Stellungnahme: 17-08


zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderehen

Stellungnahme vom

I. Vorbemerkung

Nachdem sich im Vorfeld des Entwurfs die Fachverbände, insbesondere der Deutsche Familiengerichtstag, aber auch der Deutsche Anwaltsverein, eher gegen gesetzliche Regelungen ausgesprochen haben und das Instrumentarium des geltenden Rechts für ausreichend erachteten, überraschte dann der am 17. Februar 2017 vorgelegte Regierungsentwurf, der eine Stellungnahmefrist von drei Arbeitstagen einräumte. Dass eine solche Frist unrealistisch ist, bedarf keiner Vertiefung.

Der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) sieht eine Stellungnahme gleichwohl veranlasst, da die Koalition sich aktuell auf den in wesentlichen Punkten kritikwürdigen Gesetzentwurf verständigt hat.

II. Zu den im Einzelnen geplanten Gesetzesänderungen folgendes:

Art. 1 Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

§ 1303 BGB-RegE

Der Regierungsentwurf stellt zunächst zwei entscheidende Weichen mit dem Ziel der Verhinderung sogenannter Kinderehen: Zum einen wird das Ehemündigkeitsalter ausnahmslos auf 18 Jahre hinaufgesetzt. Zum anderen werden Ehen, die von unter 16-jährigen im Ausland geschlossen werden, als nichtig angesehen. Ehen unter Beteiligung von Minderjährigen, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet haben, können auf Antrag auch der zuständigen Behörde aufgehoben werden.

Mit der ersatzlosen Streichung des Dispenses für Eheschließungen von Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und noch nicht volljährig sind, löst sich der Entwurf von dem Gedanken, dass es Situationen geben kann, in denen der Heiratswunsch dieser Personen nachvollziehbar und schützenswert sein kann. Soweit argumentiert wird, dass die Motivation für die Eheschließung vor dem 18. Lebensjahr in früheren Jahren vor allem darin bestand, nichteheliche Geburten zu vermeiden, sei dieser Ansatz in einer modernen Gesellschaft nicht mehr von Bedeutung, sodass (auch) kein Bedürfnis für eine Eheschließung vor dem 18. Lebensjahr bestehe.

Diese Erwägungen mögen für die überwiegende Anzahl der deutschen Staatsangehörigen tragfähig sein, möglicherweise auch für die Mehrheit der in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer. Aus der Anzahl der erteilten Dispense, die zweifelsohne gering ist (vgl. Wellenhofer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. § 1303 Rn. 1 – durchschnittlich ca. 130 p.a.), lässt sich das fehlende Bedürfnis allerdings nicht ableiten. Denn mit dem Wegfall des Voraustrauungsverbotes (dazu später) bestand gerade für junge Menschen muslimischen Glaubens die Möglichkeit, die (religiöse) Ehe zu schließen, um den „Makel“ der Nichtehelichkeit zu beseitigen.

Die Tatsache, dass die allein religiös vollzogenen Eheschließungen seit der Streichung des Voraustrauungsverbotes angestiegen sind, so die Begründung zum Entwurf, lässt daher die Schlussfolgerung, die aus dem empirischen Befund zum Dispens nach dem bisherigen § 1303 BGB gezogen wird, zumindest zweifelhaft erscheinen.

Die weitere Begründung zur Einführung eines ausnahmslosen Mindestheiratsalters erscheint demgegenüber tragfähiger – und auch ehrlicher: Es geht darum, die Entscheidung zur Eheschließung und den damit verbundenen Folgen nur Personen zu eröffnen, die ein Alter erreicht haben, ab dem davon ausgegangen werden kann, dass die Konsequenzen adäquat erfasst werden.

Dem stimmt der djb ausdrücklich zu.

§ 1310 BGB-RegE

Die Mitwirkungspflichten der Standesbeamtin/des Standesbeamten werden mit Blick auf Art. 13 Abs. 3 EGBGB-RegE neu gefasst; da im Folgenden ein Absehen von Änderungen an Art. 13 Abs. 3 EGBGB empfohlen wird (siehe unten), wird auch diese Neuregelung in §  1310  BGB-RegE entbehrlich. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass erst die Praxis zeigen wird, ob sich die Mitwirkungspflichten in der Umsetzung als einfach gelagert erweisen oder vermehrt von §  49 Personenstandsgesetz (PStG) Gebrauch gemacht werden wird.

§ 1314 BGB-RegE

Begrüßt wird, dass eine Eheschließung von Personen, die zwischen 16 und 18 Jahren geheiratet haben, „nur“ aufgehoben werden kann (im Gegensatz zur Nichtigkeit). Dies hatte der djb bereits in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2017 (wfd://5/3669) gefordert und für unabdingbar gehalten. Ergänzend kann auf die überzeugenden Ausführungen von Coester (FamRZ 2017, 77 ff.) verwiesen werden, wonach eine Nichtigkeit ohne Einzelfallprüfung mit dem in Art. 6 GG verankerten Schutz von Ehe und Familie, mit dem durch Art. 1, 2 und 6 GG gebotenen Schutz des Kindeswohles des betroffenen Ehegatten und etwaiger aus der Verbindung bereits hervorgegangener Kinder und schließlich mit Art. 8 EMRK unvereinbar wäre.

§ 1315 BGB-RegE

Die Vorschrift regelt die Ausnahmen vom Aufhebungsgebot, das § 1314 BGB-RegE im Zusammenhang mit § 1316 Abs. 2 S. 2 BGB-RegE normiert. Sie verdeutlicht, dass eine Aufhebung der Ehe Minderjähriger nicht in allen denkbaren Fällen den bezweckten Schutz der Minderjährigen erreichen wird (§ 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a BGB-RegE).

Besonders dann, wenn aus der gelebten Beziehung Kinder hervorgegangen sind, wäre die Aufhebung der Ehe nicht mit dem intendierten Schutz der Minderjährigen vereinbar. Die individuellen Gründe, die zur Ehe geführt haben, können bei der Entscheidung über die Eheaufhebung ebenso einfließen wie der weitere Lebensweg des Paares.

Der Gesetzentwurf geht schließlich davon aus, dass die Aufhebung ausgeschlossen ist, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Aufhebung der Ehe eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint (§ 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit b BGB-RegE). In der Begründung sind hier hervorgehoben schwere Erkrankungen oder die Beeinträchtigung von Freizügigkeitsrechten der oder des Minderjährigen. Nachdem diese Aufzählung keineswegs abschließend erscheint, dürften andere Gründe vergleichbaren Schweregrades ebenso denkbar sein; der Gesetzentwurf entscheidet sich hier wegen der Vielfalt denkbarer Härtefälle zu Recht gegen eine enumerative Aufzählung und öffnet daher die Härteklausel für Konstellationen, in denen der gewünschte Schutz Minderjähriger mit einer schablonenhaften Anwendung der Ehemündigkeitsvorschriften unterlaufen werden würde.

§ 1316 BGB-RegE

Die Regelung ist nachzubessern. Gemäß § 1316 Abs. 3 BGB soll die zuständige Verwaltungsbehörde bei einem Verstoß gegen die §§ 1304, 1306, 1307 BGB sowie in den Fällen des § 1314 Abs. 2 Nr. 1 und 5 BGB den Antrag stellen, wenn nicht die Aufhebung der Ehe für einen Ehegatten oder für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise geboten erscheint.

Nach geltendem Recht steht die Stellung des Aufhebungsantrags grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und kann im Verwaltungsrechtsweg weder von den Ehegatten noch von einem Dritten erzwungen werden. Bei Verstößen gegen §§ 1303 und 1311 BGB gilt § 1316 Abs. 3 BGB (gerade) nicht (Palandt-Götz, BGB, 76. Aufl. § 1316 Rz. 10), d.h. es steht im freien Ermessen der Behörde, ob sie einen Aufhebungsantrags stellt oder nicht.

Nach der beabsichtigten Ergänzung gem. § 1316 Abs. 3 BGB-RegE muss nun die zuständige Behörde bei einem Verstoß gegen § 1303 Satz 1 BGB-RegE den Antrag stellen, es sei denn, der minderjährige Ehegatte ist zwischenzeitlich volljährig geworden und hat zu erkennen gegeben, dass er die Ehe fortsetzen will. Dies ist nicht nur systemfremd, sondern auch überschießend.

Will man es bei der beabsichtigten Regelung belassen, ist jedenfalls das Wort „muss“ durch „soll“ zu ersetzen. Gesetzestechnisch sinnvoller dürfte es allerdings auch mit Blick auf § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB-RegE sein, die Formulierung vom gebundenen Ermessen in § 1316 Abs. 3 BGB um § 1303 Satz 1 BGB zu ergänzen.

Weitere Anmerkung:

Der djb fordert im Übrigen eine Ergänzung des Entwurfs, weil die Folgen der Eheaufhebung nur dann dem Scheidungsfolgenrecht nachgebildet sind, wenn der begünstigte Ehegatte die Aufhebbarkeit der Ehe nicht gekannt hat (§ 1318 Abs. 2 Ziff 1 1. Alt. BGB). Das greift zu kurz für minderjährige Mädchen, wenn bei ihnen die notwendige laienhafte Kenntnis zur Aufhebbarkeit einer Ehe unter dem Aspekt der fehlenden Ehemündigkeit vorhanden war (vgl. Wellenhofer a.a.O. § 1318 Rn. 4). Soweit der Gesetzentwurf hier unterstellt, dass gerade bei ausländischen Eheschließungen eine Unkenntnis anzunehmen sein dürfte, ist diese Annahme zu weitgehend und empirisch nicht belegt. Hinzu kommt, dass der minderjährige Ehegatte seine Unkenntnis beweisen muss, wenn er sich auf das Scheidungsfolgenrecht beruft, also etwa Unterhaltsansprüche geltend macht (Wellenhofer a.a.O. § 1318 Rn. 9). Damit gehen Zweifel zu Lasten des schutzwürdigeren minderjährigen Ehegatten, überwiegend der weiblichen Minderjährigen.

Artikel 2

Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Der Entwurf sieht vor, dass eine Ehe ausländischer Staatsangehöriger in Abweichung vom Prinzip der Maßgeblichkeit des Heimatrechts der Verlobten (Art. 13 Abs. 1 EGBGB) unwirksam ist, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte (Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB-RegE). Wenn der Verlobte das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte, soll die Ehe aufhebbar sein (Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB-RegE).

Obschon der djb das Bestreben begrüßt, das Wohl des minderjährigen Ehegatten, meist der Frau, zu schützen, wird der Entwurf an dieser Stelle abgelehnt, da er keinerlei Einzelfallprüfung erlaubt. Eine Einzelfallprüfung erscheint aber unerlässlich. Denn auch die Betrachtung der von einem Fünfzehnjährigen geschlossenen Ehe als unwirksam kann dem Wohl des Minderjährigen schaden.

Die Regelung enthält eine in dieser Form neuartige Sachnorm. Zwar sind Sachnormen mit eigenem Anwendungsbereich dem EGBGB nicht fremd. Sie beziehen sich bislang – soweit hier von Interesse – jedoch nur auf die Form der Eheschließung und Ehescheidung (Art. 13 Abs. 3 S. 1, Art. 17 Abs. 2 EGBGB), nicht auf Ehehindernisse.

Die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § … Abs. 4 Nr. 2 EGBGB-RegE sieht zudem vor, dass Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB-RegE nicht gilt, wenn die nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der Eheschließung bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Die Ziffer normiert mit ihrer zweiten Voraussetzung einen sehr speziellen Fall eines schwachen Inlandsbezugs, da nur einer von vielen denkbaren Fällen geregelt wird.

Dies zeigt, dass es insgesamt überzeugender wäre, den Inlandsbezug als einen Faktor in eine Abwägung im Rahmen des ordre public-Vorbehalts des Art. 6 EGBGB einzubeziehen.

Unklar ist schließlich, welche Folgen die Aufhebbarkeit nach dem geplanten Art. 13 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB-RegE haben soll, insbesondere ob auch hier eine Pflicht zur Stellung eines Aufhebungsantrags durch die zuständige Behörde gelten soll (die nach hier vertretener Ansicht ohnehin so nicht eingeführt werden sollte, siehe oben). Nach dem Wortlaut des geplanten § 1316 Abs. 3 Satz 2 BGB-RegE („Bei einem Verstoß gegen § 1303 …“) scheint dies nicht der Fall zu sein. Sinngemäß gilt dies ebenso für die Heilungsmöglichkeiten nach §  1315 BGB; es bleibt offen, ob sie eingreifen sollen.

Die Entwurfsbegründung scheint im Übrigen davon auszugehen, dass in diesen Fällen deutsches materielles Aufhebungsrecht anwendbar ist. Dem Art. 13 Abs. 3 EGBGB-RegE lässt sich das nicht entnehmen.

Nach Auffassung des djb könnte das Problem der im Ausland geschlossenen Ehen minderjähriger Ausländer weiterhin dem allgemeinen ordre public-Vorbehalt des Art. 6 EGBGB überlassen bleiben, der schon bislang eine einzelfalladäquate Behandlung ermöglicht hat. Sofern der Gesetzgeber eine kritischere Betrachtung als bislang wünscht, wird zu bedenken gegeben, dass dies ohnehin mit der Verschärfung des Sachrechts in den §§ 1303 ff. BGB einhergehen wird. Denn die Anwendung der Vorbehaltsklausel (Art. 6 EGBGB) setzt die Prüfung voraus, inwieweit die ausländische Regelung von grundlegenden Überzeugungen der deutschen Rechtsordnung abweicht. Wenn sich nun das deutsche Sachrecht im Hinblick auf die Ehemündigkeit maßgeblich verschärft, werden ausländische Ehemündigkeitsregeln mit niedriger Altersgrenze einfacher als bislang als ordre public-widrig einzustufen sein. Zum anderen ändert sich das ersatzweise anwendbare Recht, das – sofern eine dem System des ausländischen Rechts konforme Lösung nicht möglich ist – an die Stelle der ordre public-widrigen ausländischen Regelung tritt.

Ist eine kollisionsrechtliche Änderung mit höherer Sichtbarkeit gewollt, so würde es sich (eher) anbieten, in Art. 13 EGBGB einen qualifizierten Vorbehalt aufzunehmen, der schärfer als Art. 6 EGBGB beispielsweise die Ehen Minderjähriger für im Regelfall ordre public-widrig erklärt.

Sollte der geplante Art. 13 Abs. 3 EGBGB-RegE trotz der hier vorgebrachten Kritik beibehalten werden, ist anzumerken, dass es wohl statt „Unterliegt die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Absatz 1 ausländischem Recht ..." heißen sollte "Unterliegt die Ehemündigkeit der Verlobten nach Absatz 1 ausländischem Recht ...." Denn Art. 13 Abs. 1 EGBGB ordnet die kumulative Geltung der Heimatrechte beider Verlobter an, sodass, wenn nur für die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen eines Verlobten ausländisches Recht anwendbar ist, die §§ 1303 ff. BGB ohnehin Anwendung finden.

Artikel 3

Änderung des Personenstandsgesetzes

§ 11 PStG-RegE

Der Regierungsentwurf hält es für notwendig, das erst zum 1. Januar 2009 entfallene Voraustrauungsverbot wieder einzuführen. Als das Voraustrauungsverbot geräuschlos zum 1. September 2009 gestrichen wurde (Schüller, NJW 2008, 2745; Schwab, FamRZ 2008, 1121 ff), hielt man das Verbot, dessen Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit zweifelhaft schien (vgl. Tillmans, NVwZ 2003, 43 ff.), für obsolet. Ein historischer Konflikt wurde still beigelegt (zur kirchenrechtlichen Problematik: Heinig, FamRZ 2010, 89 ff.).

Allein der Bundesrat hatte sich gegen die Streichung ausgesprochen. Zwar sei im Verhältnis zu den beiden großen Kirchen nicht zu erwarten, dass das Voraustrauungsverbot erhebliche Bedeutung erlangen könnte. Entsprechendes könne jedoch für die – tendenziell an Bedeutung gewinnenden – anderen zwischenzeitlich in Deutschland verbreiteten Religionsgemeinschaften nicht festgestellt werden (Empfehlungen der Ausschüsse zu Punkt 9 der 815. Sitzung des Bundesrates am 14. Oktober 2005, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Personenstandsrechts – PStRG, Vorschlag zu § 70a PStG).

Unmittelbar nach Wegfall des Verbots zeigte sich, dass diese Befürchtung berechtigt gewesen war. Vor allem für Frauen muslimischen Glaubens hätte das Voraustrauungsverbot möglicherweise eine Schutzwirkung entfalten können, die wohl unterschätzt worden war. So wies Terre des Femmes darauf hin, dass sich aus der Beratungspraxis Hinweise darauf ergeben hätten, dass muslimische Mädchen nach ihrem 14. Lebensjahr nach religiösem Ritus verheiratet würden. Nach Erreichen des 18. Lebensjahres folge dann die zivilrechtliche Ehe. Terre des Femmes vermutet, dass 10-20 Prozent aller Ehen unter Muslimen zuerst religiös geschlossen würden. Mit Blick darauf wurde die Wiedereinführung des Voraustrauungsverbotes unter dem Aspekt des Kinder- und Mädchenschutzes gefordert (http://frauenrechte.de/online/index.php/presse/pressearchiv/2012/1076-risiken-fuer-zwangsverheiratung-und-ehren-mord-steigen-standesamtliche-trauung-muss-wieder-vorrang-vor-der-religioesen-haben-25102012.html).

In jüngster Zeit ist mit Rücksicht auf die aktuelle politische Lage die Diskussion um sogenannte Imam-Ehen, deren fehlende rechtliche Verbindlichkeit den Blick auf die damit einhergehenden kulturellen Zwänge nicht verstellen darf (in diesem Sinne auch Antomo, NZFam 2016, 1155), wieder entfacht worden. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Einschränkung der Religionsfreiheit bleibt, und die verfassungsrechtlichen Fragen nicht geklärt sind.

Ob zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in das verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht eingegriffen werden darf, wird im Rahmen praktischer Konkordanz zu prüfen sein.

Nach der beabsichtigten Fassung, die allein für Minderjährigenehen gilt, werden jedoch religiöse Eheschließungen Erwachsener (Volljähriger) weiterhin möglich sein. Ob das hinzunehmen ist, wird zu diskutieren sein.

Die Begründung zum Entwurf schweigt zu der Einschränkung. Sie ist jedenfalls nicht deswegen zu rechtfertigen, weil billigenswerte Konstellationen denkbar sind. Auch hier führt die Liberalisierung der gesellschaftlichen Werte dazu, dass Härten kaum noch in Betracht kommen. Ebenso wenig wie es vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklung für Minderjährige als schutzwürdiges Motiv angesehen werden kann, eine Eheschließung etwa wegen einer Schwangerschaft vorzunehmen, kann der Wunsch nach Legitimation einer Lebensgemeinschaft akzeptiert werden, die den Pflichtenkanon der wirksamen Zivilehe meidet, während sie durch eine religiöse Eheschließung die gesellschaftliche Reputation zu erwirken versucht (zu den Auswirkungen: Brosius-Gersdorf EuGRZ 2009, 455 zur Entscheidung des EGMR vom 20. Januar 2009 in der Rechtssache Serife Yigit ./. Türkei).

Die Beschränkung auf die Ehen Minderjähriger wirkt sich – im Ergebnis – zu Lasten der betroffenen (erwachsenen) Frauen aus, die durch die religiöse Eheschließung unterhalts-, güter- und erbrechtlich nicht abgesichert sind.

Artikel 7

Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

zu Nummer 2:

Mit der Änderung in § 98 FamFG soll eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Eheaufhebung bei schlichtem Aufenthalt in Deutschland begründet werden; die Regelung soll dort greifen, wo sich die internationale Zuständigkeit nicht bereits aus der Staatsangehörigkeit der Ehegatten (Art. 3 I lit. b Brüssel IIa-VO, § 98 I Nr. 1 FamFG) oder dem gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten (vgl. Art. 3 I lit. a Brüssel IIa-VO) ergibt, sodass über Art. 7 Brüssel IIa-VO die Neuregelung also immer dann greifen soll, wenn es sich um Ehegatten mit nur ausländischer Staatsangehörigkeit ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland handelt.

Diese in Aussicht genommene Änderung des § 98 FamFG ist zu weitgehend. Denn der Inlandsbezug ist bei Ausländern ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu schwach, um eine internationale Zuständigkeit für eine Eheaufhebung – die zudem von deutschen Behörden betrieben werden kann oder „muss“ (s.o.) – zu begründen, erst recht nicht für ein Verfahren, das derart stark in die höchstpersönlichen Angelegenheiten der Betroffenen eingreift.

Die geplante internationale Zuständigkeit wäre danach beispielsweise auch dann eröffnet, wenn zwei syrische Eheleute, von denen einer bei Eheschließung fünfzehn Jahre alt war, in Deutschland Urlaub machen, sich zu einer medizinischen Behandlung kurzzeitig aufhalten oder auf der Durchreise sind. Das ist – selbst wenn man keine Pflicht zur Stellung eines Aufhebungsantrags, sondern nur ein Antragsrecht der zuständigen deutschen Behörde bejaht (s.o.) – ein schwer zu vermittelndes Ergebnis. Wenn man eine Pflicht zur Stellung eines Aufhebungsantrags bejaht, tritt sogar eine Art Automatismus ein, der – wenn nicht Härte- oder Heilungsgründe greifen – zur Aufhebung der Ehe führt, weil weder Behörde noch Gericht ein Abwägungsspielraum zukommt.

zu Nummer 4:

Der geplante § 129a FamFG enthält ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Verfahren zur Aufhebung von Ehen von 16- bis 17-Jährigen. Der djb hält die Regelung nicht für sachgerecht und im Übrigen für entbehrlich. Denn jeder Vorrang eines Verfahrens bedeutet den Nachrang eines anderen. Hinzu kommt, dass über § 155 FamFG bereits eine Vielzahl von Verfahren diesen Vorrang genießt. Unter anderem sind dies auch Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls, die immer dann einschlägig wären, wenn die Ehe des Minderjährigen konkret dessen Wohl gefährdet (auch die bislang ergangenen und veröffentlichten Entscheidungen belegen, dass häufig im Rahmen einer Inzidenterprüfung zu entscheiden sein wird und die Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten ohnehin von § 155 FamFG erfasst werden).

Sinnvoller für die Betroffenen wäre es, wenn der Schutz des Minderjährigen in den Aufhebungsverfahren dadurch verstärkt würde, dass ein Verfahrensbeistand beigeordnet werden kann, der die persönliche Situation des minderjährigen Ehegatten unbeeinflusst von dessen Eltern (die als gesetzliche Vertreter im Verfahren zu beteiligen sein werden) und dem ggf. volljährigen Ehegatten erfassen kann.

Folgeänderungen:

Die in Artikel 1 aufgeführten Folgeänderungen sind – dies ergänzend – zu überprüfen. Allein die Streichung des Wortes „unverheiratet“ führt zu Missverständnissen. Denn dem Wort „Kind“ kommt – bezogen auf das Alter – bislang weder im Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches noch im Buch 4 eine einheitliche Bedeutung zu (§§ 1606 ff. BGB verwenden den Begriff „minderjährige Kinder“). Hier wird auf Gesetzeskonformität zu achten sein.

Ramona Pisal                                               
Präsidentin      

Brigitte Meyer-Wehage
Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien und Erbrecht,
Recht anderer Lebensgemeinschaften