.

Zu Nummer 33 Buchstabe a (§ 38 Absatz1)

Der in § 38 Absatz 1 BGleiG enthaltene Katalog der statistisch zu erfassenden Daten könnte noch um die Anzahl befristeter Arbeitsverhältnisse und die dortige Geschlechterverteilung ergänzt werden. Dies dient auch zur Selbstkontrolle der Dienststellen hinsichtlich der gegebenenfalls unsachgemäßen Begründung befristeter Arbeitsverhältnisse, die als prekär zu betrachten sind. In der Gruppe der atypisch, also befristet oder in Teilzeit Beschäftigten sind Frauen überrepräsentiert. Dies wirkt sich auf ihr allgemeines Einkommensniveau aus, das unter dem von Männern liegt (Gender Pay Gap). Eine statistische Erfassung aller atypischen Beschäftigungsverhältnisse könnte dabei helfen, innerhalb der Bundesverwaltung die Basis für Entgeltungleichheit aufzudecken und ihr entgegenzuwirken. 

Begrüßt wird die Aufnahme von Beurteilungsergebnissen von Regelbeurteilungen in den Katalog der zu erhebenden Daten. Die Regelung sollte um die Ergebnisse von Anlass- bzw. Bedarfsbeurteilungen einschließlich der jeweiligen Gründe für die Beurteilung erfasst würden, weil diese Beurteilungen häufig aus Anlass einer Beförderungsbewerbung erstellt werden und hier die Weichen für eine leistungsbezogene Auswahl getroffen werden. Ein geschlechtergerechtes Beurteilungswesen bildet die Basis für Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer im öffentlichen Dienst. Jedoch muss zunächst erkundet werden, ob und inwieweit geschlechtsspezifische Unterschiede und Effekte (z.B. Fehlzeiten, unbewusste stereotype Eigenschaftszuschreibungen) belegbar zu unterschiedlichen Beurteilungsergebnissen bei Frauen und Männern führen. Eine in Bezug auf Beurteilungsergebnisse umfassende Formulierung des § 38 Absatz 1 Nr. 7 RefE wäre zielführend.

 

Prof. Dr. Maria Wersig                              Dr. Sina Fontana
Präsidentin                                                Vorsitzende der Kommission Verfassungsrecht,
                                                                    Öffentliches Recht, Gleichstellung